Sorgfalt und Aufmerksamkeit, Miteinander und gegenseitige Rücksichtnahme werden durch einen Abbiegeassistenten nicht ersetzt. Auch werden wir weiterhin besonders in Städten nicht auf kluge städtebauliche Lösungen zu Entschärfung von verkehrlichen Problemsituationen verzichten können. Allerdings ist ein Abbiegeassistent, der den toten Winkel unübersichtlicher, großer Fahrzeuge überwacht, ein zusätzlicher Gewinn für mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Wir von der FDP glauben daran, dass innovative, moderne Technik uns Menschen das Leben leichter und sicherer machen kann. Deswegen wollen wir helfen, den Abbiegeassistenten möglichst schnell einzuführen. Als Land wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen. - Bitte stimmen Sie diesem wirklich sehr guten Antrag zu!
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorab eine Vorbemerkung zum Kollegen Dr. Tietze. Es hat mich gefreut, dass Sie auch einmal auf einem Lkw-Bock gesessen haben. Darüber kann ich bei anderer Gelegenheit auch einmal be
richten. Es ist schon beeindruckend, wie hoch man da über der Straße thront, wie wenig man mit den Augen sieht, aber wie viel man mit den Assistenzsystemen wahrnehmen kann. Wenn man Nutzfahrzeugmessen oder Logistikunternehmen besucht, sieht man auch - das muss ich zur Ehrenrettung der Industrie dazusagen, denn das ist auch eine Aufgabe von uns -, dass die deutsche Autoindustrie bei den Assistenzsystemen und bei der Sicherheit und auch beim autonomen Fahren wirklich unheimlich weit vorne ist. Ich habe schon vor Jahren in einem Modell mit einem großen Stern vorne drauf gesessen, das im Prinzip ohne Fahrer auskommt. Wir sind da im Prinzip schon sehr weit, und insofern ist es ein interessantes Thema, bei dem wir zum Glück auch große Einigkeit haben.
Die Unfallforschung der Versicherung - jetzt komme ich zu meiner eigentlichen Rede - als Teil des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft schätzt, dass etwa ein Drittel der jährlich im Straßenverkehr getöteten Radfahrer bei Abbiegemanövern von Lkw ums Leben kommt. Auf diese Weise sterben in Deutschland pro Jahr 30 bis 40 Menschen durch abbiegende Lkw. Der im letzten Jahr leider zu verzeichnende leichte Anstieg an Verkehrstoten ist daher vor allem auf eine Zunahme bei getöteten Fahrrad- und Motorradfahrern zurückzuführen.
Vor diesem Hintergrund war es also ein wichtiges Signal, dass das Bundesverkehrsministerium in diesem Jahr ein Förderprogramm für Abbiegeassistenzsysteme mit einem Volumen von zunächst 5 Millionen € aufgelegt hat. Die Resonanz - wir haben es schon gehört - fiel sehr positiv aus, denn bereits nach wenigen Tagen waren die für 2019 vorgesehenen Fördermittel gebunden. Trotzdem bestanden bei vielen Brummifahrern Zweifel, ob die Systeme für Warnsignale und auch automatisches Bremsen beim Abbiegen auch wirklich betriebssicher sind; denn manchmal können auch Assistenzsysteme den Fahrern einen Streich spielen. Das kann ich auch aus eigener Praxis bestätigen.
Die Erteilung der ersten allgemeinen Betriebserlaubnis für einen Lkw-Abbiegeassistenten - von einer übrigens kleinen Hamburger Firma, der Norden hat also hier in puncto Innovation gepunktet - hat hier allerdings vor wenigen Wochen Abhilfe geschaffen.
Die Ausstattung beziehungsweise Nachrüstung von Lkw mit Abbiegeassistenten ist dadurch in die nächste Phase getreten. Da auf EU-Ebene offenbar erst ab 2022 Assistenten zur Pflicht werden sollen, gilt es, auf nationaler Ebene den bis dahin bestehen
den Übergangzeitraum sinnvoll zu nutzen. Merke: Auch auf nationaler Ebene kann viel Sinnvolles vorangebracht werden. Wir müssen nicht immer auf Brüssel warten und schon gar nicht die Initiative dorthin übertragen.
