Protocol of the Session on June 20, 2019

(Beifall SPD)

Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Lasse Petersdotter das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Zu Beginn meiner Rede möchte ich einmal auf die Ausgangslage blicken, in der der erste Hochschulpakt entstanden ist. Das war im Jahr 2007 mit der ganz klaren Absicht, mehr Menschen zum Studieren zu bringen. Zwölf Jahre später kann man sagen: Es hat funktioniert. Tatsächlich haben bedeutend mehr Menschen studiert, und das ist auch gut so; denn wer studieren will, soll dies gern tun, auch wenn immer wieder eine meiner Auffassung nach sehr schräge Debatte um Akademisierungswahn und Akademikerschwemme stattfindet. Ich bin der Meinung, es ist sehr sinnvoll, unterschiedliche Wege zum Glück zu finden, aber ein Studium kann es eben auch sein. Das immer wieder, auch in der öffentlichen Debatte, erzählte: „Nein, wir brauchen nicht so viele Studierende!“, kommt vornehmlich von Menschen, deren eigene Kinder studieren und die sich da nicht ganz durchgesetzt haben. Es ist gut, dass die Menschen studieren, aber wer studiert, hat auch ein Recht auf gute Lehre. Hier hat der Qualitätspakt Lehre in den letzten Jahren sehr viel erreicht, und zwar nicht nur so nebenbei, sondern ganz konkret. Wir können uns zum Beispiel an der Uni Kiel das Projekt „PerLe“ anschauen, bei dem es darum geht, die Lehre zu verbessern. Das ist etwas, was im Hochschulalltag präsent ist. Das sind Seminare in der Didaktik, durch die man tatsächlich auch als Nichtlehrkraft und als nicht unbedingt in die Forschung oder in die Lehre gehender Mensch im Studium durch muss und auch durch kann. Es ist ein gutes Angebot.

Der jetzt geschaffene Pakt für Innovation in der Hochschullehre, also das Nachfolgeprojekt, muss dort anschließen, weiter in die Breite wirken, die Didaktik an den jeweiligen Hochschulen verbessern und an die alten Erfolgserlebnisse wie zum Beispiel durch PerLe anschließen.

Apropos anschließen: Hochschulen müssen mit Sicherheit anschlussfähig an die Gesellschaft und an die Wirtschaft sein. Hochschullehre und -forschung darf nicht im luftleeren Raum stattfinden. Dazu muss man auch sagen, dass gerade die Gesellschafts- und Sozialwissenschaften Nachholbedarf haben. Der Wissenstransfer in den Naturwissenschaften gelingt häufig besser als bei den Gesellschaftswissenschaften. Sie müssen stärker Teil eines öffentlichen Diskurses sein, als sie es zurzeit sind.

Wenn wir über den Bezug zwischen der Gesellschaft und der Wirtschaft zu den Hochschulergebnissen sprechen, müssen wir auch auf den Pakt für Forschung und Innovation blicken, der dritte Pakt, den wir heute besprechen, dass Hochschulen Probleme forschungsorientiert angehen müssen. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Herausforderungen größer und komplexer werden, müssen die Hochschulen ein Teil der Lösung sein und diese forschungsorientiert ermitteln. Dafür braucht es allerdings auch Kontinuität und Qualitätssicherung. Bei der Qualitätssicherung und der Kontinuität lohnt es sich, einen Blick auf das Nachfolgeprojekt des Hochschulpakts, den Zukunftsplan für Studium und Lehre, zu werfen, denn bei Qualitätssicherung geht es immer auch um Beständigkeit. Es darf davon ausgegangen werden, dass in Projekten, die schon seit Längerem laufen, auch ein sogenannter Brain-Gain entstanden ist. Hier müssen wir Sicherheit für die Beschäftigten schaffen. Es ist gut, dass das Land von vornherein gesagt hat: Wir gehen in die Gegenfinanzierung des Nachfolgeprojekts Hochschulpakt. - Historisch betrachtet ist das in Schleswig-Holstein nicht ganz selbstverständlich, da man früher noch diskutiert hat, ob man Studienplätze an andere Länder abgeben möchte.

