Protocol of the Session on January 25, 2019

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Mündlicher Bericht zu den Auswirkungen der Sturmschäden auf die touristische Infrastruktur

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/1158

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gege

ben werden soll. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich erteile das Wort für die Landesregierung dem Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 2019 hatte das Sturmtief „Zeetje“ an der Ostsee von Flensburg bis nach Fehmarn, aber auch in der Lübecker Bucht einiges angerichtet. Unmittelbar danach - am 8. Januar 2019 - hat die SPD-Fraktion einen Antrag gestellt, wahrscheinlich nicht ahnend, dass in der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 2019 mit dem Sturmtief „Benjamin“ gleich das zweite Sturmtief an der Ostsee aufgelaufen ist.

Das zeigt ein bisschen das Dilemma, in dem ich heute stecke. Die Sturmsaison in Schleswig-Holstein ist auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nämlich noch nicht vorbei. Es gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass wir heute nicht sagen können, ob das Ausmaß, das heute vorliegt und das wir noch nicht dezidiert benennen können, so bleibt. Klar ist, dass es an einigen Orten an der Küste zu erheblichen Schäden gekommen ist, uns aber ein detaillierter Überblick über alle Schäden bis jetzt nicht vollständig vorliegt.

Gestern hat mich ein umfangreiches Schreiben des Schönberger Bürgermeisters erreicht, in dem er dezidiert darlegt, welche Schäden es in Schönberg gibt. Wir sind zurzeit noch in der Bilanzierung der Schäden, mit denen wir allerdings nicht in die Größenordnung von 2017 kommen, als als ursprüngliche Schadenssumme eine Größenordnung von 10 bis 12 Millionen € benannt worden ist. Wir sind bei einer Aufstellung, die von Schadensmeldungen in einer Größenordnung von etwa 5 Millionen € ausgeht. Übrigens ist es aus dem Sonderfonds in Höhe von 2 Millionen €, der 2017 aufgelegt worden ist, zu Auskehrungen in Höhe von etwa 1,4 Millionen € gekommen. Wenn der Sturm gerade vorbei ist, sind die Meldungen meist deutlich höher als das, was nachher real dabei herauskommt.

Betroffen sind - Sie haben danach gefragt, deshalb sage ich das gern - im Wesentlichen die Orte Sierksdorf, Fehmarn, Heiligenhafen, Wangels, Laboe, Schönberg, Heikendorf, Damp, Schönhagen, Niesgrau/Gelting. Es gibt sicherlich auch einige andere Gemeinden wie etwa Stein. Wir sehen, dass es sich im Wesentlichen um Gemeinden handelt, die

(Ministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack)

auch schon vor zwei Jahren betroffen waren. Das führt ein bisschen zu dem eigentlichen Problem, dass nicht einfach zu sagen ist: Jawohl, wir gehen großzügig und unbürokratisch damit um. - Wir haben vielmehr eine Situation, in der sich die wenigsten Schäden auf die eigentliche touristische Infrastruktur beziehen; das wären Promenaden, Seebrücken und Weiteres.

Der Tourismusverband Schleswig-Holstein hat 35 Schadensorte genannt. Nach unserer Auswertung liegen 16 davon unterhalb der Bagatellgrenze des letzten Fonds. In den anderen Orten gibt es im Wesentlichen nicht Promenadenschäden, sondern um Sandverluste und Steilküstenabbrüche. An dieser Stelle muss man sagen: Das, was 2017 aus dem Fonds gefördert worden ist, ist im Wesentlichen in die Orte gelangt, die heute Schäden melden.

Obwohl die Förderrichtlinie damals ausdrücklich sagte, der Wiederaufbau von Anlagen werde nur gefördert, wenn ihr Bestand unter Beachtung der Küstendynamik langfristig gesichert sei, müssen wir heute - wollen wir das seriös betrachten - sehen, dass im Wesentlichen verpufft ist, was damals ausgezahlt worden ist. So hat zum Beispiel die Gemeinde Schönberg für Sandanspülungen Geld bekommen. Der Strand ist jetzt wieder weg. Deshalb muss es uns darum gehen, nachhaltige Lösungen zu finden.

