Protocol of the Session on March 7, 2019

Denn bei der Finanzierung muss sich grundsätzlich etwas ändern. Wenn man sich aktuelle Bescheide von Pflegeheimen anschaut - einige liegen mir vor -, dann sind die Begründungen in Teilen fragwürdig. Hinzu kommen Umfang und Formulierung: acht Seiten mit Zeichnungen, Tabellen, Zahlen, Paragrafen und Textbausteinen in kleiner Schriftgröße - so viel zum Thema bürgerfreundliche Sprache.

Oft werden Preissteigerungen in allen Bereichen als Begründung genannt, zum Teil aber werden steigende Lohnkosten als Begründung angegeben, und genau das geht nicht; denn die SPD hat in die Pflegestärkungsgesetze hineinverhandelt, dass Tarifanpassungen bei den Pflegesatzverhandlungen erstmalig wirtschaftlich anerkannt werden. Da kann und will ich die Kassen nicht aus der Pflicht lassen. Den Pflegeberuf zu stärken, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Auch die Kassen gehören zu der Gesellschaft.

(Beifall SPD)

(Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber)

Wenn ich bedenke, dass wir weiterhin ein Lohngefälle von 800 € bei gleicher Qualifikation bei gleicher Tätigkeit im Land haben, dann kann ich nur wiederholen, dass ein allgemein verbindlicher Tarifvertrag, der auch Schichtdienste und Feiertagszulagen einheitlich berücksichtigt, dringend erforderlich ist.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hält eine Nachbesserung der Pflegekostensysteme für nicht notwendig, so hat er sich gerade noch letzte Woche geäußert. Wir hingegen sehen hier einen dringenden Handlungsbedarf. Deshalb fordern wir eine Deckelung des Eigenanteils für die stationäre und ambulante Pflege. Ob die 1.000 €, die Herr Garg vorschlägt

(Zuruf Minister Dr. Heiner Garg)

- das stand so in der Zeitung -, gerecht sind, bezweifle ich. Ziel unserer Reformpolitik ist, dass das Pflegerisiko zukünftig genauso abgesichert wird wie die Leistungen aus der Krankenversicherung. Pflegeleistungen müssen sich am Bedarf der Menschen orientieren und nicht an ihrem Geldbeutel.

(Beifall SPD)

Man käme ja auch nicht auf die Idee, nach einer Operation den Bauch einfach aufzulassen, weil das Budget aufgebraucht ist. Natürlich ist es eine Frage der Finanzierung. Die Bundesratsinitiative sieht einen steuerfinanzierten Zuschuss vor. Auch eine solidarische Bürgerversicherung, in die von jedem Einkommen eingezahlt wird, wäre eine gute Alternative.

(Zuruf Dennys Bornhöft [FDP])

Pflege ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der sich jeder beteiligen muss, weil jeder betroffen sein kann.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Flem- ming Meyer [SSW])

Wir brauchen eine einheitliche Definition der Kosten, die in der Pflege entstehen, und diese müssen von der Pflegeversicherung vollumfänglich übernommen werden. Die Begriffe Teil- und Vollkaskoversicherung verbinde ich mit Autos. Im Zusammenhang mit Pflegeleistungen am Menschen finde ich sie vollkommen unpassend. Kosten für Wohnen und Ernährung sind Privatkosten, aber auf Pflegeleistungen muss der Mensch sich verlassen können.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Selbstverständlich begrüßen und unterstützen wir Sozialdemokraten die Petition der AWO, die in der vergangenen Woche an den Start gegangen ist und genau dieses Ziel auch teilt. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und Flemming Meyer [SSW])

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher! Mit den Pflegestärkungsgesetzen I bis III haben wir es geschafft, die Situation von Menschen, die pflegebedürftig und krank sind, deutlich zu verbessern. Wir haben das Pflegegeld, aber auch die Besserstellung von Menschen mit Demenzerkrankungen dadurch erreicht. Das wird aufgenommen in die Pflegeversicherung. Wir alle setzen uns durch die laufenden Verbesserungen in der Pflege auch dafür ein, mehr Pflege und mehr Pflegefachkräfte einzustellen und deren Bezahlung und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das ist auch dringend notwendig, weil es zurzeit immer noch eine deutliche Lohndifferenz zwischen Fachkräften in der Pflege und Fachkräften in der Altenpflege gibt. Diese Lohndifferenz liegt nach meiner Kenntnis im Schnitt bei 600 €, sie kann vielleicht auch einmal 800 € betragen. Darüber sollten wir uns nicht streiten. Es ist sehr viel Geld, und diese Lücke müssen wir überwinden, um auch weiterhin Fachkräfte für den Bereich der stationären Altenpflege zu finden.

