Protocol of the Session on May 8, 2020

Ja, ich gestatte sie. Selbstverständlich.

Abgesehen davon, dass ich schon sehr lange stellvertretender Finanzausschussvorsitzender des Kreises Rendsburg-Eckernförde und Mitglied des Finanzausschusses des Landkreistages bin Chapeau - und da es mir selten vorkommt, dass man mir in Bezug auf Zahlen etwas unterstellt, frage ich: Ist Ihnen bewusst, dass die Anforderung des Urteils eine wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit der Bedarfe war und dass es nicht eine Frage eines kommunalen Bauchgefühls sein sollte, auf das Sie aber jetzt im Verhandlungswege setzen? Damit stellen Sie die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzentwurfs schwer in Frage, indem Sie eben gerade eingeräumt haben, dass Sie sich gar nicht an die wissenschaftlichen Überprüfungen halten wollten.

(Beifall SPD und SSW)

(Annabell Krämer)

- Das habe ich nicht gesagt. Sie haben nur gerade gemeint, dass man theoretisch -

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Das haben Sie die ganze Zeit schon zugegeben! - Weitere Zuru- fe)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Krämer, und alle anderen sind ruhig. Dann kann Herr Dolgner möglicherweise noch einmal darauf reagieren.

Es handelt sich um die Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs. Ich wollte damit nur sagen: Das ist ein 300-seitiges -

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: 600 Seiten!)

- Die Gesetzesvorlage umfasst über 600 Seiten, das Gutachten ohne Anhänge hat 300 Seiten, aber darüber wollen wir jetzt nicht reden. Wenn Sie sich das zu Gemüte führen, dann ist doch selbstverständlich klar, dass Wissenschaft - wie Sie es selbst sagten sich immer nur annähern kann. Sie finden immer etwas, egal welche wissenschaftliche These Sie irgendwo betrachten. Aber letztlich ist es doch so: Das, was Sie sich da angucken, muss für Sie plausibel sein. Sie schauen dann, ob Sie dann noch Ihre politischen Akzente - - Diese dürfen wir übrigens noch setzen, das hat uns das Verfassungsgericht eindeutig bestätigt. Ich komme gleich durch die Vorwegabzüge dazu. Ja, Sie sagen: Ja, wir sehen, dass das genau mit dem übereinstimmt, wo wir vor Ort die Probleme sehen. Das wird jetzt durch dieses Gutachten gestützt. Wir setzen dann noch unsere politischen Akzente, was wir übrigens dürfen. Dann ist doch alles fein. Wenn wir dann noch sehen, dass wir die Kommunen dabei gutstellen, dann ist das doch eine wunderbare Geschichte.

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie noch eine Zwischenbemerkung?

Ja, wenn es nicht wieder wissenschaftlich wird.

Das lässt tief blicken. Mit anderen Worten: Sie wollen die nach den wissenschaftlichen Berechnungen fehlenden 186 Millionen € zur perfekten Symmetrie auf vertikaler Ebene und die gro

ßen Abweichungen - Sie übernehmen noch nicht einmal eines der Modelle - für die horizontale Ebene vor dem Verfassungsgericht wegplausibilisieren? Habe ich Sie richtig verstanden?

- Nein. Das habe ich überhaupt nicht gesagt. Sie haben es anscheinend nicht verstanden. Ich dachte erst, Sie hätten es komplett verstanden. Jetzt sehe ich, das ist nicht der Fall. Das Gutachten hat gesagt, mit dem Wert von 0,95 ist die Symmetrie mehr als hinreichend erfüllt. Ich habe das auch begründet. Ich habe nämlich gesagt, dass das Gutachten zum Beispiel nicht die im Vergleich zu den Kommunen weit überdurchschnittliche Verschuldung des Landes, also unsere Schuldenlast und somit auch die hohe Zinslast, die wir jedes Jahr zu berappen haben, berücksichtigt hat. Das ist nicht Bestandteil. Das sind aber Bedarfe, die eigentlich von Landesseite eingebracht werden müssten. Das ist nämlich nicht enthalten. Also ist eine Symmetrie bei 0,95 mehr als gegeben.

(Beifall FDP - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Eine Symmetrie kann schon nicht mehr gegeben sein, aber wir sehen uns vor dem Verfas- sungsgericht!)

