Protocol of the Session on March 7, 2019

ein Schritt vor und zwei zurück nicht aus. Wir sollten stattdessen lieber sehr schnell ins Ziel rennen. Jo tak.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Gestatten Sie mir, vor allem in Richtung der homosexuellen Mitbürgerinnen und Mitbürger in diesem Land, insbesondere der Jugendlichen, eine persönliche Vorbemerkung. Das, was mein Lebenspartner und ich miteinander teilen, unser Leben, unsere Liebe, ist keine Krankheit, sondern es ist völlig in Ordnung, wie wir sind. Wir sind genauso normal oder auch nicht normal wie die gesamte andere Gesellschaft in diesem Land. Sie sind willkommen! Wir leisten unseren Beitrag zu dieser Gesellschaft. Und es ist völlig in Ordnung, wie wir sind. Es ist keine Krankheit, verdammt noch mal!

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, AfD und SSW)

Es scheint Formen von Aber- und Irrglauben zu geben, deren Hartnäckigkeit manchmal schlicht erstaunt. Dazu gehört die Annahme, mit Menschen, die Menschen gleichen Geschlechts lieben, könnte irgendetwas nicht in Ordnung sein. Diese Annahme ist nicht weniger abwegig als die Idee, dass die Erde eine Scheibe sei oder so ähnlich jedenfalls, allerdings mit einem ganz entscheidenden Unterschied. Die Pathologisierung von Homosexualität macht Menschen immer noch ihr eigenes Leben zur Qual, meine Damen und Herren.

Darum ist die Gleichsetzung von Homosexualität und Krankheit eben keine randständige Spinnerei, die man womöglich ignorieren könnte. Es handelt sich hierbei um nichts anderes als um eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die in aller Schärfe bekämpft gehört.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Von der medizinischen Fachwelt ist sie - hier steht „längst“, na ja - seit drei Jahrzehnten immerhin als Irrtum verworfen worden. Vor fast drei Jahrzehnten,

im Mai 1990, hat die Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation beschlossen, Homosexualität aus dem ICD-Katalog zu streichen. Das war in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Ich bin über 50 Jahre alt. So ganz wahnsinnig modern, fand ich, war das schon damals nicht. Aber sei es drum.

Die schlichte Realität ist: Homosexuelle Menschen sind nicht krank, und wir müssen auch nicht geheilt werden. Homosexualität ist Teil der menschlichen Natur, und es ist eine menschenrechtlich geschützte Ausprägung der Persönlichkeit.

Deshalb haben die Delegierten der 64. Generalversammlung des Weltärztebundes 2013 sogenannte Reparativtherapien beziehungsweise Konversionstherapien in klaren Worten angeprangert. Denn es gibt - so auch von der Bundesärztekammer die tragenden Beschlüsse - für diese sogenannten Therapien keine einzige medizinische Indikation. Vielmehr stellen sie eine echte Gefahr für die psychische Gesundheit und die Menschenrechte der Betroffenen dar. Konversionstherapie zielt - das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen - auf die Reduzierung homosexueller Neigungen und die Entwicklung heterosexueller Potenziale. Dazu soll die Homosexualität der Betroffenen in asexuelles oder heterosexuelles Verhalten umgewandelt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, derartige Therapien entbehren wirklich jeglicher wissenschaftlicher oder medizinischer Grundlage, und sie sind brandgefährlich für diejenigen, die bisher solchen Therapien unterzogen wurden. Nachgewiesen wurden einzig schwere massive schädliche Effekte dieser Behandlung für die therapierten Personen. Hierzu gehören unter anderem Depressivität, Suizidgedanken, Ängste und soziale Isolation.

Ich will im Übrigen daran erinnern, dass die Jugendlichen mit der höchsten Suizidgefahr und der höchsten Suizidrate immer noch Jugendliche sind, die homosexuell sind. Besonders minderjährige Menschen sind vor derartigen Behandlungen zu schützen. Der Staat und die Gesellschaft sind dazu verpflichtet, die Menschen, gerade junge Menschen, davor zu schützen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Das bedeutet auch: Das Anbieten, das Bewerben, das Durchführen von derartigen Therapien mit dem Ziel, die ursprüngliche sexuelle Orientierung von

(Flemming Meyer)

Minderjährigen zu verändern, muss ausnahmslos verboten werden. Ich sage ganz klar: Eine solche Kindeswohlgefährdung kann auch unter dem Deckmantel der Religionsausübung keinesfalls akzeptiert werden.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Ich sage ganz klar, was das für Konsequenzen hat: Das beinhaltet auch, dass Organisationen, die Konversionstherapien befürworten, nicht durch öffentliche Mittel gefördert werden oder zum Beispiel als freie Träger der Jugendhilfe anerkannt werden können.

