Protocol of the Session on May 8, 2020

- Es ist exakt das, was passiert ist. - Kürzlich war es dann aber doch ein Vorabbericht des Bundeskriminalamtes, der genau das bestätigte, was ebenfalls durch Sicherheitsbehörden schon am Tag nach der Tat festgestellt wurde und zeitgleich auch hier im Landtag bekannt wurde: Einzeltäter, keine Kontakte in rechtsextreme Netzwerke, offenbar geistesgestört, gefährlich, ein seit vielen Jahren gestörtes, rassistisches und fremdenfeindliches Weltbild, ohne politische Beeinflussung und vieles an irrem und gefährlichem Zeugs mehr.

(Lars Harms [SSW]: Wo hat er das wohl her- gehabt?)

(Jan Marcus Rossa)

Dieses Weltbild hat sich bei dem Täter, wie man inzwischen weiß, lange vor Gründung der AfD manifestiert.

(Lachen - Zurufe)

Damit gibt es keinen Bezug zur AfD. Aber, und auch das gilt es zu beachten: Amtsbekanntermaßen geistesgestört, gefährlich und legaler Waffenbesitzer, und zwar, ohne dass sich eine Aufsichtsbehörde ohne eine Staatsanwaltschaft, die das wissen konnte, daran gestört hätte.

Dass dieser für Sie alle so ungünstige Vorabbericht nicht so stehen bleiben könnte, war uns klar. Daher hatte der Präsident des BKA am Folgetag bereits die Korrektur angekündigt. Auf diese Korrektur bin ich gespannt. Es wäre fatal, wenn sich der Eindruck verfestigte, dass nach dem Bundesamt für Verfassungsschutz nun auch das Bundeskriminalamt einem politischen Diktat statt objektiver Feststellungen zu folgen hätte.

Ich möchte hier eine Lanze für unsere Sicherheitsbehörden brechen. Gerade in dieser von Corona bedingten Einschränkungen geprägten Zeit ist mir dies ein sehr wichtiges Anliegen. Unsere Sicherheitsbehörden machen einen tollen Job - ob Verfassungsschutz, Polizeibehörden oder andere Sicherheitseinrichtungen. Die Menschen, die in diesem Feld arbeiten, tun das in wichtigen Einrichtungen, die unser aller Sicherheit schon viele Male bewahrt und aufrechterhalten haben. Dass wir diese Einrichtungen brauchen - und zwar nach rechtsstaatlichen Vorgaben, frei von politischer Beeinflussung und einer von Regierungsräson geprägten Lenkung steht für mich außer Zweifel, umso mehr auch dann, wenn ich die Daten aus der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes in den Blick nehme: Islamismus, Salafismus, Dschihadismus auf dem Vormarsch. Festnahmen in Schleswig-Holstein zeugen von guter Ermittlungsarbeit, aber auch einer realen Gefahr.

Politisch motivierte Kriminalität links steigt auf ein Fünfjahreshoch. Im rechtsextremen Spektrum sind ebenfalls steigende Zahlen und deutlich höhere Zahlen zu verzeichnen. Auch hier zeigen Festnahmen, Vereinsverbote und gute Maßnahmen die Tüchtigkeit unserer Behörden, aber eben auch, dass auf diesen Feldern nicht nachgelassen werden darf.

Die Aufklärungsquote bei linkskriminellen Straftaten liegt mit gut 10 % bei nur einem Viertel dessen, was die Behörden bei politisch motivierter Kriminalität rechts erreichen. Das ist eine Diskrepanz, mit der sich das neu besetzte Innenministerium befassen muss. Ihrem Vorgänger, Frau Ministerin, war

dies nicht mehr zuzutrauen, nachdem dieser linksextreme Angriffe auf AfD-Politiker nicht einmal vollständig erfasst hatte, wie wir im Innen- und Rechtsausschuss erfahren durften. Wir erwarten ein deutliches Mehr an Sehschärfe auf dem linken Auge.

Schon die Formulierung in der Presseinformation, nach der sich Linksextremisten neben der Bekämpfung der AfD auch die Beteiligung an der Klimadiskussion zum Schwerpunkt gesetzt haben, führt zur Ernüchterung. Diese von Ihnen verharmloste Beteiligung an der Klimadiskussion umfasst in einem Beleg das hohe Aggressions- und Gewaltpotenzial solcher Diskussionspraktiken wie zum Beispiel Beleidigungen, Sachbeschädigung, Körperverletzung und Brandstiftungen.

Meine Damen und Herren, Ihr Antrag geht in die richtige Richtung und listet viel Richtiges auf. Er ist aber einseitig und in Teilen sogar falsch ausgerichtet, denn Kampfsportevents und Festivals ohne Differenzierung dem rechtsextremen Betätigungsfeld zuzuordnen, mag eine redaktionelle Unschärfe sein, aber das geht so einfach nicht.

