Protocol of the Session on April 27, 2018

- Allerdings, Herr Nobis, wurde diese Neuordnung begründet mit Übergriffen auf Abgeordnete und Bezirksverordnete durch gewaltbereite Rechtsextremisten und Demonstranten einer rechtsgerichteten Bürgerbewegung vor dem Haus einer Bundestagsabgeordneten, was auch die Nachbarschaft nicht erfreut hat. Das hat tatsächlich stattgefunden.

(Jörg Nobis [AfD]: Ich sage ja, es trifft nicht alle Parteien!)

- Vielleicht sollten Sie einmal mit Ihren Freunden reden, die genau diese Menschen in Berlin bedroht haben.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Jörg Nobis [AfD]: Das sind nicht un- sere Freunde!)

Die sind ja, wie wir wissen, teilweise sogar bei Ihnen beschäftigt. Hinzu kam, dass erstaunlicherweise alle NPD-Kandidaten in ihrer Parteizentrale wohnten. Aber das ist tatsächlich Berlin, und das ist nicht vergleichbar mit dem ruhigen, friedlichen Schleswig-Holstein.

Ich bitte um Zustimmung zum gemeinsamen Antrag der Demokraten, um eine vernünftige Grundlage für eine Positionierung und einen möglichen Handlungsbedarf zu erhalten. Dieser Antrag beschreibt das Problem umfassend und angemessen.

Den AfD-Antrag können wir nur ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Burkhard Peters das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Welchem Prinzip soll bei der Veröffentlichung von Wahlunterlagen der Vorzug gegeben werden - dem Interesse der Bewerberinnen und Bewerber an der Geheimhaltung ihrer Privatanschrift und damit der Wahrung ihrer Privatsphäre oder dem Interesse der Allgemeinheit, möglichst viel über die zur Wahl stehenden Personen zur

nächsten Kommunal- oder auch Landtagswahl zu erfahren und einen direkten Austausch mit den Bewerberinnen und Bewerbern zu ermöglichen? Bei einer Landtagswahl ist das Problem im Grunde genommen das gleiche. Das bildet Ihr Antrag überhaupt nicht ab, obwohl er für die kommenden Kommunalwahlen überhaupt nicht mehr relevant sein wird.

Bereits in der letzten Legislaturperiode sah der Landesbeauftragte für politische Bildung durchaus Vorteile bei dem damaligen Vorschlag - der PIRATEN -, den sich zur Wahl stellenden Menschen eine Möglichkeit zu eröffnen, ihre Privatanschrift geheim zu halten, auch weil dadurch Hürden für mögliche Kandidaturen gesenkt würden. Das könne die Demokratie stärken.

Auch das ULD befürwortete den Ansatz, eine Erreichbarkeitsanschrift genügen zu lassen, wie zum Beispiel das örtliche Parteibüro oder das eigene Wahlkreisbüro. Denn die nach jetziger Gesetzeslage bestehende Möglichkeit zum Schutz der Privatanschrift nach § 51 Bundesmeldegesetz erscheint durchaus nicht ausreichend zu sein. Viele kennen es überhaupt nicht, und die Hürden sind hoch.

Aus diesen Gründen wurde bereits im Jahr 2015 Kollege Rother hat es gesagt - in Berlin eine entsprechende Gesetzesänderung mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen, LINKEN und PIRATEN angenommen. Aber auch im Flächenland Brandenburg ist es inzwischen umgesetzt worden. Ganz von der Hand zu weisen ist der Vorschlag also nicht. Die Landtags- und Bundestagswahlen 2017 haben die Einschätzung des ULD, dass eine reale Gefahr für Bewerberinnen und Bewerber besteht, eher noch bestätigt.

Nun ist es aber geradezu zynisch, dass ausgerechnet diejenigen, die keine Gelegenheit auslassen, mit rassistischen, minderheitenfeindlichen und nationalistischen Aussagen den demokratischen Meinungskampf permanent anzuschärfen, jetzt nach dem Schutz durch die Wahlordnung und den Rechtsstaat rufen. Es ist doch die AfD, die oft mit unsäglichen Aussagen und Forderungen selbst zur Vergiftung des politischen Diskurses in unserem Land beigetragen hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Aber das Werfen von Farbbeuteln gegen Privathäuser, das Einwerfen von Fensterscheiben oder das Anstechen von Pkw-Reifen ist nicht zu akzeptieren. Niemand soll Übergriffe ganz gleich welcher Art fürchten, weil er oder sie sich bereit erklärt, sich zur

(Thomas Rother)

Wahl zu stellen. Genauso schlimm ist es, wenn bei solchen Aktionen Dritte, zum Beispiel Partnerinnen oder Partner, Kinder oder andere Personen, getroffen werden. Meine Damen und Herren, Gewalt in jedweder Form darf eine Demokratie nicht akzeptieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Natürlich kann man einwenden, wer sich für ein Mandat in einer Kommunalvertretung bewirbt, sollte auch den Mumm haben, für seine Mitbürgerinnen und Mitbürger unmittelbar an seiner Wohnanschrift erreichbar zu sein. Das, was der Kollege Clausen und der Kollege Rother hier dargelegt haben, kann ich alles sehr gut nachvollziehen.

Bevor wir uns aber Gedanken machen, wie wir den bereits beschriebenen Interessenkonflikt im Wahlrecht zwischen Persönlichkeitsschutz einerseits und Transparenz und Erreichbarkeit andererseits intelligent und sachgerecht lösen können, wollen wir erst einmal wissen, wie sich die Problemlage der Bedrohung in Schleswig-Holstein konkret darstellt, und wir wollen auch wissen, ob es der Datenschutz nicht ohnehin gebietet, entsprechende Änderungen in der Kommunalwahlordnung und auch in der Landeswahlordnung in Angriff zu nehmen. Wir wollen erst die Fakten prüfen und nicht den zweiten Schritt vor dem ersten gehen.