Wir müssen die Stellen entfristen, und zwar jetzt wirklich. Vorher waren die Hochschulpakte befristet, das hat für befristete Beschäftigungsverhältnisse und hohe Rücklagen gesorgt. Der Landesrechnungshof kritisiert die hohen Rücklagen immer wieder. Jetzt müssen diese Rücklagen abgebaut werden, die vorher durch Sozialpläne begründet waren. Sie müssen jetzt abgebaut werden, und zwar im Sinne des Hochschulpakts und nicht für irgendwelche Lieblingsprojekte.

(Dr. Heiner Dunckel)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als ich im Senat war, habe ich einmal eine Diskussion mit dem Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät geführt, weil der gefragt hat: „Warum regst du dich eigentlich immer so über Befristungen auf? Für mich ist das total praktisch, wenn die Leute nur ein Jahr da sind, dann kann ich total flexibel planen.“ Da habe ich gesagt: „Ja, dann kriegen Sie aber Menschen wie mich niemals in die Wissenschaft, weil wir auch irgendwann so etwas wie eine Familienplanung oder Ähnliches machen wollen und auch mal einen Kredit bekommen wollen, um ein Haus zu bauen oder was auch immer.“ Solche Möglichkeiten gibt es nicht, wenn man immer wieder Einjahresverträge hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Serpil Midyatli [SPD]: Fünf Jahre be- fristet!)

- Politik ist dann noch etwas anderes. Deswegen die alte Ansage: Dauerstellen für Daueraufgaben sind in der Wissenschaft notwendig und jetzt mit einem entfristeten Pakt bitte sehr auch umzusetzen. Da müssen die Hochschulen jetzt liefern.

Apropos liefern und apropos Befristungen: Das sind ja Debatten, die wir nicht erst seit gestern führen, sondern seit vielen Jahren. Ich erinnere mich an die Initiative „Uni ohne Geld“, wo wir immer wieder die Beschäftigten nach vorne gestellt haben. Deswegen möchte ich am Schluss meiner Rede noch eine Person nach vorne stellen, und zwar möchte ich mich gern ausdrücklich für die Wissenschaftspolitik von Rasmus Andresen bedanken, mit dem ich in den letzten Jahren sehr viel zusammengearbeitet habe und der in diesen Tagen leider seine letzte Landtagstagung hat.

Wenn wir uns überlegen, in welcher Ausgangslage du damals mit Hochschulpolitik begonnen hast, als die Frage um den Fortbestand der Uni Lübeck gestellt wurde, welche Zukunft sie hat und ob sie eine Zukunft hat, ob es Studiengebühren gibt, kann man sagen, dass die Hochschulpolitik der letzten sieben Jahre - grün geprägt - eine andere war als an anderen Orten und eine andere war als in der Geschichte Schleswig-Holsteins.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Wir haben gemeinsam sehr eng bei „Uni ohne Geld“ zusammengearbeitet, indem ich dir Druck gemacht und als Mitarbeiter gesagt habe, mittags arbeite ich hier unten, vormittags halte ich Reden vor dem Parlament. In einem Spannungsverhältnis,

das nicht selbstverständlich war, haben wir das immer gut hinbekommen. Wir haben beim Lehrkräftebildungsgesetz in einem Konflikt zwischen Kiel und Flensburg vermittelnd arbeiten können und dort Interessen zusammenbringen können, die viele für nicht zusammenbringbar erachtet haben. Wir haben eine Hochschulgesetznovelle diskutiert. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Situation, als ich auf der Besuchertribüne saß und Daniel Günther als hochschulpolitischer Sprecher gesagt hat: Herr Andresen, Sie machen das mit der Anwesenheitspflicht doch nur, damit Ihre linken Freunde länger in der Kneipe bleiben und am nächsten Morgen ausschlafen können. - Wir waren die linken Freunde auf der Besuchertribüne. Ich bedanke mich dafür, dass wir das können. Am Ende kam es dann doch ganz anders.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Tobias von Pein [SPD] - Zuruf: Das haben wir jetzt davon!)