Unser Alternativantrag ist eine Ächtung des Extremismus in all seinen Ausprägungen, ein Alternativantrag, der politisch gewollte Instrumentalisierung und Einseitigkeit nicht fortsetzt, sondern den gesamten politischen und außerparlamentarischen Raum gleichermaßen in den Blick nimmt. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 19. Februar 2020 wurden in Hanau zehn Menschen bei einem rechten Terroranschlag umgebracht. Das ist der Grund für unseren Antrag. Das ist der Ursprung. Deswegen behandelt dieser Antrag nur den Rechtsextremismus.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Lieber Kollege Schaffer, sie wurden von einem Mann ermordet, der rassistisch und antisemitisch gedacht hat, der Anhänger von Verschwörungstheorien war und dessen Weltbild rechtsextrem war. Fast drei Monate ist das nun her. Wir haben über die Op

(Claus Schaffer)

fer getrauert und Zeit gehabt, über den Anschlag nachzudenken. Wir können darauf zurückblicken, wie die gesellschaftliche Debatte war und ist. In Beschreibungen der Tat konnte man oft lesen, ich zitiere: „Neun Todesopfer haben einen Migrationshintergrund“.

Diese Zuschreibung impliziert, dass die Opfer der Tat irgendwie gemeinschaftlich beschreibbar gewesen wären. Dabei hatten sie völlig unterschiedliche Leben, Familien und Zugänge. Ferhat U. war das Kind kurdischer Eltern und hatte gerade seine Ausbildung abgeschlossen. Mercedes K. war deutsche Romni, Mutter von zwei Kindern und zum Tatzeitpunkt schwanger. Sedat G. starb mit 30 Jahren in der Bar, deren Chef er war. Gökhan G. war schon in Hanau geboren, seine kurdische Familie zog in den 60er-Jahren in die Stadt. Hamza K. war am Abend seines Todes erst 20. Schon sein Vater wurde in Hanau geboren. Kalojan V. war bulgarischer Rom, sein Sohn wird ohne ihn aufwachsen müssen. Vili P. war rumänischer Rom und erst 23. Mit 16 entschied er sich dazu, in Deutschland Geld für die medizinische Behandlung seiner Mutter zu verdienen. Said H., der genau wie sein Bruder in Hanau aufgewachsen war, starb am Abend, während sein Bruder schwer verletzt überlebte. Fatih S. war aus Regensburg in die Stadt gezogen. Dann starb auch noch die Mutter des Täters.

Ehrlich gesagt finde ich nicht, dass diese Menschen allzu viel eint. Sie haben sich, mehr oder weniger zufällig, an diesem Abend in Hanau in und um Bars aufgehalten. Was sie zu Opfern werden ließ, war, dass der Täter ihnen ein Fremdsein zuschrieb, dass sie als nicht „weiß“ gelesen wurden.

Der wissenschaftliche Leiter des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma hat in einem Interview sehr klare Worte gefunden. Er sagte, der „Anschlag zeigt, dass Hass gegen Minderheiten tödlich ist“.

Menschen, die in Deutschland von Antisemitismus und Rassismus betroffen sind, fragen sich, ob sie hier sicher leben können. Für einige ist das nur noch eine rhetorische Frage, und die traurige Antwort ist schon klar. Es ist daher wichtig, wie wir über die Tat sprechen. Den Täter hat nicht wirklich interessiert, wer die Menschen, die er umbrachte, waren. Er hat sie rassifiziert. Sie wurden für ihn Objekte, denen er das Leben nahm.

Auch wenn ich dem Täter nicht allzu viel Zeit widmen möchte, wünsche ich mir, dass das Bild des rechten geistig verwirrten Einzeltäters, das auch der Kollege Schaffer benutzte, mehr hinterfragt wird. Es ist wichtig, im Kopf zu behalten, dass sich später

oft herausstellt, dass vermeintliche Einzeltäter gut vernetzte Menschen waren und dass rechte Strukturen ihnen den Weg bereiteten und rechte Hetze sie aufwiegelte.

Nehmen Sie die Morde des NSU, nehmen Sie den Mord an Walter Lübcke - immer gab es hier feste Verbindungen in rechtsextreme Netzwerke. Schaut man sich den versuchten Massenmord in Halle an und vergleicht es mit dem Attentat in Hanau, stellt man fest: Die Täter finden ihre Netzwerke und Vorbilder im Internet, allein radikalisieren sie sich nicht.

Deswegen müssen Strategien gegen Rechtsextremismus und Rassismus ausgeweitet und gestärkt werden. Aufdecken, informieren, entwaffnen, vorbeugen, Demokratie fördern, Betroffene rechter Gewalt schützen und unterstützen. Das bleibt für uns als Staat, aber auch für uns alle als Individuen unerlässlich.

Deshalb muss ich ganz ehrlich sagen: Es war für mich fast unerträglich, Herr Schaffer, wie Sie hier geredet haben. Es war für mich kaum auszuhalten, dass ich mir anhören musste, dass es immer wieder irgendein irrer einzelner Typ ist, der da irgendwo durch die Gegend stolziert.

(Jörg Nobis [AfD]: Das hat er gar nicht ge- sagt!)