- Gut gebrüllt. - Darüber hinaus möchte ich jetzt einfach einmal sagen, worüber ich mich bei diesem kommunalen Finanzausgleich freue. Es gibt fünf Kernpunkte, die mich wirklich erfreuen.

Erstens. Die Kompensationsmittel des Bundes für den Familienleistungsausgleich fließen, anders als zunächst geplant, nicht der Gesamtmasse zu. Stattdessen werden die Mittel in Höhe von aktuell 124 Millionen € weiterhin nach den bisherigen Regelungen an alle Kommunen verteilt. Ich danke dem Innenministerium, dass Sie dort unserem Wunsch nachgekommen sind.

(Beifall FDP)

Um das kurz zu erläutern: Wichtig ist, dass jede Kommune jetzt weiterhin unabhängig von ihrer Finanzkraft einen proportionalen Ausgleich der ihr entstandenen Einkommensteuerausfälle aufgrund von Bundesgesetzgebung erhält. Das ist einfach nur fair, weil dadurch allen Gemeinden Steuerkraft entzogen wurde.

(Beifall FDP)

Zweitens. Wir haben in Bezug auf die Schulkostenbeiträge vereinbart, dass die derzeitige Investitionskostenpauschale in Höhe von 325 € abgeschafft wird. Stattdessen soll künftig nach einer Übergangsphase auf Vollkostenbasis abgerechnet wer

(Annabell Krämer)

den. Wir wissen alle: Die bisherige Pauschale deckt regelmäßig nicht die tatsächlichen Investitionskosten der Träger. Den Städten und Gemeinden, die in den Schulbau investieren und Schulplätze für Kinder anderer Kommunen bereitstellen, erwächst zukünftig kein finanzieller Nachteil mehr, denn diesen Nachteil beenden wir. Durch eine Spitzabrechnung werden den Schulträgern zukünftig die tatsächlich entstehenden Kosten erstattet.

(Beifall FDP)

Drittens. Das Landesverfassungsgericht hat die Einbeziehung der kreisfreien Städte bei der Berechnung der Nivellierungssätze gefordert. Das ist natürlich grundsätzlich nicht schön. Diesen flächendeckenden Anstieg der Nivellierungssätze werden die Gemeinden zu spüren bekommen. Um diesen Anstieg aber zu dämpfen, legen wir zukünftig nur noch 90 % statt 92 % der gewogenen Durchschnittssätze zugrunde. Diese Dämpfung reduziert den Druck für viele Gemeinden, ihre Grund- und Gewerbesteuern erhöhen zu müssen. An dieser Stelle möchte ich für diesen Einsatz besonders unserem kommunalpolitischen Sprecher Stephan Holowaty danken, der mit Engelszungen auf uns eingeredet hat, sodass wir diesen Weg jetzt beschritten haben. Ich appelliere an die Kreise, dass diese die resultierende Kreisumlage durch die gestiegenen Steuersätze zum Anlass nehmen, die Kreisumlage zu senken und somit fair mit den Kommunen umzugehen.

(Beifall FDP)

Indem die fiktive Finanzkraft der Gemeinden durch höhere Nivellierungshebesätze steigt, steigt das Kreisumlagevolumen jährlich um 12 Millionen €. Es ist nur fair und angezeigt, dass die Kreisumlage gesenkt wird.

Zu den Vorwegabzügen habe ich eine etwas andere Meinung als mein Kollege von der CDU, aber das ist auch in Ordnung. Ich freue mich über folgende zwei Vorwegabzüge.

Viertens: Uns Freien Demokraten lagen insbesondere zwei Punkte am Herzen. Einer davon ist die Unterstützung der Lehrschwimmbecken. Es ist einfach ein Gebot der Fairness, den knapp 150 Kommunen, die für das gesamte Land die Schwimmstätten vorhalten, Mittel zur Verfügung zu stellen, um sie beim Erhalt ihres Leistungsangebots zum Wohle des gesamten Landes zu unterstützen. Wir Freie Demokraten haben den Wunsch geäußert, den neuen Vorwegabzug einzuführen. Ich hatte die CDU am Anfang nicht so auf meiner Seite, die Grünen sofort. Ich danke herzlich dafür. Vielleicht schaffen

wir es in der parlamentarischen Beratung, da noch eine Dynamisierung hinzubekommen. Das wäre fantastisch. Ich finde das wunderbar.

