Auch bei dem Bericht zu den einzelnen Tätigkeitsfeldern oder Rechtsgebieten möchte ich auf einige ausgewählte Problemfelder eingehen. Gut ist nach unserer Auffassung der Hinweis, dass Betroffene bei dem Bezug einer Erwerbsminderungsrente selbst bei bescheidenen Wohnkosten finanziell oft noch immer nicht hinreichend abgesichert sind.
Richtig ist auch der Hinweis, dass durch das Gesetz zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine Besserstellung erreicht worden ist und das System der gesetzlichen Rente insgesamt gestärkt werden sollte.
Dem Vorschlag, um die gesetzliche Rente als wichtigste Säule der Altersvorsorge zu unterstützen, die beitrags- und steuerfreie Entgeltumwandlung in der betrieblichen Altersversorgung abzuschaffen, können wir vonseiten der AfD-Fraktion jedoch nicht folgen. Richtig ist zwar, dass durch die bisherige Regelung der gesetzlichen Rentenversicherung Einnahmen entzogen werden. Wenn wir die Beitragsund Steuerfreiheit der Entgeltumwandlung in der betrieblichen Altersversorgung abschaffen, dann machen wir die Attraktivität dieser Säule der Altersversorgung aber zunichte. Auch kommen dann gerade die Vorteile des Betriebsrentenstärkungsgesetzes nicht mehr zum Tragen. Hier sind explizit der 15-prozentige Zuschuss des Arbeitgebers an den Pensionsfonds und die Direktversicherung zu nennen, wenn der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge spart. Wir dürfen folglich nicht die eine Säule der Altersversorgung schwächen, um die andere Säule zu stärken.
Zum Schluss möchte ich auf ein konkretes Fallbeispiel eingehen. Sie haben sehr anschaulich geschildert, wie Sie und Ihre Mitarbeiter einem schwerbehinderten achtjährigen Jungen die Teilnahme an einer Klassenfahrt nach Föhr ermöglicht haben. Das Beispiel ist auch genannt worden. Die Teilnahme an der Klassenfahrt drohte zu scheitern, weil weder die Krankenkasse noch der Kreis als zuständiger Träger der Eingliederungshilfe die Kosten für eine notwendige Begleitperson übernehmen wollten. Zudem waren der Fachdienst der Eingliederungshilfe und die Krankenkasse hinsichtlich der Klärung ihrer Zuständigkeit heillos zerstritten. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass im Berichtsjahr häufig Probleme bei der Zuständigkeitsklärung zwischen den Fachdiensten der Eingliederungshilfe und den Krankenkassen beobachtet werden.
Hier möchte ich Ihnen als Anregung mit auf den Weg geben, dass wir die Auswirkungen des neuen Bundesteilhabegesetzes beobachten und dahin gehend auswerten sollten. Insbesondere durch das neu eingeführte Teilhabeplanverfahren sollen eben diese Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen verschiedenen Trägern vermieden und so eine Beratung wie aus einer Hand möglich werden.
Frau El Samadoni, ich freue mich schon auf Ihren Tätigkeitsbericht für das Jahr 2018. Ich hoffe, dass wir diesen dann etwas zeitnäher beraten können und die Beratung nicht von September bis heute verschieben müssen. Ich spreche Ihnen auch im Namen der AfD-Fraktion unseren ausdrücklichen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Schon ein Blick auf den aktuellen Bericht der Bürgerbeauftragten macht deutlich, wie wertvoll die Arbeit von Samiah El Samadoni und ihrem Team ist. Während die Probleme rund um das Thema Schulbegleitung zum Beispiel abnehmen, gibt es immer mehr Petitionen zum Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung.
Einiges entwickelt sich durchaus positiv. Gleichzeitig tauchen aber immer wieder neue Probleme auf. Ganz offensichtlich gibt es in unserer Sozialgesetzgebung immer wieder neue Baustellen. Unser kompliziertes Sozialsystem führt insgesamt leider dazu, dass eher mehr als weniger Menschen überfordert sind und Rat suchen. Für den SSW ist damit klar, dass die Anlaufstelle „Bürgerbeauftragte“ heute mindestens genauso dringend gebraucht wird wie bei der Gründung vor 30 Jahren.
Im Berichtszeitraum wurden 3.477 Eingaben an die Beauftragte gerichtet. Das ist eine weitere Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Hier darf man sich nichts vormachen: Hinter dieser Zahl von fast dreieinhalbtausend Beschwerden stehen Menschen, die meist sehr konkrete Probleme haben. Sie suchen Rat, weil sie im Umgang mit der Sozialverwaltung einfach nicht mehr weiterwissen. Oder sie brauchen Hilfe, weil sie aufgrund einer Behinderung benachteiligt oder anderweitig diskriminiert werden. Die Beauftragte sorgt gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür, dass viele dieser Menschen endlich zu ihrem Recht kommen. Das ist für die betroffenen Menschen ein echter Gewinn. Und deshalb möchte ich mich hier im Namen meiner Partei ausdrücklich für diesen Einsatz bedanken.