Abschließend will ich sagen: Die Wissenschaftslandschaft ist mit dir und durch dich eine andere geworden, und dafür herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Wolf- gang Baasch [SPD], Dennys Bornhöft [FDP], Oliver Kumbartzky [FDP] und Jette Waldin- ger-Thiering [SSW])

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Schülerinnen und Schüler des Marion-Dönhoff-Gymnasiums in Mölln. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat zunächst einmal eine gute Nachricht, dass die erzielte Einigung dann doch noch in dieser Form zustande gekommen ist. Wir danken besonders unserer Wissenschaftsministerin Prien und unserer Finanzministerin Heinold für ihren Einsatz und natürlich auch ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

(Beifall FDP, CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Jette Waldinger- Thiering [SSW])

(Lasse Petersdotter)

Die Hochschulen haben mit diesem zuletzt erzielten Kompromiss die finanzielle Planungssicherheit erhalten, die sie brauchen, um sich weiterhin gut entwickeln zu können. Die Signale vonseiten der Bundesregierung im Vorfeld und auch noch während der Verhandlungen selbst waren nicht unbedingt vielversprechend. Insofern sind wir froh, dass es zu diesem Kompromiss kommen konnte.

Wir sind erleichtert, dass diese mitternächtlichen Kamingespräche dann doch noch zu einer finalen Einigung geführt haben, denn ohne eine Fortführung der Bund-Länder-Vereinbarung wäre die Finanzierung unserer Hochschulen und der Forschung für die nächsten Jahre alles andere als gesichert gewesen.

Wir meinen aber nicht, dass die neue Vereinbarung tatsächlich der große Wurf ist, wie es teilweise in einigen Medien zu lesen war. Vielleicht lag das aber auch an der vorherigen niedrigen Erwartung, die wir haben mussten, da der Bundesfinanzminister doch im Vorwege zum Thema Bildungsinvestitionen die Erwartungen nach unten gesenkt hat; denn die Etats für Bildung und Forschung wurden zumindest in der Debatte - deutlich gesenkt.

Die nun durch die Vereinbarung erwarteten Zuwächse sind auch mit Wohlwollen bestenfalls als moderat zu bezeichnen, denn diese moderaten Steigerungen stehen gleichzeitig steigenden Personalkosten und steigenden Studierendenzahlen an unseren Hochschulen gegenüber. Damit kompensieren wir allenfalls die Kostenentwicklung, die wir in den nächsten Jahren haben. Eine richtige qualitative Verbesserung der Studienbedingungen ist damit nicht sofort verbunden.

Man muss auch sehen, dass Schleswig-Holstein mit der neuen Vereinbarung bis 2030 rund 240 Millionen € an Mehrkosten zu tragen hat, unter anderem durch die vereinbarte Beteiligung der Länder am Sockelbetrag beim Pakt für Forschung und Lehre.

Wir investieren sehr gern in Bildung, Wissenschaft und Forschung. Unsere FDP-Parteibasis wird auch nicht müde, uns dahin gehend zu ermahnen. Wir als FDP vermissen hier ein Stück weit etwas mehr Engagement und Ehrgeiz von der Bundesebene, denn wir sprechen im Endeffekt auch von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die wir damit bestreiten wollen.

(Beifall FDP und Tim Brockmann [CDU])

Als Land erhöhen wir schrittweise die Grundfinanzierung unserer Hochschulen und investieren in die Gebäude, was an verschiedenen Standorten drin

gend notwendig ist. Wir wollen und müssen mehr machen, wenn wir da im internationalen Vergleich wieder aufholen wollen. Mit großer Unterstützung der Bundesregierung ist nicht sofort zu rechnen, wir sind da aber optimistisch.

Die Bundesregierung muss vor allem stärker bestrebt sein, die Kosten nicht weiter auf die Länder und Kommunen abzuwälzen. Wir sehen vor allem beim Breitbandausbau oder bei den Integrationskosten, wie hier und da versucht wird, sich einen schlanken Fuß zu machen. Die Bundesregierung darf jetzt nicht die Überschüsse, die es in Teilen bei Kommunen und Ländern in deren Haushalten gibt, abfischen, um andere Projekte auf Bundesebene zu finanzieren. In Anbetracht der Aufgabenfülle der Länder und Kommunen wäre das die falsche Zielsetzung. Dagegen sollten sich die Länder, also auch wir, noch wahrnehmbarer wehren. Das Signal, das von einer zunächst recht klaglos aufgenommenen Kürzung des Bundesbildungsetats um eine halbe Milliarde Euro ausgegangen ist, ist das falsche.

