Eine effektive Kontrolle ist also besonders wichtig. Wie diese durchzusetzen ist, ist aktuell die große Frage. Vor diesem Hintergrund erscheint mir der vorliegende Antrag etwas aus der Zeit gefallen; zumindest die ersten Absätze. Das Prinzip der Netzneutralität ist ja überhaupt nicht umstritten. Der Landtag muss sich nicht dazu bekennen, weil er das schon getan hat. Wir haben dieses Prinzip in vorherigen Debatten bekräftigt. Immer mal wieder. Ein Blick in die Protokolle der Landtagssitzungen zeigt das. Wir müssen nicht über einen diskriminierungsfreien Zugang zu Netzangeboten für alle streiten. Die Netzneutralität ist Konsens. So gesehen gibt der Antrag nur noch einmal einen schönen Anlass für viele Reden, die alle schon mal gehalten worden sind. Mehrmals. Sonntagsreden ohne Belang.
Strittig ist dagegen die Frage, wie die Einhaltung der Netzneutralität zu gewährleisten ist. Es geht darum, wie die „Netzneutralität gesetzgeberisch wirksam durchgesetzt“ werden soll, um einmal aus dem Antrag zu zitieren; genauer gesagt, aus dem vorletzten Absatz.
Erst am Ende des Antrags geht es nämlich um wirksame Sanktionsinstrumente. Die Zwangsgelder sind bislang lächerlich gering. Ein Zwangsgeld von 200.000 € bezahlt die Telekom aus der Portokasse.
Auch eine halbe Million schmerzt nicht so sehr, als dass der Konzern einen Rechtsbruch nicht zumindest versucht. Wer die allgegenwärtige Werbung der Telekom für StreamOn kennt, kann sich wohl ausrechnen, was das kostet, tagesdeckend auf allen Sendern zu werben. Das kostet sicherlich Millionen. Ein Zwangsgeld ist da schon eingepreist. Der Konzern lotet frech aus, wie weit er gehen kann und wie lange er die Verletzung der Netzneutralität unbemerkt betreiben kann.
Dass er das kann, liegt an schwachen Sanktionen. Die Bundesnetzagentur ist in Sachen Durchsetzung der Netzneutralität ein zahnloser Tiger. Die Aktivisten von Netzpolitik.org bescheinigen der Bundesnetzagentur nur begrenzte Möglichkeiten, sich wirksam gegen die Netzbetreiber durchzusetzen. Die EU-Verordnung sieht zwar ausdrücklich wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vor, doch die Mitgliedsländer zögern und zaudern. Sie knicken vor den Konzernen ein. Deutschland könnte ganz anders vorgehen, tut es aber nicht. Dabei wäre es durchaus möglich, Sanktionen gemäß dem Jahresumsatz zu verhängen. Man müsste es bloß gesetzgeberisch in Berlin festlegen. Das würde zeigen, dass die Kontrolle ernst genommen wird. Aber genau daran hapert es. Höhere Zwangsgelder werden in der Bundesregierung nicht einmal diskutiert.
Die Folge: die Konzerne verletzen dauernd und unverhohlen die Netzneutralität. Beispiel Vodafone mit seinem Angebot Vodafone Pass. Verbraucherschützer kritisieren, dass die Nutzung des Vodafone Passes auf das Handy beschränkt wird. Wer auf Laptop oder Tablet über einen Hotspot surfen möchte, kann das nicht. Freie Endgerätewahl? Fehlanzeige! Ein klarer Verstoß gegen europäisches Recht. Bleibt aber ungestraft.
Ein solches Konzernverhalten lässt erahnen, wie konzernfreundlich der neue 5G-Standard in Deutschland umgesetzt werden wird. Schaut man sich an, wie lasch der deutsche Telekommunikationsmarkt derzeitig reguliert wird, erahnt man, was uns da ins Haus steht. Wo andere Länder eine Flächendeckung vorschreiben, wird das wohl in Deutschland ein Wunschtraum bleiben, dass also die Anbieter Nutzer konkurrierender Anbieter über ihre Antennen leiten. Die Datenlöcher auf dem Land werden damit zementiert, allen Bekundungen der Bundesregierung zum Trotz. Es ist vor diesem Hintergrund wichtig, den Verbraucherschutz auf dem Telekommunikationsmarkt zu stärken und endlich den Kampf mit den Konzernen aufzunehmen. Dazu sind wirkungsvolle Sanktionen angezeigt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Netzneutralität bezeichnet die Gleichbehandlung von Daten bei der Übertragung im Internet und den diskriminierungsfreien Zugang bei der Nutzung von Datennetzen. Netzneutrale Internetdienstanbieter behandeln alle Datenpakete bei der Übertragung gleich, unabhängig von Sender und Empfänger, dem Inhalt der Pakete und der Anwendung, die diese Pakete generiert hat.
