Protocol of the Session on May 15, 2019

Auf die Debatte in den Ausschüssen freue ich mich. Deswegen überweisen wir die beiden Anträge - den der Koalition wie den des SSW - und lehnen den AfD-Antrag ab. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Stephan Holowaty das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Upload-Plattformen sollen auch künftig als freie, unzensierte Kommunikationskanäle für die Zivilgesellschaft zur Verfügung stehen.“

Welch wahrer Satz aus der unverbindlichen Protokollerklärung der Bundesregierung zur EU-Urheberrechtsrichtlinie, alldieweil fehlt mir der Glaube. Ich kann mir weder technisch noch juristisch vorstellen, wie in Deutschland Uploadfilter verboten, in anderen Ländern Europas aber verpflichtend sein sollen. Nur eine andere Maßnahme kann ich mir vorstellen, um die Regelung der Urheberrechtsreform umzusetzen: manuelle Uploadfilter. Jeder Upload müsste manuell geprüft werden. Die Veröffentlichung eines Beitrags würde dann eben Stunden, Tage oder Wochen dauern. Das wäre das andere Ende des Mitmachnetzes.

(Beifall FDP und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Rasmus Andresen)

Auf Facebook werden in Europa pro Tag knapp 100 Millionen Fotos hochgeladen. Dazu kommen Videos, Links und andere Medien. Dazu kommen Twitter, Instagram und all die anderen Plattformen. Man mag sich diesen Irrsinn einmal vorstellen: YouTube hat ja ein Content-ID-Management-System. Da hat YouTube bereits 100 Millionen US-Dollar investiert. Jetzt müssten für Uploads aus Deutschland heraus Zensurzentren mit Tausenden Mitarbeitern eingerichtet werden. Woher sollen die Mitarbeiter eigentlich wissen, was erlaubt ist, wenn sie nicht selbst auf Automatismen, also auf Filtersoftware, zugreifen?

Laut Erklärung der Bundesregierung will sie in der Umsetzung der Richtlinie klarstellen, dass Dienste wie Datenbanken von Hochschulen, Blogs und Foren oder einige Special-Interest-Angebote ohne Bezüge zur Kreativwirtschaft nicht unter die Verpflichtung des Artikels 17 fallen. Explizite Ausnahmen sieht die EU-Richtlinie aber nur für Wikipedia und für Softwareplattformen wie GitHub vor. Wie will man das dann machen?

Ich bin sehr gespannt darauf, wie die Bundesregierung die Umsetzung der Richtlinie realisieren will, wenn sie ihre eigene Protokollerklärung ernst nehmen möchte. Ich bin sehr gespannt darauf, wie die Bundesregierung dies sowohl grundgesetzkonform als auch europarechtskonform machen möchte. Und ich bin sehr gespannt darauf, wie gleichzeitig verhindert werden soll, dass in Europa ein Flickenteppich an Regelungen entsteht, der für ein Mitmachnetz einfach nur Gift ist.

Was Rasmus Andresen gesagt hat, ist vollkommen richtig: Das Internet endet nicht an der dänischen oder an der österreichischen Grenze, sondern wir brauchen europaweite Regelungen, um Menschen, die Content veröffentlichen, Menschen, die Beiträge leisten, auch überall dazu in die Lage zu versetzen.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich bin zudem sehr gespannt darauf, wie sich die Bundesregierung zu der geplanten EU-Richtlinie gegen Terrorpropaganda positioniert, die ebenfalls Uploadfilter vorsieht, nun aber Inhalte und Aussagen direkt kontrollieren will und damit die nächste Eskalationsstufe für das Mitmachnetz darstellt.

Meinungsfreiheit ohne Zensur ist die eine Dimension der Urheberrechtsrichtlinie. Eine faire Vergütung für Autoren, für Künstler, für Kreativschaffende ist die andere. Das darf und muss kein Gegensatz sein. Die Richtlinie sorgt dafür, dass die übrigens vom

Bundesgerichtshof als bislang illegal bewertete Ausschüttung an Verlage durch eine Gesetzesänderung legal wird. Damit wird über diese Richtlinie die Position der Verlage insbesondere gegenüber der VG-Wort gestärkt. Wir haben da das zusätzliche Problem, dass natürlich die Ausschüttung an Autoren auf diesem Weg bis auf die Hälfte reduziert wird. Ob also am Ende wirklich die Autoren, die Übersetzer und andere Kreativschaffende die Nutznießer der Richtlinie sind, bleibt abzuwarten. Das ist auch eine wesentliche Aufgabe, auf die wir einmal kräftig achten sollten, dass es eben nicht zu Benachteiligung gerade der kleinen Autoren, gerade der Selbstständigen, gerade der Kreativschaffenden kommt.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Zuruf Beate Raudies [SPD])

