Protocol of the Session on September 5, 2018

Sie wollten es ja noch weiter verschärfen. Auch das haben wir natürlich in diesem Gesetz nicht vorgesehen. Darüber können wir ja dann streiten. Ihr Antrag ist die konsequente Weiterentwicklung des bisherigen Gesetzes,

(Lars Harms [SSW]: So ist es!)

das, Kollege Harms, allerdings wirklich keiner angewandt hat.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz sagen. Herr Harms, Sie haben gestern öffentlich geäußert, Sie seien stolz darauf, dass die vorige Landesregierung dieses Gesetz erschaffen habe.

(Lars Harms [SSW]: Ja!)

Dazu sage ich Folgendes: Auf ein Gesetz, das komplett, zu 100 %, von Nordrhein-Westfalen abgeschrieben war und in einer Nacht- und Nebelaktion mit heißer Nadel kurz vor Schluss noch auf schles

wig-holsteinische Verhältnisse angepasst werden musste, das dann im Ergebnis - so lauten der Evaluationsbericht und der Bericht des Landesrechnungshofs - niemand angewandt und das nichts bewirkt hat, wäre ich nicht stolz. Da bin ich lieber stolz auf ein Gesetz, das so schlank ist, dass es für viele Vergabegesetze in Deutschland Vorreiter sein kann. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Ich würde noch nicht so weit gehen zu sagen, dass die Zeit des Ministers abgelaufen ist, aber in der Tat hat er die vorgesehene Redezeit um 2 Minuten erweitert. Diese steht nun natürlich sämtlichen Fraktionen zur Verfügung.

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Lukas Kilian das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Wir diskutieren heute über eine wesentliche Änderung des Vergaberechts. Das Tariftreue- und Vergaberecht Schleswig-Holstein, zukünftig nur noch Vergaberecht, wird tatsächlich deutlich entschlackt. Das erkennt man schon an der Anzahl der Paragrafen. Dabei müssen wir gar nicht über die Erläuterungen sprechen. Allein die Paragrafen verringern sich schon massiv. Aus 20 Paragrafen werden sechs, und im sechsten wird nur der Übergang vom letzten zum neuen Gesetz geregelt sein. Der Regelungsgehalt steht also im Endeffekt in genau fünf Paragrafen. Aus 20 mach 5. Das zeigt schon, dass wir deutlich entschlacken und das Vergaberecht so vereinfachen, dass es derjenige, der es liest, auch verstehen kann.

(Beifall CDU und FDP)

Wie schafft man es, dass man 15 Paragrafen ersatzlos streicht? Das schafft man in allererster Linie dadurch - der Herr Minister hat dies eben schon erläutert -, dass man gesetzliche Doppelungen aus dem Vergaberecht streicht. Wenn etwas irgendwo gesetzlich definiert ist und einen Standard bildet, es von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert ist, wenn man sagt, es befindet sich im Geltungsbereich eines Bundesgesetzes, oder wenn es in anderen Gesetzen, die bundesweite Geltung haben, verpflichtend vorgeschrieben ist, ergibt es keinen Sinn, es im schleswig-holsteinischen Tariftreue- und Vergabegesetz noch einmal rein deklaratorisch zu wiederholen. Wenn man meint, dass es wichtig sei - das

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

hat man auf der einen oder anderen Demonstration gehört -, um den besonderen Stellenwert dieses Gesetzes noch einmal hervorzuheben, dann frage ich mich, warum die Vorgängerregierung in das Tariftreue- und Vergabegesetz nicht auch hineingeschrieben hat, dass sich die Menschen, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen, bitte auch an das Strafgesetzbuch und an die Straßenverkehrsordnung halten sollen; denn diese sind ja nun auch für das gemeinsame Miteinander beachtlich. Das stand nicht darin. Dementsprechend kann man die gesetzlichen Doppelungen ohne Probleme streichen, ohne dass das zu irgendeiner Regelungslücke oder einem Problem führt.

(Beifall CDU und FDP)

Wir haben - das wurde eben noch nicht so deutlich ausgeführt - im Vergabegesetz auch weiterhin vergabefremde Kriterien. Wir haben einen Großteil der vergabefremden Kriterien herausgestrichen, aber vergabefremd ist natürlich noch der Vergabemindestlohn. Hier hat sich die Koalition zumindest darauf einigen können, dass der Vergabemindestlohn nicht angefasst wird. Es wird also keine Erhöhung des Vergabemindestlohns geben. Wir sind aus CDU-Sicht deutlich der Auffassung, dass sich mit stetigem Steigen des Bundesmindestlohns irgendwann der Vergabemindestlohn erübrigt hat und es dann auch dahin gehend kein verpflichtendes vergabefremdes Kriterium mehr im Vergaberecht geben wird.

Die Arbeitnehmerrechte sind geschützt, insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr. Dies wurde ausgeführt. Das sah man heute auch eindrucksvoll an der Demonstration einiger weniger. Schon bei der letzten Demonstration wurden die Menschen aufgefordert, gegen etwas zu demonstrieren, das - wie es auch dem DGB im Vorwege mitgeteilt wurde - schon geändert und entsprechend angepasst war.

(Kay Richert [FDP]: Sehr richtig!)

Nichtdestotrotz tut uns ein bisschen Aufregung manchmal ganz gut.

