Wir reden hier von Angriffen auf Menschen an ihren Häusern und Wohnungen. Wir reden von zerstochenen Reifen, zerstörten Auspuffanlagen, Farbbeutelattacken und Farbschmierereien an Hauswänden. Wir reden von hetzerischen Flugblattaktionen in der Nachbarschaft. Wir reden von öffentlichen Diffamierungskampagnen an Arbeitsstätten und Hochschulen.
Meine Damen und Herren, unbescholtene Menschen werden mit widerlichen Lügen und mit verleumderischer Hetze überzogen. Sie werden im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld massiv diskreditiert. Die Zielrichtung ist klar: Es ist die soziale und nicht selten auch berufliche Ausgrenzung von Menschen, die sich politisch engagieren. Was diese Form der politischen Kriminalität zum objektiv feststellbaren Schaden, auch seelisch, bei den Opfern, den Angehörigen, den Freunden und Nachbarn auslöst, vermag man sich kaum vorzustellen. Wer aber einmal - wie ich selbst - in die Augen von Kindern geguckt hat, die weinend und zitternd vor einem beschädigten Fahrzeug, nämlich dem Familienfahrzeug, standen, der weiß, was das bedeuten kann. Dabei liegt eine einfache Lösung auf der
Hand. Sie besteht schlicht darin, die öffentliche Bekanntmachung von privaten Adressen in die Entscheidung des Betroffenen selbst zu legen. Exakt das liegt Ihnen hier als Antrag der AfD-Fraktion auf Änderung der Gemeinde- und Kreiswahlordnung vor. Das ist wirklich nur eine kleine Änderung, die erforderlich ist.
Der Alternativantrag, der nun vorliegt, geht in dieselbe Richtung. Er zeigt uns, dass wir im Grunde inhaltlich gleichauf liegen. Ich freue mich und beantrage daher die gemeinsame Beratung beider Anträge im Innen- und Rechtsausschuss. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Um gleich dem Gejammer der AfD entgegenzutreten: Wir werden Ihren Antrag nicht ablehnen, weil er von Ihnen kommt, sondern wir werden Ihren Antrag ablehnen, weil er nicht schlüssig, meines Erachtens sogar unsinnig ist und das angesprochene Problem nicht löst.
Zum einen wird der Antrag Ihren eigenen Maßstäben nicht gerecht. Ich habe bislang kein Wort von Ihnen gehört, dass die Flüchtlinge an allem schuld sind, das vermisse ich an dieser Stelle.
Im Verfassungsschutzbericht ist festgehalten, dass Sachbeschädigungen und Übergriffe gegen Bewerber für politische Ämter zugenommen haben. Das ist eine schlimme Entwicklung, die es zu verurteilen gilt und der wir uns entgegenstellen müssen. Aber ich halte Ihre Antwort darauf, die Wohnan
schrift wegzulassen, für falsch. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der kein Bewerber für ein politisches Amt aus Angst seine Wohnanschrift verheimlichen möchte. Das war bisher in unserer Gesellschaft auch die Realität; das konnte so gemacht werden.
Deshalb sollten wir uns im Innenausschuss berichten lassen, wie sich die Situation entwickelt hat. Wir müssen uns dann fragen, welche Ursachen diese Entwicklung hat. Erst danach können wir doch sinnvolle Antworten und Gegenmaßnahmen miteinander besprechen und beschließen.
Meine werten Kolleginnen und Kollegen, es gibt überhaupt keine Rechtfertigung, und es kann auch kein Verständnis geben für Gewalt und Straftaten von wem und gegen wen auch immer, insbesondere nicht gegen ehrenamtlich engagierte Menschen.
Aber eine Bemerkung möchte ich dazu doch noch machen. Wer Tabubrüche, wer bewusste Provokationen und wer Herabsetzung und Diskriminierung als legitime Mittel seiner politischen Arbeit ansieht, ist selber Teil des Problems und bereitet den Boden für solche bedauernswerten Entwicklungen und Exzesse.
Aus meiner Sicht ist die Wohnanschrift sehr wohl eine relevante Information bei den Kommunalwahlen. Der besondere räumliche Bezug zu Wählern und zum Wahlkreis interessiert die Bevölkerung und kann die Wahlentscheidung beeinflussen. Richtig ist natürlich, dass sich die Kommunikationswege zwischen Kandidaten und Wählern in den letzten Jahren erheblich verändert haben und dass der Wohnanschrift in diesem Zusammenhang wohl nicht mehr die Bedeutung zukommt, die sie in der Vergangenheit gehabt hat. Aber das ist kein hinreichender Grund, von einer Veröffentlichung abzusehen.
Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Lassen Sie uns das Problem sorgfältig analysieren und dann die richtigen Antworten finden. Schnellschüsse werden diesem Thema nicht gerecht. Ich bedanke mich bei allen, die an der Erarbeitung des Alternativantrags mitgewirkt haben, und bitte insoweit um Zustimmung. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat erreicht uns wieder einmal ein Antrag der AfD, der Probleme der AfD regeln soll. Ich glaube, das hat der Kollege Claussen sehr gut herausgearbeitet.
