Protocol of the Session on September 5, 2018

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Damen und Herren vom SSW, ich finde, dass Sie mit Ihrem Antrag über das Ziel hinausgeschossen sind. Die Überschrift suggeriert, dass es keine Religionsfreiheit an öffentlichen Schulen in Schleswig-Holstein gebe oder sie zumindest bedroht sei. Und das - mitnichten - ist wirklicher Unsinn.

Meine Damen und Herren, die Religionsfreiheit ist im Grundgesetz festgeschrieben, und auch Schleswig-Holstein bekennt sich in der Landesverfassung zu diesem Grundrecht. Niemand darf aufgrund seiner religiösen Anschauung diskriminiert werden. Der Staat hat darauf zu achten, und er tut dieses wie ich meine - auch in den staatlichen Bildungseinrichtungen. Kein Schüler, keine Schülerin wird zum konfessionsgebundenen Religionsunterricht gezwungen. Wer 14 Jahre und älter ist, kann selbst darüber entscheiden, ob er am bekenntnisorientierten Unterricht teilnimmt. Wer jünger ist, braucht die Einwilligung seiner Eltern. Wer sich dagegen entscheidet, für den steht der Philosophieunterricht offen.

Meine Damen und Herren, ob Philosophie an einer Schule unterrichtet werden kann oder nicht, das hängt natürlich von den organisatorischen Voraussetzungen ab. Und es hängt natürlich auch davon ab, ob wir die Lehrkräfte haben. Eine Philosophieklasse braucht meines Wissens nach zwölf Schülerinnen oder Schüler, wobei die Klasse auch jahrgangsübergreifend gebildet werden kann. Wenn ich keine Lehrkräfte dafür habe, habe ich natürlich ein Problem, ob der Unterricht von anderen Fachkräften entsprechend gut erteilt werden kann.

Deswegen sollten wir im Ausschuss darüber sprechen, welcher Bedarf hier besteht, und - ja! - wir müssen uns an dieser Stelle um Verbesserungen bemühen. Das werden wir aber nicht zum nächsten Schuljahr hinbekommen, jedenfalls nicht in der Umsetzung.

Die organisatorischen Bedingungen für den Philosophieunterricht dürfen wir also nicht so ignorieren, wie der SSW es in seinem Antrag verlangt. Das wäre auch angesichts knapper Bildungsressourcen ein Riesenfehler und steht wahrscheinlich in keinem Verhältnis zur Nachfrage.

Schließlich ist es so: Selbst wenn keine Philosophieklasse gebildet werden kann, kann niemand zum Besuch des bekenntnisorientierten Unterrichts gezwungen werden. Ich kann nicht erkennen, wo die Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler an dieser Stelle beschnitten wird.

Auch hat eine Anfrage des SSW gezeigt, meine Damen und Herren, dass der bekenntnisorientierte Unterricht in Schleswig-Holstein immer noch stark nachgefragt ist. Mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen besucht den katholischen oder evangelischen Unterricht. Dies darf man bei der Debatte über die Bedeutung des Religionsunterrichts nicht ignorieren.

(Eka von Kalben)

Gleichwohl müssen wir an diejenigen denken, die bekenntnislos sind oder einer nichtchristlichen Religion angehören. Insbesondere müssen wir uns um Angebote für die zahlreichen muslimischen Schülerinnen und Schüler bemühen. Bereits jetzt bieten 17 Schulen den religionskundlichen Islamunterricht an. Ich habe nichts dagegen, wenn es mehr werden.

Meine Damen und Herren, mir ist es ganz wichtig zu betonen: Philosophie- und Religionsunterricht können gerade angesichts zunehmender kultureller Auseinandersetzungen besonders wichtig sein, wenn etwas Verständnis für das Religiöse geweckt wird, wenn die Ideen und Gedanken der Andersglaubenden und -denkenden eine wesentliche Rolle im Lehrplan spielen. Ich finde den Vorschlag von Eka von Kalben gar nicht so schlecht, dass es mehr gemeinsam übergreifenden Unterricht oder Projektwochen geben sollte.