(Beifall FDP, SSW, vereinzelt SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Therapien sind unethisch. Dieses Verbot sollte strafbewehrt werden. Es geht hierbei um Kindeswohl, und es geht um ein Menschenrecht.

Ich gehe mit dem Kollegen Spahn nicht ganz so hart ins Gericht, wie das die eine oder der andere vorher getan hat. Er hat sich immerhin persönlich klar dazu positioniert. Ich finde, als politischer Chef eines Hauses sollte er auch das Durchsetzungsvermögen mitbringen, seinem Haus klarzumachen, was er politisch für richtig hält, und dann entsprechend die Bundesländer bei ihrem Vorhaben des klaren Verbots unterstützen. Dann wären wir schon eine ganze Ecke weiter, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich sage Ihnen jedenfalls: Ich werde das tun, überall, wo ich das kann - aus voller Überzeugung. Hier ist das Wort Prävention gefallen; das muss ich am Schluss einfach aufgreifen. Ich habe mich gefragt: Wer soll eigentlich vor wem und vor was geschützt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren? Ich will Ihnen einmal sagen, wie ich Prävention an dieser Stelle interpretiere: Die beste Prävention ist die Liebe der Eltern, die ihre Kinder so annehmen, wie sie sind, und eine solidarische Gesellschaft, die endlich, verdammt nochmal, akzeptiert, dass ihre Vielfalt ihre wahre Stärke ist.

(Beifall SPD, vereinzelt CDU, FDP und SSW)

Homosexuelle Menschen brauchen keine Gehirnwäsche, sie benötigten und haben Anspruch auf den Respekt und die Solidarität der gesamten Gesellschaft. - Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag auf Drucksache 19/1306 (neu) zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW, die Fraktionen der FDP und der CDU und die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein. Wer ist dagegen? - Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD. Enthaltungen? - Haben wir dann nicht. Damit ist der Antrag angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Minderheitspolitische Belange zusätzlich auf EU-Ebene verorten

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1288 (neu) - 3. Fassung

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Rasmus Andresen.

Vielen Dank, Herr Präsident! - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

„Diskriminierungen, insbesondere wegen … der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit … sind verboten.“

Dieser Satz steht nicht etwa in unserer Landesverfassung oder im Grundgesetz - da steht zum Thema Minderheitenschutz auch sehr Wertvolles drin -, nein, das steht in Artikel 21 der Grundrechtecharta der Europäischen Union.

Jede siebte Bürgerin und jeder siebter Bürger in Europa ist Teil einer nationalen Minderheit oder autochthonen Volksgruppe. Wir haben allein in der Europäischen Union über 60 Regional- und Minderheitensprachen. Das zeigt uns, dass Vielfalt und Minderheiten nicht etwa ein Ausnahmethema in der Europäischen Union sind, sondern Vielfalt bei uns die Regel ist.

(Minister Dr. Heiner Garg)

Wir haben deshalb hier und heute als Koalition einen Antrag eingebracht, der nicht ganz neu ist - das Anliegen haben wir hier schon mehrfach beraten -, der uns zu diesem Zeitpunkt aber besonders wichtig ist. Natürlich gibt es große Unterschiede: Es macht einen Unterschied, ob man Friese in Bredstedt oder Angehöriger der Roma-Minderheit beispielsweise in Ungarn ist. Aber alle haben den Schutz, den besonderen Schutz und die Aufmerksamkeit der Europäischen Union verdient.

