Protocol of the Session on March 7, 2019

- Vielleicht hilft ein aufklärendes Gespräch untereinander, damit wir da wieder auf eine Faktenbasis zurückkommen.

Meine Damen und Herren, die Minority-SafePackInitiative setzt sich ja für die Rechte autochthoner Minderheiten ein. Sie beschreibt den Kampf der Minderheiten um Bewahrung von Kultur und Sprache, sie beschreibt die Bereicherung, die sprachliche kulturelle Vielfalt bedeuten kann, und sie beschreibt den Wunsch, all dies mit einem Pakt zwischen der Mehrheitsbevölkerung auf der einen Seite und der Minderheitsbevölkerung auf der anderen Seite zu erhalten.

Nationale und autochthone Minderheiten können eine Bereicherung sein. Sie können die Gesamtgesellschaft bereichern um weitere Bräuche, weiteres Wissen, weitere Sprachen.

In meiner Heimat, dem deutsch-dänischen Grenzland, ist das sehr gut zu sehen. Dort gibt es vier Minderheiten. Es klang schon an, dass in unserem Bundesland drei der geschützten Minderheiten zu Hause sind. Das sind die Friesen, die deutschen Sinti und Roma, die dänische Minderheit in Deutschland, aber - als vierte Gruppierung - auch die deutsche Minderheit in Dänemark. Schon an dieser Aufzählung können Sie sehen: Minderheiten sind ein oft grenzüberschreitendes Thema. Von da

her ist es natürlich richtig, das Ganze auch europäisch zu denken.

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Minderheiten können eine Bereicherung sein. Dafür muss die Mehrheitsbevölkerung diese Bereicherung aber auch zulassen. Das ist nicht überall der Fall. In der Debatte wird dabei immer auf Ungarn und Rumänien verwiesen. Aber auch anderenorts in der EU gibt es Schwierigkeiten der Mehrheitsbevölkerung, die Minderheit als Bereicherung zu begreifen. Mir fallen da auf Schlag Frankreich, Spanien, Italien ein. Aber auch im Baltikum und in Schweden gibt es das.

Es ist deswegen richtig und notwendig, wenn die SafePack-Initiative das Recht auf die eigene Kultur und den Gebrauch der eigenen Sprache einfordert.

Minderheiten können - das ist die eine Seite der Medaille - eine Bereicherung sein, wenn sie selbstverständlicher Teil der Mehrheitsbevölkerung sind, wenn sie über ihre eigenen Besonderheiten hinaus die Sprache der Mehrheitsbevölkerung beherrschen und ein Verständnis von Recht und Werten mit ihr teilen. Die andere Seite der Medaille sind Parallelgesellschaften. Dabei spreche ich nicht nur von Gastarbeiterfamilien in Deutschland oder deutschen Senioren in Spanien. Das gibt es auch im kleineren Maßstab. Man kann durchaus auch Jahrzehnte als Däne in Flensburg leben, ohne die deutsche Sprache zu sprechen. Diesen Aspekt, den Willen zur Integration, spricht die Minority-SafePack-Initiative leider etwas verklausuliert - in Nummer 2 an. Sie ist aber genauso wichtig wie die Aufnahmebereitschaft der Majorität.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Bewahrung und die Integration von Minderheiten ist eine wichtige, aber auch eine schwierige Aufgabe. Um sie zu bewältigen, muss sie erst einmal als Aufgabe begriffen werden. Das scheint mir auf EU-Ebene heute nicht unbedingt so zu sein. Je nachdem, aus welcher Perspektive man sein Anliegen sieht, können nämlich derzeit folgende Kommissare infrage kommen: Das ist Frans Timmermans, der Vizepräsident der Kommission - er ist mit für die Grundrechtecharta zuständig -, oder Dimitris Avramopoulos - er ist EU-Kommissar für Migration und Staatsbürgerschaft - oder Tibor Navracsics - er ist EU-Kommissar für Bildung und Kultur.

Wir wollen, dass ein bestehendes Kommissariat die klare Aufgabe bekommt, für Minderheitenschutz zuständig zu sein,

(Peter Lehnert)

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zwar deshalb, damit es für alle Fragen der Minderheiten eine Ansprechperson gibt, damit sich eine Person für den Erhalt der Minderheiten, ihrer Sprache und Kultur verantwortlich fühlt und damit es auch eine Person als ihre Aufgabe begreift, den gedeihlichen Ausgleich zwischen Mehrheit und Minderheiten zu befördern.