Ich bin auch der Meinung, dass beispielsweise angesichts der Antisemitismusdebatte in Deutschland der jüdische Glauben intensiver behandelt werden sollte. Vorurteilen, die aus Nichtwissen entstehen, sollten wir mit allen möglichen und geeigneten Mitteln entgegenwirken. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ja, lieber SSW, tatsächlich existiert die ganz freie Wahl zwischen Religions- und Philosophieunterricht nicht flächendeckend und überall durchgehend. Sie dürfen einmal raten, woran das liegt. Ganz genau: Wir haben Lehrermangel. Der ist eklatant, außer in Philosophie auch noch in den MINT-Fächern, in Musik, Informatik und Sport.

Wie § 7 Schulgesetz - das wurde schon erwähnt - in der Realität umgesetzt wird, muss ich nicht wiederholen, da genügt ein Blick in den Erlass. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis: Stehen nicht genügend Lehrer

„in ausreichender Zahl zur Verfügung …, sollen an jeder Schule Lehrkräfte gewonnen werden, die sich in das Fach einarbeiten. … Sofern kein … Philosophieunterricht angeboten werden kann, kann im Einvernehmen mit den Eltern auch anderer … Unterricht, der

dem Religionsunterricht nicht gleichwertig ist, vorgesehen werden.“

Erst wenn die Eltern nicht zustimmen, dann haben die Schüler unterrichtsfrei. Sie sehen also: Geregelt ist, was zu regeln ist. Wir wissen aber auch, dass sich aus dem Erlass kein unmittelbarer Rechtsanspruch ableitet oder ergibt.

Kurz zur Praxis: Wir haben einen Mangel an Philosophielehrern. Da stellt sich natürlich auch die Frage: Was ist in den letzten Jahren passiert, um dem entgegenzuwirken? Es soll nicht gesagt werden, dass nichts passiert ist. Genau 188 Grundschullehrer haben sich fortgebildet. Das ist eine enorme Zahl. Fest steht aber auch, dass gleichzeitig eine Lücke besteht. Die muss natürlich kleiner beziehungsweise geschlossen werden.

Am Thema völlig vorbei geht es aber dann doch, wenn der SSW wortwörtlich fordert, die Religionsfreiheit an öffentlichen Schulen sicherzustellen. Die Religionsfreiheit ist in Deutschland durch das Grundgesetz geregelt und fest verankert. Die Wahl zwischen Religionsund Philosophieunterricht besteht. Deshalb muss Religionsfreiheit auch nicht sichergestellt werden.

Eltern werden über die Wahlfreiheit informiert. Das ist die Pflicht der Schule. Wo das nicht ist, da muss man bestimmt nachbessern.

Nun aber so zu tun, als ob die Religionsfreiheit in unzulässiger Art und Weise eingeschränkt sei, wie es in Ihrem Antrag heißt, ist schon dick aufgetragen. Es entsteht der Eindruck, als ob die reale Gefahr der Einschränkung der Religionsfreiheit bestehen würde. Wäre das tatsächlich so, dann müsste der Antrag an ganz anderer, an höherer Stelle gestellt werden. Aber ich ahne ja auch, was der SSW wirklich meint: Bei der Lehrkräftegewinnung darf der Philosophieunterricht nicht vernachlässigt werden.

Wobei aber auch klar gesagt werden muss: Die Lehrkräftegewinnung ist - wie eingangs gesagt ohnehin das Thema der Stunde. Aber das gilt für zahlreiche Fächer. Jedes Fach ist wichtig und erfüllt seine Aufgabe. Solange wir aber jetzt nicht die Wahl haben, das heißt, solange das Angebot an frisch ausgebildeten Lehrern knapp ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als zu priorisieren. Dabei muss man auch die Wünsche der Schüler und natürlich der Eltern mit einbeziehen. Wissen Sie, was die Eltern sich wünschen? Die Schüler wünschen sich oft frei, aber die Eltern wünschen sich in erster Linie - Sie ahnen es, Philosophie steht im Ranking

(Anita Klahn)

nicht an der obersten Stelle -, dass 100 % Unterricht zuverlässig erteilt wird.

