Protocol of the Session on September 26, 2019

Herr Dr. Stegner, teilen Sie meine Meinung, dass diejenigen, die keine oder wenig Steuern zahlen - zum Beispiel die Auszubildenden in der Altenpflege, die mit dem Auto zur Arbeit fahren müssen, weil es keinen öffentlichen Nahverkehr gibt -, nicht von der Pendlerpauschale profitieren? Hätte es deswegen nicht auch Möglichkeiten gegeben, eine soziale Abfederung bei der Einführung eines CO2-Preises vorzunehmen?

- Ich hatte gehofft, Sie hätten auch dem ersten Teil meiner Rede zugehört. Ich hatte mich zum Thema ÖPNV geäußert. Wir Sozialdemokraten wollen nicht nur ein Semesterticket für Studierende, sondern auch ein Azubi-Ticket.

(Beifall SPD und SSW)

Wir wollen den ÖPNV, gerade für diese Gruppen, dauerhaft kostenlos machen. Möglicherweise gibt es auch andere Ideen, wie man eine soziale Abfederung schafft. Trotzdem bleibt es Faktum, dass - ich glaube, das hat Kollege Habeck übersehen, möchte ich freundlich sagen - es hier gar keine Privilegierung des Autos gibt. Für die Bahn gilt das genauso. Des Weiteren müsste es unser Ziel beim Klimaschutz sein, dass nicht große Teile der Bevölkerung, die keinen dicken Geldbeutel haben, am Ende nicht dabei sind. Dann gewinnen am Ende nämlich die

(Dr. Ralf Stegner)

Rechtspopulisten, die versuchen, mit dem Leugnen des Klimawandels Stimmen zu holen; das kommt am Ende dabei heraus. Das dürfen wir nicht tun. Deshalb darf man keine soziale Spaltung betreiben. Deshalb muss man unter den gegenwärtigen Bedingungen versuchen, einen sozialen Ausgleich zu schaffen. Das hat die SPD versucht. Ich glaube, das ist einigermaßen gut gelungen.

Wir brauchen den Ausbau des ÖPNV im Land Schleswig-Holstein. Wir müssen ihn günstiger machen, damit er eine echte Alternative zum Auto wird.

Beim Klimaschutz gibt es nicht die eine Stellschraube, an der man drehen kann, und alles andere wird gut. Wer das behauptet, streut den Menschen Sand in die Augen. Wir haben noch einen weiten Weg bis zur Klimaneutralität vor uns. Es sind viele Hausaufgaben zu machen, bis das umgesetzt ist. Es bedarf übrigens auch einer starken Parteiführung, damit die Kabinette das auch tun.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Zusätzlich müssten an der ein oder anderen Stelle Nachbesserungen möglich sein. Weil wir auch im Bundesrat darüber reden, möchte ich Ihnen sagen: Natürlich sind die Grünen daran beteiligt. Sie sind in Schleswig-Holstein beteiligt. Ich bin gespannt, welche Kompromisse vorgeschlagen werden. Wir könnten uns durchaus einen etwas höheren CO2-Preis vorstellen - das könnte in dem Vermittlungsverfahren herauskommen -, sofern dieser sozial abgefedert bleibt; diese Bedingung knüpft die SPD daran. Dann kommen wir hoffentlich zu einer Einigung. Trotz einer schwarz-roten Bundesregierung - ich muss das leider sagen, Herr Kollege Vogt - wird es bundesweit weitestgehend grün. In Schleswig-Holsteiner reden sie auch ein gewichtiges Wörtchen mit, sodass eine gute Verhandlungslösung herauskommen kann.

Es gibt noch weitere Veränderungen; das will ich mit Blick auf den Dringlichkeitsantrag des SSW sagen: Wir hielten und wir halten CCS für eine gefährliche Technologie mit nicht absehbaren Folgen. Deswegen sind wir strikt dagegen, dass diese eingeführt wird, egal auf welchem Weg. Das will ich deutlich sagen.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen reden wir damit nicht über Zukunftstechnologie. Wir sollten bei dem bleiben, was der Landtag 2014 gemeinschaftlich festgehalten hat; das mag dem einen oder anderen, der noch nicht lange

in der Landespolitik ist, Herr Umweltminister, einen Erkenntnisgewinn bescheren; wenn das dabei herauskommt, ist das gut.