Was politisch nach digitalem Sozialismus klingt, ist es beinahe auch, aber ich muss Sie, werte Genossen der SPD, enttäuschen. Es geht um schnöde Marktmacht und Verbraucherrechte.
Große Internetdienstleister entwickeln Technologien dergestalt, dass es ermöglicht wird, den Datenaustausch so zu formen, dass Datenmenge und Transferraten die eigene Marktposition stärken. So werden zum Beispiel einige - meist eigene - Messengerdienste bevorzugt, während fremde Dienste verlangsamt oder ganz geblockt werden. Der Kunde wird so dazu bewegt, sich an den großen Anbieter zu binden, während kleinere gemieden werden.
Prominentes Beispiel war T-Mobile, das seinerzeit eine Ausführung des Messengerdienstes Skype auf dem iPhone verhinderte. Die Deutsche Telekom etwa bietet beim neuen Tarif StreamOn Dienste wie Snapchat oder WhatsApp an, ohne das vertragliche Datenvolumen angekratzt werden müssen.
Die so beeinträchtigten Regeln einer EU-Netzneutralität sind das Ergebnis einer Verhandlung zwischen EU und der Industrie, als es um den Wegfall der Roaming-Gebühren ging. Nun, es ist eher ein offenes und vor allem bekanntermaßen offenes Schlupfloch im EU-Regelwerk als die Verletzung dieser Regeln.
Verbesserte Regelungen zur Netzneutralität und damit eine echte Netzneutralität, hätten im sogenannten EU-Parlament im Oktober 2015 beschlossen werden können. Entsprechende wirksame Änderungsanträge lagen nämlich vor, sie wurden aber mehrheitlich abgelehnt, übrigens mit den Stimmen der CDU/CSU und gegen die Stimmen der AfD!
Was für den Kunden nun zunächst verlockend erscheint, macht den Mobilfunk am Ende für alle teurer. Die Zero-Rating-Angebote wurden untersucht, und man stellte fest, dass Zero-Rating-Produkte mit der allgemeinen Preisentwicklung mobiler Datenvolumina in EU-Ländern zusammenhängen.
mission ergaben, dass Mobilfunkpreise zwischen 2015 und 2016 um insgesamt 2 % anstiegen, wenn in den Jahren zuvor Zero-Rating-Angebote auf dem Markt waren. Ohne Zero-Rating-Angebote sanken die Preise im gleichen Zeitraum um ganze 8 %.
„Die Existenz oder die Einführung von ZeroRating-Angeboten ist verknüpft mit Märkten, die für Verbraucher nachteilige Preisentwicklungen zeigen“,
Eine Pseudo-Netzneutralität nach dem Gusto der EU hat also Zero-Rating-Angeboten Tür und Tor geöffnet, und damit Nachteile für den Verbraucher hineingelassen.
Wenig verwunderlich ist es daher, dass es vor allem US-Unternehmen sind, die als große Internetdienstleister von dieser Lobbypolitik profitieren. Von 20 Zero-Rating-Anbietern stammen ganze drei aus Europa, den Rest des Marktes bestimmen die US-Riesen. Zero-Rating-Angebote führten zu Markteintrittshürden zwischen EU-Ländern, und sie untergraben das erklärte Ziel der EU-Kommission, einen nahtlosen digitalen EU-Binnenmarkt sowie eine starke, europäische Digitalindustrie zu schaffen.
Wie wenig die EU dann tatsächlich funktioniert, lässt sich an der Umsetzung in eben diesem EUBinnenmarkt erkennen. Regulierungsbehörden auf nationaler Ebene der EU-Länder handeln höchst unterschiedlich, wenn es um Verstöße gegen die Netzneutralität geht. Österreich zum Beispiel stellt bei Kontrolle und Rechtsdurchsetzung den Klassenprimus. Die dortige Telekom Control Kommission hat Ende 2017 bei Free-Stream-Angeboten eine Reduzierung der Bandbreiten verboten. Auch die Bevorzugung eines TV-Streaming-Angebotes des Senders A1 wurde untersagt. Kernig und konsequent.
Anders hierzulande: Seit Herbst 2017 wird die Telekom von der bundesdeutschen Regulierungsbehörde aufgefordert, ihr StreamOn-Angebot rechtskonform zu gestalten. Einschlägige Verfügungen und Gerichtsurteile sind erfolgt. Umgesetzt wird davon nichts. Zahnlos und quälend langsam.
