Protocol of the Session on May 16, 2019

Vielmehr berufen Sie sich auf eine theoretische Modellierung des Mannheimer Soziologen Hartmut Esser, der sich gar nicht mit dem jetzigen Schulsystem beschäftigt hat und der die These vertritt, dass über die kognitive Harmonisierung der Schülerinnen und Schüler die Effizienz des Kompetenzerwerbs steige. Der Ansatz von Esser bezog sich wie wir gehört haben - auf das Schulsystem im Schleswig-Holstein der 17. Legislatur. Er ist übrigens nicht unumstritten. Es gibt auch viele andere

(Jette Waldinger-Thiering)

Modelle und Studien, die zu ganz anderen wissenschaftlichen Bewertungen kommen.

Herr Dr. Brodehl, ganz entscheidend ist, dass Esser auf ein Schulsystem abstellt, in dem es kein Elternwahlrecht mehr gäbe. Das muss man immer dazusagen. Wer das fordert, was Sie hier gefordert haben, der will die Axt an das Elternwahlrecht anlegen. Meine Damen und Herren, ich glaube, sonst will das hier keiner im Haus.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt FDP)

Aber ungeachtet dessen denke ich, dass Sie auch die Leistungsfähigkeit unseres schleswig-holsteinischen Schulsystems verkennen. Die Zuweisung zu einer abschlussbezogenen Klasse, die auf den ESA hinführt - das hatten wir schon besprochen, den Hauptschulabschluss, gibt es nicht mehr in Schleswig-Holstein -, könnte von den Schülerinnen und Schülern wie auch von ihren Eltern nicht nur als positive Fördermaßnahme wahrgenommen, sondern möglicherweise auch als negative Auslese empfunden werden.

Ein Zurück zum guten alten dreigliedrigen Schulsystem, das am Ende eben leider nicht mehr gut war, wird es so nicht geben. Unsere Schulen brauchen jetzt vor allem Ruhe, und sie brauchen Zeit, um an ihrer Qualitätsentwicklung zu arbeiten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Was Sie darüber hinaus aus meiner Sicht verkennen, ist, dass es in Wahrheit heute ja gar keine homogenen Lerngruppen mehr gibt. Es ist bereits beschrieben worden: Es gibt heute keine - und in Wahrheit gab es nie - Schülerinnen und Schüler, die in allen Fächern und in allen Kompetenzbereichen identische Stärken und Schwächen haben oder hatten. Die große Kunst besteht ja gerade darin, die Stärken und Schwächen eines Schülers und einer Schülerin zu identifizieren und dann besondere Begabungen zu stärken - aber das ist nicht abhängig von der Schulstruktur. Ich würde immer sagen: So viel Differenzierung wie nötig, so viel gemeinsames Lernen wie möglich.

Lassen Sie uns noch einmal einen Blick auf die Hauptschule werfen. Auch das ist ja schon in Andeutungen passiert. Eine der großen Herausforderungen, vor denen die Hauptschulen trotz sehr guter pädagogischer Arbeit standen, war doch ihr Ruf. Die Zusammensetzung von Lerngruppen nach Leistungsstärken, ob nun nach Schularten getrennt oder in abschlussbezogenen Klassenverbänden, hat auch

in Schleswig-Holstein an Hauptschulen oder in reinen Hauptschulklassen zum Beispiel an Kooperativen Gesamtschulen - Frau Strehlau hat es erwähnt den Effekt gehabt, dass Schüler sich häufig als Restschüler empfunden haben und sich selber nichts zugetraut haben. Trotz sehr guter pädagogischer Arbeit war das Selbstbild so stark von diesem Empfinden geprägt, dass Lernmotivation und positive Selbstwirksamkeitserwartung vielfach nicht vorhanden waren. All das muss man bedenken, wenn man über solche Strukturreformen, wie Sie sie ins Spiel bringen, nachdenkt.

Die Jamaika-Koalition hat ein klares Bekenntnis zum gut etablierten Schulsystem im weiterführenden Bereich mit starken Gemeinschaftsschulen, starken Gymnasien und - das will ich betonen - der dritten Säule, den beruflichen Schulen, an denen inzwischen nicht nur das Abitur, sondern auch alle anderen Bildungsabschlüsse auch im Zusammenhang mit der dualen Ausbildung erworben werden können, abgegeben.

