Protocol of the Session on September 21, 2017

Dafür muss man sich doch nicht verstecken, nur weil Sie von der Sache her ein anderes System haben wollen.

(Beifall Claus Christian Claussen [CDU])

Der dritte Punkt, der hier angesprochen wurde, war, dass es bedauerliche einzelne Folgen gebe. Das mag so sein. Ich glaube aber nicht, dass man deswegen die Systemfrage stellen sollte. Das ist eine Sache, die ich in der ganzen Angelegenheit voneinander zu unterscheiden bitte.

Es mag bedauerlich und bitter sein, wenn es so ist, wie es hier vom Kollegen vorgetragen wurde. Das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Es kann aber nicht rechtfertigen, aus diesem Grund die Systemfrage zu stellen.

Als Nächstes hat der Herr Abgeordnete Dr. Kai Dolgner das Wort.

(Unruhe - Glocke Präsident)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Burkhard Peters hat - auch für die Kollegen von der CDU-Fraktion - in beeindruckender Weise dargelegt, dass es zum einen nicht um ganz wenige Einzelfälle geht, die da in sehr schwierige Situationen kommen können, gerade nach Trennungen - so viel zum Thema, wie es mit dem sozialen Gewissen ist.

Zum anderen zwingt Sie keiner, nachher im Ausschuss unserem Antrag zuzustimmen. Schon gar nicht müssen Sie der Begründung zustimmen, wenn Sie das nicht als Systemfrage sehen. Sie blasen es dazu auf. Sie könnten es aber zumindest unter Gerechtigkeitsaspekten sehen.

Die Beamten, die in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, haben es sich nicht immer freiwillig ausgesucht. Es gibt Gründe, in der gesetzlichen Krankenversicherung als Beamter sein zu müssen. Es gibt Fälle, wo der Weg in die private Versicherung gar nicht offenstand. Sie verwehren, dass diese Beamten die Hälfte der Krankheitskosten bezuschusst bekommen, genauso wie der Beamte 50 % über die Beihilfe bekommt. Es wäre ein Akt der Gleichbehandlung.

Sie müssen unserem Antrag nicht zustimmen, aber als Koalition hätten Sie doch die Möglichkeit, vernünftig darüber zu reden und dann selbst einen Antrag zu stellen. Wenn der nur in wenigen Fällen

(Beate Raudies)

hilft, dann kostet diese Maßnahme ja auch nicht so viel, lieber Kollege Kalinka. Sie könnten selbst einen Antrag oder einen Gesetzentwurf einbringen.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

- Nein, wir haben nicht die Mehrheit, Kollege Vogt.

(Christopher Vogt [FDP]: Aber für fünf Jahre hatten Sie sie!)

Ich finde es schon interessant, dass Sie sich der Diskussion komplett verweigern. Sie malen das Ende der zahnärztlichen Versorgung an die Wand.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das müsste gar nicht passieren, denn Sie haben die Mehrheit. Halten Sie den derzeitigen Zustand für gerecht, dass jemand als Beamter in der gesetzlichen Versicherung mindestens das Doppelte dafür aufbringen muss? Meist ist es sogar erheblich mehr, weil die gesetzlichen Beiträge sowieso höher sind, als die 50 % Privatbeiträge. Die müssen teilweise das Dreifache für ihre Krankenversicherung aufbringen, die dazu noch für weniger Leistungen bezahlt.

Herr Kollege Kalinka: Diejenigen, für die das attraktiv ist, können es doch weiterhin für sich wählen. Auch das könnten Sie sicherstellen. Sie haben die Mehrheit und sind insofern der Gesetzgeber.

(Beifall SPD)

Für die Landesregierung hat die Finanzministerin, Frau Monika Heinold, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gesagt worden: Der Hamburger Senat hat sich vorgenommen, die Wahlfreiheit in der Krankenversicherung für Beamtinnen und Beamte zu erweitern. Im Hamburger Modell sollen Beamtinnen und Beamte in Zukunft wählen können, ob sie sich privat versichern und ergänzende Beihilfe erhalten, oder ob sie sich unter Verzicht auf die Beihilfeleistung gesetzlich versichern und einen Arbeitgeberzuschuss erhalten.