Aber um es zum Abschluss noch einmal klar zu sagen: Wir begrüßen die Vereinbarung und sind froh darüber, dass sie so doch noch zustande kommen konnte. Sie zeigt auch einige richtige Tendenzen auf, zum Beispiel beim Technologietransfer, bei der weiteren Vernetzung oder bei den Arbeitsbedingungen, die dringend verbessert werden müssen, damit die besten Leute auch ein Interesse daran haben, zumindest für einige Jahre und nicht nur für ein Jahr, wie es Herr Petersdotter angesprochen hat, an unseren Hochschulen und in den Forschungseinrichtungen zu arbeiten.

Der große Wurf für unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen steht sozusagen noch aus. Wir hoffen, dass diese oder die nächste Bundesregierung andere Schwerpunkte setzen und an einigen Stellen nachbessern wird.

Wir als Land tun, was wir tun können, um unsere Hochschulen und die Forschung in Schleswig-Holstein zu stärken. Davon hängt zu einem guten Stück auch der zukünftige Wohlstand unseres Landes und der kommenden Generation ab. Das sollten wir wieder stärker in den Blick nehmen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl das Wort.

(Dennys Bornhöft)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schüler auf der Tribüne, man kann es gar nicht oft genug sagen: Tatsächlich ist es so, dass Innovationskraft und exzellent ausgebildete Fachkräfte, also ihr da oben, die Basis für die Zukunft unseres Landes sind. Unser Wohlstand und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sind nur gesichert, wenn es uns gelingt, in Bildung und Forschung anderen Staaten voraus zu sein oder mit ihnen zumindest gleichzuziehen.

Geld allein garantiert natürlich noch keine qualifizierten Hochschulabsolventen oder exzellente Forschungsergebnisse, aber ohne eine grundsolide, finanzielle und berechenbare Ausstattung von Hochschulen und Forschungsinstituten werden wir eben nicht auf Dauer in der Champions League mit Japan, den USA und China konkurrieren können.

Als AfD begrüßen wir deswegen ausdrücklich die am 6. Juni 2019 unterzeichneten Vereinbarungen. Sie erhöhen die Planungssicherheit und schaffen Berechenbarkeit. Vielen Dank an den Herrn Ministerpräsidenten und an Frau Prien und ihr Team für die geleistete Arbeit. Für unser Land ist die Vereinbarung ein Erfolg.

In der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz GWK - wurde, wie gehört, gleich über drei Förderprogramme für Hochschulen und Forschungsinstitute verhandelt. Da es um Geld geht, wurde darüber natürlich auch gestritten. Wir hörten eben die Worte „großes Kino“; das konnte man auch der Zeitung entnehmen. Dabei ging es nicht nur um die gerechte Verteilung der Finanzmittel, sondern auch um deren Verwendung.

Bleiben wir mal bei der Mittelverwendung: Der Bundesrechnungshof kritisiert die Bundesländer hier scharf. Zwar wurde durch den Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken, also durch den ursprünglichen Hochschulpakt, die Studienkapazität erhöht, sodass mehr Studenten studieren können. Gleichzeitig aber verschlechterten sich die Studienbedingungen und die Lehrqualität. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis; wörtlich heißt es in der Erklärung des Bundesrechnungshofs:

„Die Verschlechterung der Betreuungsrelation deutet darauf hin, dass die Hochschulen zusätzlich Studienberechtigte aufgenommen haben, ohne ihre Kapazitäten auszuweiten.“

Wir alle und auch wir als Opposition müssen uns fragen, ob das auch auf die Hochschulen im Land Schleswig-Holstein zutrifft und, falls ja, in wel

chem Maße, denn gerade den Studenten ein qualitativ hochwertiges Hochschulstudium zu ermöglichen, war ausdrücklich Ziel des Hochschulpaktes.

Die Einstellung zusätzlichen Personals sollte also ein Schwerpunkt bei der Verwendung der Fördermittel sein, denn klar ist: Die Verschlechterung der Betreuungsrelation in der Hochschule kann nur dazu führen, dass eine qualitativ hochwertige Ausbildung immer weniger möglich wird.