Protocol of the Session on August 29, 2019

19/1507 gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Abgeordneten des SSW mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt.

Ich lasse dann abstimmen über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/1556 (neu). Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Dann ist dieser Antrag einstimmig angenommen.

Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung: 12:38 Uhr bis 15:04 Uhr)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen die Sitzung fort.

Begrüßen Sie mit mir zusammen auf der Tribüne SPD-Mitglieder aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde sowie Vertreter der Investitionsbank Schleswig-Holstein.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum

Gesetzentwurf der Fraktion der AfD Drucksache 19/1612

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Abgeordneten der AfD-Fraktion, Claus Schaffer, das Wort.

(Zuruf: Die SPD ist noch nicht da!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Das Landarztgesetz wird kommen, davon bin ich überzeugt.

(Beifall AfD - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Ge- nau!)

Ein solches Gesetz ist dringend notwendig, und wir haben dafür auch schon gute Beispiele - dazu später.

Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein gibt es im Norden 1.968 Hausärzte, rund ein Drittel von ihnen ist älter als 60 Jahre. Aktuell gibt es 18 freie Hausarztsitze, allein

(Ministerpräsident Daniel Günther)

zehn davon im Raum Husum. Durch die absehbare Ruhestandswelle bei Hausärzten wird die Aufrechterhaltung der hausärztlichen Versorgung in der Fläche ein ernsthaftes Problem. Das wird mittlerweile von niemandem mehr bezweifelt.

Vor etwas über zwei Jahren haben der damalige Gesundheitsminister, Herr Gröhe, und die damalige Forschungsministerin Wanka den Masterplan Medizinstudium 2020 vorgestellt. Dieser wurde zwischen der Bundesregierung und den Ländern ausgehandelt. Der Plan enthält 37 Punkte. Ich rede heute über den Punkt 37. Dort heißt es, dass bis zu 10 % der Studienplätze vorab an Bewerber vergeben werden können, die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der fachlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für bis zu zehn Jahre im Bereich der hausärztlichen Versorgung zu arbeiten.

Von dieser Möglichkeit haben bereits mehrere Bundesländer Gebrauch gemacht. So hat Bayern bereits durch Landtagsbeschluss eine Quote von 5 % der Studiengänge beschlossen. Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben vergleichbare gesetzliche Regelungen auf den Weg gebracht. NordrheinWestfalen war der Vorreiter bei der Einführung der Landarztquote. Dort tritt zu diesem Wintersemester der erste Studiengang an. Der Ansturm auf die Landarztstudienplätze ist gewaltig.

Weitere Bundesländer prüfen die Einführung und planen sie auch. In Schleswig-Holstein steht die Einführung einer Landarztquote sogar im Koalitionsvertrag der Jamaikaner.

Unser Gesetzentwurf bietet jungen Menschen die Chance auf einen Medizinstudienplatz. Ja, es ist richtig, dass hier eine sehr frühe Entscheidung über die Lebensplanung abverlangt wird. Aber Studienplätze und angeschlossene Verwendungsverpflichtungen bei der Bundeswehr zeigen seit Jahrzehnten, dass dieses Modell in vergleichbarer Ausgestaltung sehr gut funktioniert.

Es gibt sehr viele junge Menschen, die gern Landarzt werden möchten. Vielleicht sind nicht alle Einser-Abiturienten. Aber müssen sie deswegen schlechtere Ärzte sein? - Ich glaube das nicht. So können wir über die Landarztquote den Weg ins Medizinstudium dort ebnen, wo er sonst vielleicht zu steinig wäre.

(Wortmeldung Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Abgeordneter Schaffer, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Bohn?

Nein, ich würde gern meinen Beitrag fortführen. Nach der anfänglichen Kritik aus den Reihen der Studenten aus Nordrhein-Westfalen müssen wir feststellen, dass es nun dort einen Run auf diese Studienplätze gibt. Dort gab es für das Wintersemester 2019/2020 für 145 Plätze insgesamt 1.312 Interessenten - das spricht für sich.

Es muss auch klar sein, dass die Gewährung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum nur mit einem Bündel an Maßnahmen möglich ist. Die Einführung der Landarztquote für das Medizinstudium kann daher nur eine von vielen Maßnahmen sein. Zudem wird sie erst sehr spät Wirkung entfalten: Auch das gehört zur Wahrheit dazu.

Die von der Landesregierung so sehr favorisierte Telemedizin ist hier sicherlich kein geeigneter Baustein. Telemedizin mag aufgrund der geografischen Besonderheiten bei der akutmedizinischen Versorgung der Bewohner von Inseln und Halligen sinnvoll sein. Für Patienten im ländlichen Raum steht aber der persönliche, menschliche Kontakt zum Hausarzt im Vordergrund. Telemedizin kann diesen nicht ersetzen und ist daher nur in begrenztem Umfang geeignet, medizinische Leistungen zu ergänzen.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Ja!)

Die ersten Wochen eines telemedizinischen Testlaufs einer Art virtuellen Notfallambulanz in Neumünster haben gezeigt, dass die Akzeptanz der Telemedizin kaum zu erreichen ist.

Man kann die Landarztquote mit weiteren Maßnahmen kombinieren. Eine Erhöhung der quotierten Studienplätze auf beispielsweise 20 % ist denkbar. Der Staatsvertrag lässt hier entsprechenden Spielraum. Aber auch gebundene Stipendien sind denkbare und geeignete Mittel.

Ein anderes Thema ist die Frage der Attraktivität des ländlichen Raumes und wie diese gesteigert werden kann, damit diese auch für angehende Mediziner und ihre Familien attraktiv ist. Dies zu behandeln, würde den Rahmen hier jedoch sprengen; es ist ein anderes Thema.

