Protocol of the Session on March 7, 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Manches Mal hilft ein Blick in die jüngste Vergangenheit, um Dinge besser zu verstehen und zu verdeutlichen. Noch vor wenigen Jahren - 2012 - klagten vier Mitglieder des Landesvorstands der Jungen Union, darunter der jetzige

(Rasmus Andresen)

Landtagsabgeordnete Tobias Loose, vor dem Landesverfassungsgericht gegen den Status des SSW.

(Lukas Kilian [CDU]: Das ist falsch!)

- Ganz ruhig.

(Zuruf: Herr Kilian war dabei! Das wurde vergessen!)

- Er war auch dabei.

(Lukas Kilian [CDU]: Das ist falsch! Dann sagen Sie es doch richtig, wenn Sie es schon vortragen!)

- Jetzt ist es gut. - Eine Distanzierung seitens der CDU von der Klage war damals nicht zu vernehmen. Ganz im Gegenteil: Man ließ die Jugendorganisation gewähren, wohl in der Hoffnung, dass die Klage Erfolg haben könnte.

Hier einige Zitate aus damaligen Zeitungsartikeln und Texten, die verbreitet worden sind: „Wir brauchen eine neue politische Diskussion in Sachen Minderheiten“, hieß es zum Beispiel, oder: „Die Bonn-Kopenhagener-Erklärung ist aus den 50erJahren. Es ging damals um den Schutz der dänischen Minderheit, und das ist heute längst überholt“, und: „Wo kommen wir denn da hin, wenn jede Minderheit ihr eigenes Recht bekommt?“

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Hollahi!)

Die Junge Union wollte die Streichung der drei Sitze des SSW. Die Konsequenz daraus wäre ein Sitz mehr für die CDU und damit die Übernahme der Regierung gewesen. Wir wissen bis heute nicht, ob es sich um Jugendsünden, Nichtwissen oder Diskriminierung - Stichwort „Dänenampel“ - handelte. Warum erzähle ich das?

(Minister Dr. Bernd Buchholz: Das fragen wir uns auch!)

- Das ist eigentlich nicht witzig. Ich möchte damit deutlich machen, wie dünn das Eis wirklich ist, wenn es um den Schutz von Minderheiten geht

(Beifall SPD und SSW)

und wie schnell die Rechte von Minderheiten selbst in unserem diesbezüglich richtig gut aufgestellten Bundesland beschnitten werden können, wenn es politisch gerade passt.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

Angriffe auf Minderheiten finden nicht nur auf die Roma in Südosteuropa statt, sondern sind Alltag für viele Minderheiten in ganz Europa. Die im Vertrag von Lissabon garantierten Schutz- und Grundrechte von Minderheiten werden leider nicht von allen

Mitgliedstaaten erfüllt. In einigen Mitgliedstaaten gibt es gravierende Missstände, und aktuelle politische Entwicklungen lassen leider nicht hoffen, dass es besser wird. Wir haben es in Europa mit einem alarmierenden Anstieg von Diskriminierung, sozialer Ausgrenzung und Hasskriminalität zu tun.

Es fehlen in der EU nach wie vor wirksame Instrumente, mit denen die Minderheitenrechte überwacht und durchgesetzt werden können. Das ist der Grund, dass sich die Bürgerinitiative „Minority SafePack“ auf den Weg gemacht hat, um die Verantwortlichkeiten für Minderheitenangelegenheiten auf EU-Ebene endlich verlässlich zu verorten.

Die SPD hat diese Bürgerinitiative von Anfang an stark unterstützt. Wir haben hierzu einen einstimmigen Landtagsbeschluss herbeigeführt. Wir haben vor dem Landeshaus Unterschriftenaktionen organisiert. Die SPD hat auf etlichen Veranstaltungen, Landesparteitagen und so weiter Unterschriften gesammelt und für die Bürgerinitiative geworben. Deswegen freuen wir uns, dass diese Bürgerinitiative zum Erfolg geführt hat, und gratulieren den Initiatoren Anke Spoorendonk und Hans Heinrich Hansen nochmals von Herzen.

In diesem Jahr wählen wir ein neues Europaparlament, und wir werden eine neue EU-Kommission bekommen. Das ist der richtige und passende Zeitpunkt, unseren Landtagsbeschluss vom 19. Juni 2014 zu erneuern, zu bekräftigen und erneut zu fordern, dass in der Europäischen Kommission endlich eine verbindliche Verantwortlichkeit für die Minderheiten organisiert wird. Alle Minderheitenangelegenheiten sollen bei einem EU-Kommissar gebündelt werden.

Rasmus Andresen hat es gesagt: Jeder siebte EUBürger gehört einer Minderheit oder Volksgruppe an. Das sind circa 100 Millionen Menschen in Europa. Diese Zahlen zeigen, dass europäische Minderheitenpolitik nicht mal eben so miterledigt werden kann - erst recht nicht, wenn sich nicht alle Mitgliedstaaten an die Vorgaben halten, und besonders dann nicht, wenn rechte Nationalisten wieder in den Parlamenten sitzen und Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten mit Füßen treten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Serpil Midyatli [SPD]: So ist es!)

