Protocol of the Session on June 29, 2017

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Burkhard Peters das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe SPD, vielen Dank für diesen Antrag. Dass Sie bei uns Grünen mit Wahlalter 16 auch auf Bundesebene offene Türen einrennen, ist Ihnen bekannt. Wir fordern das genauso wie Sie seit vielen Jahren. Auch 2013 haben wir das im Bundestagswahlprogramm gefordert. Wir fordern es auch im aktuellen Bundestagswahlprogramm für September wieder.

Erlauben Sie mir aber vorab ein paar Bemerkungen zum Subtext Ihres Antrags. Bekanntlich steht die CDU - wir haben es gerade gehört - dem Wahlalter 16 bis heute ablehnend gegenüber. Die FDP hat es 2012 letztlich auch abgelehnt. Ich verstehe Ihren Antrag daher vor allem als Versuch, schon in dieser ersten Landtagstagung mit neuer Mehrheit deutlich zu machen, dass es sich die Grünen nach Ihrer Überzeugung mit Jamaika in einem Bett gemütlich machen, in das sie nicht gehören.

(Zuruf SPD)

Seien Sie vorsichtig mit der Rolle der politischen Anstandsdame! Das steht Ihnen nämlich nicht zu.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Ich darf Sie daran erinnern, mit wem Sie seit geraumer Zeit im Bund und in mehreren Bundesländern regieren. Das muss ja durchaus keine Beliebigkeit bedeuten.

Wenn Sie zum Beispiel den Koalitionsvertrag von CDU, Grünen und FDP aufmerksam lesen, stellen Sie fest, dass vermeintlich paradigmatische Festlegungen bei allen Beteiligten in Bewegung geraten sind. Ich nenne allein die Stichworte A 20, Ehe für alle und Cannabis. Es macht sich eine neue Sachlichkeit bemerkbar, eine erfrischende Bereitschaft, auf sehr vernunftbetonter Basis alte Überzeugungen infrage zu stellen. Vielleicht ist das auch in diesem Punkt so.

(Petra Nicolaisen)

Ein Schelm, liebe SPD, wer denkt, mit Anträgen wie dem vorliegenden verfolgten Sie allein die Absicht, uns Grüne vorzuführen.

(Serpil Midyatli [SPD]: Niemals!)

Unsere neue Koalition ist jedoch gern bereit, Initiativen von Ihnen sachlich zu bearbeiten.

Herr Abgeordneter Peters, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kai Dolgner?

Kai, immer.

Herr Dr. Dolgner, bitte.

Kollege Peters, ich gehe davon aus, dass die Grünen im Bundestag nie Anträge zum Thema Sicherheitsgesetz oder etwas gestellt haben, weil sie die freiheitlich-demokratische Nanny spielen wollten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was?)

- Die freiheitsdemokratische Nanny, die Aufpasserin für Freiheitsrechte. - Sie haben diese Anträge immer gestellt, weil Sie wahrscheinlich davon ausgegangen sind, dass SPD und CDU in allen Punkten einer Meinung sind. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass Sie diese Anträge im Bundestag mit Ihrem Kollegen Herrn von Notz vor diesem Hintergrund gestellt haben.

Aber nun zu meiner Frage. Kann ich davon ausgehen, dass Sie gerade in Aussicht gestellt haben, nachdem Sie so viel Liberalität in die CDU gebracht haben - ganz ehrlich: von uns haben die Cannabis nicht bekommen;

(Heiterkeit)

aber vielleicht haben Sie etwas ausgegeben, das würde den Koalitionsvertrag erklären -, dass Sie uns mit geballter Kraft - die Jungen Liberalen sind ja auch sehr dafür - zumindest zur Seite stehen, wenn es darum geht, das letzte Quäntchen Überzeugungsarbeit bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU zu leisten, damit sie im 21. Jahrhundert ankommen?

Ja. Geballte Kraft ist gut. Haben wir.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Super! - Heiterkeit FDP - Beifall Kay Richert [FDP])

Es gibt aber dicke Bretter zu bohren. - Schön ist, dass Sie der neuen Landesregierung mit Ihrem Anliegen Zeit bis zur Wahl des 20. Bundestags geben immerhin -, voraussichtlich 2021.

Denn auf Bundesebene - das ist der entscheidende Punkt - müssen sehr dicke Bretter gebohrt werden. Es muss nämlich nicht allein das Bundeswahlgesetz geändert werden. Artikel 38 Grundgesetz Absatz 2 schreibt fest, dass das aktive Wahlrecht an die Vollendung des 18. Lebensjahres geknüpft ist. Daniel Günther und seine Regierung müssen also eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag organisieren, um das Wahlalter 16 im Bund bei Wahlen ab 2020 zu bekommen. Vielen Dank für das im Antrag zum Ausdruck gebrachte Vertrauen in die große Wirkmächtigkeit der neuen Landesregierung!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Die noch bestehende GroKo in Berlin mit SPD-Beteiligung - sie hat eine Zweidrittelmehrheit im Parlament - hätte es allerdings deutlich einfacher.

Fangen wir also erst einmal bescheiden bei uns im Land an und beraten den Antrag im Innen- und Rechtsausschuss. Dort können wir zum Beispiel mithilfe des Landeswahlleiters, des Landesbeauftragten für politische Bildung und durch Auskunft anderer Wahlexpertinnen und -experten die zurückliegende Landtagswahl in Bezug auf das Wahlverhalten der jungen Menschen ab 16 analysieren, die hier bekanntlich erstmalig wählen durften.