Jedenfalls sollten wir diese Technologie nicht einführen. Deswegen wollen wir dem Antrag der Jamaika-Koalition zustimmen. Wenn sich der SSW entschließen könnte, den letzten Satz im vorliegenden Dringlichkeitsantrag zu ändern, könnten wir dem auch zustimmen; natürlich ist klar, dass über all diese Dinge im Gesetzgebungsverfahren entschieden wird. Die SPD in Schleswig-Holstein würde niemals zustimmen, wenn darin steht, wir wollten CCS einführen. Vielleicht können Sie darüber noch einmal reden. Der SSW-Antrag ist ansonsten vernünftig. Wie gesagt, nur der letzte Satz ist ein wenig missverständlich.

Wir jedenfalls wollen, dass die Emissionen sinken, dass wir klimaneutral werden. Das ist die einzige nachhaltige Lösung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz zum Schluss will ich sagen: Bei all dem parteipolitischen Streit, den man haben kann - außer mit denen, über die ich nicht weiter reden werde -, ist der Klimaschutz eine Aufgabe - mit allem, was wir dazu machen müssen, um das sozialverträglich und mehrheitsfähig hinzukriegen -, an der uns unsere Kinder und Enkel messen werden. Wir haben die Chance zu zeigen, dass wir aus unseren Erkenntnissen Folgen ableiten. Wenn uns das gelingt, wäre es übrigens auch ein großer Beitrag zur Stärkung der repräsentativen Demokratie. Daher sollten wir es mit einem Höchstmaß an Gemeinsamkeit in diesem Hause versuchen. Das sollten Sie an meinen Worten auch erkannt haben. - Zu den Anträgen habe ich bereits etwas gesagt. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stecken in einer Klimakrise. Sie ist menschengemacht. Sie wird uns richtig etwas kosten. Den meisten Menschen sind diese Fakten klar. Viele warnen seit Jahren, dass wir endlich das Ruder herumreißen müssen. Wir taten es auch. Wir, die Grünen, haben 1990 den Einzug in den Bundesrat verpasst. Damals hatten wir den Slogan: „Alle reden von Deutsch

(Dr. Ralf Stegner)

land. Wir reden vom Wetter:“. Heute reden alle vom Klima, aber in Deutschland passiert nichts.

Schauen wir auf den vergangenen Freitag, den 20. September. An diesem Tag wollte uns die GroKo mit Klimaplänen überraschen. Ja, sie hat uns überrascht, aber nicht zum Guten. Weltweit waren zumeist junge Menschen auf den Straßen, um eine lebenswerte Zukunft für ihre Generation einzufordern. Das ist eine berechtigte Forderung. Gleichzeitig saß das Bundeskabinett zusammen und beriet, wie sie das Problem der Klimakrise angehen müsse - in der dritten Legislaturperiode. In den 90er-Jahren hatte bereits eine Enquetekommission im Bundestag zum Klimaschutz getagt. Die Wissenschaft ermahnt uns seit Jahrzehnten.

Dann traten am vergangenen Freitag offensichtlich sehr erschöpfte Menschen auf. Sie haben auf mich den Eindruck gemacht, dass sie offensichtlich die ganze Nacht nach Lösungen gesucht haben. Ja, das vorgestellte Klimapaket enthält richtige Ansätze. Es wird ein Einstieg in die CO2-Bepreisung kommen. Die Bahn soll günstiger und das Fliegen soll teurer werden. Es gibt eine geringere Deckelung beim Ausbau der Solarenergie und der Offshore-Windenergie. Das sind gute Ansätze.

Vor zehn Jahren hätte ich vielleicht gesagt: Gut, wir dürfen die Bevölkerung nicht überfordern, wir fangen in kleinen Schritten an. - Aber jetzt sind wir im Jahr 2019, und es sind viele Jahre ohne grundlegende Veränderungen verstrichen. Die Wissenschaft, wir haben es gestern gehört, warnt uns davor, dass wir eigentlich schon einen Schritt weiter sein müssten, dass wir einen Schritt schneller sein müssten. Je kleinteiliger und je kleingeistiger wir anfangen und je kleiner die Schritte heute sind, umso größer sind sie für künftige Generationen. Alles, was wir heute an CO2 nicht einsparen, kann und muss die Jugend von morgen einsparen. Wir wissen, Herr Stegner hat darauf hingewiesen, dass Einsparungen dann immer zu sozialen Verwerfungen führen können und zu Benachteiligungen von denjenigen, die sich Energie oder Emissionen nicht leisten können.

Zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Klimaziele schon nicht mehr ambitioniert genug finden, ist mir dieses Paket der Großen Koalition zu klein. Es ist allemal ein Päckchen und lediglich ein Einstieg.

Meine Damen und Herren, wir wollen vieles auf EMobilität und erneuerbare Energien umstellen, jedoch wird der Windausbau durch das neue Klimapaket quasi gestoppt, indem deutschlandweit Abstände von 1.000 m festgelegt werden und Bayern

sich einfach aus der Produktion der erneuerbaren Energien verabschiedet. Wir können demnächst sogar überlegen, ob wir die Stromtrassen nur bis zur Grenze von Bayern bauen, denn die verabschieden sich vom Ausbau der erneuerbaren Energien. Das kann nicht wahr sein. Das ist unfassbar, unsolidarisch und egoistisch.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf diese Art und Weise werden wir niemals die Klimaziele, auch weltweit nicht, erreichen, denn wir verlangen ja nicht nur von uns, solidarisch miteinander zu sein, sondern wir wollen ja, dass auch Europa und die ganze Welt mitmachen, um gemeinsam die Klimaziele doch noch zu erreichen.

Meine Damen und Herren, was vorliegt, reicht uns nicht aus. Umso mehr müssen wir uns als Land anstrengen, unseren Beitrag zu leisten. Darüber haben wir in der gestrigen Haushaltsdebatte bereits gesprochen. Wir können uns als Bundesland nicht zurückziehen, wir können uns als Nation nicht zurückziehen. Wir müssen den Kommunen dabei helfen, vor Ort ihren Beitrag zu leisten. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, ihren Teil zum Klimaschutz beizutragen.

Ich habe mich gefragt, warum die Große Koalition aus unserer Sicht so unambitioniert wirkt. Natürlich ist es so - das ist auch von meinen Vorrednern bereits gesagt worden -, dass es Menschen gibt, die Angst haben. Es gibt sogar Menschen, die den Klimawandel leugnen, obwohl die große Mehrheit der Wissenschaft - 99,5 % wird geschätzt, es ist mir egal, es können auch 95 % sein - ganz klar sagt, dass es einen menschengemachten Klimawandel gibt, dessen Folgen katastrophal sind, es aber auch Dinge gibt, die wir tun können.

Gleichzeitig ist es aber so, dass diese winzige Minderheit von Verschwörungstheoretikern - so möchte ich sie einmal bezeichnen - insbesondere von politischen Populisten und den sozialen Netzwerken befeuert werden, dass sehr viele Menschen - man schätzt circa über 30 % - diesem kleinen Teil der Skeptiker folgt. Das ist aus meiner Sicht das Gefährliche, und das ist das, wo wir in diesem Land nicht so richtig vorankommen. Es gibt ganz klare Äußerungen. Wir verlieren gerade ein wenig den Konsens. Wir sollten der Wissenschaft folgen und uns auf die wissenschaftlichen Fakten konzentrieren. Stattdessen folgen wir Protesten. Ja, ich finde es super, dass uns Fridays for Future auffordert, etwas zu tun und auf die Wissenschaft zu hören. Das ist wirklich sehr hilfreich. Wir haben letztendlich

(Eka von Kalben)

auf Proteste reagiert und nicht auf die Stimme der Wissenschaft.

(Christopher Vogt [FDP]: In anderen Berei- chen auch!)

- In anderen Bereichen haben wir zum Glück nicht auf Proteste gehört, wir haben hier politisch in Schleswig-Holstein nicht auf die Proteste von PEGIDA gehört, sondern haben uns an unseren Wertevorstellungen ausgerichtet. Meiner Meinung nach sollten wir stärker der Wissenschaft folgen und nicht nur dem, was auf der Straße oder im Netz passiert. Dazu gehört auch, dass unsere Politik, die wir uns vorgenommen haben, nämlich das Klima zu schützen, weder ideologisch ist noch Panikmachendes enthält. Wir wollen nicht irgendjemandem hinterherlaufen, sondern es ist eine ganz faktenbasierte und sehr unemotionale Politik, wenn wir unsere Zukunft retten wollen.

Ich möchte mit meinen Kindern auch künftig durch das Wattenmeer zu den Halligen laufen. Das geht nur, wenn wir etwas tun, meine Damen und Herren.