Ich sage ganz deutlich: Der Tourismusminister steht natürlich dafür, dass die touristischen Destinationen in diesem Land nicht nur über Seebrücken und Wege, sondern auch über das Hauptkapital, nämlich über den Strand, verfügen und dass der Strand attraktiv sein muss, dass es attraktiv sein muss, ihn zu begehen. Wir werden die Kommunen in dieser Hinsicht selbstverständlich nicht im Stich lassen, sondern detailliert prüfen müssen, welcher Schaden vorhanden und wie das Ganze nachhaltig in Ordnung zu bringen ist.

Wir dürfen auch nicht leugnen, dass es sehr wohl einen gewissen Zielkonflikt gibt, den ich hier durchaus benenne. Wir haben die touristischen Orte, die ihre Strände gern natürlich auch gegen entsprechende Abspülungen sichern würden. Wir haben aber auch eine ökologische Situation, die die Ostseeküste als eine Ausgleichsküste betrachtet. Bei einer Ausgleichsküste gehören Steiluferabbrüche und Sandabspülungen dazu, weil eine Ausgleichsküste davon geprägt ist, dass sich der Sand woanders anlagert und ein dynamisches Leben der Küste stattfindet. In diesem Zielkonflikt leben wir.

Der Tourismusminister sagt, es mache wenig Sinn, irgendwo Hotels zu haben, vor denen kein Strand ist. Ihn aber jedes Jahr immer wieder neu wegspülen zu lassen und darauf immer wieder mit einem Sonderfonds zu reagieren, kann ebenso wenig in unserem Interesse liegen.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb wollen wir, Jan Philipp Albrecht und ich, gemeinsam mit den beiden Häusern nachhaltige Lösungen suchen, die sowohl den ökonomischen Aspekt des Tourismus als auch den ökologischen Aspekt einer Ausgleichsküste miteinander verbinden. Wir werden den Kommunen - das sage ich hier - helfen, ihre touristischen Ziele zu erreichen. Wir wissen auch - lassen Sie mich das sagen -, dass es vielen der Gemeinden wahnsinnig pressiert, weil entsprechende Sandvorspülungsmaßnahmen nur in einem bestimmten Zeitfenster gemacht werden können und die entsprechenden Genehmigungen dafür alsbald erteilt werden müssen.

Wir können aber nicht einfach - dafür bitte ich um Verständnis - jedes Jahr, wenn ein Sturm da gewesen ist, einen Fonds auflegen und sagen: „Das zahlen wir jetzt“, wenn wir feststellen, dass wir jedes Jahr immer wieder an derselben Stelle dasselbe tun. Das ist nicht nachhaltig. Das wirkt so nicht.

Ich verspreche den Kommunen eine schnelle Behandlung durch die Landesregierung und sage zu, dass wir das innerhalb der nächsten Wochen so erledigt bekommen, dass die entsprechenden Genehmigungen vorliegen und die Maßnahmen durchgeführt werden können. Es ist auch in unser beider Interesse, dass notwendige naturschutzrechtliche Genehmigungen schnell erteilt werden, wenn sie erteilt werden können.

Der Tourismusminister wird auch alles dafür tun, dass die Sommersaison 2019 in Schleswig-Holstein an allen Orten, die hier genannt und die geschädigt worden sind, eine Saison wird, in der man die Strände und die Uferbereiche als touristisches Highlight dieses Landes empfindet. Dafür wollen wir alles tun. Dafür müssen wir aber erst einmal sauber bilanzieren und nachhaltige Lösungen schaffen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Minister hat die vorgesehene Redezeit um 2 Minuten 30 Sekunden erweitert. Diese zusätzliche

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

Redezeit steht jetzt auch allen Fraktionen zur Verfügung.

