Protocol of the Session on May 8, 2020

Entschuldigung, ich verstehe es nur, wenn einer zurzeit redet.

Entschuldigen Sie. Sie glauben also tatsächlich, dass es so eine Art naturgesetzliche Entwicklung ist: Wenn auf der einen Seite etwas passiert, dann passiert es auch auf der anderen Seite? - Das kann ich vielleicht noch nachvollziehen, wenn ich einen Science-Fiction-Roman lesen würde. Allerdings war meine Frage: Wenn die Arbeitgeber sich nicht einmal mehr organisieren, hätten die Arbeitnehmer überhaupt keinen Ansprechpartner. Es wäre also erst einmal die Aufgabe, dass die Arbeitgeber sich in einem Arbeitgeberverband so organisieren, dass sie tariffähig werden.

(Kay Richert)

Was macht aber der bpa, der für viele private Anbieter dieser Arbeitgeberverband sein will? - Er lehnt grundsätzlich und strikt diese Tarifbindung und Tarifverträge ab. Als Lobbyist steht dort an erster Stelle Ihr Parteifreund Herr Brüderle, den Sie vielleicht auch kennen. Das ist ein Agent, der gegen Tarifverträge steht.

- Ein „Agent“, sehr lustig! Sie sprechen von einem flächendeckenden Tarifvertrag. Ich gebe Ihnen recht, dass für eine flächendeckende Tarifvertragsgestaltung auch flächendeckend Ansprechpartner zur Verfügung stehen müssen. Den Gewerkschaften ist es meines Wissens unbenommen, auch Einzeltarifverträge abzuschließen und die Betriebsräte einzeln zu beraten. Oder liege ich da falsch?

Es ist nicht möglich, dass Sie dem Fragesteller auch eine Frage stellen, Herr Abgeordneter. Wenn das Thema durch ist, können Sie in Ihrer Rede fortfahren.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich komme zum Schluss, im Grunde ist alles gesagt, auch durch den Dialog mit dem Kollegen Baasch: Versammlungsfreiheit oder Freiheit der Berufsausübung sind Freiheitsrechte. Wir haben nun sieben Wochen darauf verzichtet. Ich möchte einmal bitten, in sich hineinzuhören, wie sehr wir nach nur sieben Wochen diese Freiheitsrechte vermissen. Auch die Koalitionsfreiheit ist ein Freiheitsrecht, und wir müssen aufpassen, dass es uns nicht schleichend wegerodiert. Deswegen sage ich ganz deutlich Ja zur Stärkung der Sozialpartnerschaft, aber bitte: viel Vorsicht im Umgang mit unseren Grund- und Freiheitsrechten.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP] - Birte Pauls [SPD]: Mann, Mann, Mann! Genau daran lei- det die Pflege!)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die etwas unpolitischen und kruden Auslassungen der Kollegen Schaffer und Richert haben mich noch einmal auf den Plan gerufen, denn so ganz will ich es nicht stehenlassen: Die Politik ist in

solchen Fragen nicht so machtlos, wie man immer denkt. Wir - beziehungsweise die Regierung - gehören dem Aufsichtsgremium des UKSH, also der Arbeitgeberseite, an. Dort kann man sich dafür einsetzen, dass man gemeinsam mit dem Tarifpartner von der Arbeitgeberseite aus die Pflegesituation am UKSH verbessert. Das ist überhaupt kein Problem, und wir müssen das hier auch diskutieren. Wir haben kommunale Vertreter, die in kommunalen Krankenhäusern genau die gleichen Funktionen ausüben. Auch dort kann man sich mit den Arbeitnehmervertreten hinsetzen und gemeinsam versuchen, die Situation der Pflegenden - nicht nur das Geld, sondern auch die Arbeitsbedingungen, die dort herrschen - zu verbessern.

Wir haben als Politiker die Möglichkeit, mit Pflegeanbietern zu sprechen - mit kirchlichen, aber auch mit privaten Anbietern -, um dort für etwas bessere Tarife zu sorgen.

Wir haben aber durchaus auch die Möglichkeit, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, das darf man auch nicht vergessen, ohne dabei die Tarifautonomie in irgendeiner Art und Weise infrage stellen zu müssen. Wir können zum Beispiel Aufträge oder auch Landeszuschüsse an Tarifgebundenheit und Tarife koppeln. Das ist überhaupt kein Problem, das hat es in diesem Land auch schon gegeben. Es ist von der Jamaika-Koalition abgeschafft worden, jedenfalls in Teilen.