Die EU funktioniert nicht, zumindest nicht für die Bürger der EU-Länder. Der jamaikanische Antrag wird daran nichts ändern, aber die Idee dahinter tragen wir mit. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bedanke mich für diesen Antrag, denn er erlaubt mir, auf einen Eckpfeiler der Digitalisierungspolitik der Landesregierung hinweisen zu können.
Die Jamaika-Koalition steht für die Bewahrung der Netzneutralität als zentralem Ausdruck für die demokratische und wirtschaftliche Chancengleichheit im Netz. Die Koalition bekennt sich damit klar zur gleichberechtigten Behandlung der Übertragung von Inhalten und einem diskriminierungsfreien Zugang von Unternehmungen zum Internet. Die Netzneutralität ist Teil des Ordnungsrahmens des Internet. Diesen gilt es auch gesetzgeberisch zu schützen.
Die EU hat mit der Verordnung über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet bereits vor drei Jahren einen Regulierungsrahmen gesetzt. Durch die Verordnung sollen der gleichberechtigte und ungehinderte Zugang zum Internet und die diskriminierungsfreie Übertragung von Daten im Internet gesichert werden. Wir sind daher in Europa bereits gut aufgestellt.
Ich sage Ihnen aber auch, dass in Zeiten rasant anwachsender Datenmengen die Wahrung dieses Prinzips nicht trivial ist. Es ist der Landesregierung durchaus bewusst, dass derzeit gültige Prinzipien bei der Datenübertragung zukünftig wahrscheinlich nicht mehr ausreichen werden, die kontinuierlich steigenden Anforderungen an Bandbreiten und begrenzten Übertragungskapazitäten aneinander anzupassen.
Wir sehen uns aber auch mit einer vermehrten Nutzung des Internets für sicherheitsrelevante Dienste oder bei der Steuerung sicherheitsrelevanter Anlagen konfrontiert. Klar ist, dass wir für Notrufe und sonstige kritische Kommunikation eine Lösung finden müssen. Derartige Anwendungen brauchen eine prioritäre Behandlung. Sie stehen aber außerhalb der hier diskutierten Infrastruktur. Es ist deshalb ein Fehler, die Diskussion um solche speziellen Dienste mit der Netzneutralität auf dem allgemeinen Internetzugang zu verknüpfen. Spezielle Dienste brauchen spezielle Angebote zusätzlich zum allgemeinen, neutralen und fairen Zugang zum Internet.
Wir befinden uns zurzeit an einem Punkt, an dem Löcher der EU-Regeln zur Netzneutralität deutlich werden. Mit dem sogenannten Zero-Rating werden Anbieter bestimmter Diensten wie beispielsweise Musikstreamingdienste dadurch bevorzugt, dass die
Nutzung dieser Angebote nicht auf die monatlich zur Verfügung stehenden Datenmenge angerechnet wird. Dies könnte zu Markteintrittshürden neuer Dienstanbieter führen.
Kritisch sehe ich auch, dass Dienstanbieter kostenfreie Angebote mit eingeschränktem Zugriff auf einzelne, ausgewählte Dienste zusammenstellen. Diese auch unter dem Namen Free Basics geführten, inhaltlich gefilterten Zugänge zu den Informationen des Internets dürfen nicht zu einer Einschränkung der Medienvielfalt führen. Netzneutralität darf nicht nur innerhalb des Internets gelten. Auch der Zugang zum Internet muss neutral und diskriminierungsfrei ausgestaltet werden. Es darf letztlich nicht vom Geldbeutel der Nutzerinnen und Nutzer abhängen, welche Inhalte sie zu sehen bekommen.
Es bedarf hier also kluger und zukunftsfähiger Lösungen. Diese Lösungen müssen die Innovationsfähigkeit der Unternehmen gewährleisten. Gleichzei
tig muss der freie Zugang zum Telekommunikationsmarkt für neue Markteilnehmerinnen und Teilnehmer, vor allem für kleine und mittelständige Unternehmen gesichert sein. Nur so können mittelfristig der gleichberechtigte Zugang zum Internet und die diskriminierungsfreie Datenübertragung im Internet gesichert werden. Und nur so kann die Bedeutung des Internets für die Grundrechte der freien Information und der Meinungsäußerungsfreiheit als Grundlage der öffentlichen Meinungsbildung in unserer Demokratie bewahrt werden.
Ich möchte, dass Nutzerinnen und Nutzer in Schleswig-Holstein auch in Zukunft einen gleichberechtigten und freien Zugang zu einer der wichtigsten Kommunikationsinfrastruktur haben, denn nur so kann die Teilhabe aller an der digitalen Gesellschaft und Wirtschaft gelingen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.