Auch die Variante Privatversicherung plus pauschaler Arbeitgeberzuschuss - ebenfalls unter Verzicht auf die Beihilfe - ist nach dem Hamburger Modell möglich. Für Beamtinnen und Beamte, die bisher in der privaten Krankenversicherung versichert sind und in die freiwillige gesetzliche Versicherung wechseln wollen, ist die Einschränkung vorgese

hen, dass diese nicht älter als 55 Jahre sein dürfen und bestimmte Vorversicherungszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung nachgewiesen werden müssen. Insgesamt gilt, dass die angebotene Wahlfreiheit nur einmalig möglich ist. Die getroffene Entscheidung ist also endgültig.

Der Unterschied zum bisherigen System besteht mehr oder weniger einzig darin, dass Beamtinnen und Beamte, die sich heute für die gesetzliche Krankenversicherung entscheiden, keinen Zuschuss vom Arbeitgeber erhalten. In Zukunft würden sie das tun.

Bei den Interessensvertretungen wird dieses Hamburger Modell sehr unterschiedlich eingeschätzt. Der DGB begrüßt es, der dbb lehnt es ab. Warum wird es so unterschiedlich eingeschätzt? - Dazu sind heute viele Argumente genannt worden. Ich will noch hinzufügen, dass auch die verfassungsrechtliche Frage im Raum steht, ob es erlaubt ist, dass der Dienstherr seine verfassungsgemäß vorgegebene Fürsorgepflicht gänzlich an ein anderes System abgibt, indem er die Beihilfe durch den Arbeitgeberzuschuss ablöst und dadurch die zwischen Beamtinnen und Beamten einerseits und dem Dienstherrn andererseits vereinbarte besondere Beziehung ändert.

Herr Kalinka ist darauf eingegangen: Es besteht natürlich auch die Sorge, dass der Flickenteppich des Föderalismus sich erweitert und die Mobilität der Beamtinnen und Beamten zwischen den Bundesländern damit schwieriger wird.

Die Frage, wie es sich auf den Landeshaushalt auswirkt, können wir nicht beantworten, weil wir keine Zahlen haben. So weit ist unser System in Schleswig-Holstein noch nicht. Wir arbeiten mit KoPers und dem DLZP daran, dass wir zukünftig solche Zahlen erhalten.

(Zuruf SPD: Nächste Wahlperiode!)

Sicher ist, dass es in einem ersten Schritt zu Mehrkosten kommen würde. Diejenigen, die sich schon heute für die gesetzliche Krankenversicherung entschieden haben, erhielten zukünftig einen Arbeitgeberzuschuss. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich nicht für die Beihilfe entscheiden, sondern für die gesetzliche Krankenversicherung, würden im ersten Moment für den Staat teurer, weil sie in der Regel in der Beihilfe für den Staat günstiger sind, wenn sie jung sind. Das Blatt wendet sich dann, wenn sie älter werden, weil dann die Beihilfe teurer ist als die gesetzliche Krankenversicherung.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

(Dr. Kai Dolgner)

Wenn man die Kosten vergleichen wollte, müsste man natürlich auch beleuchten, in welchem System jetzt Verwaltungskosten in welcher Höhe entstehen.

Die Frau Ministerin erlaubt die Zwischenfrage der Frau Kollegin Waldinger-Thiering.

Vielen Dank, Frau Ministerin. Sie sagen zu Recht, Sie hätten noch keinen Überblick darüber, welche Zahlen da tatsächlich zustande kommen würden, wenn wir jetzt den neuen Beamten die Möglichkeit eröffneten, dass sie sich gesetzlich versicherten. Da ist der Arbeitgeberanteil.

Sie haben gerade gesagt, dass das Land Schleswig-Holstein dadurch, dass wir die Beihilfepflicht haben, immense Summen ausgibt: die ganzen Arztrechnungen, die da entstehen. Außerdem haben wir hohe Bearbeitungskosten. Wenn ich so an die Beihilfe denke und daran, was wir da alles an Personal hineingegeben haben, damit die Anträge zügig abgearbeitet werden, glaube ich, dass es klug wäre, wenn man das einmal gegeneinander aufrechnete.