Wir könnten aber morgen hier beschließen, dass Landeszuschüsse nur noch an Unternehmen und Institutionen in dem Bereich gegeben werden, die an Tarife gebunden sind. Dann würde sich möglicherweise manches der Probleme, die der Kollege Baasch gerade eben angesprochen hat, von selbst erledigen, dass es nur 30 % Tarifbindung in dem Bereich gibt. Wir können also politisch schon etwas tun.

Wir könnten übrigens auch - auch das ist gängige Praxis sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene - einen branchenbezogenen Mindestlohn für die Pflege einführen. Dafür könnten wir uns als Land Schleswig-Holstein einsetzen, dass beispielsweise jeder Pflegende 12,50 €, 13,00 € oder 13,50 € für die Arbeit bekommt, die er tut. Damit wäre den Leuten geholfen, ohne dass wir in irgendeiner Art und Weise in die Tarifautonomie eingegriffen oder die Verfassung verletzt hätten.

Liebe Kollegen Schaffer und Richert: Es ist nicht so, dass wir so machtlos wären. Wir müssen nur den politischen Willen haben, das für die Pflegenden zu tun. Es scheint zumindest zwei Abgeordnete

(Kay Richert)

in diesem Haus zu geben, die genau diesen politischen Willen nicht haben. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, Birte Pauls [SPD] und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal zu Ihnen, Frau Pauls: Die Imagekampagne ist fertig - längst!

(Birte Pauls [SPD]: Sehr schön!)

Ich will es gar nicht unnötig scharf machen, aber nach den Bildern insbesondere aus Italien, aber auch aus New York oder Frankreich, habe ich einen Entschluss gefasst. Eine weitere Gruppe ist besonders von dieser Pandemie betroffen - und zwar nicht, weil sie Tag und Nacht im Einsatz ist, sondern weil sie gesundheitlich betroffen ist. Was der Oppositionsführer gestern mit „Die neue Nähe ist die Distanz“ zum Ausdruck gebracht hat, gilt für diese Berufsgruppe gerade nicht: Die Pflegenden können keine Distanz beim Heilen und Pflegen üben. Zu den Menschen, die am häufigsten in dieser Pandemie sterben - beispielsweise in Spanien -, gehören Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte. Deshalb habe ich mich entschlossen, eine fröhliche PflegeImagekampagne während dieser Pandemie nicht an den Start zu bringen. Ich bitte auch vonseiten der Opposition um Verständnis dafür.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Birte Pauls [SPD]: Ja!)

Zweitens. Mir fällt es schwer, in diese allgemeine Dankes-Euphorie einzustimmen. Warum? - Nicht, weil ich nicht zutiefst dankbar wäre für das, was gerade in unseren Pflegeheimen und Krankenhäusern und in der Tagespflege passiert, sondern weil ich glaube, dass die Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte sowie das gesamte Personal, das derzeit dabei ist zu pflegen, Leiden zu lindern und zu heilen, ein Stück weit genug davon hat, dass wir alle uns ständig nur bei ihnen bedanken.

Es wurde die Frage der Schutzausrüstung angesprochen. Ich sage einmal eines: Wir wissen alle, wie die Situation zu Beginn der Pandemie war und wie sie jetzt ist. Nach wie vor ist beispielsweise die

Qualität von vielen Dingen, die geliefert werden, eines der größten Probleme. Bei vielem, was da ankommt, ist das keine Frage der Marktwirtschaft, sondern da sind schlicht Kriminelle am Werk. Das muss mit aller Härte des Strafrechts verfolgt werden, was da zum Teil passiert.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Wenn ich die letzten 30 Jahre meines politischen Lebens und dessen, was ich davor gemacht habe, nachverfolge - ich habe mich immer mit der Pflege beschäftigen dürfen - und priorisieren muss - und das müssen Politikerinnen und Politiker -, will ich Ihnen eines sagen: Gerade nachdem wir gemeinsam die Pflegeberufereform umgesetzt haben, eine der anspruchsvollsten Reformen in der Pflege seit Jahrzehnten, die notwendig war, ist aus meiner Sicht jenseits bestimmter Gesten, auch finanzieller Art, am notwendigsten, den Abstand zwischen dem Einkommen einer Altenpflegekraft und einer Krankenpflegekraft endlich auf null zu bringen. Für den Abstand gibt es keine einzige vernünftige Erklärung mehr.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Natürlich hat das etwas mit Tarifbindung zu tun, denn im Krankenpflegebereich gibt es eine viel höhere Tarifbindung. Im Krankenpflegebereich ist vieles schon sehr viel länger intelligent geregelt worden. Ich darf nur einmal daran erinnern: Damit haben sich auch Vorgängerregierungen - auch die letzte - herumschlagen müssen, wenn ich es einmal so salopp sagen darf. Bis vor Kurzem haben wir zum Teil von Altenpflegeschülern und Altenpflegeschülerinnen Schulgeld abverlangen müssen, damit sie überhaupt in die Ausbildung gehen durften. In der Krankenpflege war das schon lange nicht mehr der Fall.