Da wir gerade von der EU-Kommission sprechen: Eine Verkleinerung der Kommission, eine Entflechtung der Zuständigkeiten und eine Straffung der Strukturen täten der Kommission insgesamt vielleicht gut und würden ihre Handlungsfähigkeit stärken - nicht nur im Bereich Minderheiten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss, da ich noch genügend Zeit habe, noch etwas sagen, was vielleicht nicht hundertprozentig zum Thema passt. Wir haben in Deutschland viele Minderheiten, die nicht autochthon sind. Auch diese Minderheiten können eine Bereicherung sein. Insofern gelten für sie genau die gleichen Voraussetzungen wie für die autochthonen Minderheiten. Sie müssen die Sprache der Mehrheit beherrschen und ihre Werte und ihre Rechtsauffassung teilen. Die Mehrheit muss die Minderheit als Bereicherung begreifen können, und sie muss die Integration zulassen. Beides, den Willen zur Integration und den Willen, eine gemeinsame Gesellschaft voranzubringen, halte ich persönlich für wichtiger als Bekleidungsvorschriften. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Die AfD-Fraktion hat kurz nach dem Einzug in dieses Hohe Haus voller Überzeugung für die Unterstützung der MinoritySafePack-Initiative gestimmt, denn auch wir haben uns von Anfang an auf die Fahnen geschrieben, die Rechte der Völker und Volksgruppen zu schützen. Die EU-weite Bürgerinitiative setzt sich ein für die Erhaltung und Förderung der Identität, Sprache und Kultur, Rechte und Eigenart der europäischen Minderheiten. Genau das wollen wir auch.

Was diese Initiative den Ungarn in Rumänien, den Südtirolern in Norditalien, den Sorben in der Lau

sitz, den Dänen in Deutschland und den Deutschen in Dänemark verschaffen will, nämlich mehr Gehör in der Politik, sollte überall selbstverständlich sein. Der Dachverband der europäischen Minderheiten FUEN - in Flensburg mit Sitz in unserem Land setzt sich genau für diese Punkte ein: die Erhaltung und Förderung von Identität, Sprache und Kultur, Rechte und Eigenarten. Dazu vertritt sie deren Rechte auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene.

Die Frage ist aber: Reicht das? - Die Arbeit der FUEN ist sehr engagiert. Wir können aber gar nicht genug für nationale Minderheiten und autochthone Volksgruppen tun.

Die französische Regierung, die sich so gern als Vordenker in der EU präsentiert, hat in Sachen Mitsprache von Minderheiten noch erheblichen Nachholbedarf. Suchen Sie einfach einmal nach zweisprachigen Ortsschildern im Elsass, oder versuchen Sie als Elsässer, auf dem Amt mit Ihrem angestammten Dialekt Gehör zu finden! Die Elsässer beklagen seit Jahrzehnten, dass Frankreich die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen zwar gezeichnet, aber nie ratifiziert hat. Der Anstieg von zweisprachigen Schulen im Elsass, die von den Eltern und Schülern gewünscht werden, resultiert in erster Linie aus dem Engagement einer Elternvereinigung - nicht des Staates und nicht der Regionalregierung. Sie kämpft gegen massive administrative und politische Schwierigkeiten.

Auch die polnische Regierung hat lange die Belange der Deutschen in Schlesien vernachlässigt, obwohl die junge Generation dort immer mehr Interesse an der Geschichte dieser Region zeigt. Hier und anderswo könnte eine Initiative auf EU-Ebene tatsächlich Fortschritte bewirken.

Gerade in Schleswig-Holstein mit seinen anerkannten Minderheiten wissen wir um die Bedeutung guter Minderheitenpolitik. Hier hat Vielfalt einen guten Klang, denn es ist eine gewachsene Vielfalt und nicht eine, die aus ideologischen Gründen herbeigeredet oder fantasiert wird. Ganz Europa ist Heimat für viele Völker und Regionen. Ihre Selbstständigkeit zu stärken, ihre Identität zu bejahen und so einer fortschreitenden Gleichmacherei unter dem Vorzeichen der Globalisierung entgegenzutreten, sollte das Ziel aller selbstbewussten Nationen sein. Denn nichts wäre schlimmer, als wenn diese über Jahrhunderte gewachsene Vielfalt von supranationalen Kräften zu einem Einheitsbrei verrührt würde.

