Protocol of the Session on September 21, 2017

Das alles wird viel Geld kosten. Das Ende Juni vorgelegte „Reflexionspapier über die Zukunft der EUFinanzen“ der Kommission bringt es auf den Punkt: Dies erfordert über das durch den Wegfall des Nettozahlers Großbritannien bedingte Haushaltsloch von jährlich mindestens 10 Milliarden € hinaus entweder höhere Einnahmen für die EU oder aber Einsparungen. Das Reflexionspapier nennt hier die EU-Struktur- und Investitionsfonds und die gemeinsame Agrarpolitik.

An diesem Beispiel zeigt sich: Neue, für beide Seiten verträgliche Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU der 27 sind nicht nur für die nationalen Volkswirtschaften wichtig. Auch für unsere schleswig-holsteinische Wirtschaft zählt

Großbritannien zu den vier wichtigsten Absatzmärkten in Europa.

Mit Blick auf die AfD-Fraktion sage ich: Auch wir profitieren davon. Die 800 Millionen €, die in der aktuellen Förderperiode 2014 bis 2020 in unsere Landesprogramme Wirtschaft, Ländliche Räume, Arbeit sowie Fischerei und Aquakultur fließen, sind kein Pappenstiel, den man so einfach wegschenken möchte.

(Beifall SPD, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Wir werden in dieser Diskussion nicht die Interessen unseres Landes aus den Augen verlieren, sondern wir werden deutlich machen, dass wir Europa auch aus eigenem Interesse brauchen.

Meine Damen und Herren, abschließend: Die Politik ist also gefordert, sich konstruktiv, klar und deutlich zu einem solidarischen und starken Europa zu bekennen. Das gilt für alle Ebenen, über Parteigrenzen hinweg und für alle Mitgliedstaaten der EU. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Dr. Frank Bro- dehl [AfD])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/152 sowie den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/210, an den Europaauschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung: 13:34 Uhr bis 15:00 Uhr)

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass Minister Dr. Habeck sich für die Nachmittagssitzung abgemeldet hat und nicht im Haus sein wird.

Wir begrüßen auf der Besuchertribüne unsere ehemalige Kollegin aus dem Schleswig-Holsteinischen Landtag, die Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg. - Herzlich willkommen am alten Arbeitsplatz!

(Beifall)

Weiter begrüßen wir Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Probstei aus Schönberg. Auch Ihnen und euch herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall - Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- Deshalb habe ich mit Frau Amtsberg begonnen, Herr Arp.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 und 25 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Familiennachzug erleichtern und Kommunen finanziell stärken

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/149

b) Änderung des Aufenthaltszwecks für gut integrierte Asylbewerberinnen und Asylbewerber ermöglichen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/154

Einwanderungsgesetz des Bundes vorantreiben

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/206

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.

Zu ihrem ersten Redebeitrag im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich der Kollegin Aminata Touré von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

(Beifall)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Besucher und Besucherinnen auf der Tribüne! Ich freue mich, dass ich meine erste Rede hier im Parlament zum Familiennachzug halten darf.

Dass subsidiär schutzberechtigte Menschen seit dem vergangenen Jahr ihre Familien nicht nachholen durften, hat bundesweit für viel Unmut gesorgt. Wer sich Gedanken darüber machen muss, dass die Schwester in einem Kriegsgebiet lebt, der Bruder in einem Transitstaat verweilt oder die Mutter in einem überfüllten Flüchtlingslager campiert, kann sich schwer auf die deutsche Grammatik konzen

(Ministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack)

trieren. Deshalb ist es für uns unverständlich, dass man politisch einerseits Integrationsbereitschaft einfordert, andererseits aber die elementare Bedingung für das Wohlergehen eines Menschen, die Familie bei sich und in Sicherheit zu wissen, durch das Asylpaket II politisch verhindert hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Familiennachzug ist eine der wichtigsten integrationspolitischen Maßnahmen, die wir treffen können. Deshalb freue ich mich, dass wir uns als Koalition dazu entschlossen haben, diesem Thema die nötige Relevanz zu geben.

Wir fordern in unserem Antrag die Landesregierung außerdem auf, sich im Bund dafür einzusetzen, dass die Wartefrist für subsidiär schutzberechtigte Menschen verkürzt wird. Von rechts wird oft behauptet, dass durch den Familiennachzug Massen von Menschen das Land übervölkern würden. Der Familiennachzug begrenzt sich jedoch auf die Kernfamilie. Viele wissen das nicht, deshalb sage ich es Ihnen.

Das nächste Argument, das oft angeführt wird, ist, dass unsere Sozialsysteme belastet werden. So etwas stößt bei mir auf Unverständnis. Dann lassen Sie uns doch die Menschen dazu befähigen, dass sie der Sprache mächtig werden, ihnen keine Arbeitsverbote erteilen

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

und ihre Abschlüsse aus dem Ausland anerkennen, damit sie für sich und ihre Familie sorgen können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Wir fordern deshalb, einer möglichen Verlängerung des Aussetzens des Familiennachzugs nicht zuzustimmen. Das ist verantwortungsvolle Flüchtlingspolitik.

Verantwortungsvolle Flüchtlingspolitik äußert sich auch darin, dass diejenigen, die die Verfahren im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durchführen, diejenigen, die die Arbeit im Landesamt für Ausländerangelegenheiten leisten und in den Zuwanderungsbehörden arbeiten, sowie diejenigen, die sich ehrenamtlich engagieren, nicht mit dieser Aufgabe alleingelassen werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

In Gesprächen, die ich in Behörden im Land genau zu diesem Thema geführt habe, fordern sie vor al

lem, dass sie personell gestärkt werden. Diese Forderung stellen sie zu Recht. Wir fordern in unserem Antrag deshalb auch, dass die Kommunen bei der Aufgabe der Integration vom Bund finanziell gestärkt werden.

In dieser Debatte behandeln wir auch den Antrag der SPD, der fordert, dass Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten die Möglichkeiten erhalten, den Aufenthaltszweck zu ändern. Anlass des Antrags ist der Fall in Kirchbarkau: eine albanische Familie, die trotz guter Integration abgeschoben worden ist. Das ist leider kein Einzelfall.

Ich spreche hierbei auch aus persönlicher Erfahrung. Meine Familie und ich haben hier in Kettenduldung gelebt. Wir sind zur Schule gegangen, meine Eltern haben gearbeitet. Wir sind - wie Sie unschwer erkennen können - gut integriert.

(Beifall)

Die Ungewissheit, im Halbjahrestakt abgeschoben werden zu können, war dennoch da - und das für zwölf Jahre. Ich sage Ihnen: Dieses Schicksal teile ich mit vielen Migranten und Migrantinnen. Wir werden hier geboren und kennen kein anderes Land als Deutschland. Es ist unser Zuhause. Ich kann dem Antrag der SPD daher im Kern zustimmen.

Wir aber stellen einen weiter reichenden Antrag, der diese Forderung beinhaltet. Wir wollen eine Bundesratsinitiative mit dem Anspruch starten, Einwanderung legal zu ermöglichen. Wir Grüne wollen, dass der sogenannte Spurwechsel Teil eines Einwanderungsgesetzes wird: Menschen, die bereits in Deutschland sind und keinen Anspruch auf Asyl haben, hier aber arbeiten und leben, sollen bleiben können. Es heißt immer: Gute Integration schützt. Ich sage: Bundesgesetzliche Regelungen helfen, damit sich Fälle wie in Kirchbarkau nicht wiederholen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)