Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eines vorwegschicken: Grundsätzlich liegt eine hohe Tarifbindung im Interesse aller Akteure, auch im Interesse der Landesregierung.
Wettbewerbssicherheit auf der einen Seite und faire Arbeitsbedingungen auf der anderen Seite, Urlaubsregelungen und die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen, all das liegt im Interesse eines vernünftigen Marktgeschehens.
Im Übrigen - auch das sage ich ganz deutlich dürfte eine höhere Tarifbindung vor dem Hintergrund der sich verändernden Arbeitsmarktsituation auch im Interesse der Unternehmerinnen und Unternehmer liegen. Denn das Binden und Werben mit Tarifbindungen führt zu einem Positivfaktor, der am Arbeitsmarkt, auf dem Mangel herrscht, ein Argument ist.
Deshalb müssen wir - das haben der Ministerpräsident und ich unter anderem auf dem Gewerkschaftstag im Mai letzten Jahres getan - für eine höhere Tarifbindung werben. Das tun wir, wo wir es können, weil wir glauben, dass durch die Tarifbindung Positives entsteht.
- Herr Kollege Baasch, das ist ein kompliziertes Feld, wie wir gemerkt haben, und es wird gleich noch komplizierter. Da ist ein mehr oder weniger kraftvoll vorgetragenes Vorurteil, aber noch kein Argument. In dieser Frage geht es darum, dass zur Tarifpolitik die Tarifautonomie gehört. Die Tarifautonomie ist in unserem Grundgesetz festgeschrieben. Das heißt, dass sich grundsätzlich die Sozialpartner verständigen müssen und dass die Politik nicht permanent die Rahmenbedingungen verändert, sondern die Sozialpartner dafür sorgen müssen, dass es zu entsprechenden Tarifbindungen kommt.
Hier ist deutlich darauf hingewiesen worden, dass es auf der einen Seite Bewegungen auf Arbeitgeberseite gibt, sich auch ohne Tarifbindung zu organisieren, und es auf der anderen Seite auch die eindrucksvolle Bewegung gibt, sich nicht mehr gewerkschaftlich zu organisieren. Das alles trägt nicht dazu bei, dass eine höhere Tarifbindung entsteht.
Es liegt in unser aller Interesse, Tarifbindung zu steigern, aber nicht durch Zwang, sondern durch Werben dafür, dass in der Tarifautonomie die Koalitionsfreiheit positiv wahrgenommen wird.
Meine Damen und Herren, Kollege Knuth, ich wüsste gern, wo wir bei der Veränderung des Tariftreue- und Vergabegesetzes zum Vergabegesetz die bisher vorhandenen Regelungen zur Tariftreue in irgendeiner Form verändert hätten. Wo ist das der Fall, Herr Baasch? An welcher Stelle ist das der Fall?
Wir haben die vergabefremden Kriterien in dem Gesetz gelöscht, in der Tat. Wir haben den Vergabemindestlohn - das ist ein Thema des Tariftreuegesetzes - im Vergabegesetz erhalten, und wir haben die Übernahme der repräsentativen Tarifverträge im öffentlichen Personennahverkehr in § 4 Absatz 2 ausdrücklich geregelt.
Das heißt, bei allen vorgetragenen Vorurteilen, es hat sich im Hinblick auf die Tariftreueregelungen durch das Vergabegesetz Schleswig-Holstein gegenüber dem alten Tariftreuegesetz Ihrer Regierung nichts, aber auch gar nichts geändert.
Sich hier hinzustellen, Forderungen zu erheben, die Sie in Ihrem eigenen Tariftreue- und Vergabegesetz mit gutem Grund nicht untergebracht haben - ich komme gleich darauf -, und zu behaupten, das Tarifrecht wäre durch die Jamaikaner geschliffen worden, ist eine bodenlose Frechheit, Herr Baasch.