Natürlich steht dieser direkte Service für die Bürgerinnen und Bürger im Vordergrund. Und doch gibt die Beauftragte auch uns Politikern wertvolle Impulse. Aktuellstes Beispiel ist die Diskussion um eine verständliche und bürgerfreundliche Sprache
in der Verwaltung. Wer am Sinn oder an der Notwendigkeit dieser Idee zweifelt, sollte einfach einmal mit der Beauftragten oder ihrem Team reden. Hier kennt man sehr viele erschreckende Fälle, in denen sich die Verwaltung nicht gerade als Dienstleister für die Menschen sieht, sondern diese eher vor den Kopf stößt. Da ist es aus Sicht des SSW sehr wichtig, dass Frau El Samadoni nicht nur die Probleme klar benennt, sondern auch davor warnt, diese Diskussion auf die Kostenfrage zu reduzieren.
Die vielen Fallbeispiele im Bericht zeigen deutlich, wo der Schuh bei den Menschen drückt. Oft hakt es im Verhältnis zwischen der Arbeitsverwaltung und denjenigen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Das ist eine wirklich zähe Dauerbaustelle, die vor allem in Berlin bearbeitet werden muss.
Ähnlich sieht es zum Beispiel bei der von uns beantragten Neuregelung für den Elternunterhalt bei Pflege aus. Aber die Frage, ob und in welchem Umfang man für seine pflegebedürftigen Eltern zahlen muss, ist und bleibt für sehr viele Betroffene sehr schwierig. Hier wollen wir natürlich weiterhin, dass Menschen mit geringeren Einkommen grundsätzlich befreit werden.
Doch längst nicht alles, was die Beauftragte zusammenträgt, ist bundesgesetzlich zu regeln. Auch das Land könnte den einen oder anderen Fall zum Anlass nehmen, um das Ganze konkret und deutlich bürgerfreundlicher zu gestalten. Ein gutes Beispiel ist das Wunsch- und Wahlrecht bei der Kindertagesstätte. Auf Anregung der Beauftragten haben wir hier eine kleine, aber wichtige Änderung beantragt. Wir wollen, dass wirklich alle Eltern von Kita-Kindern einen Betreuungsplatz finden, wenn sie ihn brauchen. Und wir wollen, dass sie dabei auch ein echtes Wunsch- und Wahlrecht haben. Vor allem in Fällen, in denen sie zur Arbeit pendeln und ihre Kinder am Arbeitsort statt am Wohnort unterbringen müssen, brauchen sie einen klaren Rechtsanspruch. Durch einen kleinen zusätzlichen Nebensatz im Kita-Gesetz hätten wir vielen Eltern unmittelbar und sogar kostenneutral geholfen.
Die Jamaika-Koalition möchte diese Sache aber lieber als Teil des großen Reformpakets regeln, das jedoch frühestens im nächsten Jahr kommt. Es wäre gut, wenn wir dieses Problem dann gelöst bekämen.
Aber aus Sicht der Eltern, die heute vor dem Problem stehen, ist das sehr enttäuschend; denn diese hätten lieber jetzt eine Lösung. Einige von ihnen werden im nächsten Jahr nämlich gar nicht mehr in den Genuss dieser Änderung kommen.
Für die Landesregierung erteile ich das Wort dem Herrn Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Bohn, manche Rituale sind ja auch schön; deswegen schließe ich mich diesem Ritual gern an und sage: Liebe Samiah El Samadoni, auch im Namen der Landesregierung herzlichen Dank für Ihre Arbeit und die Arbeit Ihres Teams, die ja geprägt ist von Kompetenz, Hartnäckigkeit, Durchsetzungsvermögen - und zwar immer im Sinne der Bürgerinnen und Bürger.
Die Bürgerbeauftragte ist Anwältin von Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, und es gehört zu ihren Aufgaben - ich sage das mal ganz plakativ -, der Verwaltung hier und da auch einmal auf die Füße zu treten und auf Missstände hinzuweisen. Dabei bin ich ausgesprochen dankbar für den Hinweis des Vorsitzenden des Sozialausschusses, dass der ganz großen Mehrzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade in den Sozialverwaltungen natürlich auch immer daran gelegen ist, eine Lösung für die Bürgerinnen und Bürger zu finden.
Sie haben sehr plakativ einen Auszug der Gesetzgebung im Sozialgesetzbuch hervorgehoben. Diese Gesetzgebung ist kompliziert, und wahrscheinlich muss und wird sie auch weiterhin kompliziert sein. Auch wenn der Wunsch noch so groß ist, dass Sie und Ihr Team in Zukunft weniger Arbeit haben werden, so ist, glaube ich, dieser Wunsch nicht wirklich erfüllbar, auch bei noch so großen Anstrengungen. Deswegen ist es nicht nur wichtig, Sie jetzt zu haben, sondern Sie als ganz konkrete Ansprechpartnerin - übrigens auch für die Regierung - auch weiterhin im ständigen Austausch zu haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie auch mich Beispiele hervorheben. Denn tatsächlich sind es diese Einzelschicksale, diese Einzelbeispiele, die herausstechen. Diesen Eindruck habe ich jedenfalls gewonnen, als ich den Bericht las. Diese Fälle machen zum Teil betroffen, sie zeigen aber auch, mit wie viel Engagement, mit wie viel Menschenliebe und Empathie Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daran arbeiten, Menschen aus einer für sie schwierigen Situation herauszuhelfen.
