- Gut. Insofern hoffe ich, dass wir versuchen, diese Debatte so zu führen, weil wir alle mit großer Besorgnis sehen, was zurzeit im Bundestag passiert. Wenn wir als demokratische Parteien nicht vernünftig miteinander regieren, macht es die Gefahr noch größer, dass auch Deutschland irgendwann von Rechtspopulisten regiert wird. Das erfüllt mich mit großer Sorge. Ich glaube, dass es schön wäre, wenn wir als demokratische Parteien hier einen guten Stil miteinander pflegten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion war vor einiger Zeit auf Fraktionsreise in Wien und konnte dort auch an einer Sitzung der dortigen Nationalversammlung teilnehmen, wo wir relativ erschüttert feststellen mussten, wie sich der politische Diskurs in Österreich entwickelt hat. Dort wurden von der FPÖ Sachen zum Vortrag gebracht, wie sie teilweise auch die AfD vorträgt - nur regt dies in Österreich niemanden mehr auf.
Worüber hier noch aufrichtiges Entsetzen herrscht, wenn Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und dergleichen zutage treten, das ist da schon normal und hingenommen.
(Volker Schnurrbusch [AfD]: Wo tritt das denn zutage? Das ist doch nicht wahr! Das ist eine Unverschämtheit! - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Sprechen Sie über den Antrag!)
- Ich weiß ja nicht, ob Sie alle fünf der Auffassung sind, dass der Zweite Weltkrieg ein Vogelschiss war. Aber Sie gehören alle fünf einer Partei an, deren Fraktionsvorsitzender im Bundestag diese Auffassung vertritt. Das heißt: Sie sind bewusst in dieser Partei.
Die Verschiebung des Diskurses ist besorgniserregend. Sie muss einerseits immer thematisiert werden und darf uns andererseits nicht davon abhalten, die Themen zu diskutieren, die zu diskutieren wir für richtig halten. Wenn die SPD-Landtagsfraktion der Meinung ist, über den Grad an Humanität in der Flüchtlingspolitik in Schleswig-Holstein zu diskutieren, dann muss das möglich sein. Wir sind wirklich eine Fraktion, die in ihrer Geschichte dazu einiges Positives vorzuweisen hat.
Der Kollege Koch hat sich für seinen Begriff entschuldigt, deswegen gehe ich nicht weiter darauf ein. Dass der Kollege Peters uns alle eigentlich für therapiebedürftig hält und in netteren Worten eigentlich noch viel größere Frechheiten gesagt hat, will ich einmal dahingestellt lassen. Wir haben ja bald Wochenende. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser Diskussion ist es nicht ganz leicht, wieder zu einer gewissen Versachlichung und Berichterstattung zurückzukommen.
Diese Landesregierung und diese Koalition haben sich gemeinsam zu einer humanen, aber auch ehrlichen Vorgehensweise im Umgang mit vollziehbar ausreisepflichtigen Personen verpflichtet, wissend, dass es dazu erheblich gegenläufige Meinungen auch in den eigenen Reihen gibt.
Wir stimmen in diesem Hause seit Langem parteiübergreifend überein, dass freiwillige Ausreisen grundsätzlich Vorrang vor Zwangsmaßnahmen haben. Die Landesregierung beschränkt sich dementsprechend nicht allein darauf, die freiwillige Rückkehr zu befürworten, sondern wir fördern diese aktiv, beispielsweise erstens mit dem Aufbau einer flächendeckenden Rückkehrberatung in SchleswigHolstein, zweitens, indem sich das Land an Rückkehrprogrammen der Internationalen Organisation für Migration beteiligt sowie drittens an weiteren Rückkehrförderungs- und Reintegrationsprogrammen, die länderübergreifend bestehen.
Allerdings zeigt die tägliche Praxis der Ausländerbehörden deutlich und immer wieder: Trotz dieser Angebote sind nicht alle der vollziehbar ausreisepflichtigen Personen in Schleswig-Holstein - es sind aktuell über 7.000 Menschen - dazu bereit, das Bundesgebiet freiwillig wieder zu verlassen.
