Protocol of the Session on September 5, 2018

ist es, dass wir nach Lösungen suchen, die auch ihnen helfen.

Hier kommt der Spurwechsel ins Spiel. Warum sollten wir es Menschen nicht ermöglichen, dass sie über die Kriterien des Einwanderungsgesetzes bleiben können, selbst wenn sie ursprünglich Asyl beantragt haben? Warum sollten wir das nicht ermöglichen?

Mal ganz offen gesprochen: Man muss sich Rassismus schon leisten können. Wenn man allein für Schleswig-Holstein womöglich in zwölf Jahren einen Fachkräftemangel von 100.000 Personen prognostizieren kann, bin ich gespannt, wie Sie von der AfD Ihr Wahlversprechen „Deutsche Kinder machen wir selbst“ erfüllen wollen, um damit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wünsche Ihnen da eine fröhliche Vermehrung. Aber selbst wenn Sie da so eifrig wären, müssten Sie immer noch erklären, wie Sie dann mit 12-Jährigen einem Fachkräftemangel entgegenwirken wollen. Allein schon unseres Wohlstands wegen brauchen wir ein Zuwanderungsgesetz. Ich verwehre mich aber der reinen Verwertungslogik. Auch nach Inkrafttreten eines solches Einwanderungsgesetzes wird es immer noch Menschen geben, die weder einen Anspruch auf Asyl noch die hohen Kriterien eines Einwanderungsgesetzes erfüllen werden.

Deshalb sind wir Grüne der Meinung, dass man sich politisch langfristig auf mindestens drei Aspekte stützen muss: das unbestreitbare Anrecht auf Asyl, ein Einwanderungsgesetz und die Bereitschaft, Kontingente für Schutzsuchende aufzustellen, gerade jetzt, wo der größte Partner des UNHCR, die USA, nicht mehr bereit ist, viele Menschen aufzunehmen.

Ich bin froh, dass wir als Koalition alle drei Aspekte politisch unterstützen und das in Berlin einfordern und dass wir dort, wo wir selbst Dinge in die Hand nehmen können, wie beispielsweise im Rahmen des humanitären Aufnahmeprogramms für 500 Personen, die wir hier aufnehmen wollen, das auch umsetzen wollen.

Deshalb bitte ich Sie, unseren Antrag zu unterstützen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Das Wort für die Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Freie Demokraten begrüßen es außerordentlich und ausdrücklich, dass wir heute in diesem Parlament über ein Einwanderungsgesetz diskutieren, ein Gesetz, das wir schon seit Langem fordern, damit die Migrationsdebatte in Deutschland ehrlicher geführt wird, als es bisher der Fall gewesen ist.

(Beifall FDP und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir begrüßen es, dass sich auch die Union auf Bundesebene endlich zum Einwanderungsgesetz bekannt hat. Deshalb besteht tatsächlich die Hoffnung, dass dieses Gesetz wirklich kommt - besser spät als nie.

Allerdings sind viele Fragen offen, und wir sind gut beraten, wenn wir uns gleich zu Beginn der Debatte über die Ausgestaltung eines solchen Einwanderungsgesetzes, über die Systematik und über die Begrifflichkeiten Gedanken machen. Denn eines zeigt die Migrationsdebatte schon heute: Obwohl wir parteiübergreifend dieselben Worte benutzen, meinen wir doch häufig etwas völlig anderes. Das ist in den letzten Wochen besonders in der Diskussion über den sogenannten Spurwechsel deutlich geworden.

Streng genommen ist die Diskussion über den Spurwechsel eine Scheindebatte, wenn man das Ziel eines Einwanderungsgesetzes, das nämlich die dauerhafte Zuwanderung von Fachkräften ermöglichen soll, nicht aus den Augen verliert. Es kommt allein darauf an, ob ein potenzieller Einwanderer eine Fachkraft ist. Nur wenn die erste Voraussetzung bejaht wird, kommt eine Einwanderung überhaupt in Betracht, und es ist dann völlig egal, wo sich ein Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung aufhält. Wenn Sie das Spurwechsel nennen wollen, bitte, aber unseres Erachtens kommt es auf die Qualifikation des Antragstellers an.

Allerdings - und das müssen wir verlangen - ist Voraussetzung, dass sich ein Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht illegal, also ohne gültigen Aufenthaltstitel, in Deutschland aufhält, wenn er hier einen Antrag stellen will.

(Beifall FDP und CDU)

(Aminata Touré)

Auch da stimmen wir mit der CDU überein.