Gestatten Sie mir ein Wort an den SSW: Sie wollen Plattformen verpflichten, Verträge mit Verwertungsgesellschaften abzuschließen. Ein Vertrag ist eine beidseitige freiwillige Willenserklärung. Ich habe ein Problem mit einem Kontrahierungszwang, wenn der eine weiß, der andere muss mit ihm abschließen, um überhaupt tätig zu werden. Das sind Fragen, die dann frei ausgehandelt werden sollten. Auf Gedeih und Verderb möchte ich mich keinem Monopol einer Verwertungsgesellschaft ausliefern.

(Beifall FDP und Rasmus Andresen [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber ich habe großes Vertrauen. Ich glaube an die höhere Weisheit der Bundesregierung, an die höhere Weisheit der Justizministerin und SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl.

(Beate Raudies [SPD]: Ich bin das nicht!)

- Ich habe Sie gar nicht angeguckt.

(Beate Raudies [SPD]: Doch! - Heiterkeit)

- Das ist echtes Selbstbewusstsein.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Katarina Barley weiß sicher, wie sie die freien und unzensierten Kommunikationskanäle trotz ihrer Zustimmung zur EU-Richtlinie sicherstellen will. Das verspricht Spannung. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat sich - übrigens als einziges Landesparlament - eindeutig für ein freies, aber faires Internet eingesetzt. Ich hoffe, dass wir auch heute alle ein klares Signal setzen, dass wir auch die Umsetzung der EU-Richtlinie aufmerksam und kritisch verfolgen werden. Meinungsfreiheit darf nicht verhandelbar sein. - Danke.

(Stephan Holowaty)

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und Beifall Volker Schnurr- busch [AfD])

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Nur etwa elf Tage vor der Wahl zum EU-Parlament haben wir die doch von allen so ungewollten Uploadfilter erneut auf der Tagesordnung. Was Uploadfilter eigentlich sind, wie sie funktionieren und vor allem dass sie nicht so funktionieren können und werden, wie man es gern von ihnen erwartet, haben wir bereits im März und auch heute hier im Haus wieder gehört. Dass Uploadfilter eine Zensurinfrastruktur schaffen werden und dass diese EU-Urheberrechtsreform in Wahrheit ein Frontalangriff auf die Meinungs- und Informationsfreiheit darstellt, wird ganz besonders in Kreisen von Experten und Bürgerrechtlern vollkommen zu Recht bemängelt. Umso mehr muss man sich dann darüber wundern, dass es gerade eine Bundesregierung aus CDU und SPD war, die es schlicht versäumt hat, das Zustandekommen dieser Zensurinfrastruktur aus der EU zu unterbinden. Denn genau diese Möglichkeit hätten CDU und SPD gehabt, und diese Parteien haben dies sogar in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Auch das hörten wir schon.

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

Also was soll man elf Tage vor der Wahl zum EUParlament von Parteien halten, die nicht einmal ansatzweise die politische Kraft haben, ihren gemeinsam verfassten Koalitionsvertrag einzuhalten? Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen, oder man hat es schlicht fallen lassen. Wir sehen uns in Deutschland mit der Pflicht zur gesetzlichen Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform bis 2021 konfrontiert. Der SSW kommt nun mit dem Vorschlag, dass man gesetzgeberisch dergestalt tätig werden soll, dass der Betrieb von Uploadfiltern in Deutschland untersagt wird. - Herr Harms, das grenzt ja an zivilen Ungehorsam gegenüber der EU. Das hat beinahe etwas Rebellisches an sich, das finde ich gut. Also ja, der Einsatz von Uploadfiltern darf in Deutschland keine Realität werden. Diese EU-Urheberrechtsreform muss schnellstmöglich abgeschafft werden. Ich bin sehr guter Hoffnung, dass ein neu zusammengesetztes EU-Parlament mit starken konservativen Kräften gemeinsam wieder mehr

Freiheit für Meinung und Information schaffen wird.