(Beifall AfD)

Das ist unsere Baustelle. Das ist Arbeit genug. Wir sollten jetzt nicht so tun, als ob die Religionsfreiheit abgeschafft wird.

(Lars Harms [SSW]: Wollen wir die Religion abschaffen oder was?)

- Um Himmels Willen, ich habe gesagt, jedes Fach ist wichtig.

Und eine persönliche Anmerkung zum Schluss: Mir persönlich ist Ethik wichtig, mir ist Religionsunterricht wichtig, und konfessioneller Unterricht ist mir ganz wichtig. Und da der Bogen schon sehr weit von meinen Vorrednern gespannt worden ist: Also den Bonhoeffer - schauen Sie auf meiner Homepage - habe ich auch. Damit habe ich mich zwei Jahre sehr intensiv beschäftigt.

(Zuruf SPD)

- Ja, wir haben ein neues Hobby. Irgendetwas muss ich wohl überlesen haben.

(Martin Habersaat [SPD]: Dann treten Sie aus aus diesem furchtbaren Verein!)

- Dann treten Sie aus? Dann zeigen Sie mir bitte bei Bonhoeffer noch einmal genau, auf was Sie sich beziehen. Dazu bin ich gerne bereit.

Ich bin auch gern bereit, ja, ich freue mich sogar, im Ausschuss darüber zu beraten, was wir jetzt tun können, gerade im Bereich Philosophie und Unterrichtsversorgung. Vielleicht finden wir da zusammen und eine Lösung, wie wir das konkret angehen können. - Vielen Dank, meine Damen und Herren, und einen schönen Feierabend nachher.

(Beifall AfD)

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Anfang dieser, wie ich finde, sehr wichtigen Debatte einen Satz von Böckenförde, den viele von Ihnen kennen werden, zitieren:

„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“

Wenn wir uns diesen Satz vor Augen führen, so wissen wir wohl miteinander, welche große Bedeutung in diesem Zusammenhang sowohl der Religionsunterricht als auch der Philosophieunterricht haben. Ich bin sehr froh, dass insbesondere Frau von Kalben, aber auch Herr Habersaat darauf hingewiesen haben, dass Schule natürlich auch außerhalb dieser Fächer aufgefordert ist, die Werteerziehung unserer Kinder und Jugendlichen zu betreiben, und dass insbesondere die Evangelische Kirche in ihrer Ausrichtung des Religionsunterrichts einen starken interreligiösen Ansatz hat.

Die Religionsfreiheit, meine Damen und Herren, ist ein Menschenrecht, ein zentrales Grundrecht. Ihr kommt im Zusammenhang mit der Feststellung von Böckenförde eine entscheidende Bedeutung zu. Ohne Religionsfreiheit und starke Religion erodieren Demokratie und pluralistische Gesellschaft. Sie sind essenziell für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und nicht verhandelbar. Die Religionsfreiheit ist so wichtig für unseren Staat, für unsere Demokratie, für die Menschen, die in Deutschland leben, dass das Fach Religion übrigens als einziges Schulfach verfassungsrechtlich garantiert ist. Das Grundgesetz und auch die schleswig-holsteinische Landesverfassung bekennen sich damit auch zur Zusammenarbeit mit den Kirchen und zum konfessionsgebundenen Religionsunterricht. Zugleich beinhaltet die Regionsfreiheit auch die Freiheit, keiner Religion anzugehören, und damit auch das Recht, an keinem Religionsunterricht teilzunehmen. Das ist im Einzelnen bereits ausgeführt worden.