Wir wollen auch die Personalausstattung bundesweit besser an den tatsächlichen Bedarf anpassen. Das steht auch so in der Bundesratsinitiative. Hilfreich ist hierbei, dass der Bund bereits die Entwicklung und Erprobung eines einheitlichen Personalbemessungssystems in Auftrag gegeben hat. Das ist gut. Auf die Auswertung und Ergebnisse warten wir, sie kommen im kommenden Jahr. Wir sind ganz gespannt, welche Folgerungen wir dann daraus schließen können.

Ein weiterer und ganz besonders wichtiger Punkt ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflegefachkräfte im stationären und auch im ambulanten Bereich. Selbstverständlich gehört dazu auch eine faire Bezahlung. Aktuell machen die Auswirkungen gesetzlicher Regelungen in diesem Bereich von sich reden. Die Kosten für die Pflege sind seit Beginn des Jahres monatlich gestiegen. In den Zeitungen war von bis zu 300 € monatlich zu lesen.

(Birte Pauls)

Das ist eine andere Summe, als Frau Pauls sie genannt hat. Ich habe bei Pflegeheimen angerufen. Die Kostensteigerung liegt ungefähr bei 300 €, manchmal liegt sie auch ein bisschen darunter. Das ist aber viel zu viel. Diese Mehrkosten für die Pflegebedürftigen beziehungsweise ihre Angehörigen, an die die Kosten weitergereicht werden, sind kaum zu tragen. Die Grenze der Zumutbarkeit ist hier überschritten.

Exakt hier setzen wir mit unserer Bundesratsinitiative an. Wir wollen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen entlasten. Wie wollen wir das tun? - Wir haben vor, die Pflegeversicherung etwas umzugestalten, was auch wichtig ist, um damit eine Entlastung herbeizuführen. Künftig sollen die Kosten für die medizinische Behandlungspflege im stationären Bereich ebenfalls von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, um somit die frei werdenden Mittel der Pflegeversicherung zur Begrenzung der weiteren Pflegekosten zu verwenden. Man muss wissen, dass das im ambulanten Bereich schon immer so war und dass hier eine Gleichbehandlung in der Behandlungspflege geboten ist, egal wo gepflegt wird, ob ambulant oder stationär.

Wir haben auch das Ziel, das bestehende System der Pflegeversicherung dahin gehend zu ändern, dass der zu zahlende Eigenanteil der Pflegebedürftigen an den notwendigen Pflegeleistungen mit einer Obergrenze versehen wird, sodass die Pflegeversicherung die darüber hinausgehenden Kosten trägt.

Um das alles zu finanzieren, bedarf es zudem eines Zuschusses aus dem Bundeshaushalt an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung. Dieser Bundeszuschuss soll ebenfalls mit einer Dynamisierung versehen werden, damit wir hier nicht dauernd nacharbeiten müssen. Unsere aktuelle Pflegeversicherung entspricht heute noch nicht einmal einer Teilkaskoversicherung, auch wenn Frau Pauls diesen Begriff vielleicht nicht so gern hört. Wir haben aber das Ziel, dies mit diesem Antrag zu erreichen. Wir wollen verhindern, dass Menschen nach einem erfüllten Leben ohne Sozialhilfebezug im Alter in die Sozialhilfe fallen. Das wollen wir mit unserem Antrag und dieser Initiative verhindern, die ich sehr lobe.

Frau Pauls hat gesagt, die Bundesratsinitiative komme von der SPD. Ich glaube, der Minister kann uns besser erklären, wer diese Initiative wirklich ins Leben gerufen hat. - Danke schön.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Politik beschäftigt sich manchmal ein bisschen zu viel mit Copyright, und es gibt auch ziemlich viel Copy-and-paste. Das soll aber nicht mein Thema sein. Ich würde mich gern mit Ihnen darauf konzentrieren, was wir hier auf den Weg bringen wollen, und am Ende der Debatte würde ich mich riesig freuen, wenn wir es schaffen, im Schleswig-Holsteinischen Landtag vielleicht doch noch einen einstimmigen Beschluss hinzubekommen. Ich glaube, wir wären damit auf einem guten Weg.

Es ist so, dass die Pflege ein Schwerpunktthema der Jamaika-Koalition ist, und das ist aus gutem Grund so. Darüber freue ich mich sehr, denn der Handlungsbedarf ist riesig. Es brennt beim Thema Pflege an allen Ecken; in den Krankenhäusern, in den Pflegeheimen und in der ambulanten Pflege. Die Pflege ist inzwischen selbst zum Pflegefall geworden. Deswegen ist es wichtig, und deswegen ist es richtig, dass wir hier so viele Debatten dazu führen.

