Protocol of the Session on July 20, 2017

Wir haben in Deutschland ein sehr kompliziertes, wenn nicht sogar ein zu kompliziertes Planungsrecht. Hierzu gibt es sehr viel Gesetzgebung, wie es in Deutschland immer so üblich ist. Wir haben aber auch immer mehr Rechtsprechung hierzu, die das Ganze jedoch nicht leichter macht. Das kennen wir in Schleswig-Holstein zur Genüge. Minister Meyer hat in der Tat in der vergangenen Wahlperiode gleich zu Beginn und dann immer wieder in großen Interviews angekündigt, er werde einen bundesweiten Vorschlag für ein Verkehrswegebeschleunigungsgesetz unterbreiten. Wir hatten, Herr Kollege Vogel, beantragt, dass das der Landtag dann auch so beschließen möge. Das ist leider nicht geschehen, weil Sie nicht der Meinung waren, dass man dem Vorschlag des Ministers Meyer folgen sollte.

Er hat dann immerhin zum Ende der letzten Wahlperiode einen Sechs-Punkte-Plan vorgelegt, drei eher bundespolitische, drei eher landespolitische Themen. Er hat insbesondere drei interessante Punkte aufgegriffen, die in der Tat umgesetzt werden sollten. Teilweise erledigen sie sich in den nächsten Jahren mit der neuen Bundesinfrastrukturgesellschaft.

Der eine Punkt ist, dass man nicht mehr diese komplizierte Abstimmung zwischen der Auftragsverwaltung der Länder und dem Bundesverkehrsministerium hat. Der sogenannte Gesehen-Vermerk, der meistens circa zwei Jahre dauert, obwohl es sich

dabei eigentlich nur um einen Haken handelt, soll wegfallen. Der ist völlig unsinnig, darauf kann man in der Tat verzichten, und beide Bodewig-Kommissionen haben hierzu Vorschläge unterbreitet.

Der zweite Punkt ist das Thema Instanzen. Wir haben ein Bundesgesetz, das im Zuge der deutschen Wiedervereinigung zur beschleunigten Infrastrukturplanung beschlossen wurde. Die A 20 auf schleswig-holsteinischem Boden ist schon darin enthalten. Es gibt hier nur die eine Klageinstanz, und zwar das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Rader Hochbrücke wurde jetzt auch aufgenommen, weil man Sorge hat, dass man dort nicht schnell genug vorankommt. Das sollte man in der Tat generell machen. - Aber bei der A 20 sehen wir, dass dies allein nicht hilft, Infrastrukturprojekte zu beschleunigen, weil da noch ein paar andere Dinge notwendig sind.

Herr Minister Buchholz hat eben einen wichtigen Punkt angesprochen, das ist das Thema „Planungskosten“. Die sind seit Jahrzehnten mit 3 % der Gesamtkosten, die vom Bund erstattet werden, festgeschrieben. Mittlerweile sind wir eher bei 20 %. Auch das ist ein Thema, das man anpacken muss.

Bei dem Thema „Verbandsklagerecht“ könnte ich mir mit meiner Fraktion sehr viel vorstellen. Herr Kollege Tietze hat darauf hingewiesen, dass sich die Grünen bei diesem Thema deutlich weniger vorstellen können.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insofern sind wir da unterschiedlicher Auffassung. Aber ein entscheidender Punkt ist, dass wir deutlich mehr Effizienz brauchen. Dafür werden wir auch sorgen. Wir brauchen mehr Planungskapazitäten. Deswegen ist es wichtig, dass wir das alles sehr schnell auf den Weg bringen werden. Wir werden an der Fachhochschule Kiel, wo es sehr schnell geht, neben Lübeck einen Lehrstuhl Bauingenieurwesen etablieren, sodass wir mehr Leute bekommen, die potenziell Planer werden können. Wir haben eine große Konkurrenz mit den Kommunen und natürlich mit der privaten Bauwirtschaft. Wir werden auch konstruktive Gespräche mit den Umweltverbänden führen. Ich habe gestern bereits am Rande der Plenartagung mit einem Vertreter gesprochen. Auch die haben Interesse daran, dass man auf Augenhöhe vernünftig darüber redet, um die Planung zu verbessern und voranzubringen. Auch die wollen nicht als Blockierer dastehen, sondern sich konstruktiv einbringen. - Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Christopher Vogt)

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, AfD und Lars Harms [SSW])

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Nobis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte gewählte Volksvertreter! Sehr geehrte Damen und Herren!