Das greift unser Alternativantrag auf. Wie sagt mein geschätzter Fraktionskollege Andreas Tietze oft so treffend? Erst grübeln, dann dübeln! - Vielen Dank.

(Heiterkeit, Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, CDU, FDP und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Stephan Holowaty das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Land lebt von der Mitwirkung der Menschen. Unser Land lebt davon, dass Menschen bereit sind, sich für das Gemeinwesen zu engagieren, auch davon, dass sie bereit sind, für öffentliche Wahlen zu kandidieren. Dabei - das muss ich leider auch feststellen - sind die Zeiten für Wahlkämpfer an einigen Stellen durchaus rau.

Wir haben erst gestern in den „Lübecker Nachrichten“ über eine Online-Kampagne gegen einen Bür

germeisterkandidaten in Timmendorfer Strand gelesen. Wir erinnern uns an die Drohungen gegen und den Angriff auf den ehrenamtlichen Bürgermeister von Oersdorf im letzten Jahr. Die Jahre 2012 und 2013 waren übrigens auch keine leichten Jahre für Menschen, die für den politischen Liberalismus eintraten. Ja, und auch die AfD ist von Gewalt im Wahlkampf betroffen. Ich denke, jede Partei wird Beispiele dafür nennen können, dass auch sie Gewalttaten getroffen hat, dass auch ihre Kandidaten betroffen gewesen sind.

„Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“

(Beifall FDP und CDU)

Dieser Satz wird meist dem französischen Philosophen Voltaire zugeschrieben; aber er ist aktuell wie eh und je.

Meinungsfreiheit und Pluralismus zu verteidigen und gegen jede Einschränkung der Meinungsfreiheit zu kämpfen muss ein Grundanliegen für jeden Demokraten sein.

(Beifall FDP)

Dazu gehört auch, angstfrei kandidieren zu können. Dazu gehört auch, sich nicht um seine Gesundheit, sein Eigentum oder seine Familie zu sorgen, nur weil man als Kandidat bei einer Kommunalwahl antritt. Angstfrei zu sein ist eine sehr individuelle Sache, das ist eine Sache des Umfelds. Der eine in der einen Gemeinde mag sagen, das sei überhaupt kein Problem, für einen anderen in einer anderen Gemeinde ist die Situation nicht so einfach. Dabei ist es völlig egal, welcher zu einer Wahl zugelassenen Partei man angehört. Pluralismus und Meinungsfreiheit sind unteilbar.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer kandidiert, darf kein datenschutzrechtliches Freiwild sein. Dies gilt für Kandidaten aller Parteien; dies gilt für Kandidaten zu allen öffentlichen Wahlen.

Der Schutz von Daten beginnt mit dem berühmten Begriff der Datensparsamkeit. Nur die Daten zu erheben und zu verarbeiten und erst recht nur die Daten zu veröffentlichen, die zu einem definierten Zweck wirklich zwingend erforderlich sind, das ist Datensparsamkeit.

Da weiß ich es nicht wirklich, welchen Zweck es haben soll, die vollständige Privatadresse von Kan

(Burkhard Peters)

didaten zu veröffentlichen. Welchen Nutzen ziehen Wähler daraus, genau das Haus zu kennen, in dem ein Kandidat wohnt?

Man kann sagen: Wir wollen, dass Bürger ihre Kandidaten erreichen können, dass Bürger ihre Kandidaten befragen können. Ich frage mich allerdings: Wie viele Postkarten mit Fragen von Bürgern habe ich und haben Sie in den letzten ein, zwei oder drei Jahren bekommen? Wie viele Bürger haben abends an Ihrer Haustür geklingelt, um Sie zum Beispiel zu Ihrer Position zum Sportplatz um die Ecke zu befragen? Ich muss gestehen, ich habe mehr E-Mails und mehr Kontakte über Facebook bekommen.

Ich frage Sie: Ist es am Ende nicht die Sache eines Kandidaten, wie er oder sie den Wahlkampf gestalten möchte, wie er oder sie erreichbar sein möchte oder auch bewusst nicht erreichbar sein möchte? Ist es dann nicht auch eine Sache des Wählers zu entscheiden, wie er das bewertet?

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auch der Wählerinnen!)

- Auch der Wählerinnen!

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, die Veröffentlichung der Privatadressen von Kandidaten ist aus meiner Sicht ein denkbarer Verstoß gegen das Prinzip der Datensparsamkeit. Dies ist gerade bei einem Ehrenamt ein für mich sehr hoch zu bewertendes Prinzip. Deshalb werbe ich dafür, dass wir gemeinsam einen genauen Blick auf die Vorfälle der vergangenen Zeit werfen und dann im Ausschuss gemeinsam entscheiden, welche Maßnahme geeignet ist, in welchem Umfang zu welchem Zweck zwingend Datenveröffentlichungen erforderlich sind oder eben auch nicht erforderlich sind.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 6. Mai 2018 ist Kommunalwahl in

Schleswig-Holstein. Diese Wahlen sind wichtig, denn hier haben die Bürger die Möglichkeit, ehrenamtliche Politiker zu wählen, die die Gegebenheiten und Probleme vor Ort kennen und beharrlich politische Lösungen suchen. An diesen Wahlen teilzunehmen, egal ob nun als Kandidat oder als Wähler, ist wahrlich ein Fest. Politische Inhalte stehen hier klar im Vordergrund. Überall im Land hängen während dieser Tage die entsprechenden Plakate.