Wenn die Verhältnisse damals so gewesen wären, wie sie heute sind, hätten wir diesen Koalitionsvertrag nicht umsetzen können. Davon bin ich hundertprozentig überzeugt.
Lieber Herr Kollege Peters, ist Ihnen bewusst, dass wir das Wahlprogramm unserer Parteien vor der Landtagswahl und auch den Koalitionsvertrag, den wir als Küstenkoalition geschlossen haben, mitnichten von solchen Erwägungen
der Kollegin Spoorendonk abhängig gemacht haben, sondern dass wir das vorher beschlossen hatten? Ist Ihnen bewusst, dass wir schlichtweg das umgesetzt haben, was wir miteinander vereinbart hatten? Das ist das Gegenteil dessen, was Sie hier ausgeführt haben.
Es gab manche Dinge in diesem Koalitionsvertrag, die nicht richtig umgesetzt wurden. Ich sage nach wie vor: Wenn wir jetzt die gleiche Situation hätten wie damals, dann wäre das eine sehr, sehr schwierige Diskussion geworden. Die historisch günstige Situation damals hat es uns enorm erleichert, diesen Punkt unseres Koalitionsvertrages umzusetzen. Das ist das, was ich dazu sage.
Noch etwas, Herr Kollege Dr. Stegner, zur Sozialdemokratie und die Kategorie des Verrates. Den werfen Sie uns jetzt vor. Sie werfen uns vor, dass wir unsere hehren Ziele verrieten. Diese Kategorie ist in der Geschichte Ihrer Partei seit Eduard Bernstein bis Gerhard Schröder so tief in die DNA eingebrannt, dass Sie im Grunde genommen, wenn ich das einmal psychologisch interpretieren will, hier eine Projektionsfläche brauchen, um Ihr eigenes Trauma über Ihren jahrzehntelangen Verrat in vielen anderen Dingen in psychotherapeutischer Art aufzuarbeiten. Da machen wir Grüne nicht mit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist wirklich schwer zu toppen. Das war natürlich eine Glanzleistung, Herr Peters.
Herr Nobis, warten Sie bitte kurz. - Bei aller Aufregung in der Sache und über einzelne Formulierungen von Kollegen bitte ich Sie alle trotzdem, dem Abgeordneten Nobis zuzuhören; denn er hat sich zu einem Kurzbeitrag gemeldet. Diesen Respekt sollten wir jedem Redner entgegenbringen. - Bitte schön.
Herr Dr. Stegner, Sie unterbieten Ihr niedriges Niveau hier jeden Tag ein bisschen mehr - erst mit der Satire auf Facebook, gestern mit dem Zwischenruf und heute wieder. Auch Ihr Demokratieverständnis lässt wirklich zu wünschen übrig. Neben Sie bitte zur Kenntnis, dass wir fünf gewählte Volksvertreter sind, genauso wie Sie.
- Gewählt ist gewählt, genauso ist es. - Ihre moralische Überheblichkeit ist in dieser Hinsicht wirklich schwer zu ertragen. Ich glaube, Herr Schaffer hat hier von allen Rednern wirklich den sachlichsten Vortrag gehalten.
- Doch, zu 100 %. Ich möchte Sie aber einmal an Ihren eigenen Worten messen. Im Dezember 2016 gab es den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, das wissen wir. Am 27. Dezember 2016 kurz nach dem Attentat - twitterte Herr Dr. Stegner: Stegner fordert Abschiebehaft für Gefährder. Er hat es eben gesagt, und es stand auch überall in der Presse, zum Beispiel in den „Kieler Nachrichten“. Er hat auch gesagt: Es sollten so schnell wie möglich die faktischen und rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Diese Forderung von Herrn Dr. Stegner stand in der Presse.
Was heißt das denn? - Es heißt, dass wir eine Abschiebehaftanstalt brauchen. Das ist hier ja eigentlich auch unumstritten. 20 Haftplätze im Vergleich zu allein über 550 islamistischen Gefährdern in Schleswig-Holstein ist ein absolutes Minimum. Das war damals kurz vor der Wahl Linkspopulismus. Sie bleiben aber nicht einmal Ihrer eigenen Linie treu; Sie fordern Abschiebehaftplätze, haben aber in der Küstennebelkoalition die Rendsburger Abschiebehaftanstalt abgeschafft. Am Ende bleibt von dem,
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Stegner, Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass wir uns weltpolitisch, in Europa und auch in der Bundespolitik heute in einer äußerst angespannten und schwierigen Situation befinden. Sie haben selbst die rhetorische Frage in den Raum gestellt, ob es dieser Debatte am heutigen Tage wirklich bedurft hätte. Dafür, dass es die Debatte gibt, ist allein die SPD-Fraktion mit Ihrem Antrag verantwortlich. Es wäre an Ihnen gewesen, diesen Antrag gegebenenfalls zurückzuziehen. Es ist deutlich geworden: Es ging Ihnen gar nicht um die Sache selbst. Sie haben gesagt, Ihre Haltung und Position hätten sich überhaupt nicht verändert. Das gilt auch für uns. Um dies festzustellen, hätten wir diese Debatte nicht gebraucht.