Daher muss es auch immer Sache der einzelnen Länder und Staaten bleiben, sich um Minderheiten

(Kay Richert)

fragen zu kümmern. Eine Übertragung dieser wichtigen Fragen nach Brüssel lehnen wir ab. Der Schutz nationaler Minderheiten ist ein wichtiger Bestandteil unseres Gemeinwesens. Dieser Schutz gehört, wie bisher, zuallererst in nationale Hand, im Sinne gelebter Subsidiarität auch in regionale Hand. Die Bonn-/Kopenhagener Erklärungen wurden genannt. Sie sind ein prominentes Beispiel einer gelungenen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für die Belange der deutschen und dänischen Minderheiten. Das sehen wir offensichtlich anders als der Kollege Loose.

Im Programm für die bevorstehende EU-Wahl heißt es bei uns - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidiums -:

„Die AfD setzt sich für den Erhalt und die Pflege des deutschen und europäischen Kulturerbes ein. Neben den Institutionen der Hochkultur, wie Theatern, Orchestern und Museen, haben wir auch das immaterielle Kulturerbe, wie etwa Minderheitensprachen, Brauchtum, Volkstänze, Feste und Vereinswesen, Handwerks- und Regionalkulturen, im Auge.“

Aber es heißt auch ganz klar:

„Im Regelfall sollen die EU-Mitgliedstaaten für die Pflege und den Erhalt ihres Kulturerbes verantwortlich sein.“

Das heißt konkret: Wir regeln alles, was im Land möglich ist, hier im Land. Der Bund greift zusätzlich ein, wenn es zum Beispiel um deutsche Minderheiten in Ländern geht, die nicht direkt an Deutschland grenzen. Das ist die Sachlage im Moment.

Durch die Anbindung an ein EU-Kommissariat sollen die Minderheiten und die autochthonen Volksgruppen zusätzliches politisches Gewicht erhalten. Wir fragen: Kann das funktionieren? Was kann die EU besser als die einzelnen Mitgliedstaaten?

Falls dieser Antrag heute angenommen wird, woran wohl kein Zweifel besteht, kann sich die EU bei der Unterstützung von Minderheitenrechten und Minderheitensprachen gerne einmal von ihrer guten Seite zeigen. Wir werden das im neuen EU-Parlament zusammen mit unseren Kollegen aus anderen EU-kritischen Parteien sehr genau verfolgen. Die EU und das Europäische Parlament können sich gern für den Schutz von Minderheiten einsetzen, aber Strafmaßnahmen aus Brüssel lehnen wir ab. Es klang gerade an, dass das auch eine Möglichkeit

sein könnte. Aus diesem Grund können wir uns dem vorliegenden Antrag nicht anschließen.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Tusind tak! Kære landdagspræsident! Kære gæster! Kære dejlige kollegaer! Ich finde es wunderbar, dass wir heute einmal wieder über mich, über Lars, über Flemming, über alle von uns von den Minderheiten hier in Schleswig-Holstein diskutieren, und nicht nur über die, sondern über die Minderheiten in Europa. In den vergangenen Jahren hat meistens Konsens geherrscht, dass wir in minderheitenpolitischen Fragen gemeinsam ein Zeichen setzen. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass wir mit den demokratischen Parteien einen gemeinsamen Antrag hinbekommen haben.

Die Forderung nach der Schaffung einer festen Zuständigkeit für die Belange von Minderheiten in Form eines Kommissariats ist eine Forderung, die aus den Reihen der Minderheiten kommt und die sich mit der Zeit weiterentwickelt hat. Anfangs haben wir für eine Zuständigkeit angegliedert an ein bestehendes Kommissar-Ressort plädiert, mittlerweile sind wir aber so weit, dass wir ein Amt wollen, das sich gänzlich den autochthonen Volksgruppen und Minderheiten in der EU widmet. Zu tun gäbe es - das können Sie sich sicherlich vorstellen jedenfalls genug, um ein eigenes Ressort auszufüllen.