(Sandra Redmann [SPD]: Und Vertreterin- nen!)

- Genau. - Einmal mehr hat uns der SSW mit seinem Antrag gezeigt, wie vernünftige, sachorientierte Politik gehen kann. Neidlos erkennen wir an, dass der SSW auf dem besten Weg ist, die Oppositionsführerschaft zu übernehmen. Darüber, dass Planungsverfahren von Infrastrukturmaßnahmen schneller und unkomplizierter ablaufen müssen, besteht hier im Hause wohl allgemeiner Konsens. Die Frage ist nur: Wie soll das gehen? - Rechtlich gesehen müsste auf Bundesebene das Planungsrecht einer kompletten Revision unterzogen werden. Doch was können wir hier im Land dafür tun, damit der Straßen- und Brückenbau schneller vorangeht?

Über den Landesbetrieb Verkehr ist schon viel gesprochen worden. Die bessere personelle Ausstattung, die bessere Kommunikation mit dem Ministerium und den Fachbehörden, mit Bürgern und Verbänden ist ein absolutes Muss für die Zukunft. Wenn wir hören, dass sich Verbände gar nicht mehr mit dem Landesbetrieb an einen Tisch setzen, deutet das auf ein schwerwiegendes Kommunikationsdefizit hin.

Die frühzeitige Einbindung aller Betroffenen ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Wenn es dann trotzdem, sei es von Parteien oder Naturschutzverbänden, eine Blockadehaltung geben sollte, muss auch hier eine Lösung her. Das Verbandsklagerecht, das in den letzten zehn Jahren in einigen Bundesländern eingeführt wurde, ermöglicht Naturschutzverbänden Klagen, auch wenn kein einzelnes Mitglied betroffen ist. Damit ist den Verbänden ein wirkungsvolles Instrument in die Hand gegeben worden, um sich Gehör zu verschaffen. Das ist alles gut und schön, solange das Verbandsklagerecht nur dem reinen Schutz der Natur gilt. Wenn das Klagerecht aber politisch eingesetzt wird, man kann sogar sagen, politisch missbraucht wird, um geplante Vorhaben zu stoppen oder zu behindern, dann ist das nicht im Sinne des Erfinders.

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann sagen Sie doch einmal ein Bei- spiel!)

Laut einem Zeitungsbericht von Montag wollen die Grünen im Bundestag eine Verschärfung des Tierschutzes fordern. So sollen Tierschutzorganisationen ein bundesweites Verbandsklagerecht erhalten - siehe Zeitungsbericht der Zeitung „Die Zeit“ vom 17. Juli 2017.

Dadurch könnten Verbände die Interessen von Schweinen, Rindern oder Geflügel vor Gericht vertreten oder, wie sich Frau Göring-Eckardt ausdrückte: Tieren wollen wir eine Stimme geben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Mar- lies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist auch gut so!)

Das ist schön, kann aber durchaus zu Missbrauch führen, wie es die CDU-Fraktion in NRW befürchtet. Die hat nämlich einen Gesetzentwurf in den Düsseldorfer Landtag eingebracht, in dem das Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine aufgehoben werden soll. Wir dürfen gespannt sein, wann die CDU in ihrer neuen Rolle in NRW dieses Vorhaben durchsetzen wird. Wir wollen keinem Naturschützer böse Absichten unterstellen.

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das tun Sie doch!)

Aber es ist einfach Fakt, dass jeder Planer damit rechnen muss, dass jeder einzelne Planungsabschnitt beklagt wird. Wenn man bedenkt, dass für Fledermäuse spezielle Brücken gebaut werden sollen, ohne deren Hilfe die Flugtiere angeblich nicht die A 21 überfliegen können, dann kann man erahnen, mit welchen Problemen die Planer fertig werden müssen - von den enormen Mehrkosten für den Steuerzahler ganz zu schweigen.