Die autochthonen nationalen Minderheiten sind Brückenbauer zwischen den Kulturen in ihren jeweiligen Nationalstaaten. Sie setzen sich mit ihrer Arbeit gegen nationale Egoismen und für gegenseitiges Verständnis in Europa und friedliche Lösungen ein. In diesem Zusammenhang leistet die FU

(Birte Pauls)

EN eine extrem wichtige europäische Arbeit. Wir sind stolz darauf, dass diese Arbeit aus SchleswigHolstein heraus geleistet wird.

(Beifall SPD und SSW)

Wir haben immer deutlich gemacht, dass Minderheitenpolitik breite Mehrheiten braucht. Deshalb freuen wir uns, dass es auch diesmal gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag zu entwickeln und ein deutliches Signal aus Schleswig-Holstein an die neue EU-Kommission auf den Weg zu bringen. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Peter Lehnert das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein hat durch seine engagierte Minderheitenpolitik eine Vorbildfunktion in Deutschland und Europa. Auch durch die Funktion eines Minderheitenbeauftragten, der direkt beim Ministerpräsidenten angesiedelt ist, unterstreichen wir die Bedeutung dieses Politikbereichs. An dieser Stelle möchte ich mich beim derzeitigen Amtsinhaber Johannes Callsen ausdrücklich für seine engagierte Arbeit bedanken.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Bei uns leben drei der vier nach dem Rahmenübereinkommen des Europarats geschützten Minderheiten. Diese Vielfalt ist für uns besonders wertvoll; sie wollen wir schützen, fördern und nach Kräften unterstützen. Wir fordern daher auch weiterhin den Schutz und die Stärkung der Minderheiten in Europa durch die Europäische Union.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich in ihren Grundsatzverträgen auf die fundamentalen Grundrechte von nationalen Minderheiten verständigt. Die Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit ist nicht zulässig. Die Pflege von Brauchtum, kulturellen Traditionen und Sprache muss ausdrücklich gewährleistet sein.

Das Europäische Parlament setzt sich ebenso wie zahlreiche Parlamente in den Mitgliedstaaten intensiv für diese Minderheitenrechte ein. Minderheitenpolitik und die Förderung von Minderheitenaktivitäten stellen außerdem einen wichtigen Finanzie

rungsschwerpunkt im EU-Haushalt dar. So wird die Minderheitenförderung im Rahmen des Europäischen Sozialfonds in der Regionalpolitik explizit erwähnt.

An dieser Stelle wird aber auch deutlich, dass eine klare Verantwortlichkeit für dieses Thema mehr als sinnvoll wäre. Die Probleme bei der Integration von nationalen Minderheiten sind aus verschiedenen Mitgliedstaaten bekannt. Deshalb versprechen wir uns von der gebündelten Zuständigkeit bei einem EU-Kommissar eine deutlich bessere Durchschlagskraft und kräftigere Impulse vonseiten der EUKommission für die Minderheitenarbeit.

Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich dafür bedanken, dass es uns gelungen ist, einen interfraktionellen Antrag auf den Weg zu bringen. Dies ist ein gutes und wichtiges Signal der Geschlossenheit aus dem SchleswigHolstein Landtag.

Der außerordentliche Erfolg der europäischen Bürgerinitiative „Minority SafePack“ aus dem letzten Jahr gibt uns die Zuversicht, dass mit diesem Vorhaben nicht nur eine der bedeutendsten solidarischen Aktionen für die Minderheiten in Europa verbunden ist, sondern vor allen Dingen, dass es bei Bürgerinnen und Bürgern weit über den direkt betroffenen Kreis der Minderheiten hinaus Unterstützung für unser Anliegen gibt.

Uns ist auf der einen Seite durchaus klar, dass die Umsetzung unserer Forderungen sicherlich keine einfache Aufgabe sein wird, da die neue Ressortverteilung natürlich vom nächsten EU-Kommissionspräsidenten vorgeschlagen werden wird. Auf der anderen Seite wissen wir aber, wie wichtig es ist, schon im Vorfeld der Verhandlungen über die Kommissionsstruktur unseren Einfluss geltend zu machen. Deshalb wollen wir in enger Abstimmung mit der Landesregierung und gemeinsam mit der Bundesregierung darauf hinwirken, dass es zukünftig auf EU-Ebene zu einer institutionalisierten Verantwortlichkeit für den Bereich der nationalen Minderheiten kommt.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, die Art des Umgangs der Europäischen Union mit ihren Minderheiten ist ein Gradmesser für gelebte vielfältige Demokratie. Wir wissen, dass immer wieder heftige Konflikte in den Ländern entstehen, in denen Minderheiten unterdrückt werden und Mehrheitsgesellschaften den Minderheiten keine oder nur ungenügende Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten einräumen.

(Birte Pauls)

Gute Minderheitenpolitik ist deshalb auch vorausschauende Friedenspolitik.

Der Landesregierung wünsche ich bei ihren Bemühungen im Sinne unserer nationalen Minderheiten in Berlin und Brüssel viel Erfolg. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem gemeinsamen Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Kay Richert das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein rechtsstaatliches Verfahren zum Parteienrecht mit Ausschreitungen gegen Sinti und Roma in Rumänien zu vergleichen, finde ich schon etwas schräg.

(Birte Pauls [SPD]: Nichts verstanden! - Lu- kas Kilian [CDU]: Nein, Sie haben wirklich überhaupt nichts verstanden, Frau Pauls! Überhaupt nichts!)

- Vielleicht hilft ein aufklärendes Gespräch untereinander, damit wir da wieder auf eine Faktenbasis zurückkommen.