Da ist etwa der im Bericht dargestellte Fall einer jungen Frau mit Hörschädigung, der vom zuständigen örtlichen Sozialhilfeträger schlicht die Übernahme von Umzugskosten verweigert wird. Die Begründung lautete, ein Umzug sei aus Sicht des Kreises nicht erforderlich. Meinem Haus wurde dieser Fall durch den örtlichen Sozialhilfeträger im Rahmen der Fachaufsicht in der Grundsicherung zur Prüfung vorgelegt. Dabei wurde dem Kreis verdeutlicht, was der Kreis nach Auffassung der Landesregierung bei Entscheidungen über die Kostenübernahme für einen Umzug insbesondere einzubeziehen hat - nämlich das grundgesetzlich garantierte Recht auf Freizügigkeit nach Artikel 11 des Grundgesetzes. Was den Wunsch nach behindertengerechtem Wohnraum oder einem barrierefreien sozialen Umfeld betrifft, so besteht, glaube ich, voll und ganz Übereinstimmung mit der Landesbeauftragten.
Diese rechtlichen Hinweise wurden durch den Kreis bedauerlicherweise dennoch nicht berücksichtigt. Aus meiner Sicht zeigt dieser Fall, dass Inklusion und die Rechte der UN-Behindertenrechtskonvention in Schleswig-Holstein eben noch nicht überall gelebte Realität sind.
Die Landesregierung richtet die Weiterentwicklung der Politik für Menschen mit Behinderung deshalb zentral an den berechtigten Belangen gerade dieser Bürgerinnen und Bürger aus, und sie erwartet auch von den örtlichen Sozialhilfeträgern in der Einzelfallbearbeitung eine angemessene Würdigung genau dieser Belange. Die Fachebene meines Hauses wird das im Rahmen der fachaufsichtlichen Beratung entsprechend deutlich machen.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass wir die Impulse der Landesbeauftragten auch politisch aufgreifen, ist ein im Bericht dargestellter Fall aus dem Rechtskreis des SGB XII. Es geht dabei darum, in welchem Umfang Kinder für die Pflege ihrer Eltern aufkommen müssen. Verschiedene Abgeordnete haben das bereits angesprochen. Das ist ein Thema, das zunehmend relevant wird und das die Menschen schlicht und ergreifend auch umtreibt; es ist aus meiner Sicht nur ein Argument neben vielen weite
ren dafür, wie dringend ein substanzieller Bundeszuschuss zur Pflegeversicherung wäre. Nach meiner persönlichen Überzeugung ist hier die engagierte Debatte dringend weiterzuführen.
Ein Schritt in die richtige Richtung wäre in der Tat aber eine Neuregelung des § 94 SGB XII dahin gehend, dass bei stationärer Hilfe zur Pflege auf Kinder nur dann Rückgriff genommen werden kann, wenn deren jährliches Gesamteinkommen die schon mehrfach genannte Grenze von 100.000 € übersteigt. Das ist im Koalitionsvertrag des Bundes auch so vereinbart. Allerdings wird sich die Jamaika-Koalition - die im Übrigen auch förmlich damit beauftragt wurde - mit der Einbringung einer geeigneten Bundesratsinitiative entsprechend positionieren.
Der letzte Punkt, auf den ich kurz eingehen möchte - da fasse ich mich kurz - betrifft die von der Bürgerbeauftragten angemahnte Umsetzung - wir sind uns einig, dass es sich in Wahrheit um die Umsetzung geltenden Rechts handelt - des Wunsch- und Wahlrechts von Eltern in der Kita-Versorgung. Das ist ein originäres Problem, das die Landesregierung nicht nur erkannt hat, sondern das die Landesregierung angeht. Ja, lieber Flemming Meyer, ihr wart ja auch mal Bestandteil einer Landesregierung. Um alle Bälle in der Luft zu halten - um nicht zu sagen: um alle Beteiligten am Kita-Prozess in der notwendigen konstruktiven Beratungsatmosphäre zu halten –, ist es die richtige Entscheidung gewesen, das im Rahmen der Reform zu regeln und nicht einem wichtigen Partner so auf die Füße zu treten, dass er im Zweifel aus der Beratung aussteigt.
Insofern glaube ich, Sie haben das Problem aufgegriffen. Das ist auch die Aufgabe der Opposition. Die Landesregierung hat das Privileg, dieses Problem lösen zu dürfen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Herr Minister hat die vorgesehene Redezeit um 1 Minute erweitert. Ich sehe jedoch nicht, dass von dem Recht der Fraktionen Gebrauch gemacht werden soll, dies auch für sich in Anspruch zu nehmen. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe somit die Beratung und stelle fest, dass dieser Tagesordnungspunkt seine Erledigung gefunden hat.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich eröffne somit die Aussprache. Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer.