Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem ich in zwei Kleinen Anfragen im Jahr 2018 auf die Gefahren durch Munitionsrückstände in Nord- und Ostsee aufmerksam gemacht hatte, sind endlich die angeblichen Vorreiter in Sachen Naturschutz aus ihrem umweltpolitischen Blindflug erwacht.
„Hält die Landesregierung ihre Einschätzung aufrecht, wonach es ‚derzeit nicht erkennbar ist, dass eine großräumige Gefährdung … der munitionsbelasteten Flächen hinaus vorhanden oder zukünftig zu erwarten ist‘?“
Die im Sommer elendig verendeten Schweinswale, über die überall in der Landespresse zu lesen war, sprechen klar gegen die Einschätzung der Landesregierung.
Lassen Sie mich bitte auf einen weiteren Gesichtspunkt hinweisen. Natürlich muss der Bund bei der Beseitigung der Munitionsaltlasten in die Pflicht genommen werden, keine Frage. Dass aber nun ausgerechnet die Regierungsfraktionen den Antrag „Gefährliche Weltkriegsmunition in Nord- und Ostsee bergen“ einbringen, ist an Heuchelei nicht zu übertreffen. Sie sind doch an der Regierung! Stellen sie keine Anträge, sondern handeln Sie!
(Dennys Bornhöft [FDP]: Kennen Sie den Unterschied zwischen Exekutive und Legis- lative? - Anhaltende Unruhe)
Was unser Bundesland, das an die Meere angrenzt, braucht, sind Taten und keine Worte. - Vielen Dank.
(Dennys Bornhöft [FDP]: Handeln statt Re- den! - Wolfgang Baasch [SPD]: Abtauchen wäre besser! - Weitere Unruhe)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer mir aufmerksam zugehört hat, wird gehört haben, dass ich gesagt habe, dass wir dem Antrag der Regierungskoalition zustimmen können. Ich sehe nur, dass das vom Umweltminister
Nichtsdestotrotz kann man dem Antrag ja zustimmen. Wir haben nicht gesagt, dass der Roboter für eine Sprengung da ist. Im Ausschuss ist ja vorgestellt worden, wie das mit der Hochtemperaturkamera funktioniert. Im Ausschuss war das schon Thema - Robert Habeck hat das in der letzten Legislaturperiode mehrfach angesprochen -, wofür der Roboter einsetzbar ist. Das ist richtig und gut.
Wer mir weiter zugehört hat, konnte feststellen, dass ich gesagt habe: Auf Grundlage der Beschlüsse der Umweltministerkonferenz wollen wir bestimmte Punkte weiterentwickeln und schneller voranbringen, als es die Umweltministerkonferenz beschlossen hat.
Lassen Sie mich auch sagen: Ich weiß ganz genau, wer diesen Punkt eingebracht hat, aber das ist mir völlig egal. Ich bin nicht Abgeordnete in Mecklenburg-Vorpommern, ich bin auch nicht Bundestagsabgeordnete, ich stehe im Schleswig-Holsteinischen Landtag als SPD-Abgeordnete,
und ich bin der Meinung, dass Punkt sieben Blödsinn ist - egal, welcher Minister aus welchem Bundesland den Punkt eingebracht und ihm zugestimmt hat. - Danke.
Bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne die Landesschülervertretungen der Gymnasien, Gemeinschaftsschulen und berufsbildenden Schulen in Schleswig-Holstein.
Für die Landesregierung hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht, das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ja, viele wichtigen Fakten und Informationen wurden genannt. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir hier sowohl eine drin
gende umweltpolitische Aufgabe als auch eine historische Verantwortung vor uns haben. Denn Deutschland ist für die Auslösung zweier Weltkriege verantwortlich, und die Munitionsaltlasten aus diesen beiden Weltkriegen befinden sich mit den 1,6 Millionen t nicht nur in der deutschen Nordund Ostsee, sondern auch in den Gebieten unserer Anrainerstaaten. Wir haben gemeinsam die Aufgabe, eine Lösung für dieses Problem zu finden, nicht nur in unseren Meeren.
Und ja, die Aufgabe drängt. Denn wie schon ausgeführt wurde, haben wir noch 15 bis 20 Jahre Zeit, bis die ersten Fässer, Bomben, Granaten, Torpedos - wir haben viele unterschiedliche Munitionsaltlasten - korrodieren, die entsprechenden Giftstoffe in die Gewässer entlassen werden und damit in den Organismen und am Ende möglicherweise auch in Lebensmitteln landen.
Von den Erkenntnissen, die wir seit Frühjahr dieses Jahres vorliegen haben, können wir sagen, dass das die Folge sein wird. Wir können von Glück reden, dass wir von dem weg sind, was in den 70er- und 80er-Jahren von der Bundesregierung gesagt wurde, dass von diesen Altlasten nie eine Gefahr ausgehen werde. Wir wissen heute, dass wir etwas tun müssen, und wir haben gemeinsame Entschließungen, die nicht nur von den Küstenländern, sondern von allen Ländern getragen werden und die darauf hinwirken, dass wir nun ein gesamtstrategisches Herangehen an dieses große Problem entwickeln.
Aber Bergen-Können und Sofort-bergen-Müssen sind zwei unterschiedliche Dinge. Es hilft nichts, wenn man den Menschen vermittelt, dass man nur anfangen müsse, weil alle Fakten vorhanden seien, und wir an einer Stelle anfangen, in dem Wissen, dass das nur ein Teilwissen ist, und wir am Ende nicht die Munition zuerst geborgen haben - denn wir können nicht alles auf einmal bergen -, die sicherheitsrelevant ist und früh geborgen werden muss.