Der Presse konnte man bereits entnehmen, dass die Wahlbeteiligung dieser Alterskohorte in SchleswigHolstein geringer gewesen ist als in anderen Altersgruppen. Es gibt offenbar auch signifikante Unterschiede zu anderen Bundesländern, namentlich Stadtstaaten wie Bremen, in denen das Wahlalter 16 schon länger besteht. Wir sollten also am Beispiel der zurückliegenden Landtagswahl versuchen herauszufinden, ob das Wahlalter 16 auch praktisch ein Gewinn für die Demokratie ist. Tobi, ich gebe dir zu: Das, was in den Schulen und sonst wo passiert ist, ist ein guter Hinweis darauf, dass das praktisch etwas bewirkt hat.

Wir müssen aber noch untersuchen: Hat es zur Verfestigung des demokratischen Systems beigetragen? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, um das

(Burkhard Peters)

Wahlalter 16 auch auf Bundesebene zu einer Erfolgsgeschichte für die Demokratie insgesamt zu machen, also nicht nur für eine Partei? - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt erstmals in diesem Hause der Abgeordnete Dennys Bornhöft das Wort.

(Beifall)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler aus der Probstei! Die politische Teilhabe junger Menschen ist eines meiner persönlichen Herzensthemen; das hat Herr Dr. Dolgner schon festgestellt. Daher freue ich mich sehr, dass ich mich in meinem ersten Wortbeitrag in diesem Hohen Hause hierzu äußern kann.

Jung und Alt verhalten sich bei Wahlen sehr unterschiedlich; ganz plakativ war dies bei der jüngsten US-Präsidentschaftswahl und bei der Brexit-Volksbefragung zu sehen. Hätten jeweils nur die Menschen in der ersten Lebenshälfte abgestimmt, wären beide Wahlen deutlich anders ausgegangen. Jede Stimme soll gleichwertig sein. Das ist der Grundsatz der Demokratie, der Grundsatz „One man, one vote“. Die Stimmengleichheit beziehungsweise gleiche Stimmenwertigkeit hat im deutschen Wahlrecht aber auch Grenzen; ich erinnere an die Fünfprozenthürde.

Die Stimme junger Menschen ist prinzipiell gleich viel wert - wenn sie denn eine hätten. Rund 15 % der Bevölkerung sind derzeit vom Wahlrecht ausgeschlossen, weil sie zu jung sind. Das ist ein nicht auszublendender Umstand, erst recht, wenn man bedenkt, dass statistisch gesehen diejenigen, die zu jung zum Wählen sind, im Regelfall auch diejenigen sind, die am längsten mit den getroffenen Entscheidungen leben müssen.

In Diskussionen über das Wahlalter wird gern angeführt, dass, je jünger man sei, desto geringer die Wahrscheinlichkeit sei, eine fundierte Wahlentscheidung zu treffen. Es gibt aber auch diejenigen, die mit 14 Jahren aus Überzeugung einer politischen Jugendorganisation, beispielsweise den Jungen Liberalen oder den Jusos, beitreten, im Wahlkampf mitmachen und darum werben, an der De

mokratie teilzuhaben, und das, obwohl sie es selbst noch nicht dürfen.

Auf der anderen Seite habe ich leider häufig erlebt, dass Personen - meist: männlich, verbittert, etwas höheres Alter - Aussagen tätigen wie: „Die Politiker der Altparteien sind alle Verbrecher.“ Hier wird eine fundierte Wahlentscheidung qua Alter nicht debattiert. Soll heißen: Ob und wenn ja, wie ich mich politisch einbringe, ist primär keine Frage des Alters.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Werner Kalinka [CDU])

Die Senkung des Wahlalters geht einher mit Rechten, aber auch mit Pflichten. Dies muss entsprechend begleitet werden, beispielsweise von der Ausweitung des Politikunterrichts sowie dessen früherem Beginn in der Schullaufbahn. Mit Podiumsdiskussionen der politischen Jugendorganisationen allein ist es an den Schulen nicht getan.

(Beifall Christopher Vogt [FDP])

Dennoch möchte ich mich an dieser Stelle beim Landesbeauftragen für politische Bildung sowie bei den politischen Jugendorganisationen JU, Jusos, Julis, Grüne Jugend, SSWU und ‘solid für ihren Einsatz im jüngsten Landtagswahlkampf bedanken.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

In über 100 Schuldiskussionen wurde so versucht, einen politischen Erstkontakt zu den Neunt- bis Elftklässlern herzustellen.

Mittlerweile kann man einen Vergleich mit der übrigen Republik wagen. So darf man in vier Bundesländern das aktive Wahlrecht bei Landtagswahlen bereits ab 16 Jahren ausüben. In allen vier Ländern blieb die Beteiligung der jeweiligen Erstwähler leider unterhalb der Gesamtwahlbeteiligung - auch in Schleswig-Holstein.

Das Kreuzsetzen ist ein schneller Vorgang, der nicht wehtut. Das bedeutet aber nicht, dass diese Wahlentscheidung keine weitreichenden Konsequenzen hätte. Daher kann die Senkung des Wahlalters rechtlich nicht allein gedacht werden. Wir müssen - wenn man es denn will - auch in die Debatte bezüglich Geschäftsfähigkeit und Volljährigkeit einsteigen. Dies wird noch erschwert dadurch, dass die Kollegen der SPD das generelle Wahlalter senken wollen. Sie wollen das „Wahlalter“ senken. Das umfasst das aktive und das passive Wahlrecht. Das bedeutet nicht nur die Erlaubnis zum Kreuzsetzen, sondern auch die Wählbarkeit in den Bundes

(Burkhard Peters)