Unser Landesvorsitzender hatte schon vor dem Beschluss von 2014, den wir nun erneuern, mit Unterstützung der Friesischen Nationalen Partei auf einem Kongress der European Free Alliance diese Forderung präsentiert. Alle 36 vollwertigen Mitglieder, aus Regionalparteien stammend, stimmten daraufhin zu, und die EFA hat sich bereits an den damaligen Präsidenten der Kommission gewandt. Wie Sie wissen, ist die Verteilung der Ressorts Sache der EU-Staaten. Deswegen erneuern wir unseren gemeinsamen Beschluss von 2014 gemeinsam mit den demokratischen Fraktionen dieses Hauses. Wir bitten die Landesregierung auch, sich auf Bundes- und EU-Ebene dafür einzusetzen, dass es endlich eine feste Zuständigkeit für die Durchsetzung der Minderheitenrechte gibt und die zugesagten Minderheitenrechte für alle Staaten gelten, denn in der EU hängt der Minderheitenschutz von der jeweiligen staatlichen Gesetzgebung ab.

(Volker Schnurrbusch)

Im Herbst 2013 haben wir gesehen, wie die EUKommission mit Minderheitenbelangen umgehen wollte. Die Kommission fegte die Registrierung der Minority-SafePack-Initiative der FUEN vom Tisch - mit dem schlichten Hinweis, sie sei hierfür nicht zuständig. Rund 340 autochthone Minderheiten mit mehr als 100 Millionen Menschen leben in Europa. Damit ist jeder siebte Europäer und jede siebte Europäerin Angehörige einer autochthonen Minderheit. Neben den 23 Amtssprachen gibt es über 60 Regional- und Minderheitensprachen. Und trotzdem fühlte sich die Kommission einfach nicht zuständig. Erst mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wurde klar, dass sich die Kommission hier nicht aus der Affäre ziehen darf.

Das Minority SafePack ist sozusagen ein Bündel an Maßnahmen und konkreten Rechtsakten zur Förderung und zum Schutz der europäischen Minderheiten sowie der Regional- und Minderheitensprachen. Nicht überall ist das Zusammenleben von Minderheiten und Mehrheitsbevölkerung so friedlich wie bei uns im deutsch-dänischen Grenzland. Ich finde es daher immer wieder besonders wichtig, auf die Menschen in der EU hinzuweisen, die noch staatenlos sind. Viele von ihnen sind Angehörige einer nationalen Minderheit. Diese Menschen zählen zu den meistbedrohten Minderheiten in der EU. Ihnen wird der Zugang zu Bildung, Gesundheitswesen und Sozialhilfe verweigert sowie das Recht zu wählen genommen.

Beispielsweise sind staatenlose Roma in den meisten Fällen Staatsangehörige des ehemaligen Jugoslawien und ihre Nachkommen. Die Nachfolgestaaten haben damals diskriminierende Hürden für die Erlangung der Staatsbürgerschaft in den jeweiligen Ländern aufgestellt. Die EU kann und sollte hier Möglichkeiten schaffen, den langfristig staatenlosen Menschen die Rechte zurückzugeben, die andere EU-Bürgerinnen und -Bürger so selbstverständlich nutzen, beispielsweise das Recht auf Arbeit, auf Wohnen und auf Reisefreiheit. Und genau das fordert das Minority SafePack.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dennys Bornhöft [FDP])

Ich möchte noch kurz etwas sagen, und zwar auf den Kollegen Kay Richert bezogen: Autochthone Minderheiten müssen sich genauso an die Rechtsstaatlichkeit halten wie jeder andere Bürger auch. Noch einen Satz zum Schluss, den ich immer wieder gern sage: Gute Minderheitenpolitik ist auch Friedenspolitik. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir nächstes Jahr gemeinsam das 100-jährige Jubiläum der Grenzziehung feiern. Da können wir auch

gemeinsam für Europa zeigen, dass wir in einem fantastischen Schleswig-Holstein wohnen, wo man sich auch manchmal auf dünnem Eis in Bezug auf die Minderheitenrechte bewegt hat.

Frau Abgeordnete!

Ich gehe jetzt auch!

(Heiterkeit)