Wir sollten diese Schulen stärken, wo es notwendig ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Peter Lehnert [CDU])

Wir haben schon gehört, wie wir das tun. Wir tun das über das PerspektivSchul-Programm, darüber haben wir heute schon gesprochen. Auch über FlexKlassen ist gesprochen worden und über die zusätzliche Förderung zum Erreichen des ESA und des MSA, die an vielen Schulen auch im Wahlpflichtbereich betrieben wird. Gemeinsames Lernen in heterogenen Gruppen und binnendifferenzierter Unterricht sind - man muss sagen: inzwischen - eine Stärke der Lehrkräfte in Schleswig-Holstein. Das hat verdammt viel Arbeit und verdammt viel Fortbildung gekostet und erforderlich gemacht, und das ist an vielen Stellen immer noch eine Herausforderung. Das will ich nicht leugnen.

Es ist bereits erwähnt worden, dass es viele Möglichkeiten für einen äußerlich differenzierten Unterricht gibt. Natürlich können in einzelnen Fächern verschiedene Lerngruppen gebildet werden, davon machen unsere Schulen in erheblichem Umfang Gebrauch. Dazu kann ich sie auch nur ausdrücklich ermutigen. Da, wo es zum pädagogischen Konzept passt, kann und soll dies stattfinden, dagegen hat auch niemand etwas. Aber ich sage ausdrücklich: Abschlussbezogene Klassen sind für diese Landesregierung kein Lösungsansatz.

Wir setzen auf die Förderung von mehr Bildungsgerechtigkeit, auf mehr basale Grundschulbildung,

(Ministerin Karin Prien)

wir setzen auf die Steigerung der Schulqualität durch bessere Fortbildung und durch mehr Schulentwicklung. Durchlässigkeit, aber auch die Förderung von begabten Schülerinnen und Schülern und zwar an allen Schularten, das sind die zentralen Themen unserer Bildungspolitik. Dafür machen wir gemeinsam Politik in Jamaika. Unnötige Strukturdebatten helfen nicht weiter, und diese Landesregierung wird sie auch nicht führen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Der Ausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf Drucksache 19/1107 abzulehnen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW, die Fraktionen von FDP und CDU. Wer ist dagegen? - Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Übergangsregelung für Online-Casinospiele Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1343

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 19/1425

Ich erteile das Wort der Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Abgeordneten Barbara Ostmeier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich verweise auf die Vorlage.

Ich danke der Frau Berichterstatterin. - Wortmeldungen zum Bericht gibt es nicht. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Hans-Jörn Arp.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal beschäftigen wir uns heute hier im Hohen Haus mit dem Thema Glücksspiel. Ich möchte zunächst einmal an dieser Stelle ganz besonders dem Innenministerium, aber noch viel mehr dem Chef der Staatskanzlei sehr herzlich danken,

(Beifall Lars Harms [SSW])

weil das ein schwieriger Weg ist. Alle wissen das, auch die Vertreter der SPD. So etwas kann man, wenn man dann zu einem Einvernehmen kommt, nur miteinander mit den anderen Ländern diskutieren. Es ist uns jetzt gelungen, einen Weg mit den anderen Ländern gemeinsam zu finden. Wir sind nicht mehr allein. Herr Dr. Stegner, wir sind nicht mehr der Geisterfahrer auf der Autobahn, sondern wir haben andere bei uns versammelt, die unseren Weg jetzt unterstützen.

Ich will aber auch sagen: Es hat viele Diskussionen gegeben, nicht nur über den Entwurf, den wir heute in zweiter Lesung zu verabschieden haben, sondern auch darüber, wie der Weg weitergeht. Es ist nicht nur die Koalition, die hier an sehr vielen Abenden und in sehr vielen Sitzungen sehr intensiv daran mitgearbeitet hat. Ich will an dieser Stelle, denn das ist keine Selbstverständlichkeit, den SSW hervorheben, der gesagt hat: Wir arbeiten mit, und wir lösen, das Problem. Dafür, Probleme pragmatisch und nicht ideologisch zu lösen. ist er meistens - nicht immer - bekannt. Dies ist ein pragmatischer Weg, den wir gegangen sind, und kein ideologischer. Deswegen sind wir auch zum Erfolg gekommen. Herzlichen Dank an alle Beteiligten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, wir sind nicht mehr allein. Wir sind jetzt den Weg mit anderen Bundesländern gegangen. Herr Dr. Stegner, auch die Vertreter Ihrer Partei, die Ministerpräsidenten, die Chefs der Staatskanzleien, haben uns diesen Weg geebnet und uns diese Möglichkeit gegeben. Das sollten Sie einfach einmal anerkennen und zugestehen. Nun dürfen Sie nicht alle, die von Ihnen dabei waren, so sehr kritisieren, denn wir gehen den Weg ja gemeinsam weiter.

