Protocol of the Session on June 29, 2017

Eine erschreckende Dynamik zeigt der Bericht ebenfalls im Bereich des Rechtsradikalismus. Ich zitiere:

„Rechtsextremisten aus Schleswig-Holstein waren im Berichtszeitraum so aktiv wie schon seit Jahren nicht mehr.“

Herr Innenminister Grote hat die Zahlen hier dargestellt, ich will es nicht weiter auswalzen. Der Perso

nalzuwachs bei den Rechtsradikalen findet sich vor allem bei den sogenannten „Neuen Rechten“, namentlich bei den „Identitären“. Das ist ein Rechtsradikalismus, der sich smart gibt und in pseudo-intellektuellem Gewand daherkommt, der Widerstand propagiert und alles Fremde gleichermaßen ablehnt.

In der Denkfigur des sogenannten Ethnopluralismus sind für die Identitären Menschen aus anderen Ländern nicht per se rassisch minderwertig - das ist der Unterschied zu den Neonazis -, vorausgesetzt, sie bleiben dort, wo nach Ansicht der Identitären ihr natürliches Siedlungsgebiet ist. Wehe aber, die Fremden machen sich auf den Weg in die dem „weißen Mann“ - von wem auch immer - zugewiesenen Regionen dieser Welt. Dann drohe die große Völkervermischung und damit der Verlust kultureller Identität.

Meine Damen und Herren, letztlich herrscht auch in dieser Sichtweise das Dogma, dass das Fremde das Eigene verunreinigt, es schwächt und zersetzt. Die Konsequenzen dieses Denkens sind ebenso fremdenfeindlich und menschenverachtend wie bei den Neonazis. Weil man aber den Nazigeruch abzustreifen versucht, entwickelt sich eine gedankliche Anschlussfähigkeit bei jungen Menschen sowie bis tief ins konservative Milieu.

Dies wird deutlich an den intellektuellen Säulenheiligen dieser Bewegung: Oswald Spengler, Ernst Jünger, Carl Schmitt, Ezra Pound. Das sind alles brillante Geister mit einem teilweise narkotisierend faszinierenden literarischen Oeuvre - vor allem für junge Männer, man denke nur an das Buch „In Stahlgewittern“ von Ernst Jünger. Für den Staatsrechtler Carl Schmitt bedeutete Demokratie Homogenität und nötigenfalls die „Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen“. Oswald Spengler und der US-amerikanische Schriftsteller Ezra Pound waren glühende Verehrer Mussolinis und des italienischen Faschismus. Allen war gemeinsam, dass sie die parlamentarische Demokratie zutiefst ablehnten und erklärte Feinde von Aufklärung, Menschenrechten und Pluralismus waren. Zum Hitlerfaschismus hatten die Genannten mindestens ein ambivalentes Verhältnis.

An diese irrlichternde Melange knüpft die Identitäre Bewegung an. Darin sehe ich ihre Hauptgefahr: Ihre Propaganda ist für ein gewisses Milieu hochgradig attraktiv und hat das Potenzial, auf diesem Weg innerhalb der Gesellschaft Widerhall zu finden.

AfD-Vizechef Alexander Gauland hat im Januar 2016 schwadroniert:

(Kathrin Wagner-Bockey)

„Es ist die Sache der Polen zu entscheiden, wie viele Flüchtlinge sie in ihrem Volkskörper haben wollen.“

Dies zeigt deutlich, wie viel identitäres Denken da schon eingesickert ist. Auch der stellvertretende Landesvorsitzende und Pressesprecher der AfDFraktion in Schleswig-Holstein, der Abgeordnete Schnurrbusch, übernimmt auf der offiziellen AfDSeite den Leitspruch der Identitären Bewegung:

„Kampf gegen Multikulti: Jede Kultur hat ihren Platz!“

Herr Kollege, auch für Sie gilt die fünfminütige Redezeit.

Ja. Meine Rede ist jetzt auch zu Ende. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank. - Ich möchte noch einmal alle Kolleginnen und Kollegen bitten, den Rednern die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist zum Teil während der Reden etwas lauter im Plenum geworden. Es wäre gut, wenn man die Aufmerksamkeit allein den Rednerinnen und Rednern geben würde. Wenn man etwas zu besprechen hat, bitte ich, den Saal kurz zu verlassen. - Vielen Dank.

(Zuruf SPD: Wir werden Sie daran messen!)

Für die FDP-Fraktion erteile ich nun dem Kollegen Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident, ich danke Ihnen zunächst dafür, dass Sie Ihren Hinweis vor dem Beginn meiner Rede gegeben haben.