Der vorliegende Antrag enthält vor allem viel Deklaratorisches, aber wir sehen es natürlich auch so, dass die Aufforderung zur schrittweisen Ausstattung landeseigener Lkw mit Abbiegeassistenzsystemen sehr sinnvoll ist. Auch eine Erhöhung der Fördermittel durch den Bund wird niemand hier im Haus ablehnen.
Entscheidend bleibt jedoch, dass sich die neuen Abbiegewarnsysteme auch in technischer Hinsicht etablieren, denn hier stehen wir wenige Wochen nach der Erteilung der ersten ABE noch am Anfang. Die Weiterentwicklung dieses technischen Prozesses zur Verbesserung der Verkehrssicherheit müssen wir auf politischer Ebene in jedem Fall weiter begleiten. Der vorliegende Antrag leistet bereits durch diese heutige Debatte dazu einen Beitrag, weshalb auch die AfD-Fraktion ihm sehr gern zustimmt. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Viele von uns kennen die Situation: Als Fahrradfahrer oder Fußgänger steht man an der Ampel will geradeaus, und der Lkw neben einem hat den Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts gesetzt. Dann schießt einem plötzlich die Frage durch den Kopf: Hat er mich gesehen, oder stehe ich in einem toten Winkel? - In diesem Fall ist es immer ratsam, den Blickkontakt zum Fahrer des Lkw zu suchen oder gegebenenfalls dem größeren Verkehrsteilnehmer den Vortritt zu lassen. Das wissen wir, und das ist uns meistens auch bewusst.
Trotzdem werden Radfahrer oder Fußgänger häufiger von rechtsabbiegenden Lkw oder Bussen übersehen. Das kann dann oft dramatisch enden. So ist laut ADFC die Zahl der Toten durch solche Unfälle in Deutschland seit 2013 drastisch gestiegen.
Angesichts der steigenden Zahl der Verkehrsteilnehmer in den Städten sowohl bei den Radfahrern als auch beim Güterverkehr ist mit einer Trendwende nicht zu rechnen. Daher werden die Forderungen nach Abbiegeassistenten immer lauter.
Gewiss werden wir es nicht schaffen, den Straßenverkehr für alle Verkehrsteilnehmer zu 100 % sicher zu machen. Aber dort, wo es besser geht, muss es auch angegangen werden. Das ist in diesem Fall dringend geboten, denn solche Gefahren- und Unfallsituationen können durch Abbiegeassistenten massiv reduziert werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Unfallforschung der Versicherer. Demnach könnten Lkw-Abbiegeassistenten rund 60 % dieser schweren Unfälle verhindern.
Wir reden hier nicht über Hilfsassistenten, die erst noch erfunden werden müssen. Abbiegeassistenten gibt es bereits seit Jahren sowohl für Neufahrzeuge als auch zum Nachrüsten. Es ist also höchste Zeit, den Abbiegeassistenten aus dem toten Winkel der Politik zu holen und ihn verpflichtend vorzuschreiben. Angesichts der steigenden Unfallzahlen muss jetzt etwas getan werden. Die Zeit der Runden Tische ist längst vorbei. Es muss Butter bei die Fische, politisches Handeln ist gefordert.
Nun kann man natürlich sagen, dass mit dem Förderprogramm des Bundes der erste Schritt getan wurde. Vorgesehen ist, 5 Millionen € pro Jahr für die freiwillige Nachrüstung von Nutzfahrzeugen ab 3,5 t bis zum Jahr 2024 zu investieren. Das ist zwar richtig, aber das ist nicht genug. So waren die Mittel, die für 2019 freigegeben wurden, bereits nach vier Tagen ausgeschöpft. Das heißt, hier muss deutlich mehr reingeschossen werden, denn so, wie es aussieht, ist das derzeit der gangbare Weg. Eine nationale gesetzliche Regelung scheint hier nicht machbar zu sein, da sie gegen EU-Bestimmungen verstoßen würde, so die Erklärung aus dem Bundesverkehrsministerium. So lange können wir also nur auf die Freiwilligkeit der Unternehmen und der Logistikbranche setzen. Ich muss sagen: Das ist mir zu wenig und zu langsam. Vielmehr hätte vonseiten der Politik der Druck auf die EU ganz anders ausgeübt werden müssen. Mittlerweile ist der verpflichtende Einbau von Abbiegeassistenten in Lkw und Bussen auf EU-Ebene ab 2022 vorgesehen. Entsprechende Neufahrzeuge sollen ab 2024 mit Abbiegeassistenten ausgerüstet werden.