Das Wichtigste und Beste an dem Vergaberecht ist meines Erachtens die Eigenerklärung. Ich muss sagen, ich verstehe nicht, wieso man sie nicht schon vorher eingeführt hat. Die Eigenerklärung ist etwas erklärungsbedürftig. Man weiß nicht unbedingt, was das ist. Nach aktuellem Vergaberecht muss man, wenn man sich um einen öffentlichen Auftrag bewirbt, eine Vielzahl von Unterlagen ausfüllen, eine Vielzahl von Verpflichtungen und Garantien übernehmen, und das nur, um sich dafür zu bewer

ben, den Auftrag zu bekommen. Sie müssen sich also vorstellen: Man bewirbt sich auf einen Job und arbeitet erst einmal zehn Stunden zur Probe, aber es ist noch nicht klar, ob man diesen Job bekommt, und diese zehn Stunden, die man arbeitet, sind auch unentgeltlich.

Jetzt sagen wir: Das ergibt keinen Sinn; denn das führt gerade dazu, dass sich kleine und mittelständische Betriebe nicht an öffentlichen Vergaben beteiligen, weil sie sagen: Wir haben nicht die Kapazitäten, wir haben nicht so viel Personal, dass wir erst einmal zehn Stunden für einen Auftrag arbeiten, den wir am Ende gar nicht bekommen.

Wir sagen: Wir führen die Eigenerklärung ein. Das heißt, jeder, der sich an einer Ausschreibung beteiligt, muss im Verfahren einfach nur versichern: Ich werde mich an die Anforderungen halten. Und nur jener, der am Ende auch die Früchte erntet, nämlich den Auftrag bekommt, muss den Nachweis liefern. Alle anderen sind mit dieser absolut unnötigen Bürokratie nicht mehr belastet. Ich denke, das ist ein ganz zentraler Vorteil, den das neue Vergaberecht bietet, den wir zur Entbürokratisierung in diesem Land richtig gesetzt haben.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Sie wissen: Wir arbeiten mit Hingabe und Leidenschaft darauf hin, dass Schleswig-Holstein das mittelstandfreundlichste Bundesland wird. Ich glaube, hiermit haben wir einen weiteren großen Schritt getan, um mittelstandsfreundlicher zu werden.

Die SPD-Fraktion - das wurde vorhin vom Abgeordneten Dr. Dolgner erwähnt - hat in der Sommerpause das eine oder andere Praktikum gemacht. Ich weiß nicht, ob sich der Tischler, bei dem Sie, Herr Dr. Dolgner, gearbeitet haben, an öffentlichen Ausschreibungen beteiligt. Durch ein entschlacktes und vereinfachtes Vergaberecht wird es wieder möglich, dass sich auch kleine und mittelständische Betriebe daran beteiligen.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Es wäre doch schön, wenn die Auftragslage des Landes dann auch im Land bliebe.

Heute ist die erste Lesung des Gesetzentwurfs. Wir werden das erst einmal in den Ausschüssen beraten. Aber ich bitte schon heute um Zustimmung.

(Beifall CDU, FDP und Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Lukas Kilian)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Thomas Hölck das Wort.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Stell einmal den Unfug richtig, Thomas!)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein hat ein modernes Tariftreue- und Vergabegesetz.

(Beifall SPD und SSW)

Das, was auf Initiative des SSW im Jahr 2006 auf den Weg gebracht und stetig weiterentwickelt wurde, ist gut, ist modern und vorbildlich.

(Beifall SPD und SSW)

Es ist vorbildlich bei der Sicherung guter Arbeit, vorbildlich bei der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen, vorbildlich bei der nachhaltigen Beschaffung. Dafür sind der SSW, die Grünen und die SPD verantwortlich, und darauf sind wir stolz.

(Beifall SPD und SSW)

Es gibt keinen vernünftigen Grund, das Gesetz in diesem Ausmaß zu ändern. Ich frage mich wirklich, wie Schwarz-Grün-Gelb so einen Murks vorlegen kann.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: In der Tat!)

Wenn öffentliche Investitionen ausgeschrieben werden, muss es doch das Ziel sein, den größtmöglichen Nutzen zu erzielen, den größtmöglichen Nutzen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit, der Umsetzung guter Arbeit und sozialer Standards. Ein Vergabegesetz, das dazu führen kann, das Lohndumping möglich wird, das den weltweiten Kampf zur Einhaltung von Menschenrechten untergräbt, ist eines Staates unwürdig.

(Beifall SPD und SSW - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

Dieser Gesetzentwurf untergräbt die Autorität und Vorbildwirkung des Staates bei öffentlichen Auftragsvergaben. Eine globale Verantwortung für Umwelt- und Menschrechte gibt es nicht ohne verbindliche Regeln bei der Vergabe. Im Koalitionsvertrag von Jamaika steht geschrieben - ich zitiere:

„Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch das Land werden wir auf die Einhaltung sozialer Standards … achten, ohne dabei die schleswig-holsteinischen Unterneh

men und Verwaltungen mit Bürokratie zu überlasten.“

Was macht Jamaika? - Das Achten auf soziale Standards wird in die Beliebigkeit der Ausschreibenden gestellt.

(Vereinzelter Beifall SPD und SSW - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

Nach § 18 Absatz 3 des geltenden Tariftreue- und Vergabegesetzes muss die Vergabe öffentlicher Aufträge an den Bieter erfolgen, der bei wirtschaftlich gleichwertigen Angeboten unter anderem folgende Kriterien erfüllt: erstens die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach § 71 des IX Buches Sozialgesetzbuch, zweitens die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen, drittens die Gewährleistung der Gleichstellung von Frauen und Männern, die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Gar nicht mittel- standsfreundlich!)