(Zurufe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich im Namen meiner Fraktion beim Innenminister - Herr Grote, nicht bei Ihnen, sondern bei dem vorherigen Innenminister - und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes herzlich bedanken. Es ist ein sehr umfangreicher Bericht. Der Bericht wird ja jedes Jahr abgegeben, aber dieser Bericht ist, wie ich finde, besonders aussagekräftig.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich denke, dass der Bericht die Entwicklung in Schleswig-Holstein sehr gut beschreibt und Handlungsbedarfe klar aufzeigt. Der Bericht verdeutlicht, wie wichtig der Verfassungsschutz ist: Er ist für die Verteidigung unserer freiheitlichen Demokratie von essenzieller Bedeutung. Nicht nur, aber auch durch die Überwachung des gewalttätigen Extremismus und die Kooperation mit der Polizei auf diesem Gebiet konnten Gefahrenlagen in Schleswig-Holstein bisher relativ gut beherrscht werden. Das hat zum Beispiel die Festnahme der Boostedter Zelle deutlich gezeigt. Dafür schulden wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamtes und der Polizei unseren besonderen Dank.

Da wir relativ häufig über missliebige Vorkommnisse bei Sicherheitsbehörden mit ausschweifenden Partys und anderen Dingen lesen, will ich einmal sagen: Unsere schleswig-holsteinische Polizei und unser Verfassungsschutz haben diesen Dank und einen Applaus des ganzen Hauses verdient.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Was den Inhalt des Berichts betrifft, so möchte ich eines vorweg sagen: Es ist wenig zielführend und in der Sache falsch, wenn man bei der politischen Bewertung die Strömungen des Linksextremismus, des Rechtsextremismus und des islamistischen Extremismus gegeneinander abwägt und dem Gegner reflexhaft vorwirft, er verharmlose einen bestimmten Bereich und sei auf dem rechten oder linken Auge blind. Das hilft uns nicht weiter. Der Bericht zeigt klar und deutlich, dass der Bereich des Rechtsextremismus, sowohl was Qualität und Quantität angeht, als auch in Bezug auf das Personenpotenzial besonders problematisch ist. Man muss dies klar benennen und darauf reagieren. Das werden wir mit einer Stärkung von Präventionsund Aussteigerprogrammen tun.

Ich möchte auch auf eines hinweisen: Wenn Sie beklagen, dass die Situation in der Gesellschaft so ist, wie sie eben ist, dann zeigen wir mit einem Finger auch immer auf uns selbst, denn wir alle tragen in diesem Land seit geraumer Zeit politische Verantwortung. Wir haben offensichtlich in bestimmten Teilbereichen versagt und müssen dies ändern. Das Klagen hilft nicht weiter, sondern das Bekämpfen und Verhindern sind das A und O.

(Beifall FDP und SSW)

(Burkhard Peters)

Ich sage dies, weil ich mich vor dem Hintergrund, dass meine Vorgänger zu vielem bereits ausführlich Stellung genommen haben, auf einen Punkt besonders konzentrieren möchte.

Vorab möchte ich aber noch eine Bemerkung machen. Ich bin lange Zeit, wie viele von Ihnen, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. Die Ereignisse um den G-20-Gipfel müssen uns besonders besorgt machen. Wir alle müssen die Demonstranten, die von ihrem legitimen Recht Gebrauch machen, auffordern, sich nicht an Gewalttaten zu beteiligen. Wir wissen, dass sehr viele gewaltbereite Linksextremisten anreisen werden - nicht nur aus Deutschland, sondern vor allem aus Nord- und Südeuropa. Sie kommen nicht, um zu demonstrieren, sondern um Chaos anzurichten.

Wir wollen hoffen, dass dies im Vorfeld verhindert werden kann, damit unsere Polizistinnen und Polizisten gesund aus dem Dienst zurückkehren können. Sie verteidigen auch das Recht von Demonstranten, gegen Staatsoberhäupter wie Putin, Trump und Erdogan demonstrieren zu können - ein Recht, das wir nicht dadurch, dass Gewalttäter dieses Recht missbrauchen, beschneiden lassen wollen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Was mich bewegt, ist der religiös motivierte Extremismus. Die Entwicklung im Bereich des Islamismus ist mehr als besorgniserregend. Wenn die Zahl der Islamisten in unserem Land um rund 20 % gestiegen ist, dann muss uns das alle in diesem Haus alarmieren. Auch mit dem Problem, dass die Szene unter den Flüchtlingen Anhänger rekrutiert und diese vermehrt in salafistisch beeinflussten Moscheen verkehren, sollten wir offen und ehrlich umgehen. Wir sollten darüber nachdenken, was auf Bundesebene schon einmal angedacht worden ist, ob wir nicht salafistisch motivierte Moscheen schlicht und ergreifend unter staatliche Beobachtung stellen und sie notfalls auch verbieten; denn wir können nicht zulassen, dass auf dem Boden unseres Grundgesetzes gegen die Freiheit operiert wird und Menschen ausgebildet werden, um genau dies auch zu tun.