Darüber hinaus müssen wir uns im Klaren sein, dass der dauerhafte Zuzug von Fachkräften am Ende zur Einbürgerung führen wird. Wir haben die Frage der Einbürgerung bereits am Anfang dieses Jahres im Plenum debattiert und waren mehrheitlich der Auffassung, dass viel zu viele Migranten von der Möglichkeit der Einbürgerung, die unser Staatsangehörigkeitsgesetz vorsieht, keinen Gebrauch machen. Das haben wir als Fehlentwicklung erkannt, und deshalb gilt es, mit dem Einwanderungsgesetz einen Prozess zu gestalten, an dessen Ende der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft stehen muss. Nur so wird es uns gelingen, Einwanderer nachhaltig in unsere Gesellschaft zu integrieren und das Entstehen von Parallelgesellschaften zu verhindern.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Das Modell „Gastarbeiter“, das wir alle haben miterleben dürfen, ist ja gehörig schiefgegangen. Aus diesen Fehlern von damals sollten wir heute lernen, wenn wir ein Einwanderungsgesetz gestalten.

Ferner wird ein Einwanderungsgesetz nur Erfolg haben, wenn wir sicherstellen, dass ausschließlich Fachkräfte in unser Land einwandern, die wir in Deutschland brauchen. Deshalb sind die Qualifikationskriterien festzulegen, die Voraussetzung für die Einwanderung sein sollen. Die Kriterien und deren Gewichtung sollten wir über ein Punktesystem festlegen, damit das Auswahlverfahren objektviert und transparent wird. Die Kriterien sind dann regelmäßig zu überprüfen und an die tatsächlichen Fachkräftebedarfe in Deutschland anzupassen. Nur so werden wir sicherstellen, dass auch die Menschen einwandern, für die auf dem deutschen Arbeitsmarkt perspektivisch ein konkreter Bedarf besteht.

Der Erfolg eines Einwanderungsgesetzes wird auch davon abhängen, dass wir die strengen Einwanderungskriterien dann wirklich anwenden und durchsetzen. Anderenfalls werden die Befürchtungen einiger Wirtschaftsvertreter bewahrheitet, die sich sicherlich nicht freuen werden, dass sie hier von der AfD zitiert wurden.

Schließlich sollte es unser Fernziel sein, dass im Einwanderungsgesetz insgesamt abschließend der dauerhafte Zuzug nach Deutschland geregelt und die Einwanderung nicht nur auf Fachkräfte beschränkt wird.

Das Einwanderungsgesetz, das im Moment zur Debatte steht, geht so weit natürlich noch nicht. Es ist

nur ein erster Schritt, dem weitere in der Einwanderungsdebatte folgen müssen. Das Einwanderungsgesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird die Zuwanderung in eine neue Richtung führen müssen. Meine große Hoffnung, die ich mit einem solchen Gesetz verbinde, ist mehr Ehrlichkeit in der Migrationsdebatte. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, würde uns allen guttun, um ein Auseinanderdriften, ja eine Spaltung unserer Gesellschaft zu verhindern.

(Beifall FDP und CDU)

Eine solche Spaltung läge allein im Interesse der AfD, die bei einem Auseinanderdriften der Kräfte in unserer Gesellschaft umso stärker wird, je emotionaler diese Debatte geführt werden wird. Wir brauchen daher Sachlichkeit und Vernunft. Dafür steht die gesellschaftliche und demokratische Mitte. Wir bitten, unseren Antrag zu unterstützen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist kein Geheimnis, dass der Druck auf die Bundesregierung bezüglich des Asylrechts, aber auch des viel diskutierten Einwanderungsgesetzes groß ist. Die Menschen erwarten in der Tat tragfähige Lösungen; denn auf der einen Seite ist es so, dass Menschen, die für eine durchaus lange Zeit bei uns bleiben, nicht arbeiten dürfen, und auf der anderen Seite werden, wie es auch in den letzten Wochen in den Medien berichtet wurde, oftmals junge Menschen, die sich in Schule oder Ausbildung befinden, abgeschoben. Wir meinen: Das ist verkehrt. Es geht also nicht nur um die Fachkräfte, sondern auch um Menschen, die sich auf dem Weg zur Fachkraft befinden.

(Beifall SSW)

Mit einem solchen Zustand, meine Damen und Herren, dass diese jungen Menschen abgeschoben werden, können wir als Gesellschaft sehr wenig anfangen. Das ist zumindest unsere Sicht der Dinge.

(Beifall SSW und Kathrin Wagner-Bockey [SPD])

(Jan Marcus Rossa)

Daher würden wir uns, genauso wie es die Kollegen von der SPD beschrieben haben, wünschen, dass Menschen nicht aus dem Berufs- oder Ausbildungsleben heraus abgeschoben werden. Auf der einen Seite stellen wir als Gesellschaft zu Recht bestimmte Ansprüche an die Menschen, die zu uns kommen, auf der anderen Seite schieben wir in einigen Fällen genau jene Menschen ab, die diese Ansprüche erfüllen. Diese Schieflage muss endlich beendet werden.