Die Einführung einer Landarztquote erreicht bundesweites Interesse. Parteiübergreifend werden in verschiedenen Bundesländern entsprechende Gesetze verabschiedet und dazugehörige Landesverordnungen geschaffen. Auch in Schleswig-Holstein wird durch die Landesregierung großes Interesse an einer Landarztquote bekundet. Dieses Interesse

(Claus Schaffer)

kann nun in Taten umgemünzt werden, denn nur diese zählen.

Der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion liegt nun vor und bereitet die Grundlage für eine sachliche Beratung in den Ausschüssen. Am Ende werden wir eine Landarztquote haben - und das ist gut für Schleswig-Holstein. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Hans Hinrich Neve.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die hausärztliche Versorgung in vielen Teilen der Bundesrepublik ist zunehmend angespannt. Hier kann sich Schleswig-Holstein nicht herausnehmen. Ein Blick auf die Altersstruktur der niedergelassenen Hausärzte belegt, dass sich dieses in den nächsten Jahren noch verschärfen wird. Dieses Problem ist mittlerweile nicht nur in abgelegenen ländlichen Räumen, sondern auch in den Städten angekommen.

Im Jamaika-Koalitionsvertrag haben wir die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten verankert - wissend, dass es nicht nur einer oder zwei Stellschrauben bedarf, um dieses Ziel zu erreichen.

Es gehört aber auch zur Wahrheit dazu, dass wir es hierbei nicht ausschließlich mit einem Problem in der Peripherie zu tun haben, sondern in zunehmendem Maße auch in den Städten.

Es gibt unterschiedliche Gründe für diese Entwicklung: Erstens eine abnehmende Bereitschaft, als niedergelassener Mediziner in freiberuflicher Tätigkeit zu arbeiten, zweitens eine geringere Risikobereitschaft zur Kreditaufnahme bei Praxisübernahme, vor allem aber drittens sich wandelnde Lebensund Familienplanungskonzepte - nicht nur, aber insbesondere bei Medizinerinnen -, viertens die WorkLife-Balance. Dieses Thema betrifft Frau und Mann gleichermaßen. Man ist heute nicht mehr bereit, 60 und mehr Stunden in der Woche zu arbeiten, sondern will auch Freizeit haben.

Gestern waren wir zu einer Veranstaltung bei Medizinern. Es waren ja auch einige Abgeordnete dabei. Wir haben uns dort die Klagen anhören können. Auf diesen Wandel müssen wir als Politik und Gesellschaft Antworten finden. Bereits heute machen sich viele Gemeinden und Städte auf den Weg, at

traktive Arbeitszeitmodelle für Mediziner zu schaffen, die sie dauerhaft an eine Gemeinde binden. Die Planung und Realisierung von Ärztehäusern oder Gesundheitszentren ist hier das Stichwort. Es wird auf kommunaler Ebene als Beitrag zur Daseinsvorsorge verstanden. Wo Hausärzte fehlen, entsteht in der Bevölkerung eine riesengroße Unsicherheit. Das Vorhalten von Ärztehäusern hat sich schon heute als passendes Instrument herausgestellt. Wir sehen die Entwicklung in Büsum und wissen um die große Resonanz auf dieses Konzept - sowohl aus weiteren Landgemeinden, aber auch über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus.

Sie können und werden mutmaßlich in Zukunft ein weiterer wichtiger Baustein sein, um den Veränderungen zu begegnen. Diesen Wandel müssen wir erkennen, proaktiv mitgestalten und kommunalrechtliche Anpassungen auf den Weg bringen. Diese sind derzeit im Innenministerium in Vorbereitung: Stichwort Gemeindewirtschaftsrecht.

Es ist aber auch ein Baustein, die Anzahl der Medizinstudienplätze zu erhöhen. Das können wir als Land Schleswig-Holstein nicht allein schaffen, denn der Studiengang Humanmedizin ist nun einmal ein sehr kostspieliger Studiengang. Ohne den Blick nach Berlin zu richten, werden wir diesen Baustein nicht umsetzen können. Durch eine Studienplatzoffensive Medizin muss sich der Bund zu seiner Verantwortung bekennen.

Eine sogenannte Landarztquote, wie sie im Dezember letzten Jahres in Nordrhein-Westfalen verabschiedet wurde, ist sicherlich ein Weg, wird aber kurzfristig keine unmittelbare Wirkung haben. 13 Semester Regelstudienzeit, anschließend Weiterbildung und dann noch die Facharztausbildung - danach sind mindestens zehn bis zwölf Jahre ins Land gegangen, und im Grunde genommen ist in der Zeit nichts passiert. Es wirkt zu weit weg; wir müssen schon vorher zu Möglichkeiten kommen.

Grundsätzlich stehen wir allen Optionen, die sich als geeignete Maßnahmen erweisen, offen gegenüber. Wir werden mit dem Beschluss zur Drucksache 19/1497, Entwurf eines Gesetzes zur Zustimmung zum Staatsvertrag über die Hochschulzulassung und zur Änderung des Hochschulzulassungsgesetzes, einen Baustein verabschieden. Es müssen entsprechende landesrechtliche Regelungen erfolgen, die mithelfen. Insofern ist ein Bündel von Maßnahmen erforderlich, um angesichts der herrschenden und zukünftigen Herausforderungen zur Sicherstellung bei Problemen der ärztlichen Versorgung Abhilfe zu schaffen.

(Claus Schaffer)

Wir werden im Sozialausschuss über viele Wege sprechen müssen, um die hausärztliche Versorgung in Schleswig-Holstein zu sichern. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.