Schnellere Planung, das wollen wir alle. Aber wie? Darauf gibt der Alternativantrag der Fraktionen von CDU, FDP und Grünen leider keine konkrete Antwort. Hier reiht sich eine Absichtserklärung an die andere. Von neuen Wegen zu effizienteren Prozessen ist die Rede, von einfacher Abstimmung und von Mediation. Das klingt alles doch sehr nach einer Werbebroschüre einer Unternehmensberatung, aber nicht nach konkreter Politik. Vielleicht braucht Jamaika ja noch den Sommer, um sich darauf zu einigen, was Vorrang in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik hat, Fledermausbrücken oder Autobahnen für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.

(Beifall AfD)

(Christopher Vogt)

Den Antrag des SSW können wir bei aller Sympathie nicht unterstützen, weil hier Maßnahmen gefordert werden, die aus unserer Sicht rechtlich unmöglich sind. Den Antrag finden wir zwar gut und richtig, aber die rechtlichen Hürden auf Bundesebene sind für uns leider nicht zu nehmen.

Den Antrag der Regierungsfraktionen unterstützen wir, allerdings mit wenig Begeisterung, da er mehr Fragen aufwirft, als er Lösungen aufzeigt. Aber zumindest geht er in die richtige Richtung. Wir werden zukünftig sehr genau verfolgen, was an konkreten Taten folgt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat jetzt die Kollegin Kerstin Metzner aus der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich habe die Debatte hier sehr interessiert verfolgt und habe festgestellt, dass es wirklich ausgesprochen wichtig ist, dass wir dieses Problem im Wirtschaftsausschuss noch einmal ganz konkret erörtern. Minister Buchholz hat es gestern in einem Satz angesprochen: Wir werfen hier Aufgaben von Exekutive und Legislative in einen Pott. Genau da sehe ich das Problem. Meine Vorredner sprachen die ganze Zeit über Autobahnbauten und Planfeststellungsverfahren. Offenbar ist vielen hier nicht bekannt, dass wir in Schleswig-Holstein ein Landeswassergesetz haben, aufgrund dessen wir Planfeststellungsverfahren für Häfen, Deiche, Dämme und Abwasseranlagen durchführen müssen. Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Land zig Planfeststellungsverfahren erfolgreich durchführen, die innerhalb kürzester Zeit, mitunter innerhalb eines halben oder eines Jahres, durchgezogen werden und bei denen die Maßnahmen dann nach zwei Jahren abgeschlossen sind.

Da die Komplexität dieser Planverfahren hier offenbar nicht bekannt ist, finde ich es sehr angebracht, dass wir das im Wirtschaftsausschuss noch einmal diskutieren. Genau deswegen haben wir uns diesem Antrag jetzt nicht angeschlossen, sondern gesagt, dass wir es noch einmal umfassend diskutieren wollen. Ich finde es schon sehr gut zu wissen, dass dem Minister zumindest bekannt ist, dass es diese verschiedenen Verfahren gibt. Ich freue mich

auf die Diskussion im Wirtschaftsausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen Dank. - Dann erteile ich jetzt dem Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem Punkt, glaube ich, sind wir uns hier alle einig: Der Bau von Infrastrukturvorhaben geht in Deutschland einfach zu schleppend voran. Ich bin ganz ehrlich, ich gucke da neidvoll nach Dänemark. Ich gucke neidvoll nach Dänemark, wie da Großprojekte umgesetzt werden. Doch wenn wir ehrlich sind, wird uns das mit dem neidvollen Gucken nicht rasend viel nutzen; denn das andere dänische Rechtssystem erlaubt Dinge, die wir so in der Bundesrepublik Deutschland nicht machen können.

Ein Systemwechsel in der von Ihnen, Herr Harms oder Herr Meyer, vorgeschlagenen Art und Weise wird schlicht und ergreifend nicht möglich sein; denn wir haben es mit dem Prinzip - ich habe es gestern kurz angesprochen - planfeststellender Gesetze zu tun.

