Protocol of the Session on July 4, 2018

Dabei muss es nicht zwangsläufig immer ein Neubau sein, sondern es kann auch die Instandsetzung vernachlässigter Häuser oder die Erleichterung des Ausbaus von Dachgeschosswohnungen sein. In vielen dörflichen Ortskernen stehen Häuser leer, weil sie erheblichen Renovierungsbedarf haben oder weil sie nicht altersgerecht gebaut sind. Hier kann die Landesregierung mit Förderprogrammen Bauherren unterstützen, Wohnraum zu schaffen und zu erweitern. Wir brauchen Mieterschutz - ganz wichtig - durch das von uns eingebrachte Wohnraumschutzgesetz.

Alles das kann eine Aufnahme in die Verfassung eben nicht leisten. Deshalb sind wir bei aller Skepsis grundsätzlich für eine entsprechende Diskussion offen. Es gibt dazu eine Volksinitiative. Wir sollten in der Tat abwarten, was daraus wird, ob sie genügend Stimmen zusammenbekommt.

(Zuruf SPD)

Dann haben die Bürgerinnen und Bürger das Anrecht darauf, dass wir das hier diskutieren. Trotzdem bin ich sehr skeptisch und davon überzeugt, dass konkrete Schritte wie zum Beispiel ein Wohnraumschutzgesetz, wie zum Beispiel Wohnraumprogramme kurzfristig wesentlich wichtiger sind als

eine Verfassungsbestimmung. Wie gesagt, wir überweisen das in den Ausschuss. Ich bin offen für die Beratung. Ich bin auch gegenüber dem offen, was die Bürgerinnen und Bürger uns möglicherweise mit einer Volksinitiative vorlegen werden. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat nun der Abgeordnete Kay Richert der FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder erfrischend, wenn man den wahrscheinlich letzten Wortbeitrag hat, in so viele enthusiastische Gesichter zu gucken. Aber ich denke, es muss doch noch einmal etwas dazu gesagt werden.

Als Erstes freue ich mich sehr, dass ich jetzt den Unterschied zwischen „Angemessenem Wohnraum in die Landesverfassung aufnehmen“ und „Aufnahme des Rechts auf angemessenen Wohnraum in die Landesverfassung“ erklärt bekommen habe. Darüber hinaus wurde auch schon mehrfach erläutert, warum wir es kritisch sehen, dass dieses Recht in die Verfassung aufgenommen wird. Man kann es zusammenfassen mit: Es bringt niemanden weiter, und in einem Satz auf Papier kann auch niemand angemessen untergebracht werden.

Was kann man aber tun, um wirklich dort Abhilfe zu schaffen? - Man kann das in zwei Dingen sagen: Einmal muss das Bauen billiger werden. Dafür sollten wir Bauvorschriften auf ihre Notwendigkeit hin überprüfen, und es enthält auch einen Automatismus. Wenn Bauen billiger wird, dann kann auch das Wohnen günstiger werden.

Bürokratie abbauen ist der zweite Punkt. Das gilt übrigens auch für Infrastrukturverfahren, auch da würden wir gerne ein bisschen mehr Bürokratie abbauen. Dann werden nämlich wieder mehr Betriebe bauen. Mehr Betriebe werden sich beim Bauen engagieren und das wird in mehr Wohnungen resultieren, was wiederum den Markt entspannt.

Wir Jamaikaner gehen diesen Weg, und wir wollen auch richtig Bürokratie abbauen. Das kann man auch schon sehen; denn wir haben aus diesem Grund den Landesmindestlohn gerade angefasst, und wir werden deswegen auch das Vergabegesetz

(Lars Harms)

ändern. Außerdem werden wir noch weitere Bürokratie abbauen.

Es war mir ein Anliegen, Ihnen das zu sagen. Man muss die Augen aufmachen. Sozialpolitik findet man auch da, wo man sie nicht sofort vermutet. Ich lade Sie ein, mitzumachen. Jamaika bringt dieses Land voran. Seien Sie dabei! - Danke schön.