Vorgeblich ging es ja um die Wahrung von Urheberrechten, und auch denen soll hier gern Beachtung geschenkt werden. Dass die EU-Urheberrechtsreform an dieser Stelle aber nicht wirken kann, hörten wir von den Vorrednern bereits. Insofern ist auch der zweite Teil des SSW-Antrags hinsichtlich der Verpflichtung zu diesen Verträgen in der Tat ein Problem. Das möchte ich hier nicht wiederholen, das hörten wir bereits.

Also noch einmal: Die EU-Urheberrechtsreform ändert überhaupt nichts an der Problemstellung Urheberrecht in Deutschland. Wir werden darüber eine ganze Menge mehr beraten müssen, und wir müssen die jetzt vorliegende Urheberrechtsreform in Deutschland so gestalten, dass wir Meinungs- und Informationsfreiheit aufrechterhalten können.

Gegenwärtig sind tatsächlich nur die Branchenriesen die Nutznießer. Die eigentlichen Ersteller ihrer Inhalte, die zu Recht einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung haben, haben davon überhaupt nichts.

Diese Urheberrechtsreform aus dem Hause der EU bereitet stattdessen nur den Boden für eine automatisierte, unpräzise und undifferenzierte Einschränkung von Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet.

Insofern: Lassen Sie uns hier und heute dieser EUZensurinfrastruktur eine klare Absage erteilen. Wir fordern ein unmissverständliches Nein ohne Wenn und Aber und damit zugleich ein starkes Ja für Meinungs- und Informationsfreiheit. Genau darauf zielt unser Alternativantrag ab, der fordert, Uploadfilter nicht in deutsches, in nationales Recht umzusetzen.

Das dünne Brett, von dem Sie, Herr Kilian, gerade sprachen, ist eigentlich Ihre Forderung, wenn Sie eine halbgare und rechtlich nicht bindende Protokollerklärung als umsetzbar einfordern. Das ist nicht das, was uns weiterhilft.

(Lukas Kilian [CDU]: Die eigentliche Bera- tung läuft im Ausschuss! Das kennen Sie nicht, da kommen Sie ja nie!)

- Selbstverständlich sind wir auch im Ausschuss dabei. Unser Antrag landet dort nur nicht, denn er wird heute von Ihnen abgelehnt werden, weil Sie nicht den Mut haben, sich in diesem Hause klar gegen die Uploadfilter zu positionieren.

(Lukas Kilian [CDU]: Quatsch! Quatsch!)

- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Stephan Holowaty)

(Beifall AfD - Zuruf Dr. Frank Brodehl [AfD])

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne aus dem fernen Australien auf ihrer ersten Reise nach Deutschland und Europa Peter und Wendy Harkness. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Landesregierung hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben bereits im März über dieses Thema hier diskutiert. Wir sind uns tatsächlich das hat die Debatte gezeigt - über Fraktionsgrenzen hinweg einig, dass das Instrument der Uploadfilter nicht geeignet ist, bei der Vergütung von Urheberinnen und Urhebern tatsächlich für einen Fortschritt zu sorgen, sondern eher geeignet ist, das freie Teilen und Konsumieren von Inhalten im Internet zu beschränken und dabei potenziell durchaus auch Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit einzuschränken.

Diese Position haben wir sehr einheitlich deutlich gemacht. Die haben wir auch der Bundesregierung zugesandt. Die Bundesregierung hat in der Entscheidung im Rat dieser Richtlinie unverändert zugestimmt.

Angesichts der Diskussion, die jetzt stattgefunden hat, muss ich eines vorab sagen: Ich war als Abgeordneter im Europäischen Parlament auch nicht gegen diese Urheberrechtsreform insgesamt und auch nicht gegen Artikel 17, nur in dieser Form. Die Urheberrechtsrichtlinie ist ein richtiges Instrument zur Vereinheitlichung des Urheberrechts im europäischen Binnenmarkt. Es ist genauso, wie es eben hier angeklungen ist, dass wir europäische Regeln für diese Fragen brauchen, gerade im Internet. Artikel 17 sieht vor, dass Urheberinnen und Urheber vergütet werden müssen, im Zweifel mit Lizenzverträgen, die von großen Internetanbietern und Plattformanbietern auch dann abgeschlossen werden müssen, wenn ihre Nutzer geschützte Inhalte von Urheberinnen und Urhebern teilen.