So weit, so gut, aber mir geht das ehrlich gesagt zu langsam. Statt bis 2024 zu warten, sollte meines Erachtens bereits heute jedes Fahrzeug, das vom Band rollt, mit einem Warnsystem ausgerüstet werden.
Maßnahme sein. Es kann und muss mehr getan werden. Da ist nicht nur der Bund oder das Land in der Pflicht, auch Kreise, Städte und Kommunen können dazu beitragen, dass die Sicherheit für Fußgänger und Fahrradfahrer weiter erhöht wird. Es gibt Möglichkeiten, die Ampelschaltung für Geradeaus- und Abbiegeverkehre zu trennen, oder es kann die Sichtbeziehung an Kreuzungen verbessert werden. Hier spreche ich also von Spiegeln. Auch das optische Hervorheben von Fahrradwegen schafft Aufmerksamkeit für den schwächeren Verkehrsteilnehmer, oder wenn Abbieger Schrittgeschwindigkeit fahren müssen. Das alles sind Aspekte, die zusätzlich helfen können. Es gibt also durchaus weitere Maßnahmen neben den Abbiegeassistenten, die bereits heute auf kommunaler Ebene umgesetzt werden können.
Doch alle Vorkehrungen und technischen Hilfsmittel schützen nur so weit, wie sie auch beachtet werden. Daher bleibt abschließend festzustellen: Jeder Verkehrsteilnehmer ist angehalten, maximale Vorsicht walten zu lassen - für sich und für andere. Wir müssen neue Verkehrsteilnehmer verstärkt auf Gefahrenquellen wie zum Beispiel tote Winkel vorbereiten. - Jo tak.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat für die Landesregierung in Vertretung für den erkrankten Verkehrs- und Wirtschaftsminister der Minister für Soziales, Dr. Heiner Garg.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir alle kennen die schockierenden Nachrichten und Bilder von Unfällen abbiegender Lkw im Straßenverkehr, die Kollision mit schwächeren Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern, beispielsweise mit Radfahrerinnen und Radfahrern, Fußgängerinnen und Fußgängern führen dabei nicht selten zu Schwerverletzen oder sogar Toten. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So sind beispielsweise die Abmessungen von Lkw nur sehr schwer vollständig zu überblicken. Aber auch das hohe Gewicht der Lkw zieht unweigerlich schwerste Folgen nach sich.
§ 1 der Straßenverkehrs-Ordnung fordert von den Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern „ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“.
Man muss sich einmal angucken, wie das bei den geschilderten Szenarien in der Praxis funktionieren soll. Wenn ein Lkw auf der Abbiegespur hält und die Fußgängerin oder der Fußgänger einfach nicht zu sehen ist, dann hilft auch das Rücksichtnahmegebot nicht weiter. Insbesondere wenn eine Vielzahl unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer aufeinandertrifft, ist es Lkw-Fahrern praktisch kaum möglich, während des Abbiegens durchgängig alle Fahrzeugbereiche im Blick zu haben und auf plötzlich aus dem toten Winkel auftauchende Verkehrsteilnehmerinnen oder Verkehrsteilnehmer zu reagieren. Hier benötigt ein Lkw-Fahrer - das haben die Vorredner deutlich gemacht - technische Unterstützung, um das Risiko eines schweren Unfalls mit Personenschaden zu minimieren.
Da ist es gut, dass es inzwischen moderne technische Lösungen gibt, die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer beim Abbiegen absichern, die sie auf Personen oder Hindernisse hinweisen und sie so unterstützen, Unfälle zu verhindern.
Auch die besten technischen Entwicklungen können jedoch nur dann Wirkung entfalten, wenn sie zum Einsatz kommen. Der Einsatz von Abbiegeassistenzsystemen wird in Neufahrzeugen bereits in wenigen Jahren europaweit verpflichtend werden. Ich bin davon überzeugt, dass dadurch in Zukunft weniger Unfälle passieren werden.