(Beifall FDP)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Lasse Petersdotter aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich habe doch noch kurz den Bedarf, mich hierzu zu äußern, gerade weil Herr Kollege Richert angekündigt hat, wie die Linie von Jamaika als Ganzes sei: Bürokratieabbau, Bauen müsse billiger werden. - Das ist längst nicht die Antwort, das ist auch nicht die alleinige Position in dieser Koalition.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Es tut mir leid. Der Markt hat über Jahrzehnte gezeigt, gerade beispielhaft am Wohnungsmarkt, dass er sich nicht selbst reguliert, dass Menschen mitunter durchfallen und dass der Wohnungsbereich ein angespannter bleibt, auch ohne, dass die Voraussetzungen besonders anspruchsvoll wären. Es ist auch nicht so, dass nicht gebaut wird oder dass wir eine Konjunkturphase hätten, in der es unattraktiv wäre zu bauen - im Gegenteil.

Das Problem ist auch, dass der Markt so funktioniert, dass bei einer Verknappung des Wohnungsangebotes der Preis steigt. Wenn die Nachfrage weiterhin steigt und das Angebot sinkt, hat man einen hohen Preis. Das ist eine Logik, die der Markt verfolgt, die aber auch die großen Investoren kennen und deswegen ein Interesse an der Verknappung des Marktes haben. Daher muss der Staat eingreifen. Wir kommen daher nicht umhin, nicht einfach nur zu sagen, wir müssten Bürokratie abbauen und das Bauen billiger machen. Wir kommen auch nicht umhin, nur zu sagen, wir müssten irgendwelche Umweltmaßnahmen oder Dämmmaßnahmen senken, weil das letzten Endes nichts anderes als eine Umverteilung auf die Nebenkosten ist.

Auf die Äußerungen des Kollegen Rossa möchte ich eingehen. Bei den Anträgen, die hier debattiert werden, geht es um einen angemessenen Wohnraum und den Erhalt und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Das ist aus Kieler Perspektive extrem notwendig.

(Beifall SPD)

Das ist auch extrem sinnvoll. Dabei geht es immer um Mieterschutz. Wenn Sie dann von einer Überdramatisierung der Debatte sprechen, habe ich dafür ehrlicherweise wenig Verständnis. Wenn ich mir ansehe, wie die Situation der Menschen, die hier in Kiel Wohnraum suchen, ist, dann stellt sich diese anders dar. Das sind nicht nur Leute mit niedrigem Einkommen, das sind auch Studierende aus wohlprivilegierten Häusern, die 16 Wohnungsbesichtigungen oder noch viel mehr machen müssen. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem in Kiel, und zwar in allen Bereichen. Dadurch entwickeln sich Verdrängungsmomente, weil es auch keinen mittleren Wohnraum gibt und sogar der hochpreisige Wohnraum fehlt. Es heißt, wir haben eine dringende Wohnungsnot. Abschließend muss ich sagen, Wohnungsnot ist nicht gleich Obdachlosigkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Es gibt eine Wohnungsnot in allen finanziellen Schichten, und der müssen wir hier begegnen. Es reicht nicht alleine aus, über Bürokratie zu sprechen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat nun aus der FDP-Fraktion der Abgeordnete Holowaty.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wundert nicht, dass wir heute bei diesen ganzen Diskussionen einen Aspekt noch gar nicht berücksichtigt haben. Es wird nicht eine einzige Wohnung dadurch gebaut, dass wir etwas auf ein Stück Papier, in die Verfassung, schreiben, sondern Wohnungen werden vor Ort in den Kommunen gebaut. Da gibt es wunderbare Ansätze. Wir haben gerade an dem Landesplanungsrecht gearbeitet, mit dem wir den Kommunen in den Achsenzwischenräumen in Zukunft mehr Möglichkeiten geben wollen, Wohnungsbaugebiete auszuweisen. Das sind Maßnah

(Kay Richert)

men, die tatsächlich zum Wohnungsbau führen. Wenn wir uns zusätzlich beispielsweise im Hamburger Randgebiet die Probleme der größeren Kommunen ansehen, warum dort nicht genügend Wohnraum entsteht, dann sind das Dinge wie: Wir haben gar nicht mehr die Verkehrsmöglichkeiten, um sinnvoll zu wachsen. Die Bauplätze stehen nicht zur Verfügung, um vernünftig zu wachsen. Es gibt sogar Proteste von Bürgern, die gegen die Ausweisung von neuen Wohnungsbaugebieten sind.