In diesen Fällen muss die Ausreisepflicht auch zwangsweise durchgesetzt werden. Wenn nach einem rechtstaatlichen Verfahren feststeht, dass eine Person kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, diese Person aber die Möglichkeiten der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt und ausreiseunwillig ist, kann der Staat das nicht auf sich beruhen lassen.
Dies ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, der Glaubwürdigkeit unserer Gesetze und vor allen Dingen auch der Glaubwürdigkeit unseres eigenen Handelns. Deshalb kommt als Ultima Ratio, also als letztes mögliches Mittel zur Sicherung einer Abschiebung, auch die Anordnung von Abschiebungshaft in Betracht. Sie ist bundesgesetzlich vorgesehen und steht nicht zur Disposition der Landesregierung oder des Landesgesetzgebers.
Wenn Sie das Aufenthaltsrecht ändern wollen, um Abschiebungshaft gänzlich oder für bestimmte Personengruppen auszuschließen, so wissen wir alle,
Ich möchte kurz herausstellen, was nun die konkrete Änderung seit dem Regierungswechsel vor einem Jahr ist: Bekanntlich hat die Vorgängerregierung die Abschiebehafteinrichtung in Rendsburg geschlossen. Das war und ist richtig. Sie hat aber nicht auf den Vollzug von Abschiebehaft verzichtet. Sie hat die Unterbringung lediglich in Einrichtungen anderer Bundesländer vollzogen, ohne - was entscheidend ist - Einfluss auf die dortigen Unterbringungsstandards nehmen zu können. Diese Auslagerung von Verantwortung ist nicht meine Vorstellung von guter Rückkehrpolitik.
Deshalb bin ich froh, dass sich die Jamaika-Koalition nach langem, hartem Ringen auf die Schaffung einer eigenen Einrichtung im Verbund mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern verständigt hat. Denn jetzt können wir die Standards selbst definieren. Ich finde das ganz wichtig: Nur so können wir auch die Aufenthaltsbedingungen in diesen Einrichtungen selbst beeinflussen.
Natürlich ist Abschiebehaft kein angenehmes Thema. Wir stellen uns aber dieser Verantwortung, und wir gewährleisten, dass unsere eigenen humanitären Zielvorstellungen das Leitbild bei der Unterbringung werden. Das ist für mich das richtige Signal.
Wir haben über den Kollegen Stefan Studt hier schon einiges gehört. Ich will das Ganze nicht weiter ausführen, aber er war als Mitglied der Landesregierung verpflichtet, Gesetze umzusetzen und von daher Vorschläge zu machen. Es ist in meinen Augen nicht verwerflich, dass sich eine Landesregierung mit diesen Themen auseinandersetzt, auch wenn man dies politisch innerhalb der Fraktionen anders sieht.
Aber Tatsache ist - nachzulesen im „Hamburger Abendblatt“ vom 4. Mai letzten Jahres -, dass es bereits konkrete Gespräche der Landesregierung zu dieser Schaffung einer gemeinsamen Abschiebehafteinrichtung gegeben hat. Des Weiteren muss man feststellen, dass sich die vorige Landesregierung für die Mitnutzung des Ausreisegewahrsams am Hamburger Flughafen eingesetzt und diese ermöglicht hat.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zur Abschiebungshaft bei Minderjährigen sagen. Diese kann nur dann in Betracht kommen, wenn sie wirklich absolut unvermeidbar ist, weil alle anderen Möglichkeiten zur Aufenthaltsbeendigung ausgeschöpft sind. Es darf durch die Haft zu keiner Gefährdung des Kindeswohls kommen.