Natürlich beruht das ganze Verfahren auf einem äußerst komplizierten Regelwerk. Nichtsdestotrotz geht es nun darum, genau dieses Regelwerk auf neue Füße zu stellen. Auch wenn diese Forderung nicht neu ist, so ist sie nicht weniger bedeutsam. Es muss endlich Sorge dafür getragen werden, dass adäquate Ausbildungs-, Weiterbildungs- und vor allem Arbeitsplätze tatsächlich von den Menschen genutzt werden können, denn ansonsten können sie sich nicht integrieren. Auch das ist eine Aufgabe, der wir uns annehmen müssen. Integration kann ohne tägliche, sinnvolle Beschäftigung kaum funktionieren. Die sichere Unterkunft allein ist jedenfalls kein Integrationsansatz.

Deswegen ist die Aufnahme einer regelmäßigen Tätigkeit so wichtig. Einen geregelten Alltag inmitten von Mitschülern oder Kollegen, das ist das, was sich diese Menschen wünschen. Sie wollen arbeiten, lernen und etwas tun und dann natürlich auch eine Perspektive bei uns haben. Dies ist der Wunsch der allermeisten. Und selbst dann, wenn diese Menschen und Familien eines Tages in ihre Heimat zurückkehren wollen - das kann ja auch passieren -, sollte es unser Interesse sein, ihnen ein vernünftiges Werkzeug mitzugeben, um auch in ihrer Heimat eine Zukunft zu haben.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, deshalb muss man auch denen, die vielleicht keine Bleibeperspektive haben - auch das ist ein wichtiger Teil der Debatte -, Möglichkeiten zur Weiterbildung geben. Das wäre wirklich echte Entwicklungshilfe.

An dieser Stelle ist es sicherlich förderlich, sich einmal die Zahlen ganz genau anzuschauen. Zwischen Januar und Ende Juli dieses Jahres hat das BAMF über 138.449 Asylanträge entschieden. Die meisten dieser Anträge wurden abgelehnt. Die Gesamtschutzquote lag bei 31,6 %.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Schaffer?

Sehr geehrter Herr Harms, ich freue mich über Ihre Anregung, dass auch abgelehnte Flüchtlinge, also Flüchtlinge, die erkennbar nicht hierbleiben dürfen, eine Perspektive für die Heimreise bekommen sollen respektive eine berufliche Qualifikation, um auch in der Heimat eine Perspektive zu haben. Das deckt sich hundertprozentig mit einem Antrag, den wir als AfD-Fraktion im vergangenen Jahr hier eingereicht hatten. Warum haben Sie diesem Antrag seinerzeit nicht zustimmen können?

- Ganz einfach: weil Ihre einzige Perspektive war, die Leute loszuwerden. Unsere Alternative ist es, denjenigen, die gehen müssen, ein gutes Handwerk an die Hand zu geben, denjenigen aber, die bleiben dürfen und vielleicht auch aufgrund eines Spurwechsels bleiben können, die Möglichkeit zu verschaffen, sich hier wirklich zu integrieren und etwas für die Gesellschaft zu leisten, weil sie es wollen und weil sie es können. Das ist ein entscheidender Unterschied zu dem, was Sie beantragt haben.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Meine Damen und Herren, die Ablehnungsquote, also die knapp 30 %, die jetzt noch hierbleiben dürfen, hat sich in den letzten Jahren verstetigt. Es werden also von vornherein nicht mehr so viele anerkannt. Das heißt, diese Menschen bekommen eine Duldung oder eine andere Aufenthaltsmöglichkeit, sind aber erst einmal hier. Die meisten Leute müssen dann vielleicht das Land wieder verlassen, aber für die Leute, für diejenigen, die trotzdem hierbleiben, weil es Abschiebehemmnisse gibt - das sind viele -, müssen wir versuchen, eine Perspektive zu schaffen. Anderenfalls wären diese Leute hier perspektivlos und ohne Arbeit. Es kann nicht Sinn und Zweck von Politik sein, das zu befördern.

(Beifall Kay Richert [FDP])

Ich wiederhole gern: Für fast 300.000 von den in Deutschland verbliebenen 750.000 Asylbewerbern trifft es zu, dass sie bereits in irgendeiner Art und Weise eine Beschäftigung gefunden haben. Das heißt, die tun bereits etwas. Genauso ist es mit den 60.000 Auszubildenden und den Leuten, die in die Schule gehen. Auch diese tun schon etwas. Inso

(Lars Harms)