Wir haben uns auf die Fahne geschrieben: Jedes Kind in diesem Land soll schwimmen lernen. Dann ist es ein Gebot der Fairness, dass sich die Gemeinden, die das Leistungsangebot anderer nutzen, finanziell daran beteiligen. Insofern ist es fair, das im Rahmen eines Vorwegabzugs zu regeln. Investitionen können wir gern über den Landeshaushalt unterstützen, aber die dauerhaften Lasten muss die kommunale Familie untereinander regeln. Das ist eine ganz tolle Sache.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Hans Hinrich Neve [CDU])

Wir werden das nicht für Spaßbecken oder sonstiges Gedöns machen, sondern werden die Mittel nach den gegebenen Schwimmstunden verteilen, sei es von den Schulen, sei es von der DLRG, sei es von Vereinen und Verbänden, die sich da einbringen. Damit honorieren wir die Leistungen der Vereine und Verbände, insbesondere der DLRG. Ich freue mich ausgesprochen darüber.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Fünftens: Die 15 Millionen € Infrastrukturmittel aus dem Kommunalpaket vom Januar 2018, die eigentlich bis 2020 befristetet waren, werden vom Land unbegrenzt weitergezahlt. Zudem haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass weitere 15 Millionen € aus der Masse in den neuen Vorwegabzug für Infrastruktur gehen und damit auch abundante Kommunen, also steuerstarke Städte und Gemeinden, die keine Schlüsselzuweisungen erhalten, von den Infrastrukturmitteln profitieren.

Zusammen mit weiteren Bundesmitteln beläuft sich der Vorwegabzug für Infrastruktur auf zukünftig 59 Millionen €.

Bei der jetzt vorgesehenen Verteilung der Infrastrukturmittel auf die Kommunalgruppen nach Einwohnern sehen wir Freie Demokraten jedoch noch Änderungsbedarf.

(Unruhe)

- Ich sehe das nicht so gut. - Im Gesetzesentwurf werden die Einwohner jeweils auf Gemeinde- und auf Kreisebene gezählt und die Infrastrukturmittel somit hälftig verteilt. Diese Verteilung ist aus Sicht der Freien Demokraten nicht sachgerecht, da die Gemeinden deutlich höhere Infrastrukturlasten zu tragen haben als die Kreise, die überwiegend die

(Annabell Krämer)

Soziallasten tragen. Es ist gesagt worden, und auch Frau Ministerin hat es gesagt: Es gibt das Gebot der Ausgabengerechtigkeit. Ein zugunsten der Städte und Gemeinden geänderter Verteilungsschlüssel erscheint uns daher geboten.

Gemäß Koalitionsvertrag wollen wir die Städte und Gemeinden mit der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs flächendeckend in die Lage versetzen, auf Straßenausbaubeiträge zu verzichten. Die Mittel hierfür stellen wir jetzt - darüber freue ich mich - dauerhaft zur Verfügung. Ich bedanke mich dafür ausdrücklich bei den Koalitionspartnern.

In der weiteren parlamentarischen Beratung werden wir uns dafür einsetzen, dass der Großteil dieser Infrastrukturmittel dort ankommt, wo er gebraucht wird, in unseren Städten und Gemeinden, und dieser Vorwegabzug nicht überdimensioniert bei den Kreisen ankommt. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2017 hat diesem Haus die Aufgabe auferlegt, das Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich in einigen Teilen nachzubessern. Die Kreise Nordfriesland, Ostholstein und Schleswig-Flensburg hatten damals Verfassungsbeschwerde eingelegt und drei Landtagsfraktionen einen Normenkontrollantrag gestellt. Das Landesverfassungsgericht hatte 2017 festgestellt, dass Teile des aktuell gültigen Gesetzes, konkret § 7 und § 9, mit Artikel 57 unserer Landesverfassung unvereinbar sind.

Bis zum Jahresende bleibt noch Zeit, die verfassungswidrige Rechtslage durch eine Neuregelung zu beseitigen. Der Entwurf der Landesregierung zu dieser Neuregelung steht heute zur Diskussion.

Das erklärte Ziel ist es, dass die Kommunen finanziell so gestellt werden, dass sie erstens ihre Pflichtaufgaben erfüllen und zweitens freiwillige Leistungen erbringen können - alles im besten Fall bei sprudelnden Steuereinnahmen.

Der Gesetzentwurf legt aber auch fest, wie bei einem erwartbaren Mangel an Finanzkraft zu verfahren ist. Er sagt, dass, wenn die verfügbaren Mittel