Ich nenne Ihnen gern einmal die Zahlen: Über 109.000 Menschen erhalten in Schleswig-Holstein Leistungen zur Pflege. In vollstationären Pflegeeinrichtungen haben wir 35.000 Personen. Ein Drittel der Menschen sind in diesen Einrichtungen, zwei Drittel werden zu Hause ambulant gepflegt. Wir haben also einen riesigen Auftrag, hier in diesem Landtag für gute Bedingungen zu sorgen; für die Pflegebedürftigen, aber auch für gute Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist ganz klar: Wenn es so ist, dass Pflegekosten steigen und dieser Weg für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen in die Armut führt, dann ist der Weg falsch. Dann müssen wir umsteuern, und deswegen freue ich mich, dass wir heute dieser Bundesratsinitiative den Rückenwind des Parlaments geben können und dafür sorgen, dass Pflegebedürftige nicht in der Armut landen, wenn sie mehr Unterstützung brauchen.

Es ist doch gut und richtig, wenn gute Pflegekräfte einen guten Lohn bekommen. Bisher war es allerdings so, dass diese Lohnerhöhungen eins zu eins nur auf die Pflegebedürftigen umgelegt wurden.

(Katja Rathje-Hoffmann)

Das kann doch nicht sein. Es ist doch eine Frage der Solidarität, dass wir hier alle mit im Boot sind. Deswegen finde ich es gut, dass wir hier aktiv werden, und ich finde es auch gut, dass wir einen Deckel einführen; eine Grenze, bis zu der eine Beteiligung überhaupt möglich ist. Das ist sinnvoll, und deswegen finde ich es super, dass unser Sozialminister schon im Dezember auf der ASMK aktiv geworden ist. Es ist richtig, dass wir das machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein anderer Punkt: Das ist für die Krankenversicherungen bisher ganz gut gelaufen, aber es macht doch keinen Sinn, dass für die medizinische Pflege, die Behandlungspflege, die Krankenversicherungen nicht in die Pflicht genommen werden. Das ist der erste Teil unseres Antrags. Auch hierfür werbe ich um Unterstützung. Ich finde es wichtig und richtig, und auch das würde den Pflegebereich etwas entlasten, und es wäre ein gutes Signal, wenn wir das hier beschließen könnten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung der Abgeordneten Pauls?

Nein, ich möchte jetzt lieber keine Zwischenfrage. Wir können das vielleicht mit Dreiminutenbeiträgen klären. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schleswig-Holstein ist der Bundesratsinitiative beigetreten. Das ist mir noch einmal ganz wichtig, denn das baut aufeinander auf. Es gibt ein Gutachten der grünen Bundestagsfraktion, in dem genau diese Probleme aufgezählt werden. Wir müssen handeln, wir werden handeln. Ich freue mich darüber sehr, und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ein Themengebiet, das überwiegend auf Bundesebene geregelt wird, fast jedes

Quartal mit einer Debatte im Landtag behandelt wird, dann spricht das für die Brisanz des Themas. Es spricht für die Brisanz der Finanzierung der Pflege hier in Deutschland. Wir wissen, dass wir derzeit viele offene Arbeitsstellen in der Pflege haben. Wir wissen auch, dass Pflegekräfte besser bezahlt werden müssen. Die Personalkosten, die den Löwenanteil der Pflegeausgaben ausmachen, sollten also noch höher sein, als sie es jetzt sind, für mehr Personal und für mehr besser bezahltes Personal.

Kürzlich wurde bekannt gegeben, dass die Pflegeversicherungen das Jahr 2018 mit einem Defizit von 3,5 Milliarden € abgeschlossen haben, während auf der anderen Seite beispielsweise die gesetzlichen Krankenversicherungen das Jahr 2018 wieder mit einem Milliardenüberschuss schließen konnten. Die Pflegeversicherung, die ebenso umlagefinanziert ist wie die gesetzliche Renten- oder Krankenversicherung, ist keine Versicherung, die alle anfallenden Kosten zu 100 % abdeckt. Deswegen müssen nicht unerhebliche Eigenbeiträge von den Pflegebedürftigen oder ihren Angehörigen geleistet werden. In den letzten Monaten haben sich die Aufwendungen für Pflegebedürftigkeit deutlich erhöht, und sie werden voraussichtlich weiter steigen.

Da die Auszahlungen aus der Pflegeversicherung aber nicht ebenso steigen, erhöhen sich die Eigenanteile der Bedürftigen, beziehungsweise die Bedürftigen rutschen in den Sozialleistungsbezug hinein. Der Status quo der Pflegeversicherung insbesondere mit den berechtigten Forderungen bezüglich des Personalaufwuchs sind so nicht solide zu halten. Deswegen möchten wir die Pflege mit anderen öffentlichen Mitteln stützen.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Tobias Koch [CDU])

Zum einen möchten wir die Ungleichbehandlung gleicher Tätigkeiten beenden. Medizinische Handgriffe, egal ob sie ambulant oder stationär erfolgen, sollen zukünftig aus der Krankenversicherung bestritten werden, nicht mehr aus der Pflegeversicherung, wie es bisher im stationären Bereich der Fall ist. Das ist eine Ungleichbehandlung gleicher Tätigkeiten. Das funktioniert so nicht.