Ich rate uns doch sehr, dass wir mit den Kommunen ins Gespräch kommen und sie fragen: Welche Probleme gibt es ganz konkret vor Ort, die euch daran hindern, Wohnungen zu bauen?

Ich bin selber Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Planung in der Gemeinde HenstedtUlzburg, das ist quasi der Bauausschuss. Wir haben gestern getagt und uns dreieinhalb Stunden genau über dieses Thema unterhalten und haben festgestellt: Wir würden gern bauen, aber vor Ort bekommen wir die Baugebiete nicht schnell genug erschlossen. An dieser Stelle möchte ich kräftig anfassen, damit wir auf diesem Weg mehr bauen können. - Danke schön.

(Beifall FDP)

Als Nächstes hat sich der Abgeordnete Habersaat aus der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Danach folgen weitere.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die FDP zum Thema „Wir müssen dem Markt nur mehr Gelegenheiten verschaffen, wir müssen Arbeitnehmerrechte schleifen, und dann werden schon genug Wohnungen gebaut und dann haben wir was davon“ vorgetragen hat,

(Widerspruch FDP)

finde ich erschütternd und erschreckend.

(Zurufe FDP)

- Nein, ich war bei der Debatte nicht da, aber sehr wohl bei den Dreiminutenbeiträgen Ihrer Kollegen, und das reicht mir schon für einen Eindruck.

(Beifall SPD)

Der Markt richtet es eben nicht. Dem Markt ist es egal, ob Menschen wohnen.

Herr Habersaat, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogt?

Nein. - Dem Markt ist es auch egal, zu welchen Bedingungen Menschen wohnen. Dem Staat darf es nicht egal sein. Dem Staat darf es erstens nicht egal sein, zu welchen Bedingungen Menschen arbeiten, und dem Staat darf es zweitens nicht egal sein, zu welchen Bedingungen Menschen wohnen.

(Beifall SPD)

Wir wollen nicht nur etwas auf ein Stück Papier, in die Verfassung, schreiben. Sie haben recht, dadurch dass es da steht, ist nicht unmittelbar sofort Wohnraum geschaffen. Aber natürlich, und da schließt sich der Kreis zum heutigen Vormittag, bestimmen die Verfassung und deren Auslegung das Klima unseres Landes, die Grundausrichtung unseres Landes. Wenn wir in einem Land wohnen, in dessen Verfassung steht: „Die Menschen haben das Recht auf angemessenen Wohnraum“, dann wird das auch manche örtliche Debatte, so hoffe ich, in der Richtung befeuern, dass man im Interesse von Wohnraum Mehrheiten schaffen kann. Momentan haben wir in der Tat oftmals in örtlichen Diskussionen das Problem, dass nicht alle Kommunalfraktionen der Meinung sind, dass man mit sozialem Wohnraum auch in der Einfamilienhaussiedlung anfangen sollte. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat nun der Abgeordnete Dolgner aus der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich bin für die Dreiminutenbeiträge der drei Herren aus der FDP-Fraktion, aber auch für den von Lasse Petersdotter durchaus dankbar, weil sie zeigen, dass es ein unterschiedliches Problembewusstsein in diesem Land gibt. Das ist auch gut, und das gehört zur Demokratie auch dazu. Ich brauche das jetzt nicht zu wiederholen, dass Wohnraumnot nicht nur eine Frage von Obdachlosigkeit ist.

Wenn wir über Kommunalpolitik und Erfahrung sprechen, kann ich ergänzen, dass ich auch fünf Jahre Bauausschussvorsitzender war und nach wie

(Stephan Holowaty)