Aber, und das ist für viele von uns, insbesondere für unsere Sozialpolitiker, nicht unerheblich: Wir haben die Suchtverbände an unserer Seite, die unseren Weg mitgehen und sagen: Ja, das ist der richtige Weg. Herr Dr. Stegner, dabei vergessen sie nicht,

(Ministerin Karin Prien)

dass es gerade die SPD-Regierung unter Herrn Albig war, die ihnen die Mittel gekürzt hat. Gerade den Suchtverbänden in der letzten Legislaturperiode die Mittel zu kürzen, war etwas unglücklich, wenn man sich wie Sie hier hinstellt und sagt: Gerade für die mache man das wegen der Suchtgefahr. Darüber werden wir sicherlich in nächster Zeit noch einmal reden.

(Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

- Frau Kollegin Dr. Bohn, das können Sie nicht wissen. Das war nicht Ihre Entscheidung. Das wurde nicht parlamentarisch entschieden, sondern anders. Aber das werden wir gemeinsam noch einmal klären. Die Kritik richtet sich auch nicht gegen die Grünen.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Auf welcher Ebene ist das denn entschieden worden?)

- Das ist eine Entscheidung, die wir von den Suchtverbänden erfahren haben. Die haben gesagt: In der Zeit hat man unsere Mittel um 50.000 € gekürzt.

Herr Dr. Dolgner, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen möchten, dann gehen Sie bitte ans Saalmikrofon. - Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Raudies?

Ja, gern, selbstverständlich.

Herr Kollege Arp, Sie haben die Frage zwar andeutungsweise schon beantwortet, aber ich wollte gern wissen, woher diese Aussage stammt, wir hätten den Suchtverbänden in der letzten Legislaturperiode die Mittel gekürzt. Worauf bezieht sie sich? Können Sie bitte konkretisieren, in welchem Jahr das war und wer da was gekürzt hat?

- Das kann ich gern. Ich weiß nicht mehr, welches Jahr das war. Die Aussage haben wir von den Vertretern der Suchtverbände. Kollegen von mir waren dabei. Sie haben gesagt, es wurde gesagt: Ihr bekommt ja jetzt zusätzliche Einnahmen aus den Casino-Abgaben der Casinospieler - der Anteil wurde auf 50.000 € oder wie auch immer geschätzt -, und um diesen Anteil kürzen wir die Landesmittel. Das haben wir jetzt erfahren. In der Opposition haben wir das auch nicht erfahren. Das spricht eigentlich für die Verbände, dass sie sehr ruhig waren, aber jetzt haben sie sich in dem Zusammenhang gemel

det und gesagt: Es ist ja schön, dass ihr uns wieder ernst nehmt.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

- Ja, liebe Frau Kollegin, ich kann ja nur das widergeben, was ich erfahren habe. Das gebe ich hier von mir.

Ich habe keinen beschuldigt. Das Plenum ist dafür da, solche Dinge anzusprechen, und meine Aufgabe ist zu sagen: Seht ihr, die haben wir an unserer Seite, weil die wissen, dass wir uns weiter um sie bemühen. Wir können das gemeinsam machen, wir können das Gespräch gemeinsam führen. Dies ist keine ideologische Veranstaltung, sondern eine pragmatische, und wir finden gemeinsam eine pragmatische Lösung. Können wir uns darauf verständigen?

(Beifall CDU und FDP)

Auch die Verbraucherverbände unterstützen unseren Weg. Wenn man die Suchtverbände und die Verbraucherverbände an seiner Seite hat, ist das eine vernünftige Sozialpolitik, lieber Kollege Kalinka.