Die Behauptung, eine Minderjährigenhaft sei mit dem Bundesrecht nicht vereinbar, ist schlicht falsch. Diese Form der Haft hat aber absoluten Ausnahmecharakter. Dies haben wir für die schleswigholsteinischen Ausländerbehörden in einem Erlass vom 1. September 2017 ausdrücklich noch einmal herausgestellt. Enthalten in diesem Erlass sind auch Schutzbedingungen für die weiteren, von der SPDFraktion angesprochenen vulnerablen Personengruppen, wie zum Beispiel Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, behinderte Personen oder Schwangere. Abschiebungshaft bei Minderjährigen wird deshalb in der Praxis nicht oder nur äußerst selten zur Anwendung kommen. Nehmen Sie es mir bitte ab: Darüber bin ich sehr froh.
Sollte sich ein solcher besonderer Ausnahmefall in Schleswig-Holstein dennoch ergeben, werden wir sicherstellen, dass das Kindeswohl beim Vollzug angemessen berücksichtigt wird. Aber auch hier gilt: Wir wollen die Verantwortung selbst tragen. Ich kann es jedenfalls nicht mit meinen humanitären Überzeugungen in Einklang bringen, in einem solchen Fall - statt die Abschiebungshaft nach unseren Prinzipien zu vollziehen - die Unterbringung in einer Einrichtung außerhalb Schleswig-Holsteins nach dortigen Bedingungen zu erzwingen oder stattfinden zu lassen.
Wir als Landesregierung und die Jamaika-Koalition sind deshalb angetreten, eine gleichsam humane wie ehrliche und offene Rückkehrpolitik zu betreiben. Bei der Durchsetzung vollziehbarer Ausreiseverpflichtungen ist das Instrument der Abschiebehaft unverzichtbar. In unserer eigenen Verantwortung werden wir sicherstellen, dass der Vollzug so gestaltet wird, wie es unserer gemeinsamen Grundüberzeugung von Humanität entspricht. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Minister. - Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 2 Minuten 45 Sekunden überschritten. Gibt es Fraktionen, die von dem dadurch entstehenden Redezeitkontingent Gebrauch machen wollen? - Das ist nicht der Fall. Weitere Wortmeldungen liegen auch insgesamt nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Es ist beantragt worden, über die Anträge in der Sache abzustimmen. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/763, abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der CDUFraktion, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion und der AfD-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Abgeordneten des SSW abgelehnt.
Ich lasse dann über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/796, abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen kann es nicht geben. Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der CDU-Fraktion, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion und der AfD-Fraktion gegen die Stimmen der SPDFraktion und der Abgeordneten des SSW angenommen.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich einen kurzen Hinweis geben und sagen, dass es aus Sicht des Präsidiums sicherlich auch ein Zeichen von Größe sein könnte, wenn man Verletzungen, die von einzelnen Abgeordneten gegenüber bestimmten Fraktionen verursacht worden sind, auch am Rande der Plenarsitzung ausräumen könnte, um weiter eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Regierungsfraktionen und Opposition zu ermöglichen. Es ist jedem freigestellt, wie man damit umgeht, aber der Hinweis sei mir gestattet.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich gehe davon aus, dass der Antrag mit der Drucksachennummer 19/747 durch die Mitantragstellung zum Antrag Drucksache 19/794 seine Erledigung gefunden hat. - Widerspruch sehe ich nicht.
Ich lasse somit über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/794, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen.
Sammeldrucksache über Vorlagen gemäß § 63 Absatz 1 a der Geschäftsordnung des SchleswigHolsteinischen Landtags
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Sammeldrucksache. Die Voten für die einzelnen Tagesordnungspunkte, für die eine Gesamtabstimmung nach § 63 Absatz 1 a der Geschäftsordnung vorgesehen ist, entnehmen Sie bitte der Ihnen vorliegenden Drucksache 19/777. Voraussetzung für
die Abstimmung ist, dass keine Abgeordnete oder kein Abgeordneter widerspricht. - Das ist offenbar nicht der Fall.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer mit der Übernahme der Empfehlungen entsprechend der Sammeldrucksache 19/777 einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit hat der Landtag diese Empfehlungen einstimmig beschlossen.