Bevor wir fortfahren, weise ich darauf hin, dass die Abgeordnete Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein bei dem vorherigen Tagesordnungspunkt ebenfalls für die Ausschussüberweisung beider Anträge gestimmt hat.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die SPD-Fraktion die Abgeordnete Regina Poersch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein herzlicher Gruß auch an den Bürgermeister der Gemeinde Schönberg, Peter Kokocinski.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Strandkorbschlafen ohne Strand? Seebrückenfest ohne Seebrücke? Strandburgenwettbewerb ohne Strandsand? - Die Ostseestrände in unserem Land sind nach wie vor unsere touristischen Hotspots. Viele unserer Gäste wollen einen Strandurlaub an der Ostsee, und den sollen sie bekommen.

Nicht erst, aber erst recht seit der zündenden neuen Tourismusstrategie wurden enorme Anstrengungen aller Beteiligten unternommen, unseren Gästen einen qualitätsvollen, einen wunderschönen Urlaub anzubieten. Die Zahlen geben den Bemühungen recht: Der Schleswig-Holstein-Tourismus setzt zu immer neuen Höhenflügen an und scheint nicht zu bremsen zu sein. Die berühmten 30 Millionen Übernachtungen sind mit 33 Millionen zwischen Januar und November 2018 bereits überschritten, und der Anteil der Ostsee hieran ist beträchtlich. Von Januar bis November 2018 wurden an der Ostsee 15.636.683 gewerbliche Übernachtungen gezählt, ein Plus zum Vorjahreszeitraum von 18,7 %. Davon hat nicht nur die Ostseeküste gut, davon profitiert das gesamte Land.

(Beifall SPD)

Um das einmal in Zahlen zu nennen: Die touristisch bedingten Steuereinnahmen, die wir in den Landeshaushalt zurückgespült bekommen, betragen Jahr für Jahr 209 Millionen €. Deshalb muss es uns alle angehen, wenn Stürme Strand wegspülen, wenn Seebrücken ihre Standfestigkeit verlieren oder auch sonst Ostseebäder große Schäden an ihrer touristischen Infrastruktur zu beklagen haben.

Herr Minister, ich bedanke mich bei Ihnen für Ihren Bericht. Ich gestehe Ihnen gern zu, dass es heute, Ende Januar, mitten in der Sturmsaison, schwierig

ist, eine Bilanz zu ziehen. Für das, was Sie berichtet haben, danke ich Ihnen im Namen meiner Fraktion. Sie haben die Liste der betroffenen Orte genannt: Laboe, Stein, Schönberg, Hohenfelde, Heiligenhafen, Sierksdorf - die Liste ist lang. Ich fürchte, wir werden uns auf weitere Stürme und Schäden nicht nur in diesem Winter, sondern in vielen weiteren Wintern einstellen müssen.

Eine Strategie wäre nicht schlecht, ein tragfähiges Konzept, das langfristig und nachhaltig Strände und Küsten sichert. Aber bis es so weit ist, sind Soforthilfen dringend erforderlich, so wie 2017, als das Land erstmals schnell nach den Stürmen eine Summe von 2 Millionen € in Aussicht stellte. Das hatte es davor noch nicht gegeben. Auch damals haben einige Kommunen die Schäden selbst behoben. Andere konnten das schlichtweg nicht. Unter dem Strich hatten wir es 2017 mit einer Schadenssumme von knapp 4 Millionen € zu tun, davon 2 Millionen € für Sandabspülungen, 1 Million € für Schäden an der touristischen Infrastruktur und 1 Million € für Schäden an der kommunalen Küstenschutzstruktur. Seinerzeit waren es 70 Schadensfälle in 32 Orten. Die Hälfte der Schadenssumme wurde damals vom Land übernommen. Das war genau richtig.