Der einzige Anlass für diese Debatte - das ist aus beiden Wortbeiträgen von Ihnen sehr deutlich geworden - ist der Versuch gewesen, hier die Grünen vorzuführen und ihnen Verrat und Gesinnungswandel vorzuwerfen. Allein deshalb haben Sie diese Debatte hier angestrengt. Man sieht, zu welchen Ergebnissen dies führt und welche Verschärfung in die Debatte dadurch hineinkommt, wie hier mit Argumenten gearbeitet wird, die jeden Boden des Konsenses verlassen.
Hier wird mit geschlossenen Anstalten für Jugendliche und Familiennachzug aus Afghanistan argumentiert. Das hat mit dem eigentlichen Kern des Themas überhaupt nichts zu tun. Deswegen glaube ich, dass es besser gewesen wäre, wenn wir diese Debatte nicht geführt hätten. Es wäre besser gewesen, wenn die SPD der Versuchung widerstanden wäre, hieraus politisches Kapital zu schlagen. Es hilft uns allen nicht weiter, sondern verschärft die Diskussion.
Ich würde Sie dringend bitten, in Zukunft in sich zu gehen und nicht mit dem Feuer zu spielen mit solchen Anträgen, die nur dazu dienen sollen, hier politische Brandsätze zu werfen, die uns allen nicht helfen.
(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD - Sandra Redmann [SPD]: Jetzt ist aber Schluss! - Weitere Zurufe und Unruhe SPD)
(Anhaltende Unruhe SPD - Birte Pauls [SPD]: Das gibt es doch eigentlich gar nicht! - Weitere Zurufe SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tatsächlich ist es so, dass auch wir unsere Haltung nicht geändert haben. Wir sind aber in einer Koalition und haben uns deswegen entschieden, auch die Abschiebehaftanstalt mitzutragen. Frau Touré hat uns erklärt, dass es dafür aufgrund der Gesetze, die wir haben, fachliche und sachliche Gründe gibt.
Ich habe noch einmal nachgeguckt. 2015 wurden neue Bundesgesetze erlassen, die sehr viel mehr Tatbestände für Abschiebehaft geschaffen haben. Ich weiß, dass ich damals in der Presse gesagt habe: Mir graut vor dem Tag, an dem wir hier darüber diskutieren müssen, dass wir in Schleswig-Holstein wieder eine Abschiebehaftanstalt haben werden. Dieser Tag nahte damals schon.
Das heißt aber trotzdem nicht, dass wir unsere Haltung dazu verändert hätten. Was mich an dieser Debatte wirklich ärgert, ist, wenn hier von Verrat und Ähnlichem gesprochen wird. Ich glaube nicht, dass dies hilft, diese Debatte sachlich zu führen.
- Ich kann mir auch vorstellen, dass es für die Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie hier im Haus ein harter Schlag war. Ich hätte diese Wortwahl so nicht getroffen.
Gleich bei Einbringung des Antrages hier haben Sie aber den Vorwurf des Umfallens erhoben. Sie haben sich auf meine Behauptungen als Fraktionsvorsitzende in den Diskussionen in der Führung der Küstenkoalition bezogen, die ich anders erlebt habe. Mit einer großen Aufregung ist hier gesagt worden, dass das alles nicht stimme und alles gelogen sei. Das sind übrigens auch Worte, die nicht parlamentarisch sind.
- Ich habe es gehört, liebe Frau Raudies. Mir ist vorgeworfen worden, dass ich hier etwas Falsches behauptet hätte. Ich finde, dass wir vor einer neuen Situation stehen. Wir haben für eine Schließung von Haftanstalten oder für ihre Nichtneuschaffung keine Mehrheit in der Bevölkerung. Offensichtlich gibt es eine Mehrheit in der Bevölkerung, die möchte, dass Menschen, die sich verweigern, das Land zu verlassen, ausnahmsweise auch in Abschiebehaft genommen werden können. Das zeigt sich sowohl im Bundestag, wo Sie in Kompromissen mitregieren und Gesetze machen müssen, als auch hier im Landtag mit Jamaika. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir alle hier sind gewählte Volksvertreter, und die Mehrheiten sind nun einmal so, wie sie sind.
Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie mir die Gelegenheit zu einer Anmerkung geben. Ich wähle diesen Weg, um deutlich zu machen, dass ich mich in meinem letzten Wortbeitrag dahin gehend äußern wollte, dass die Debatte hier unnötig verschärft wurde. Für den Begriff des „Brandsatzes“ entschuldige ich mich.