„Auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern soll künftig erst ab einem Einkommen in Höhe von 100.000 € im Jahr zurückgegriffen werden.“
Auch wir als Jamaika-Koalition sind uns einig darin, dass wir dieses Vorhaben nicht nur mittragen, sondern proaktiv gestalten wollen.
Es ist aus unserer Sicht ein guter, sinnvoller Lösungsweg, der die Kinder von Pflegebedürftigen vor unverhältnismäßigen Belastungen schützt.
Lieber Flemming Meyer, liebe Birte Pauls, ich bin der Meinung, wir sind in der Sache nicht weit voneinander entfernt. Einig sind wir uns, glaube ich, in dem Aspekt der bürokratischen Entlastung, da diese Einkommenshöhe eher selten auftritt und Eltern solcher unterhaltspflichtigen Kinder mutmaßlich in den wenigsten Fällen in den Sozialhilfebezug geraten.
Nun komme ich zu dem trennenden Aspekt. Sie sprechen in Ihrem Antrag von dem jährlichen Bruttoeinkommen. Die Jamaika-Koalition hingegen empfiehlt, das jährliche Gesamteinkommen zu betrachten. Wir wollen nicht, dass das Vermögen gänzlich unberücksichtigt bleibt und einzig der Bruttolohn herangezogen wird. Zum Beispiel sollen Mieteinkünfte berücksichtigt werden; alles andere hielte ich für den falschen Ansatz.
Wir orientieren uns an den bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung des XII. Sozialgesetzbuches. Dies gilt sowohl für den Prüftatbestand Einkommen als auch für das Vermögen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Forderung schafft Klarheit, weil sie die analoge Umsetzung zu bestehenden rechtlichen Regelungen herbeiführt. Wir schaffen hiermit einen weiteren Baustein, um die soziale Sicherheit zu stärken und verlässlich zu gestalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss nicht alles wiederholen. Man kann sich nicht über alles, was aus Berlin kommt, freuen. An dieser Stelle ist es aber eine wirklich gute Sache, dass der Koalitionsvertrag auf Bundesebene vorsieht, die Kinder der von Pflege abhängigen Eltern finanziell zu entlasten. Dieser
Vorschlag ist zeitgemäß, das heißt, er kommt im Hinblick auf die immer älter werdende Gesellschaft gerade noch zur rechten Zeit. Das ist gut und richtig so.
Bei den Kindern von pflegebedürftigen Eltern gibt es große Verunsicherung und viele Ängste; denn Kinder sind ihren Eltern zum Unterhalt verpflichtet, wenn diese ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbst bestreiten können. Hinzu kommt, dass aufgrund der geltenden Selbstbehalte und Freigrenzen der individuell zu leistende Unterhalt im Einzelfall immer sehr schwer überblickt werden kann. Nicht immer gibt es das Haus oder andere Vorsorgemöglichkeiten der Eltern, die für die Zahlung des Eigenanteils der Pflegekosten ausreichen.
Damit Sie einen Eindruck von den Summen bekommen, von denen wir hier reden, möchte ich Ihnen gern ein Beispiel nennen, das mir kürzlich von einer Angehörigen geschildert worden ist: Die Mutter ist schwer dement und hat den Pflegegrad 5 anerkannt bekommen. Sie lebt in einem Heim mit durchschnittlicher Ausstattung in einem Doppelzimmer ohne eigenes Bad mit einer ihr fremden Person. Schon das wäre ein Thema für sich; das soll heute aber nicht im Mittelpunkt stehen. Es gibt für diese Dame und ihren Angehörigen keine Privatsphäre, weder im Wohnbereich des Zimmers noch in anderen Gemeinschaftsräumen. Das therapeutische Angebot ist überschaubar, weshalb sich die Tochter noch aktiv in die Versorgung einbringt.
Dafür bezahlt diese Dame monatlich 2.009 €, die sie aus der Pflegeversicherung bekommt, plus - aktuell - 1.700 € Eigenanteil. Das sind insgesamt 3.709 €. Kurzfristige Schreiben mit Ankündigungen von Erhöhungen von 370 € machen es für die Angehörigen auch nicht viel einfacher.
Es ist klar, dass sich das nicht jeder leisten kann. Das macht deutlich, dass die Pflegeversicherung eben doch nur eine Teilkaskoversicherung ist. Würde die Dame zu Hause versorgt werden - was sie sehr, sehr gern möchte -, bekäme sie dafür allerdings nur 901 €.
Ein Blick nach Dänemark! Flemming, es hat mich gewundert, dass das nicht von dir gekommen ist; deswegen mache ich es jetzt.
In Dänemark ist die Pflege eine öffentliche Aufgabe. Dort werden jetzt sogenannte Pflegewohnungen angeboten. Dafür bezahlt man eine Warmmiete, Strom- und sonstigen Verbrauch sowie eventuell eine Kaution. Alle anderen Leistungen zur Versor
gung werden selbstverständlich vom Staat übernommen. Mitnichten werden die Kinder für diese Kosten herangezogen.
Bei uns dagegen werden die meisten Pflegebedürftigen im Alter zu Sozialhilfefällen. Ich verweise auf § 61 SGB XII - Hilfe zur Pflege.
Die Sozialämter agieren sehr unterschiedlich, wenn es darum geht, sich die Kosten von den Kindern erstatten zu lassen. Ob und wenn ja, in welcher Höhe Kinder den Eltern Unterhalt zahlen müssen, wird vom örtlichen Sozialamt geprüft und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: Habe ich Kinder in der Ausbildung? Wie groß ist mein Wohnraum? Und, und, und. Dieser Prüfvorgang ist ein erheblicher bürokratischer Aufwand, der oft zu Konflikten führt. Die Kinder müssen ihre finanziellen Verhältnisse offenlegen, in Ehen auch das Schwiegerkind, obwohl dieses Schwiegerkind gegenüber den Schwiegereltern gar nicht unterhaltspflichtig ist. Wenn es dann noch in den Familien früher zu Streitereien oder zu Entfremdung gekommen ist, wird es für alle Beteiligten sehr unangenehm. Wir hatten die gleiche Diskussion im Zusammenhang mit dem Bestattungsgesetz.
Der Selbstbehalt der Kinder wird individuell berechnet. Der Mindestselbstbehalt beträgt 1.800 € inklusive 480 € Warmmiete. Man kann sich allerdings fragen, wo heute noch nur 480 € Warmmiete bezahlt werden. Der Sozialverband Deutschland, aber auch die Pflegestützpunkte berichten über hohe Beratungszahlen diesbezüglich.
Auch die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Frau Samiah El Samadoni, machte in ihrem Bericht 2017 auf diese Problematik aufmerksam.
All das ist ja erkannt. Wie gesagt, es steht im Koalitionsvertrag auf Bundesebene. Es stehen auch noch viele andere gute Sachen drin. Aber das ist eben auch eine gute Sache. Wir wissen nicht, wann es kommt. Aber wir können durch eine Bundesratsinitiative vielleicht für eine schnellere Umsetzung sorgen. Lassen Sie uns das zum Wohle der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen tun; denn auch das hat etwas mit Würde zu tun. Wenn ich die Signale aus allen demokratischen Parteien richtig verstanden habe, dann werden wir uns im Ausschuss sicherlich auch über die Halbsätze noch einig werden. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Pauls. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun die Abgeordnete Marret Bohn.
Sehr geehrter Her Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorrednerinnen und Vorredner haben die wichtigsten fachlichen Punkte schon zusammengefasst. Ich glaube, es hilft uns allen nicht am Freitagnachmittag, wenn ich das alles noch einmal wiederhole und sage, dass es uns Grünen genauso geht und wir es sehr wichtig finden, dass es Änderungen gibt.
Ich habe aber noch einen Aspekt, den ich wirklich allen noch mit auf den Weg geben möchte: Wie soll das Ganze, was Birte Pauls eben vorgerechnet hat, funktionieren, wenn die Durchschnittsrente in Schleswig-Holstein 1.078 € für Männer und 606 € für Frauen beträgt? Das kann doch überhaupt nicht funktionieren. Das zeigt uns, wie wichtig es ist.
Man kann immer sagen, die Große Koalition muss dies noch machen, das noch machen, die Gesundheitsfachberufe schneller voranbringen und so weiter, aber dieser Aspekt ist wirklich gut. Ich freue mich, dass es gelungen ist, sich auf diesen Aspekt im Koalitionsvertrag auf Bundesebene zu einigen. Ich würde mich auch freuen, wenn er bald kommt.
Ich habe ein persönliches Beispiel, an dem mir das deutlich geworden ist. Wir haben in der Klinik lange eine Patientin gehabt, die von ihrem Mann gepflegt wurde. Meistens ist es ja umgekehrt. Die Patientin ist im Laufe der Zeit immer pflegeaufwendiger geworden und brauchte mehr Unterstützung. Sie war am Anfang noch in das soziale Umfeld im Eigenheim eingebettet. Dieses Ehepaar musste das Eigenheim irgendwann verkaufen. Das soziale Drumherum und alles war weg.
Es geht in diesem Bereich Pflege auch um Einsamkeit im Alter und darum, wie wir mit älteren Menschen in unserer Gesellschaft, die materiell so reich ist, umgehen.
schnell noch miteinander besprechen. Wir haben bis jetzt gesagt, wir möchten gern abstimmen. Vielleicht können Sie unserem Antrag zustimmen; dann haben wir einen gemeinsamen Antrag. Den Rest können wir im Rahmen der Ausschussberatungen eigenständig machen. Aber dann hätten wir ein klares und vielleicht einstimmiges Signal des Schleswig-Holsteinischen Landtags, dass wir wollen, dass es bei der Pflege besser wird. Darüber würde ich mich sehr freuen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, auf der Uhr läuft noch die Zeit von Marret Bohn. In 2 Minuten 35 Sekunden schaffe ich es nicht ganz. Ich versuche aber, mich daran zu orientieren.
Es geht um ein Thema, das jedem von uns, der hier sitzt, aus dem eigenen familiären Umfeld bekannt ist, sei es, dass es die eigenen Eltern betrifft, sei es, dass es die Großeltern oder teilweise auch die Urgroßeltern betrifft.
Dank der steigenden Lebenserwartung wird fast jede Person irgendwann ein Pflegefall. Das ist im Zweifelsfall eine enorme Belastung für die Familie. Es ist eine enorme mentale Belastung. Das gilt erst recht, wenn man die Person vor Ort mitbetreut. Ich selbst betreue die verbliebenen Großeltern, die ich noch habe; ich kenne das.
Die finanzielle Belastung kommt hinzu. Es wurde schon erwähnt, die Pflegeversicherung ist eben keine Vollkaskoversicherung, sondern deckt nur einen Teilbereich ab. Dann wird sowohl das Einkommen der zu pflegenden Person als auch teilweise ihr Vermögen berücksichtigt. Wenn das nicht reicht, führt das zu einem Rückgriff auf das familiäre Umfeld. Das wird eine finanzielle Belastung, die die Familie wiederum mental stärker belasten kann.
Als FDP-Fraktion und als Jamaika-Koalition haben wir ein großes Interesse daran, Familien in dieser schwierigen Lage zu entlasten. Das ist in allen Redebeiträgen, die ich dazu gehört habe, deutlich geworden. Die Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen darf nicht automatisch zu einer Hilfsbedürftigkeit der Angehörigen führen. Deswegen un
terstützen wir den SSW-Antrag im überwiegenden Teil, insbesondere was die Grenze von 100.000 € betrifft.