(Beifall SPD)

Ich will sagen, dass seit 2017 durchaus Zeit gewesen wäre, sich Gedanken über ein Konzept zu machen, das über einen Winter hinausreicht. Meine Damen und Herren, das Land darf die Kommunen nicht im Stich lassen. Es ist ein großartiges Zeichen, wenn zum Beispiel der Kreis Plön bis zu eine halbe Million € für seine Ostseebäder zur Verfügung stellen will.

(Werner Kalinka [CDU]: So ist es!)

Doch wenn Stürme wie in Schönberg den Sand von 21 der 25 Buhnen - 34.000 Kubikmeter - wegspülen, wenn Seebrücken ihre Standfestigkeit verlieren, wenn die Gemeinde Laboe ihre aktuellen Schäden auf 700.000 € schätzt - das ist mehr als das Doppelte der Schäden im Jahre 2017 - und auch sonst Ostseebäder zwischen Flensburg und LübeckTravemünde große Schäden an ihrer touristischen Infrastruktur zu beklagen haben, dann geht das den gesamten Schleswig-Holstein-Tourismus etwas an. Deshalb darf das Land die Kommunen auch nicht vertrösten. Ich denke, wir können nicht abwarten, bis sich der letzte Sturm gelegt hat. Hilfen müssen jetzt anlaufen; die Saison steht vor der Tür.

Sehr geehrter Herr Minister, wenn Sie einen MeyerFonds wie 2017 auflegen und die Hälfte der Schä

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

den übernehmen, haben Sie uns an Ihrer Seite. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Klaus Jensen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Zunächst ein Dank an den Minister für seinen Bericht, der schon ganz viel von dem, was ich jetzt erzählen möchte, enthalten hat.

Stürme an der Ost- und an der Westküste Schleswig-Holsteins sind nichts Ungewöhnliches. Ich kenne mich, was die Westküste angeht, ganz gut damit aus. An der Ostküste haben wir gerade in diesem Jahr schon zwei Ereignisse erlebt, die außergewöhnlich waren und die mit entsprechenden Schäden an Steilküsten, an touristischer Infrastruktur und in Teilen mit erheblichen Sandverlusten verbunden waren. Darüber wollen wir heute reden.

Vielleicht noch einmal zur Erläuterung: Ich bin aus politischer Sicht auch ein Küstenschützer. Wir haben im Land Schleswig-Holstein klare Zuständigkeiten. Zum einen haben wir die Landesschutzdeiche, die 1971 in die Verantwortung des Landes übergegangen sind. Vorher waren sie in der Verantwortung der Wasser- und Bodenverbände. In Teilen ist auch die Ostküste mit Landesschutzdeichen bestückt. Diese Verantwortung nimmt das Land nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell komplett wahr. Dann gibt es an der Ostküste Abschnitte, die nicht unter diese Kategorie fallen und die in der Verantwortung der Kommunen stehen.

Der Generalplan Küstenschutz ist die Grundlage für all das, was küstenschutzmäßig bei uns läuft. Allerdings betrifft er nicht die Bereiche, über die wir heute reden, die in der Verantwortung der Kommunen und nach wie vor auch in der Verantwortung der Wasser- und Bodenverbände sind.

Letzte Woche hat ein schon lange geplantes Treffen der Fachpolitiker von Jamaika mit der Arbeitsgemeinschaft Küstenschutz-Ostsee stattgefunden. Das war hochaktuell, weil es gerade die beiden Stürme gegeben hatte. Unter dem Vorsitz von Herrn HansWalter Jens haben wir uns mit den Bürgermeistern und Verbandsvorstehern ausgetauscht und eine sehr konstruktive Diskussion geführt. Da wurde nicht in erster Linie über Geld gesprochen, sondern der Wunsch geäußert, dass die Ostküste, was den Küstenschutz insgesamt angeht, mehr in den Blick ge