Das ist nicht so! Vielmehr nehmen diese Personen das, was Sie als Grundlage bieten, im Internet und in Ihren Äußerungen, was andere bieten, zum Anlass für ihre Taten, und das müssen Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Jörg Hansen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Lassen Sie mich auch die Landtagsvizepräsidentin nachträglich begrüßen. Entschuldigen Sie, das hatte ich gerade eben vergessen. Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war beim Europäischen Polizeikongress 2020. Der Kollege Schaffer war das auch. Dort hat der Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft, Dr. Matthias Quent, zum Thema Verstrickung rechter Gewalt und Extremismus in die Parlamente ausgeführt, dass es zwar keinen Anstieg gebe, sie seien jedoch durch Provokation und Kampagnen deutli

(Lars Harms)

cher zu hören. Die rationale Erklärung sei, dass diese kleine Gruppe dadurch sehr viel sichtbarer geworden sei - mit vielen Mitgliedschaften in Parteien, Verbänden und Veranstaltungen mit einem hohen Vernetzungsgrad. Geländegewinne würden nicht mehr hergegeben, weil die Anschlussfähigkeit hergestellt werde.

Meine Damen und Herren, deutlicher kann man es nicht mehr sagen. Es ist auch überhaupt nicht mehr wegzudiskutieren oder in diesem Parlament anders darzustellen: Der rechte Extremismus ist in den Parlamenten angekommen.

Herr Schaffer, Sie müssen bei solchen Veranstaltungen auch die Ergebnisse zur Kenntnis nehmen, die Ihnen nicht passen. Sie sind gemeint, und das ist belegt. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zuruf Volker Schnurrbusch [AfD])

Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Inneres, ländliche Räume und Integration, Dr. Sabine Sütterlin-Waack.

Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Auf den Tag genau vor 75 Jahren endete die nationalsozialistische Terrorherrschaft, die, von deutschem Boden aus betrieben, eine rassistische und antisemitische Ideologie und unfassbares Leid für Millionen von Menschen mit sich brachte.

Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes hatten dieses Leid vor Augen, als sie die Verfassung für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung schufen. Vor dem Hintergrund des heutigen historischen Datums machten die jüngsten Geschehnisse in der Bundesrepublik fassungslos: der Mord an dem Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der antisemitische Angriff auf eine Synagoge in Halle, der rechtsterroristische Anschlag in Hanau. Es ist völlig klar, in Schleswig-Holstein schauen wir dem nicht einfach nur so zu. Als Landesregierung stellen wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln Rechtsextremisten konsequent entgegen.

Ich begrüße daher ausdrücklich den vorliegenden Antrag, der unser vielfältiges Engagement unterstützt. Um rechtsextremistische und rechtsterroristische Strukturen frühzeitig erkennen zu können, ste

hen unsere Sicherheitsbehörden regelmäßig in einem engen Austausch. Dieser Informationsaustausch findet auch bundesweit statt. Für eine verlässliche Lagebewertung arbeiten wir darüber hinaus mit Beratungsnetzwerken, jüdischen Einrichtungen und kommunalen Behörden zusammen. Dieser regelmäßige Austausch über erkennbare Radikalisierungsprozesse, Gefährdungspotenziale und Personen ermöglicht uns frühzeitig, Netzwerke und Strukturen aufzudecken.

Unabhängig von der jährlichen Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes werde auch ich Sie gern fortlaufend über die gewonnenen Erkenntnisse und Entwicklungen informieren.

Die Stärke unseres Rechtsstaates, die gute Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden, hat sich auch in der derzeitigen Ausnahmesituation der Coronapandemie unter Beweis gestellt. Beispielhaft nenne ich an dieser Stelle die Durchsetzung des Verbots der Vereinigung „Geeinte deutsche Stämme und Völker“ vom 19. März 2020. Das zeigt, unser Staat ist wehrhaft und verfolgt alle Taten konsequent.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Eine rassistische oder antisemitische Attacke hinterlässt Spuren und sorgt für starke Verunsicherung bei den Opfern. Deshalb kümmern wir uns um die Geschädigten, unabhängig davon, ob der Tatort auf der Straße oder im Netz lag. Auch Hass und Hetze im Netz müssen aufgeklärt werden. Sie offenbaren nämlich das menschenfeindliche Bild hinter dem Angriff. Wir unterstützen die von rechts motivierten rassistischen Angriffen Betroffenen und stärken sie dadurch.

Deswegen entwickeln wir gemeinsam mit vielen Partner innerhalb und außerhalb der Landesverwaltung wirksame Strategien im Bereich der Demokratieförderung und der Extremismusprävention fortlaufend weiter. Schließlich ist Vorbeugen besser als Heilen.

Rassismus hat viele Gesichter, viel zu oft bleibt Alltagsrassismus unsichtbar. Er tritt offen und gewalttätig, versteckt und unbeabsichtigt, ungewollt und aus Unwissenheit, zu oft aus Ignoranz und Hetze auf. Deshalb müssen wir uns mit den unterschiedlichen Formen von Rassismus auseinandersetzen. Der Landesaktionsplan wird hierauf Antworten geben. In diesem werden wir die Leitlinie für die Präventions- und Antirassismusarbeit im Land sowie Handlungsfelder, Aktivitäten und Maßnahmen festlegen.