(Beifall FDP, CDU, AfD und SSW)

Was wir hier aber auch brauchen, sind mehr Prävention und mehr Deradikalisierung. Denn eines muss uns doch klar sein: Wenn wir die islamistische Szene austrocknen wollen, müssen wir ihr die Grundlage entziehen. Und das gelingt uns nur, wenn wir die Menschen immun gegen die Ideologie des Islamismus machen. Nur so verhindern wir die

Rekrutierung und Radikalisierung neuer Anhänger, insbesondere auch unter Flüchtlingen, die eigentlich unseren besonderen Schutz genießen müssen.

Es ist auch richtig und gut, dass die neue Landesregierung hier einen Schwerpunkt legen wird. Wenn wir sehen, dass das islamistisch-salafistische Potenzial im Land ansteigt, ist es genau der richtige Schritt, dass wir Projekte wie das Landesprogramm gegen religiös begründeten Extremismus in Schleswig-Holstein stärken werden. Dort wird erfolgreich gearbeitet und vor allem auch da, wo es sinnvoll und notwendig ist, mit dem Verfassungsschutz kooperiert.

Genauso wichtig ist, dass wir ein auf den Strafvollzug zugeschnittenes Präventionsprogramm gegen Extremismus etablieren werden. Denn von denen, die nach Syrien gereist sind, um sich dem IS oder anderen Terrororganisationen anzuschließen - das sagt uns auch der vorliegende Bericht -, kommen immer mehr nach Deutschland zurück. Die Anwerbung gelingt auch immer stärker in Strafanstalten. Darauf müssen wir reagieren. Schon heute sind es rund 300, die regelmäßig als sogenannte Gefährder gelten, und mehr als 70 von denen sitzen schon in unseren Justizvollzugsanstalten. Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass unsere Gefängnisse keine Brutstätten des Terrors werden.

Ich bedanke mich für den Bericht, ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Kollege Schaffer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Innenminister Grote! Ich bedanke mich für die dreiseitige Betrachtung der extremistischen Bedrohung, wie sie auch im Verfassungsschutzbericht sehr deutlich dargestellt ist. Es ist bereits sehr vieles von dem gesagt worden, was auch ich gern angeführt hätte. Daher werde ich Ihnen einiges davon ersparen und mich entsprechend kürzerfassen.

Es ist richtig, dass dieses Mal tatsächlich die AfD im Verfassungsschutzbericht auftaucht. Das mag für viele überraschend sein, aber es ist in einer anderen Form geschehen, als mancher es sich hier vielleicht erhofft haben mag. Denn die AfD ist Ziel

(Wolfgang Kubicki)

scheibe linksextremistischer Bestrebungen, Angriffe und Straftaten geworden, und sie ist alleine im Jahr 2016 im Verfassungsschutz dazu deutlich thematisiert worden. Für das Jahr 2017, dessen Bericht im Jahr 2018 erfolgt, werden wir Ähnliches wiederfinden. Wir haben das im Landtagswahlkampf am eigenen Leib erfahren. Ich bin Ihnen dafür dankbar, dass meine Vorredner sowohl den Links- als auch den Rechtsextremismus erwähnt haben, dass dieser beschrieben wurde. Es stimmt mich hoffnungsvoll, dass wir vielleicht auch immer dichter zu einer sachlichen Auseinandersetzung kommen, um der Gefahr des Extremismus zu begegnen. Insbesondere Herrn Dr. Bernstein möchte ich da meinen Dank aussprechen. Das war ein sehr guter, ein sehr ausgewogener Vortrag.

Wir haben mehrfach auch als AfD bekundet, dass wir uns gegen alle Formen des Extremismus stellen werden. Wir werden auch gegen den Rechtsextremismus antreten. Im Übrigen sind wir vom Verfassungsschutz von rechtsextremistischen Störungen und Tendenzen freigesprochen worden. Das hat eine Kleine Anfrage der inzwischen ausgeschiedenen Piratenpartei ergeben. Wir sind sehr bemüht darum, zumindest hier in Schleswig-Holstein - ich sage einmal ganz salopp -, „unseren Laden sauber zu halten“. Wir werden diesen Weg weitergehen, denn wir werden uns hier als konstruktive oppositionelle Kraft darstellen und auch gemeinsam mit der Regierung arbeiten, um das weiter zu erreichen.

Es sind der Dschihadismus, der Salafismus, generell der religiöse Extremismus bereits angesprochen worden. Entgegen der Äußerung im Koalitionsvertrag oder auch in der Regierungserklärung ist es hier deutlich beschrieben worden. Dafür bin ich dankbar. Der Koalitionsvertrag hätte dies in der Form nicht erwarten lassen.

Ich werde gemeinsam mit der AfD-Fraktion überprüfen, ob diesen Worten Taten folgen werden, denn wir haben da ein großes Gefährdungspotenzial. Meine Kolleginnen und Kollegen von der Polizei - Sie wissen vielleicht, dass ich vorher Polizeibeamter war - warten händeringend darauf, dass die Ausstattung, insbesondere die Sachausstattung für diese Fragen endlich erfolgt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)