Deswegen ist es weiter unser Auftrag - das haben wir aus Schleswig-Holstein vorangebracht, und wir werden das auch weiter tun -, die Untersuchungen über die Frage voranzutreiben, wo die Munitionsaltlasten liegen. Wir können zwar abschätzen, wieviel es ist, aber wir wissen bei vielen Bereichen nicht, wo die Munitionskörper liegen.
Deshalb fordern wir mehr ein als die bloße Aussage, es müsse schnell geborgen werden. Es muss eine Gesamtstrategie entwickelt werden, die nicht
sagt, in 20 Jahren werden wir alles bergen können und das Geld dafür haben, sondern die auf dem Weg dahin das fortsetzt und vertieft, was wir in Zusammenarbeit mit den Küstenländern angeschoben haben und wo Schleswig-Holstein stets nicht nur an Bord, sondern am Steuer war, sowohl länderübergreifend in Deutschland als auch international.
Schleswig-Holstein war bei dem ersten Bericht der Helsinki-Kommission zum Schutz der Ostsee 1994 über 40.000 t chemische Munition in der Ostsee proaktiv dabei und hat das mit erarbeitet, 2013 bei dessen Aktualisierung und nimmt heute den Vorsitz einer ostseeweiten Expertengruppe gemeinsam mit Schweden, Polen, Estland, Litauen und Finnland eine Bestandsaufnahme konventioneller Munition in der ganzen Ostsee vor. Man kann mit gutem Grund sagen, dass das Land Schleswig-Holstein als treibender Faktor an vorderster Stelle dabei ist. Es wird also viel getan.
Übrigens auch bundesweit. Es ist ja nicht so, dass wir dieses Thema hier immer nur benennen und im Ausschuss darüber berichten, sondern es war unser Umweltministerium, das dazu beigetragen hat, dass überhaupt ein Beschlussvorschlag auf den Tisch gelegt wurde, der all die Punkte aufgreift, über die wir hier diskutieren.
Insofern sollte man das nicht infrage stellen. Mich nun dafür verantwortlich zu machen, dass eine unglückliche Formulierung von einem SPD-Bundesstaatssekretär gemeinsam mit einem SPD-Landesstaatssekretär gewählt wurde,
(Sandra Redmann [SPD]: Oh! Wenn es ein Grüner gewesen wäre, wäre sofort ausgewie- sen worden, oder was?)
und als Grundvoraussetzung dafür zu nehmen, dass das Land mit dabei ist und der Beschluss zustande kommt - nein, also beim besten Willen -, das geht nicht. Ich habe ein Interesse daran, dass überhaupt ein solcher Beschluss zustande kommt. Wenn diese Formulierung Grundvoraussetzung dafür ist, dass auch das SPD-Ressort aus Mecklenburg-Vorpommern zustimmt und wir hier eine Einstimmigkeit bekommen, dann ist das so. Das ist ein Prüfauftrag, das muss man dann hinnehmen und davon ausgehen, dass die Prüfung am Ende nach guten fachlichen Kriterien abläuft und im Ergebnis das ist, was wir hier alle gemeinsam erreichen wollen.
Mir geht es darum, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass die Inhalte des Beschlusses, die Aktualisierung der Bewertung der Gefahren aus 2011, die Untersuchungen von Lebensmitteln aus dem Meer und den munitionsbelasteten deutschen Meeresgebieten umgesetzt wird, dass die Schaffung eines Munitionskatasters zur Risikobewertung fortgesetzt wird, dass wir gemeinsam nach Instrumenten zur Finanzierung suchen, die Fachministerkonferenzen einbeziehen, und sie auffordern, sich damit zu befassen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass mein Kollege, Herr Grote, auf der vergangenen Innenministerkonferenz erneut dafür gesorgt hat, dass sich das Gremium fachlich damit befassen wird. Das Thema werden wir auch in den anderen Fachministerkonferenzen voranbringen.
Ich bin auch davon überzeugt, dass Sie und wir alle gemeinsam in den anderen Zusammenhängen, die uns zur Verfügung stehen, für das, was wir hier besprechen, wirksam eintreten können. Das gilt zum Beispiel für die schon angesprochene Ostseeparlamentarierkonferenz, bei der es ganz essenziell ist, diese Frage voranzubringen. Das gilt für den Deutschen Bundestag, der hauptverantwortlich ist für die Kontrolle des Bundesverteidigungsministeriums, das am Ende einen direkten Einfluss darauf hat, ob die Alternative von RoBeMM mit der Entschärfung auf dem Meeresgrund statt der Sprengung, die wir hier in Schleswig-Holstein entwickelt haben, endlich eingesetzt wird. Es brauchte erst eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag, um deutlich zu machen, was die Folgen sind, wenn wir sprengen, nämlich der Tod von Schweinswalen, der hätte verhindert werden können. Ich glaube, es ist richtig, dass wir auf allen Ebenen diesen Einsatz voranbringen. Dafür können wir uns gemeinsam auf den Weg machen.
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch einmal auf die Gesamtverantwortung zurückkommen, die Deutschland in diesem Zusammenhang hat. Die EU-Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr ist ein gelungener Zeitpunkt, genau diese Verantwortung deutlich zu machen und in Zusammenarbeit mit den anderen EU-Ländern darauf hinzuwirken, dass Deutschland seiner Verantwortung gerecht wird und diese Munition mit räumt sowie eine Strategie dafür entwickelt, wie das im gesamten Nord- und Ostseeraum stattfinden kann. Ich
werde darauf drängen, dass wir das tun, und werde mich im Sinne der Beschlussfassung heute auch auf Bundesebene genau für diese Punkte, die wir hier heute angesprochen haben, einsetzen. - Herzlichen Dank.