(Vereinzelt Beifall SPD)

So etwas hat es in Deutschland einmal gegeben. Im Zuge der Projekte „Deutsche Einheit“ hat man, gerade beim Eisenbahnprojekt Stendal und anderen, durch den Deutschen Bundestag versucht, mit planfeststellenden Gesetzen zu agieren. Das präkludiert dann natürlich alle Einwender; das muss man ganz klar sagen. Wenn man so etwas durch Gesetz macht, so wie von Ihnen vorgeschlagen, dann gibt es keinen Instanzenzug mehr dagegen, in dem man klagen kann. Dann gibt es nur noch den Weg der Verfassungsbeschwerde. Das ist dann die einzige Möglichkeit, dagegen vorzugehen.

Deshalb und weil der Gesetzgeber selbst quasi Verwaltungsaufgaben übernimmt, hat das Bundesverfassungsgericht in einem breiten Urteil dazu sehr klar gesagt, was die Voraussetzungen dafür sind. Es hat gesagt, dass solche planfeststellenden Gesetze, die in der Regel dem Gewaltenteilungsprinzip entgegenstehen, weil eben der Gesetzgeber Aufgaben der Exekutive übernimmt, nur in ganz engen Grenzen und im überwiegenden Interesse des Gemein

(Jörg Nobis)

wohls, aber jedenfalls nicht grundsätzlich für die Planfeststellung möglich sind. Deshalb, Herr Harms, tut mir leid: Wir gucken da neidvoll hin. Aber so geht es eben in Deutschland leider nicht.

(Vereinzelter Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die entscheidende Frage ist: Wie geht es dann? Wie können wir die komplexeren Verfahren beschleunigen und gleichzeitig - das muss der Anspruch dabei sein - Bürgerinnen und Bürger sowie die Interessenvertreterinnen und -vertreter, wie etwa die Naturschutzverbände, angemessen beteiligen? Frau Metzner hat es eben gesagt, wir machen ja viele, und nur wenige sind so aufgeladen wie das für die A 20. Wie schaffen wir es also, auf der einen Seite diesen Planungsthemen Rechnung zu tragen und auf der anderen Seite die Akzeptanz der Bevölkerung für die Projekte hinzubekommen? Das ist aus meiner Sicht die entscheidende Frage.

Natürlich werden wir da Planbeschleunigungsthemen einführen müssen. Ja, manchmal werden es Instanzenthemen sein, indem wir schlicht und ergreifend sagen: Damit muss dann auch mal Schluss sein. Da ist dann eine Instanz auch ausreichend. Aber wir müssen auch einmal darüber nachdenken, ganz praktische Fragen aufzugreifen. Bei diesen praktischen Fragen gibt es durchaus Bewegung. Es gab in der Vergangenheit ein Innovationsforum Planungsbeschleunigung mit einem Katalog von Maßnahmen. Ein wichtiges Element der strategischen Planungsbeschleunigung ist zum Beispiel das Thema des vereinfachten Genehmigungsverfahrens für Bestandsbautenerhaltung, also schlicht und ergreifend da, wo schon eine Trasse verläuft oder eine Brücke ist, wirklich auch mit reduzierten Voraussetzungen zu agieren. Das heißt - das muss man ganz klar sagen -, in diesen Bereichen gibt es eine Einschränkung der Beteiligungsrechte, klare Sache. Man kann sich nicht den Pelz waschen, ohne sich nass zu machen.

(Christopher Vogt [FDP]: Wem sagst du das?)

- So ist es. - Wem sage ich das an der Stelle? Aber darüber nachzudenken, ist richtig.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Lars Harms [SSW])

Darüber hinaus gibt es auch noch andere Möglichkeiten. Erstens: Thema Behördenvereinfachung. Ich habe mir sagen lassen, dass - schon durch meinen Vorgänger auf die Reise gebracht - beim Landesbetrieb Straßenbau ein Kompetenzzentrum Planung

am Betriebssitz des LBV nicht nur angedacht, sondern in der Umsetzung ist. Hier sollen Kompetenzen gebündelt, das Projektmanagement verbessert, die Öffentlichkeitsarbeit gestärkt und juristische Fragen zentral geklärt werden. Das scheint mir ein richtig guter Ansatz zu sein, um so etwas zu machen.