Ich begrüße deswegen außerordentlich, dass der Bund inzwischen die Voraussetzungen für die Nachrüstung dieser Systeme geschaffen hat. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist, dass der Bund - das hat der Abgeordnete Meyer gerade erwähnt - die schnelle Verbreitung dieser Systeme mit einem Förderprogramm unterstützt. Eine schnelle Verbreitung dieser Systeme wird sich vor allem dann realisieren lassen, wenn auch die aktuellen Fahrzeugflotten mit Assistenzsystemen nachgerüstet werden. Die Nachfrage der Logistikbranche ist vorhanden, wie man sieht. Sie ist sogar so groß, dass das vom Bund bereitgestellte Fördervolumen von 5 Millionen € bereits binnen weniger Tage komplett ausgeschöpft war.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte deswegen die Gelegenheit nutzen, im Namen der Landesregierung - in der Hoffnung, dass das beim Bund ankommt - den Bund aufzufordern, die Fördermittel bedarfsgerecht aufzustocken. Einer so hohen Nachfrage der Lkw-Halter, die freiwillig dazu bereit sind, ihre Fahrzeuge sicherer zu machen, ist Rechnung zu tragen. Das haben die Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister der Länder bereits erkannt. Anfang April 2019 hat die Verkehrsminis
terkonferenz den Bund einstimmig zu einer Aufstockung des Volumens seines Förderprogramms aufgefordert.
Doch nicht nur die private Wirtschaft ist gefordert, die Sicherheit zu erhöhen, sondern auch die Landesregierung selbst sieht sich in der Pflicht, einen Beitrag zu leisten. Das Land geht daher mit gutem Beispiel voran. So hat der LBV.SH zwei Lkw des Straßenbetriebsdienstes im Rahmen eines Pilotprojekts mit einem Abbiegeassistenzsystem nachgerüstet und getestet. Das soll erst der Anfang sein. Künftig soll das getestete System auch bei weiteren Großfahrzeugen des LBV.SH für die Baujahre 2016 bis 2018 nachgerüstet werden.
Auch neue Fahrzeuge sollen bereits vor der verpflichtenden Einführung mit herstellerseitig verbauten Abbiegeassistenzsystemen beschafft werden. Auf diese Weise will das Land bereits heute einen Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit leisten. - Vielen Dank fürs Zuhören.
Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem Antrag Drucksache 19/1443 (neu) zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist einstimmig so beschlossen.
Konsequenzen aus bisherigem Scheitern der Grundsteuerreform ziehen - Grundsteuer abschaffen Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/1449
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Jörg Nobis.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Vor fünf Monaten debattierten wir aufgrund eines Antrags meiner Fraktion über die Konsequenzen aus dem Grundsteuerurteil des Bundesverfassungsgerichts und den damaligen
Stand der Reformbemühungen der GroKo in Berlin. Die Aussprache endete mit der Annahme eines Alternativantrags, mit dem die Landesregierung gebeten wurde, „auf Bundesebene auf ein zügiges Verfahren zur Neuordnung der Grundsteuer hinzuwirken“.
Seit Bund und Länder Anfang Februar aber die Grundzüge eines Kompromissmodells zur Reform der Grundsteuer festgelegt haben, sind wir immer mehr zu Zeugen eines großen Durcheinanders geworden. Das Modell von Bundesfinanzminister Scholz überzeugt nicht. Es klingt vielmehr nach einem typisch deutschen Bürokratieansatz: möglichst viele Bemessungsfaktoren, damit möglichst viele Beamte mit der Umsetzung und Berechnung zu tun haben.
Bereits unmittelbar nach der Ankündigung des Grundsteuerkompromisses bezeichnete der bayerische Ministerpräsident diesen als „nicht zustimmungsfähig“, und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag brachte seine Bedenken mit den Worten zum Ausdruck: Das sich nun abzeichnende Konzept werde Steuerzahler, Finanzbeamte und Gerichte überfordern. Bund und Länder hätten sich offensichtlich auf ein kompliziertes und streitanfälliges Modell einigen wollen.
Gravierende Einwände wurden auch vonseiten der Immobilienwirtschaft erhoben, die vor ausufernder Bürokratie und Mietsteigerungen warnte. Ein einfaches Grundsteuermodell, das sich ausschließlich an den Flächen von Grundstücken und Gebäuden orientiere, sei daher der bessere Weg.
Genau in dieselbe Richtung zielte auch die Kritik des bau- und wohnungspolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion. Er brachte es auf den Punkt mit den Worten: