Ich versuche, mir Ihre sieben Fragen zu merken. NRW hat andere Verhältnisse als Schleswig-Holstein. Darauf komme ich noch. Die kommunalen Landesverbände sind natürlich daran interessiert, möglichst
ters gesagt hat. Es ist eine gewisse Arroganz der Größe, die daraus spricht, das gebe ich durchaus zu.
Ich bin sehr froh, dass wir es geschafft haben, die CDU einzufangen und den unsinnigen 4-5-Hürdeantrag zu kassieren.
(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Herzlichen Glück- wunsch! - Beifall Burkhard Peters [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])
Das waren übrigens nur fünf Beispiele von Einzelvertretern. Entsprechend einer Kleinen Anfrage aus der letzten Wahlperiode gibt es in Schleswig-Holstein mindestens 145 Einzelvertreter. Ich sage mindestens, weil zum Beispiel meine Heimatstadt Flensburg in dieser Kleinen Anfrage überhaupt nicht vorkommt und sich seit Anfang 2016 - von da stammt die Anfrage - bestimmt etwas geändert hat. Besonders in Lübeck soll das sehr dynamisch sein.
Zu glauben, dass diese 145 Mandatsträger unsere Demokratie gefährden und die Funktionsfähigkeit der kommunalen Vertretungen einschränken, ist ein bisschen abenteuerlich, um nicht zu sagen: Es entbehrt jeglicher Grundlage. Bei Kommunalen werden über 13.000 Mandate in über 1.090 kommunalen Vertretungen vergeben. Jetzt sollen 145 Einzelmandatsträger das ganze System gefährden? Diese Art von Unterstellung ist unerträglich. Meiner Meinung nach tritt sie auch die ehrenamtliche Arbeit dieser Mandatsträger mit Füßen. Das befremdet mich.
Sie haben vorhin auch das Problem der Vergreisung angesprochen. Wenn das mit Ihrer Klausel tatsächlich in den Griff zu bekommen wäre, würde mich Ihre Erklärung interessieren, warum besonders die kleineren Fraktionen einen deutlich geringeren Altersdurchschnitt haben als die größeren.
Das Bundesverfassungsgerichtsurteil führt zur Abschaffung der Sperrklausel klar aus, dass der Einsatz einer Sperrklausel auf der Einschätzung des Gesetzgebers beruht, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Einzug von Einzelmandatsträgern zu Funktionsstörungen bei der Aufgabenerfüllung kommunaler Vertretungsorgane führt. Ich kann nicht erkennen, dass dies in der bisherigen Praxis überhaupt der Fall ist. Für mich ist auch nicht ersichtlich, dass dies in der Zukunft der Fall sein wird. Der Gesetzentwurf gibt auch überhaupt keine konkreten Hinweise darauf, dass das so sein könnte. Das sind alles Behauptungen, die hier aufgestellt werden, und dabei bleibt es auch. So behauptet der SPD-Entwurf:
„Es ist damit zu rechnen, dass die Zersplitterung der Kommunalvertretungen nach der Kommunalwahl 2018 weiter zunehmen wird.“
- Sozusagen die Erkenntnis in sich selbst. - Welche Anzeichen gibt es denn für Ihre Thesen? Der Gesetzentwurf schweigt sich da komplett aus. Das ist in meinen Augen alles Kaffeesatzleserei, auf die man keine Gesetzesentwürfe stützen kann. Das ist alles ganz schön dünne Sauce.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, das Ganze ist noch steigerbar, denn nach all diesem Vorlauf setzt sich der SPD-Gesetzentwurf selbst noch die Krone auf. Ein weiteres Zitat aus der Begründung:
„In den kleineren Gemeinden wirkt sich der Wegfall der höheren 5-%-Sperrklausel gar nicht so stark aus, da hier aufgrund der geringeren Größe des Gemeinderates … eine entsprechend höhere faktische Sperrklausel vor teilweise deutlich über 2 % besteht, neben der eine gesetzliche Sperrklausel kaum ins Gewicht fällt.“
Das ist richtig. Wenn die SPD mit „wirkt sich nicht ganz so stark aus“ meint, es wirkt sich gar nicht aus, dann ist es wirklich richtig. Eine 2,5-%-Sperrklausel, wie die SPD sie fordert, betrifft maximal die Gemeinden ab 45.000 Einwohnern. Ich wüsste nicht, dass Schleswig-Holstein neuerdings das Land der Großstädte geworden ist.
Ein Blick in das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz zeigt, dass die höchste Mandatszahl bei Gemeinden über 45.000 Einwohnern bei 39 liegt. Nur die Kreise und die kreisfreien Städte liegen mit 43, 45 und 49 Vertretern darüber. Das sind viele Zahlen, ich weiß, aber ich bringe es einmal auf den Punkt: Eine
2,5-%-Sperrklausel hat auf die 1.075 Gemeinden faktisch keine Auswirkung. Die 145 Einzelmandatsträger wären also auch mit der Sperrklausel gewählt worden, da sie es alle geschafft haben, eine wesentlich höhere Hürde zu überspringen.
Der SPD-Gesetzentwurf löst das von der SPD beschworene Problem, wenn es denn überhaupt eines ist, also überhaupt nicht. Das Einzige, was der Gesetzentwurf bringt, ist ein recht fragwürdiges Demokratieverständnis.
In der Realität haben wir eigentlich ein ganz anderes Problem. In vielen kleineren Gemeinden treten nämlich nur noch Einheitslisten an,
weil sich leider nicht genügend Bürgerinnen und Bürger finden, um die Aufgabe der kommunalen Vertretung ehrenamtlich wahrzunehmen. Viele kommunale Vertretungen versuchen, dem entgegenzuwirken, indem sie die Kommunalpolitik attraktiver gestalten und so mehr Bürger zum Mitmachen bewegen wollen. Anstatt dieses Problem zu lösen, werden den Einzelbewerbern Knüppel zwischen die Beine geschmissen, und man sagt ihnen, dass sie demokratische Hindernisse und nicht erwünscht seien.
Auch zur Höhe der geplanten Sperrklausel - der Kollege Peters hat das schon ausgeführt - führt der Gesetzentwurf wenig aus. Er sagt nur, sie sei nicht verfassungswidrig, weil Sie es in die Verfassung schreiben wollen. Ein toller Trick. Die Höhe der Hürde scheint willkürlich gewählt zu sein. Warum nicht 3 % oder 2 %? Das wäre auch alles denkbar.
In letzter Konsequenz muss sich der Gesetzentwurf allerdings am Urteil des Bundesverfassungsgerichts messen lassen.
Die Beispiele aus Kiel und Lübeck können mich in keiner Weise überzeugen. Wenn Kiel und Lübeck keine handlungsfähigen Mehrheiten hinbekommen, könnte das nicht auch an den handelnden Personen vor Ort und nicht am System liegen?
Es kann ja wohl auch keiner ernsthaft erwarten, dass wir das Landesgesetz ändern, nur weil sich ein paar Lübecker Streithähne untereinander nicht einigen können. Wir machen hier doch keine Lex Lü
beck und schaffen der SPD per Landesgesetz die Konkurrenz vom Hals. Also von wegen Koalition der Vernunft.
Zuletzt will ich erwähnen, dass es auch für die Wahlen des Europaparlaments keine Sperrklausel gibt. Das klang schon an. Sie wurde 2014 abgeschafft. Dort ist es nicht begründbar, und bei unseren kommunalen Vertretungen, die ehrenamtlich in ihrer Freizeit einen Riesenberg von kommunalen Aufgaben schultern, ist es auch nicht ersichtlich. Wir lehnen deshalb diesen Gesetzentwurf ab, verschließen uns aber einer Überweisung in den Ausschuss nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zur technischen Sonderregelung für Boostedt und Seedt. Beide Gemeinden haben das Problem, dass die Gemeinderatsgrößen nach den aktuellen Regularien nicht den tatsächlichen Anforderungen entsprechen werden. Dieses Problem gehen wir an - pragmatisch, unaufgeregt und lösungsorientiert. Das ist meiner Meinung nach politisch gutes Handeln. In der Sache besteht auch Einigkeit.
Es geht nur noch um die Ausgestaltung der gesetzestechnischen Umsetzung. Dazu hören wir uns im Ausschuss noch die Empfehlungen des Wissenschaftlichen Dienstes an. Diese lassen wir in unsere Entscheidung einfließen. Dann werden wir hier ein Gesetz beschließen, das die Probleme wirklich beseitigt. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte gewählte Vertreter des Volkes! Sehr geehrte Damen und Herren!
(Beate Raudies [SPD]: Sprechen Sie doch auch einmal von den Vertreterinnen, nicht nur von den Vertretern!)
Hat es das in diesem Haus schon einmal gegeben? Wir haben heute die dritte Tagung eines neu gewählten Landtages, und schon liegt ein SPD-Antrag mit Verfassungsbruch mit Ansage auf dem Tisch.