Protocol of the Session on February 14, 2019

weil wir das ja alles schon einmal diskutiert haben. Damit zeigt sich, dass die AfD ihre Kernkompetenz darin hat, sinnfreie Anträge zu stellen.

(Beifall CDU, SPD und FDP)

Viertens. Damit wir nicht nur die Zeit mit AfD-Anträgen verschwenden, möchte ich einen Gedanken einführen.

Aufgrund der verschiedenen Koalitionen, die es in den Bundesländern gibt, und aufgrund der allgemein üblichen Absprache zur Stimmenthaltung bei strittigen Punkten ergibt sich im Bundesrat relativ leicht eine Blockademöglichkeit. Das liegt daran, dass die Stimmen des Landes nur einheitlich abgegeben werden können. Faktisch wirken also Enthaltungen als Neinstimmen. Dies könnte meines Erachtens geändert werden, indem man diese Enthaltungen hälftig als Jastimmen und hälftig als Neinstimmen wertete. Das würde die Mehrheitsbildung erleichtern, und es würde die Bundesländer zwingen, sich noch konstruktiver auf Bundesebene einzubringen.

Dazu bedürfte es einer Grundgesetzänderung, aber es könnte eine Möglichkeit sein, die Trägheit unseres - dem Grundsatz nach ja wertvollen und wichtigen - Föderalismus zu beheben. Da sich unser Ministerpräsident auch schon Gedanken über die Funktion des Bundesrats gemacht hat, fällt diese Anregung bei ihm vielleicht auf fruchtbaren Boden.

Fünftens. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Heiterkeit und Beifall CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktionen in Schleswig-Holstein - die Betonung liegt auf Schleswig-Holstein - sind gegen die Einstufung von Georgien und der sogenannten Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer. Das Recht auf Asyl ist ein individuelles Recht. Mit der Einstufung als sichere Herkunftsländer wird dieses Recht weiter ausgehöhlt. Das wollen wir nicht.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Debatte um sichere Herkunftsländer ist auch eine Scheindebatte. Machen wir doch einmal den ach

(Claus Christian Claussen)

so berühmten Faktencheck, insbesondere was die Flüchtlingspolitik, wiederum hier in SchleswigHolstein, angeht.

Interessant ist, dass die AfD-Fraktion hier nur Bundeszahlen präsentiert hat und nicht auf SchleswigHolstein eingegangen ist. In Schleswig-Holstein ist die Zahl der Anträge so minimal, dass Sie wahrscheinlich den Eindruck haben, dass sich das überhaupt nicht lohnt.

(Claus Schaffer [AfD]: Wenn es so wenige sind, dann stimmen Sie doch zu!)

- Deswegen ist es eine Scheindebatte. Sie tun so, als lösten Sie ein Problem, das in Schleswig-Holstein faktisch überhaupt kein Problem ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf AfD)

- Und jetzt noch einmal in Ruhe, die Herrschaften!

(Claus Schaffer [AfD]: Wir setzen die Bun- desdebatte fort! Schließen Sie sich dem doch einfach an!)

- Sie setzen die Bundesdebatte fort. Ich schließe mich dem nicht an. Alle kennen mittlerweile den Namen Serpil Midyatli sehr gut, vor allem die Bundes-SPD; es ist nicht das erste Mal, dass aus Schleswig-Holstein ein deutliches Nein zu bestimmten Vorhaben auf Bundesebene kommt.

(Beifall SPD und Eka von Kalben [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Dafür werden wir uns auch weiterhin einsetzen. Viele in der Flüchtlingspolitik auf Bundesebene erreichte progressive Dinge sind aus Schleswig-Holstein gekommen und, wenn ich das sagen darf, mit breiter Zustimmung des demokratischen Plenums hier erfolgt.

(Jörg Nobis [AfD]: Schlimm genug!)

Ich erinnere nur an die Härtefallkommission. Das ist etwas, was wir hier in Schleswig-Holstein erfunden haben.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

So viel zur Geschichte und dazu, wie wir hier denken.

