Protocol of the Session on September 20, 2017

(Zuruf FDP: Das stimmt!)

Sie wollen etwas erklärt haben, das Fakt ist. Wir haben einen Koalitionsvertrag, in dem völlig klar geregelt ist, dass wir den Vergabemindestlohn nicht anfassen werden. Insofern gibt es kein Wenn und Aber.

(Zuruf SPD)

- Herr Buchholz wird sich an den Vertrag halten, da bin ich mir ganz sicher. Wir halten uns alle an den Vertrag. Jeder hat Kompromisse machen müssen, das ist so in Koalitionen; das war auch früher in unserer Koalition so. Ich erinnere an bestimmte Äußerungen unseres Vorvorinnenministers zur Vorratsdatenspeicherung. Das hat auch nicht immer dem entsprochen, was im Koalitionsvertrag vereinbart war, und trotzdem hat er sich in der Form geäußert. Das passiert in Koalitionen. Das ist bei uns in der Küstenkoalition damals so gewesen, und das ist hier auch so. Ich will aber nicht verhehlen, dass es bei uns zu Verwirrungen geführt hat.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Na ja!)

Lars Harms, Sie sagen, der Mindestlohn wird kurzerhand weggenommen. Die Grünen werden dafür sorgen, dass der Vergabemindestlohn in dieser Koalition nicht einfach weggenommen wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben 2013 den Landesmindestlohn eingeführt. Es ist richtig, dass er mit dem Bundesmindestlohn ausläuft. Das ist auch völlig logisch; denn der Bundesmindestlohn wird ab 2019 vermutlich höher sein als der Landesmindestlohn. Von daher wäre es absurd, ihn nicht auslaufen zu lassen.

Mindestlöhne sind unserer Meinung nach weiterhin wichtiger denn je. Die neuesten Berichte zeigen: Das Auseinanderdriften von Arm und Reich ist ein wichtiges Thema. Wir müssen in unserer Gesellschaft darauf achten, dass es nicht nur unserer Wirtschaft insgesamt gut geht - das ist wichtig -, sondern dass vorhandener Reichtum und Einkommen gerecht verteilt werden.

(Beifall Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir stehen dazu, dass man für gute Arbeit auch guten Lohn bekommen muss.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es ist völlig klar, dass der Mindestlohn nur ein kleiner Teil der Armutsbekämpfung ist. In den letzten Tagen hat die Hans-Böckler-Stiftung einen Bericht über Kinderarmut veröffentlicht. Schauen Sie sich die Zahlen zur Kinderarmut in unserem reichen Deutschland an. Obwohl es unserer Wirtschaft so gut geht, sind 20 % der Kinder und Jugendlichen von Armut betroffen. Das ist eine unglaubliche Zahl. Deswegen gilt es, die Kinderarmut weiter zu bekämpfen.

Meine Damen und Herren, in Bezug auf das Vergaberecht werden wir in dieser Legislaturperiode, das sage ich ganz offen, Änderungen bei den Dokumentationspflichten und bei der Bürokratie vornehmen; denn es kann doch nicht sein, dass sich Unternehmen nicht mehr um öffentliche Aufträge bewerben, weil sie den Papierkrieg scheuen. Das heißt aber nicht, dass die Standards gesenkt werden müssen. Vielmehr kann man sich überlegen, wie die Standards garantiert werden können, ob die jetzige Form die richtige ist oder ob wir etwas ändern müssen. Das hat auch der Evaluationsbericht, den wir in der alten Koalition in Auftrag gegeben haben, be

(Lukas Kilian)

stätigt. Ich glaube, gute Standards und weniger Bürokratie müssen sich nicht widersprechen. Wir werden dafür sorgen, dass beides geht.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Lieber Kollege Lars Harms, Sie haben sich nicht zurückgehalten, die Kritik an den Äußerungen unseres Wirtschaftsministers auf diese Koalition und auf uns Grüne zu münzen. Sie schreiben: „Grüne opfern soziales Gewissen für Macht“. Ich frage mich: Ist das das Niveau, auf das wir uns die nächsten fünf Jahre einstellen müssen? - Ich hoffe nicht. Ich wünschte mir einen Rest Sachlichkeit, auch in dieser Debatte. Dass wir den liberalen Kahlschlag unterstützen würden, halte ich, auch wenn der SSW weniger davon betroffen ist, für Bundestagswahlgequatsche. - Entschuldigung. Ich weiß nicht, ob das parlamentarisch war?