Wir haben an diesen Regelungen nichts verändert. Sie beantragen nunmehr, dass die öffentlichen Fördergelder nur an Unternehmen mit Tarifverträgen gehen sollen. Diese Forderung hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund schon 2015 zu Ihrem alten Tariftreue- und Vergabegesetz gestellt. Ihr ehemaliger Minister Reinhard Meyer hat das damals abgelehnt, er hat dies in der zweiten Kabinettsanhörung wie folgt begründet: Die Stärkung tariflicher Einigung sei Kernaufgabe der Gewerkschaften und Sozialpartner, aber nicht der Förderpolitik des Landes.
Alle geförderten Unternehmen unterlägen dem Mindestlohngesetz des Landes. Die geringen Förderquoten der einzelbetrieblichen Förderung mit durchschnittlich 14 % rechtfertigten keine weiteren tiefen Eingriffe in unternehmerische Entscheidungen. Soweit Reinhard Meyer.
Der nächste Punkt: Sie fordern, dass alle öffentlichen Aufträge daran gebunden werden sollen, dass die Unternehmen einen Tarifvertrag abgeschlossen haben.
Diese Forderung - das wissen Sie - ist schon Gegenstand zahlreicher Diskussionen gewesen. Hubertus Heil führt zurzeit in Berlin so eine Diskussion. Das stößt erkennbar an die Grenzen des Verfassungsrechtes und ist jedenfalls mit übergeordnetem Europarecht nicht vereinbar.
- Nee, es wäre aber schön, wenn Sie den Argumenten folgten, weil Sie permanent falsche Argumente verwenden. Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass die Vergabe nur an Unternehmen, die tarifgebunden sind, gar nicht zulässig ist, weil § 129 GWB dies ebenso untersagt wie Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes - negative Koalitionsfreiheit. Deshalb haben Sie in Ihrem alten Gesetz den Vergabemindestlohn kreiert. Genau diese Form der Ankopplung an eine Tarifbindung des Unternehmens ist rechtlich ausgeschlossen. Diese jetzt zu fordern, zeigt, dass Sie daraus damals zwar das Richtige abgeleitet haben, heute aber das Falsche fordern.
Aufgabe hat, sich darum zu kümmern, dass man der aktuellen Probleme Herr wird. Haben Sie überhaupt zur Kenntnis genommen, dass der Anteil der prekären Beschäftigung in Schleswig-Holstein wächst? Von Mitte 2018 bis Mitte 2019 hat sich die Zahl der Menschen in Schleswig-Holstein, die einen Nebenjob brauchen, weil sie von ihrem Hauptjob nicht mehr leben können, um 4.000 erhöht. Haben Sie irgendeinen Plan, um überhaupt einmal gegenzusteuern? Sie werfen der Opposition vor, dass wir Sie aufforderten, mit Tarifbindung, Tarifverträgen und der Unterstützung bei öffentlichen Aufträgen, wo Sie ja eingreifen könnten, etwas zu unternehmen? Von dem aktuellen Problem habe ich bei Ihnen bis jetzt überhaupt nichts gehört. Sie schwadronieren ständig in der Vergangenheit!
- Sehr geehrter Herr Baasch! Erstens: Die Begründung, die Ihr ehemaliger Minister Reinhard Meyer damals zu dem Thema Förderung und Fördergelder gegeben hat, mache ich mir ausdrücklich zu eigen, sie gilt auch heut noch - neben der Begründung von Joschka Knuth vorhin, dass wir dann Start-ups keine Förderung mehr gewähren könnten, weil sie keine Tarifverträge abgeschlossen haben.
Zweitens: Lieber Herr Baasch, ich bezweifle, dass die Zahlen, die Sie da zitieren, für dieses Land Schleswig-Holstein wirklich richtig sind. Wir haben im letzten Jahr eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in einer Größenordnung von über 1 Million sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse gehabt. Dabei ist der Grad der Unterbeschäftigung mit über 10 % deutlich rückläufig. Wir haben in diesem Land eine Situation, in der eher der Fachkräftemangel das Hauptproblem ist. In vielen Bereichen werden übertarifliche Gehälter gezahlt.