Kommen wir noch einmal zum Faktencheck und zu dem, was Sie nicht so gern hören wollen. Nur 2 % derjenigen, die in Schleswig-Holstein einen Asylantrag gestellt haben, kommen aus den sogenannten Maghreb-Staaten. Menschen, die aus Georgien stammen und hier einen Asylantrag gestellt haben,

kommen in dem Bericht noch nicht einmal vor, weil ihre Zahl wahrscheinlich zu gering gewesen ist. Daher sind die Überlastung der Behörden und die Überlastung des BAMF ein Gerede, das für Schleswig-Holstein nicht zutrifft. Wir entscheiden für uns, für Schleswig-Holstein. Wenn wir hier kein Problem sehen, dann müssen wir auch nicht zustimmen.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, auf eines möchte ich noch einmal hinweisen, auf das wir hier schon sehr oft hingewiesen haben. Insbesondere auch mein Kollege Rasmus Andresen hat dies getan. Gerade für queere Menschen, die aus den sogenannten Maghreb-Staaten kommen, ist die Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsländer schwierig. Damit kommt es zu schnelleren Verfahren. Das haben Sie selbst gesagt. Sie behaupten zwar, das individuelle Recht bleibe bestehen, aber es ist für diese Menschen viel schwieriger, aus diesen Schnellverfahren zu ihrem individuellen Recht zu kommen. Teilweise werden scheinheilige Vorbehalte vorgetragen. Es wird gesagt, man müsse erst einmal beweisen, welche sexuelle Orientierung man habe. Diese Berichte von HAKI kennen wir alle nur zu gut.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Menschenrecht auf Asyl darf nicht ausgehöhlt werden.

Wir als schleswig-holsteinische SPD bleiben bei unserer Meinung, dass wir dieses hier ablehnen.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

- Danke schön. Ich habe noch ein bisschen Zeit. Weil Sie, Herr Claussen, auf Ihr Werkstattgespräch zum Thema Migration eingegangen sind: Es ist wirklich erstaunlich - ich habe es mir selbstverständlich angeschaut, um zu sehen, was uns auf Bundesebene erwartet -, Sie haben über Migration ein Werkstattgespräch durchgeführt und sich tatsächlich nur über Abschottung, Ausgrenzung und Abschiebung unterhalten. Wenn das Ihr Plan für Migration für Deutschland ist, finde ich das wirklich sehr traurig und sehr arm. Vielleicht haben Sie über noch mehr Aspekte geredet, aber es noch nicht veröffentlicht. Gerade hier aus Schleswig-Holstein hört man immer wieder - auch von Ihrem Ministerpräsidenten -, man möchte sich auch zum Beispiel für den Spurwechsel einsetzen. Ist das vielleicht Thema in Ihrem Werkstattgespräch gewesen?

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Mich würde das tatsächlich interessieren. Mich würde auch interessieren, ob Sie die BAMF-Kurse jetzt endlich für die Afghaninnen und Afghanen

(Serpil Midyatli)

öffnen. Das wären zum Beispiel auch Dinge gewesen, die wir hier in Schleswig-Holstein sehr gern von Ihnen gehört hätten. Aber wir lassen uns da natürlich sehr gern überraschen.

Mich bedrückt - ehrlich gesagt - eine ganz andere Zahl aus dem Bericht des Innenministers, und zwar stellen wir fest, dass immer noch die allermeisten Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan kommen, aber die Zahl der Jemenitinnen und Jemeniten steigt. Das bedeutet - wenn wir uns wirklich ernsthaft über Migrationspolitik unterhalten wollen und ernsthaft das bearbeiten, was wir 2015 in Schleswig-Holstein und Deutschland insgesamt erlebt haben -: Gerade jetzt braucht Jordanien unbedingt Hilfe, denn dort sind wieder Mittel gekürzt worden, insbesondere was Lebensmittel und die Gesundheitsversorgung angeht. Wir sind zwar hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag, aber wir können im Bund, gerade auch bei unseren Koalitionspartnern, auf dieses Thema aufmerksam machen. Das wäre zum Beispiel ein Beitrag gewesen, den ich sehr gern von der Bundes-CDU gehört hätte, wie sie denn gedenkt, damit umzugehen, um hier wirklich Lösungen anzubieten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Aminata Touré das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Wir Grüne sind gegen die Einstufung der MaghrebStaaten und Georgien als sichere Herkunftsstaaten. Das ist keine Überraschung, und das haben wir auch im Koalitionsvertrag so festgeschrieben. Deshalb sage ich zu Anfang auch ganz deutlich, dass es ein Abrücken von dieser Position nicht geben wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bereits 2016 wollte die Bundesregierung Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten einstufen. Das Vorhaben scheiterte damals aus guten Gründen. Jetzt wurde der Versuch erneut in Angriff genommen, auch wenn sich an den Argumenten, die 2017 die Ablehnung begründeten, bis heute rein gar nichts geändert hat. Da die Debatte mittlerweile ermüdend ist,