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall SSW)

Diese Rechtslage ist eindeutig, und sie gilt. In der Begründung des SSW-Antrags heißt es, dass die Religionsfreiheit in Schleswig-Holstein durch die Unterrichtspraxis in unzulässiger Weise eingeschränkt sei - das war ein Zitat -, und dies dadurch, dass nicht an jeder Schule parallel zum Religionsunterricht anderweitiger gleichwertiger Unterricht angeboten würde. - Diese Aussage kann ich so nicht stehen lassen. Mir ist auch wichtig, noch einmal darzulegen, warum das so nicht zutreffend ist. Lassen Sie mich die Rechtslage kurz erläutern.

Gesagt wurde, das Grundgesetz, Artikel 7, und die schleswig-holsteinische Landesverfassung regelten, dass der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen ordentliches Lehrfach sei. Danach nehmen Schülerinnen und Schüler am Religionsunterricht

(Dr. Frank Brodehl)

teil, und zwar an dem Religionsunterricht ihrer Konfession. Auch das ist verfassungsrechtliches Gebot. Aufgrund dieses verfassungsrechtlich garantierten und landesgesetzlich konkretisierten Religionsunterrichts haben die Eltern das Recht, ihre Kinder abzumelden. Mit dem 14. Lebensjahr können die Schülerinnen und Schüler dies selbst tun. Sie können sich abmelden: Eine Wahlfreiheit, Frau Waldinger-Thiering, gibt es nicht. Rechtlich gibt es keine Wahlfreiheit. Mir ist es wichtig, dies klarzustellen. Man hätte es vielleicht gern anders, aber unsere Verfassungs- und schulgesetzliche Lage sind so.

Trotzdem - das ist das Besondere an SchleswigHolstein; Herr Loose hat das hervorgehoben - ist man in Schleswig-Holstein schon seit 1995 ab der Sekundarstufe I dazu übergegangen zu sagen: Wir bieten einen gleichwertigen Ersatzunterricht an. Das ist übrigens keine Selbstverständlichkeit. Andere Bundesländer sagen: Wir machen ein Wahlpflichtfach oder ein Wahlfach daraus. Wir waren damit also schon früh relativ weit. 2010 ist man dann noch ein Stück weitergegangen und hat gesagt: Wir machen das nicht nur für die Sekundarstufe I, wir machen das auch für die Grundschulen. Das war seinerzeit ein ehrgeiziges Unterfangen; denn zum damaligen Zeitpunkt gab es kein gesondertes Grundschullehramt und schon gar keine Ausbildung der Grundschullehrer in Philosophie. Das heißt, man hatte die Lehrkräfte gar nicht und hat trotzdem diesen Erlass gemacht.

Die ersten Grundschullehrer im Fach Philosophie werden seit 2014 an der EUF ausgebildet. Die allererste Lehrerin ist jetzt gerade fertig geworden. Das wissen wohl alle hier im Haus, die am Lehrkräftebildungsgesetz beteiligt waren. Um die Lehrkräftesituation, die man ja in diesem Zusammenhang im Auge haben muss, wissen wir also alle miteinander.

Es gibt andere Maßnahmen, die man ergriffen hat, um Grundschullehrer fortzubilden, damit sie das Fach unterrichten können. Auch das wissen Sie. 188 sind zwischenzeitlich ausgebildet worden, 25 weitere werden jährlich ausgebildet. Das ist ein ziemlicher Kraftakt. Leider sind nur sehr wenige junge Menschen bereit, das Fach Philosophie im Grundschullehramt an der EUF zu studieren.

Dafür muss man in der Zukunft werben. Wir werden auch dafür werben. Wir werben natürlich auch dafür - auch das ist hier schon gesagt worden -, dass sich Lehrkräfte in Mathematik, in Deutsch, in Sachkunde ausbilden lassen. Es besteht eine gewisse Konkurrenzsituation. Ich denke, insoweit müssen wir auch ehrlich miteinander sein. Ich hätte diese