Klimamaßnahmen können nur wirken, wenn sie uns zu Veränderungen bewegen. Veränderungen sind nicht immer schön. Sind denn autofreie Innenstädte, in denen man seinen Kaffee trinken kann, in denen man mit dem Fahrrad fahren kann, wirklich so verheerend und so eine schlimme Veränderung? Ist es wirklich so schlimm, mit 120 km/h entspannt und sicher auf der Autobahn zu fahren? Ist das wirklich der Untergang unserer Gesellschaft und unserer Kultur? - Ich finde nicht.

(Beifall Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein Punkt, lieber Herr Nobis. - Ich habe vielleicht gerade in die falsche Richtung geguckt, Entschuldigung, ihr habt nicht dagegengesprochen. Ich möchte nur einen Satz zu Ihrer Hetzrede sagen, Herr Nobis. Sie haben über die sozialen Folgen des Klimaschutzes gesprochen. Ich finde jedoch, wenn wir nichts tun, und da sind sich die Expertinnen und Experten einig - ich weiß, Sie hören nicht gerne auf die Expertinnen und Experten -, dann wird doch nicht der reiche Teil unserer Gesellschaft darunter am meisten leiden, sondern es wird der arme Teil sein, und insbesondere der arme Teil weltweit. Daher ist Klimaschutz immer die sozialere Maßnahme als nichts zu tun und wegzugucken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SSW und vereinzelt FDP - Zuruf SPD)

- Zum Glück nicht. Deswegen können wir auch andere Dinge beschließen.

Dem Punkt Soziales möchte ich noch etwas anfügen. Auf meine Zwischenfrage hatten Sie geantwortet, ich solle Ihnen zuhören. Sie haben bei meiner Frage nicht richtig zugehört. Ich habe nicht auf die Altenpflegerin, die auf den Busanschluss wartet, angespielt, die natürlich mit dem kostenfreien öffentlichen Nahverkehr ihre Arbeitsstelle erreichen soll, ich meine diejenige, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu ihrer Ausbildungsstätte kommt. Davon gibt es wirklich viele. Am Bahnhof in Heide habe ich eine junge Frau getroffen, die von Nordfriesland nach Meldorf in Dithmarschen zu ihrer Ausbildungsstätte fahren sollte - das dauert übrigens eineinhalb Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln -, und die sagte, sie habe das nur gemacht, weil an dem Tag ihr Auto kaputt war und es ansonsten praktisch zeitlich nicht machbar ist.

Von den Erleichterungen durch die Pendlerpauschale profitieren natürlich diejenigen, die mehr Steuern bezahlen, mehr als diejenigen, die weniger oder gar keine Steuern bezahlen. Trotzdem ist es wichtig, dass wir etwas tun - das möchte ich gar nicht infrage stellen -, dass wir eine soziale Abfederung vornehmen. Eventuell sind aber andere Elemente, wie wir sie vorgeschlagen haben, das Geld direkt den Bürgerinnen und Bürgern zurückzugeben, eine bessere Variante.

(Beate Raudies [SPD]: Dann kann das gleich zur Tankstelle gehen!)

- Nein, das muss nicht zur Tankstelle, sondern das kann genauso in den öffentlichen Nahverkehr gehen. Das ist ein großer Unterschied in der Anreizwirkung.

Meine Damen und Herren, wir können und wollen auch nicht schon nach neuen Mülleimern suchen, bevor wir nicht wirklich angefangen haben, unser Haus sauber zu halten. Genau das ist es, wofür CCS steht. CCS heißt, Kohlendioxid mit hohem Aufwand vom Schornstein des Kohlekraftwerkes aufzufangen und mit Energie dorthin zu transportieren, wo es gelagert werden soll und dann in einem Kraftakt mit hohem Druck in den Boden oder auf den Meeresboden zu versenken. RWE hat das in einem Pilotprojekt mit einem Kraftwerk in Hürth bei Köln, 500 km vom Zielort an der Westküste entfernt, geplant. Kohlekraftwerke nutzen eh nur die Hälfte der Energie der Kohle, und dann soll für die Beseitigung der Abgase noch einmal ein Viertel der Energie draufgehen. Das ist Verschwendung.

Wenn das Kohlendioxid im Boden ist, wer garantiert dafür, dass es da unten bleibt? - Eine Leckage, und es kommt an die Oberfläche, wo es am Boden

(Eka von Kalben)

verströmt und lautlos tötet. Selbst ohne Unfall kann Kohlendioxid im Untergrund Schadstoffe im Boden lösen, die dann in das Grundwasser gelangen können. Deshalb ist es richtig und gut, dass wir hier in diesem Haus klare Zeichen zum Thema CCS gesetzt haben.