(Serpil Midyatli [SPD]: Das ist der neue coo- le Sprech hier! Man kann alles sagen!)

- Der coole Sprech! Gut, ich kann alles sagen, was ich will. Ich sage zu diesem Punkt nur noch eines: Es ist eine Scheindebatte. Es ist klar, wie diese Koalition zum Vergabemindestlohn steht.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ihr redet nur an- ders!)

Insofern ist die Debatte nicht zielführend. Viel Lärm um nichts! Wir stehen zum Vergabemindestlohn. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Frau Abgeordnete, ich will Ihnen Ihre Frage gern beantworten. Der Begriff „Gequatsche“ ist nicht parlamentarisch.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann entschuldige ich mich! - Wolf- gang Kubicki [FDP]: Bei wem? - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Herrn Harms!)

- Herr Harms hat die Entschuldigung angenommen. Damit ist das erledigt.

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Christopher Vogt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke SPD und SSW für die Anmeldung dieser Aktuellen Stunde. Das gibt uns die gute Gelegenheit, Lars Harms, noch einmal in aller Öffentlichkeit darzulegen, was wir miteinander vereinbart haben und auch umsetzen werden.

Ich habe gestern Abend irgendwo gelesen, dass Herr Dr. Ralf Stegner sich mit dieser Aktuellen Stunde vorgenommen habe, die Unterschiede zwischen den Koalitionsparteien herauszuarbeiten. Mit Verlaub, Herr Dr. Stegner: Das haben wir in den letzten zwei Wochen auch ohne Sie hinbekommen.

(Heiterkeit und Beifall FDP, CDU, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt AfD)

Nicht einmal mehr dafür brauchen wir Sie.

(Heiterkeit und Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann mich in andere Menschen hineinversetzen. Ich kann gut verstehen, dass die SPD-Fraktion von der wirklich bemerkenswerten Tatsache ablenken will, dass sie uns für diese Tagung all die Dinge vorgelegt hat, die Sie in der Großen Koalition nicht durchsetzen konnten, und das ein paar Tage vor der Wahl. Ich finde, das ist eine kluge Wahlkampfstrategie, die Menschen noch einmal darauf zu stoßen.

(Vereinzelte Heiterkeit FDP und CDU)

Würden wir das ernst nehmen, Herr Dr. Stegner, würde das bedeuten, dass Sie dieser Landesregierung in Berlin mehr zutrauen als Ihrer eigenen Bundestagsfraktion, Ihren eigenen SPD-Ministern.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU - Wolf- gang Kubicki [FDP]: Herr Schulz!)

Aber im Ernst. Wir haben hier drei Koalitionsparteien, die in den letzten Monaten zueinander gefunden haben, weil das Wahlergebnis so war, wie es war. Es ist übrigens egal, welche Parteien nach der Wahl zu einer Koalition zusammengefunden haben: Das wäre immer so gewesen. In den Tagen vor einer wichtigen Bundestagswahl sind mit Blick auf den Wahlsonntag die Emotionen unterschiedlich; Herr Dr. Stegner, das muss ich Ihnen nun wirklich nicht erklären. Das darf auch bei einer bundesweit beachteten Koalition so sein. Es gab keine Parteienfusion. Dass es Unterschiede gibt, ist wenig überraschend und auch alles andere als bedauernswert.

Herr Dr. Stegner, ich muss noch einmal zu Ihnen kommen. Wäre Ihre Bundespartei von der Union noch zu unterscheiden, wäre der Wettbewerb ums

(Eka von Kalben)

Kanzleramt derzeit vielleicht etwas spannender. Insofern ist das, was Sie, Herr Dr. Stegner, heute veranstalten, ein Sturm im Wasserglas; der eigentliche Oppositionsführer spricht gleich noch.