Ein Punkt, den wir noch gar nicht beleuchtet haben, ist, wenn junge Menschen erst in der Familie - also durch den beihilfeberechtigten Vater oder die beihilfeberechtigte Mutter - in dem System gewesen sind, dann ausscheiden, weil sie mit Studium oder Ausbildung fertig sind, und schließlich wieder ins private System zurückkommen.

Ich glaube, dass es klug wäre, wenn wir diesen Antrag überweisen, Sie Zahlen auf den Tisch legten und wir uns damit wirklich auseinandersetzen könnten.

Ob ein Antrag überwiesen wird oder nicht, entscheidet nicht die Landesregierung.

(Vereinzelter Beifall CDU - Jette Waldinger- Thiering [SSW]: Das weiß ich!)

Die Frage der Kosten: Ich habe gerade gesagt, das können wir nicht beleuchten, weil wir mit unserem System nicht so weit sind. Sie könnten, wenn Sie wollten, vermutlich die Anzahl derjenigen Menschen, die wir jetzt gesetzlich versichern, und deren von uns jetzt gezahlte Krankenkassenkosten mit

den Beamtinnen und Beamten und den Beihilfeleistungen vergleichen. Möglicherweise könnte man das machen.

Ich empfehle eher, sich an Hamburg zu orientieren, weil Hamburg für sich die Zahlen hat. Hamburg hat einen ersten Einblick gegeben, der deutlich macht, dass die Kostenfrage nicht diejenige sein müsste, die einem Wechsel entgegenstünde, weil es in einem ersten Schritt an bestimmter Stelle vielleicht erst teurer, später aber günstiger wäre. So, wie ich es eben gesagt habe, stehen auch andere Fragen im Raum.

Weil es diese vielen Fragen gibt, hat es bisher vermutlich auch noch kein Land gegeben, das umgestellt hat. Ich erinnere mich auch nicht an eine Debatte in den letzten fünf oder zehn oder 20 Jahren, Frau Raudies. Es ist eine neue Debatte, die Hamburg losgetreten hat. Es scheint also bisher nicht so deutlich auf dem Tisch gelegen zu haben, dass irgendjemand von uns das in den letzten 20 Jahren aufgegriffen hat.

Nun ist die Modernisierung der Verwaltung ein stetiger Prozess. Wir als Arbeitgeber versuchen natürlich, immer attraktiver zu werden, und haben uns verschiedene Sachen im Koalitionsvertrag vorgenommen: ein Beförderungspaket, wir wollen das Personalmanagement modernisieren, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken und Führung in Teilzeit ausbauen.

Was wir uns nicht vorgenommen haben, ist eine Flexibilisierung der Krankenversicherung. Dies ist nicht Teil des Koalitionsvertrags. Aus meiner Sicht wäre die erweiterte Wahlpflicht durchaus etwas, was der öffentliche Dienst als Attraktivitätssteigerung mit anpacken könnte - das habe ich auch öffentlich gesagt -, gerade um den Wechsel aus der Wirtschaft in die öffentliche Verwaltung zu vereinfachen. Deshalb werde ich das in den Jahresgesprächen, die ich regelmäßig mit den Gewerkschaften, mit den Interessenvertretungen führe, ansprechen, werde Argumente austauschen. Aber da es nicht Bestandteil des Koalitionsvertrags ist und da wir als Koalitionspartner unterschiedliche Meinungen haben - das ist hier auch heute deutlich geworden -

(Zurufe)

- Es kann passieren. Ich weiß nicht, ob Ihnen das schon einmal passiert ist.

(Thomas Hölck [SPD]: Noch nie! - Weitere Zurufe SPD - Heiterkeit)

(Ministerin Monika Heinold)

Für mich ist es nicht ganz neu, dass Koalitionspartner auch einmal unterschiedliche Meinungen haben können.