Bei der Aufstellung von Kandidatinnen und Kandidaten für Kommunalwahlen, Herr Nobis, ist es bei der AfD offenkundig so, dass Bewerberinnen und Bewerber ihre Kandidatur zurückziehen, wenn bekannt wird, dass ihre Anschrift veröffentlicht wird und sogar auf dem Stimmzettel genannt wird. Von anderen Parteien, die einen ganz anderen Wahlkampf führen - Herr Claussen hat das hier sehr treffend ausgeführt -, kennen wir das nicht. Ein Stück weit liegt es tatsächlich in der Provokation, die von Ihnen ausgeht, Herr Nobis.
Allerdings wird mancher oder manche hier im Parlament festgestellt haben, dass er oder sie durch seine oder ihre Tätigkeit in das Blickfeld von Menschen gekommen ist, die ihren Unmut über politische Entscheidungen oder - man kann es nicht anders sagen - ihre geistige Verwirrtheit an ihnen auslassen.
Dabei ist das Internet in der Tat schon ein großer Fortschritt, da Schmäh- und Drohbriefe nun meist per E-Mail kommen und schlicht weggedrückt werden können, sofern der Spam-Filter sie nicht schon aussortiert und man diesem Unrat somit nicht mehr im Haus hat.
Aber ein zerkratztes Auto, mehr oder weniger feste Körperausscheidungen vor der Tür oder im Briefkasten, ein Farbbeutelinhalt an der Hauswand oder die Fuhre Mist vor der Tür können unangenehme Begleiterscheinungen eines politischen Mandats sein. Ich bin mir sicher, dass manche von uns noch eine Geschichte „drauflegen“ können.
hilft da nur wenig. Den Unmut bekommen dann eben nicht jene, die kandidieren, ab, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Büros und Geschäftsstellen der Parteien und Wählervereinigungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit solchen Situationen leben wir alle seit Jahren. Sie sind die Schattenseiten unserer politischen Kultur. Allerdings ist bei solchen Vorfällen nicht immer ein Zusammenhang mit dem Mandat oder einer besonderen Partei gegeben, auch wenn es das nicht besser macht. Im Lübecker Bürgerschaftswahlkampf beispielsweise wurden in einem Stadtteil parteiübergreifend Plakate zerstört. Deshalb auch die Formulierung in unserem Alternativantrag. Beim letzten Stein, der in das Schaufenster unserer örtlichen Geschäftsstelle flog, war die naheliegende Baustelle die günstige Gelegenheit, und es mussten noch andere Scheiben in der Nachbarschaft klirren.
Ob solche Vorfälle nun tatsächlich ein allgemeines Problem sind oder nur der unangenehme zu ertragende Beifang einer offenen Gesellschaft, hat bei den Diskussionen über Wahlrechtsreformen in den vergangenen Jahren zu der Abwägung geführt, an dieser Stelle keine Änderungen vorzunehmen. Wir haben es ja gerade erst in der vergangenen Wahlperiode diskutiert. Die bereits mögliche Auskunftssperre nach dem Bundesmeldegesetz, die allerdings tatsächlich kompliziert zu handhaben ist, wurde damals für ausreichend erachtet. Das muss man sich noch einmal anschauen.
Die Kandidatinnen und Kandidaten sollen ihrem Wahlkreis verbunden sein und natürlich die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern leben. Menschen wählen halt ungern Postfächer oder Abziehbilder. Daher gehört es gerade im kommunalen Bereich zu einer Kandidatur dazu, auch ein Stück Privatheit zu offenbaren.
Ich selbst habe bei der Wahl zur Lübecker Bürgerschaft schon Briefwahl gemacht, natürlich, wie es sich gehört, gleich den SPD-Kandidaten gewählt.
- Vorsicht mit dem Applaus! Denn ich habe mir tatsächlich noch einmal die Anschriften von allen, die kandidierten, angeschaut. Man kann ja im gesamten Stadtgebiet wohnen, wenn man kandidiert. Ich habe nachgesehen, ob einer in der Nähe wohnt. Ich bin mir sicher, dass das für viele Wählerinnen und Wähler ein Auswahlkriterium ist.
Dennoch ist es so, dass die Situation insbesondere in den großen Städten eskaliert ist. Im Land Berlin
hat man daher schon im Jahr 2015 eine Rechtsänderung vorgenommen. Für den Wahlleiter genügt nun eine Erreichbarkeitsadresse, und auf dem Stimmzettel erscheint nur die Postleitzahl.
- Allerdings, Herr Nobis, wurde diese Neuordnung begründet mit Übergriffen auf Abgeordnete und Bezirksverordnete durch gewaltbereite Rechtsextremisten und Demonstranten einer rechtsgerichteten Bürgerbewegung vor dem Haus einer Bundestagsabgeordneten, was auch die Nachbarschaft nicht erfreut hat. Das hat tatsächlich stattgefunden.