Es gab vor anderthalb Wochen den besagten Bericht in den Zeitungen des shz-Verlages über eine Pressekonferenz der drei FPD-Wirtschaftsminister in Berlin, in dem wiedergegeben wurde, was Minister Buchholz zum Thema Neuordnung der Mindestlöhne in Schleswig-Holstein ausgeführt hat. Es ist noch einmal deutlich geworden, dass es eine gewisse Unübersichtlichkeit im Bereich der gesetzlichen Mindestlöhne in Schleswig-Holstein gibt, an der wir arbeiten wollen und auch arbeiten werden. Auch Teile der SPD-Fraktion und der DGB Nord hatten bereits schon vor der Sommerpause Probleme, genau einzuordnen, was verändert wird und was eben nicht.

Richtig ist: Der gesetzliche Landesmindestlohn, der nach wie vor bei 9,18 € liegt, bleibt laut Koalitionsvertrag auf diesem Niveau und läuft bis zum Jahr 2019 aus, weil er dann vom Niveau des gesetzlichen Bundesmindestlohns, der derzeit noch bei 9,84 € liegt, aller Voraussicht eingeholt oder übertroffen sein wird. Herr Dr. Stegner, Sie sagen - das kann man als sozialdemokratische Partei machen -, dass der Mindestlohn bei mindestens 9,99 € liegen muss. Ich frage mich: Warum haben Sie den Landesmindestlohn bei 9,18 € belassen? Diese Frage müssen Sie beantworten; denn das alles ist nicht besonders logisch.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja!)

Sie haben in den vergangenen Wochen gesagt, wir würden eine unsoziale Politik betreiben. Dann muss man sich allerdings fragen: Warum hat Hamburg den Landesmindestlohn zum 1. Januar 2017 auslaufen lassen? Dort regiert Rot-Grün, Ihr Parteifreund Olaf Scholz, der für Sie Wahlkampf gemacht hat. Wenn Sie sagen: Das, was die Küstenkoalition Entschuldigung! Wie heißt sie noch mal? Ich meinte die Jamaika-Koalition! - miteinander tut,

(Heiterkeit FDP und CDU)

sei unsoziale Politik, dann müssen Sie sich schon fragen: Warum macht Olaf Scholz in Hamburg das auch? Er hat das bereits zum 1. Januar 2017 getan. Da war der Landesmindestlohn niedriger als in Schleswig-Holstein.

Also, es geht um den vergaberechtlichen Mindestlohn, den Mindestlohn von 9,99 €, der im Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes für öffentliche Aufträge separat vorgesehen ist. Im Koalitionsver

trag - noch einmal - haben wir dazu nichts Konkretes vereinbart. Die Grünen haben sehr deutlich gemacht, dass sie an diesem festhalten möchten. Insofern ist davon auszugehen, dass dieser bestehen bleiben wird.

Frau von Kalben hat das richtig ausgeführt: Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir das Tariftreueund Vergabegesetz auf der Basis des Evaluationsberichts der alten Landesregierung überarbeiten wollen, dass wir die vergabefremden Kriterien, die niemandem wirklich helfen, herausstreichen wollen, die aber gerade die kleinen Betriebe davon abhalten, sich auf öffentliche Aufträge zu bewerben. Zum Glück ist gerade im Baubereich die Auftragslage sehr gut, das kann sich aber auch schnell wieder ändern. Insofern sollten wir da für faire Bedingungen sorgen.

Nun könnte man der Meinung sein, auch der vergaberechtliche Mindestlohn sei ein vergabefremdes Kriterium. Die FDP-Position kennen Sie. Die bleibt auch in der Koalition bestehen, aber wir sind vertragstreu, und wenn wir dort nichts Gesondertes vereinbart haben, wird daran mit Sicherheit auch nicht gerüttelt werden.

Herr Dr. Stegner, insofern ist es auch relativ witzlos, was Sie gerade kritisieren. Sie sind ja stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender, Sie äußern sich ja nur auf Basis des schwarz-roten Koalitionsvertrages. Etwas anderes habe ich von Ihnen noch nie gehört.