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

muss ich die Punkte nicht alle erneut aufführen. Fakt ist aber, dass das Bundesverfassungsgericht die Kriterien festlegt, wann ein Herkunftsland als sicher einzustufen ist und hier ganz klar formuliert: In den Ländern muss landesweit Sicherheit vor politischer Verfolgung gewährleistet sein, und zwar für alle Personen und alle Bevölkerungsgruppen. Das ist, wie wir wissen, nicht der Fall. Die Voraussetzungen für die Einstufung von Marokko, Tunesien, Algerien und Georgien als sichere Herkunftsstaaten liegen nach verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben schlichtweg nicht vor.

In den Maghreb-Staaten werden Minderheiten, Frauen, Oppositionelle, kritische Journalistinnen und Journalisten, Religionsgemeinschaften und ethnische Minderheiten verfolgt. Das wissen wir, das können wir nicht abstreiten.

Sämtliche Menschenrechtsorganisationen, aber auch der Deutsche Anwaltsverein weisen immer wieder darauf hin, dass Homosexuelle mit hohen Gefängnisstrafen bedroht werden. In den letzten Jahren sind die Verurteilungen aufgrund von Homosexualität in Tunesien von 56 im Jahr 2016 auf 97 im Jahr 2017 und 127 im letzten Jahr gestiegen. Diese Männer werden nach Artikel 230 des tunesischen Strafgesetzbuches wegen Sodomie oder wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral mit bis zu drei Jahren Haft belangt. Human Rights Watch weist darüber hinaus auch schon lange auf die Praxis von Untersuchungen hin, die oft mit Folter zu vergleichen sind. Das können wir doch schlicht nicht hinnehmen. Wie können wir nicht von einer staatlichen Verfolgung von Lesben und Schwulen sprechen, wenn ein Mann, der in Tunesien eine Vergewaltigung zur Anzeige bringt, wegen angeblicher Homosexualität verurteilt wird, so wie es gerade Anfang dieser Woche in einer südtunesischen Stadt passiert ist? - Genau dann, wenn wir von immer mehr solcher Fälle hören, genau dann, wenn die Verurteilungszahlen wegen Homosexualität kontinuierlich ansteigen, sprechen wir erneut über die Einstufung Tunesiens als sicheres Herkunftsland. Wie das zusammenpasst, darauf komme ich gleich noch einmal zurück.

Aber erst einmal frage ich mich, was das alles beispielsweise für einen Mann bedeutet, der in Tunesien vergewaltigt und zu mehreren Monaten Haft verurteilt wurde, der infolgedessen nach Deutschland geflohen ist und einen Asylantrag gestellt hat. Das bedeutet, dass dieser Mann dann ein verkürztes Asylverfahren durchlaufen würde. Ein verkürztes Asylverfahren bedeutet dann ganz konkret eine Verkürzung der Rechtsmittelfristen. Die Betroffenen

(Serpil Midyatli)

haben dann nur noch eine Woche Zeit, um gegen die Ablehnung ihres Antrags zu klagen. Das ist der entscheidende Punkt. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was ein Mensch durchmacht, der aus den oben geschilderten Gründen nach Deutschland gekommen ist.

Wir Grüne wollen auch Rechtssicherheit. Wir wollen faire Verfahren und einen effektiven Rechtsschutz für alle Menschen, die in der Hoffnung auf Sicherheit nach Deutschland - zu uns - gekommen sind. Für schnellere Rückführungen sind aber Abkommen mit den Heimatländern die entscheidende Voraussetzung. Eine Einstufung als sichereres Herkunftsland bedeutet noch lange nicht, dass die entsprechenden Länder die Menschen zurücknehmen werden.