Die krassesten Beispiele im Zusammenhang mit minderheitenpolitischen Themen sind natürlich die Ausgrenzung und die Diskriminierung, die Sinti und Roma europaweit erleben, beispielsweise in Ungarn: durch hohe Schulabbrecherquoten, durch kaum Zukunftschancen, durch hohe Arbeitslosigkeit, durch Stigmatisierung, teilweise durch Gewaltanwendung. Es ist noch gar nicht so lange her, dass es eine Reihe von gezielten Morden an Sinti und Roma in europäischen Ländern gegeben hat. Das alles sind sehr, sehr krasse Fälle, die zeigen, dass Minderheiten auch in der Europäischen Union zum Teil unter Diskriminierung und Stigmatisierung leiden.

Es gibt auch andere Beispiele, die vielleicht weniger gravierend oder weniger lebensbedrohend sind, die aber auch eine Bedeutung haben. Da geht es beispielsweise um die Anerkennung und den Schutz der Sprachen von unterschiedlichen Minderheiten; dazu werden auch hier bei uns Debatten geführt. Es gibt auch andere Formen der Diskriminierung, beispielsweise in den Balkanländern, die dort oftmals aufgrund ihrer jüngeren Geschichte vorherrschen. Ich nenne als Beispiel Serben, die in Kroatien leben und dort zum Teil diskriminiert und ausgegrenzt werden.

Minderheitenpolitik ist ein vielfältiges Themenfeld. Die gemeinsame Klammer ist, dass es uns nicht egal sein darf, dass es der Europäischen Union nicht egal sein darf, wie es Minderheiten bei uns geht. Deshalb wollen wir die EU zu einer Minderheits- und Menschenrechtsunion machen. Wir wollen, dass sich die EU noch stärker für den Minderheitenschutz engagiert, als das bisher der Fall ist. Dieses Vorhaben teilen wir mit den Dachorganisationen der Minderheitenverbände.

Dieses Thema müssen wir wieder auf die Tagesordnung setzen, weil eine der zentralen Forderungen, damit in der Europäischen Union überhaupt etwas passiert, ist, dass nach den Europawahlen am 26. Mai dieses Jahres die Europäische Union und die neue EU-Kommission den Minderheitenschutz als ihr Thema erkennen. Wir wollen, dass die EU

Kommission sich für Minderheitenbelange einsetzt. Wir wollen, dass die EU der Ort wird, wo verbindliche Richtlinien zum Minderheitenschutz entstehen, dass die EU der Ort wird, wo der Schutz der Minderheit in den einzelnen Mitgliedstaaten überprüft wird und wo im Zweifel, wenn es Fehlentwicklungen gibt, die EU gemeinsam mit den Nationalstaaten tätig wird. Das müssen wir sicherstellen. Deshalb müssen wir uns als Landesparlament jetzt in diesen Prozess einschalten; denn entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem die Kommission sich konstituiert, und die Kommission konstituiert sich nach der Europawahl, also ziemlich bald.

Lassen Sie uns deshalb hier und heute gemeinsam wiederholt beschließen, dass die Anliegen der Minderheiten Thema der Europäischen Union werden sollen, dass es einen Minderheitenkommissar in der Europäischen Union ab der nächsten Wahlperiode, also ab Juni 2019, geben soll. Und lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir die Minderheitenverbände mit dieser Forderung und einem Parlamentsbeschluss nicht alleinlassen. Wir sollten alle über unsere Parteienfamilien Einfluss auf die Bundesregierung nehmen und dafür sorgen, dass das die deutsche Position wird in Bezug auf die Konstituierung der EU-Kommission; denn wenn das die deutsche Position ist, dann haben wir gute Chancen, diese Forderung Realität werden zu lassen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn der Antrag, den wir ursprünglich als Koalition eingebracht haben, hier breit unterstützt würde. SPD und SSW sind ja schon dabei. Vielleicht wird er ja sogar einstimmig angenommen. Das wäre ein starkes Signal an die EU und an die deutsche Bundesregierung, in diesem Fall tätig zu werden. Unser Ministerpräsident da bin ich mir sicher - wird dann bestimmt gegenüber der Bundeskanzlerin dafür sorgen, dass sich diese Forderung in der Realität wiederfindet. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Birte Pauls.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Manches Mal hilft ein Blick in die jüngste Vergangenheit, um Dinge besser zu verstehen und zu verdeutlichen. Noch vor wenigen Jahren - 2012 - klagten vier Mitglieder des Landesvorstands der Jungen Union, darunter der jetzige