Ich wünsche mir nicht nur die gesellschaftliche Wertschätzung, sondern ich sage auch sehr deutlich, dass ich Initiativen ausdrücklich unterstützen werde, die zu einer höheren Tarifbindung in der Pflege insgesamt führen, weil ich diese für dringend erforderlich halte.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Ja, ich glaube, die Kollegin Waldinger-Thiering hat das sehr schön in einem Satz zum Ausdruck gebracht: Es gibt zwei Dinge, die wir lösen müssen. Das eine ist eine bessere Bezahlung von Pflegekräften - und ich sage: in einem ersten Schritt von Al

(Lars Harms)

tenpflegekräften, um dieses Lohn-Gap endlich schließen zu können -, und das andere ist dieser Automatismus, der durch die finanzielle Struktur der Pflegeversicherung besteht, dass das nämlich automatisch in höheren Eigenanteilen bei den Pflegebedürftigen beziehungsweise ihren Angehörigen mündet. Dieses Problem aufzulösen, ist unsere Aufgabe. Da teile ich Ihre Kritik an der Landesregierung nicht - das wird Sie wenig verwundern, Frau Abgeordnete Pauls -, denn es waren SchleswigHolstein gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in Hamburg - ich nehme an, die Kollegin Prüfer-Storcks steht Ihnen politisch etwas näher -, die für eine steuerfinanzierte Säule der Pflegeversicherung nicht nur geworben, sondern dazu auch eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht haben.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich sage Ihnen: Da wird man den Zeitablauf insbesondere im Hinblick auf die Leistbarkeit von jungen Erwerbstätigen noch einmal nachjustieren müssen. Aber im Moment geht es um die Generation, die dieses Land nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut hat. Ich erinnere einmal an die einführenden Worte des Landtagspräsidenten heute Morgen. Das sind diejenigen Menschen, die jetzt zum großen Teil auf Pflege und Unterstützung angewiesen sind. Hier brauchen wir eine schnelle, eine entlastende Lösung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das gehört auch zur Wertschätzung.

(Beifall FDP und Katja Rathje-Hoffmann [CDU])

Vielleicht können wir uns zum Abschluss auf Folgendes verständigen. Das wäre jedenfalls meine herzliche Bitte. Bei diesen Projekten, bei denen es einen parteiübergreifenden Konsens der Demokratinnen und Demokraten braucht - dafür braucht man Bundesratsmehrheiten, dafür braucht man Mehrheiten im Deutschen Bundestag -, werbe ich dafür, dass dies neben der großen Reform der Pflegefinanzierung sehr schnell auf den Weg gebracht wird, damit die größten Verwerfungen an dieser Stelle ziemlich schnell beseitigt werden können. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und SPD)

Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 2,5 Minuten erweitert. Diese Zeit steht jetzt natür

lich auch den Fraktionen zu. - Ich sehe nicht, dass davon Gebrauch gemacht wird.

Wir kommen zur Abstimmung. Es war nicht so ganz klar, ob eine Ausschussüberweisung beantragt worden ist. - Sie nicken. Dann stimmen wir zunächst darüber ab. Zunächst ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/2108 dem Sozialausschuss zu überweisen.

(Birte Pauls [SPD]: Beide Anträge!)

- Es geht um beide Anträge, die dem Sozialausschuss überwiesen werden sollen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Ausschussüberweisung nicht zugestimmt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung in der Sache. Ich lasse über den Antrag Drucksache 19/2108 abstimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann ist der Antrag mit einer großen Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/2146. Es geht um die Abstimmung in der Sache. Ich lasse über den Antrag abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist diesem Antrag einstimmig zugestimmt worden.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDUFraktion hat mir mitgeteilt, dass der nächste Tagesordnungspunkt 53 jetzt nicht aufgerufen werden soll. Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.

Klimaschutz und Energiewende jetzt umsetzen der Krise zeitnah mit neuen Techniken wie Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien begegnen

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2154