Protocol of the Session on April 26, 2018

Meine Damen und Herren, bei aller Deutlichkeit dieser Worte bitte ich Sie, diese gleichwohl nicht als einseitige Schuldzuweisung zu verstehen, sondern als nüchterne Tatsachenfeststellung aus heutiger Perspektive heraus. Denn niemand kann ehrlicherweise von sich behaupten, dass er bei eigener Regierungsverantwortung die damaligen Entscheidungen mit Sicherheit anders getroffen hätte. Das gilt für Politiker jeglicher Couleur genauso wie für alle klugen Kommentatoren in der Öffentlichkeit.

Fehler sind zudem nicht nur bei der Gründung der HSH Nordbank, sondern zweifelsfrei auch auf der gesamten Wegstrecke gemacht worden: Ein völlig unzureichendes Risikomanagement innerhalb der Bank, fehlende Warnsignale von Wirtschaftsprüfern und Bankenaufsicht sowie Kontrolldefizite durch den Aufsichtsrat seien hier ebenso genannt wie die Entscheidung aus dem Jahr 2011 zur Reduzierung der Garantiesumme.

Nach wie vor hat deshalb das Ergebnis des Untersuchungsausschusses nichts an seiner Gültigkeit verloren: Es gibt nicht den einen Schuldigen für das Desaster der HSH Nordbank, sondern es handelt sich vielmehr um einen Fall von Kollektivversagen. Umso wichtiger ist es jetzt, aus dieser Katastrophe die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, damit sich ein derartiger Fehler niemals wiederholt.

Schleswig-Holstein muss sich auf seine Kernaufgaben bei Bildung, Sicherheit und Infrastruktur konzentrieren. Unternehmerische Betätigungen mit Gewinnerzielungsabsicht gehören definitiv nicht dazu.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt AfD)

Diese sollten tunlichst privaten Kapitalgebern überlassen bleiben, damit nie wieder der Steuerzahler für Verluste aus solchen Geschäften in Anspruch genommen wird.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt AfD)

Das traurige Kapitel der HSH Nordbank muss uns allen eine Lehre sein. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht so schnell in Vergessenheit gerät. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Birgit Herdejürgen [SPD])

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Thomas Rother.

(Tobias Koch)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Wir begeben uns heute auf den Weg in den Ausstieg des Ausflugs der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein in die Welt der internationalen Finanzmärkte mit der HSH Nordbank. Das ist allerdings, Herr Ministerpräsident, leider noch kein Schlussstrich. Das sogenannte Closing-Verfahren muss noch zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Der Finanzfonds Hamburg/Schleswig-Holstein und das Portfoliomanagement zur Verwaltung und zum Abbau von Schiffskrediten werden uns noch einige Zeit erhalten bleiben. Die finanziellen Lasten, insbesondere aus der Garantiegewährung des Verkaufs, werden uns in den kommenden Haushalten begleiten und sich negativ auf die finanzielle Handlungsfähigkeit des Landes auswirken. Da ist es dann ganz egal, wer regiert. Da kommt immer noch etwas nach.

Dennoch ist die Entscheidung für einen Verkauf die richtige Entscheidung. Maßgeblich dafür - einiges ist angeführt worden - ist natürlich auch das Ergebnis der Tabelle auf Seite 12 des Berichts der Landesregierung. Die Entscheidung liegt also bei 5,4 Milliarden oder 7,5 Milliarden €. Es ist klar, dass sich auch meine Fraktion für das kleinere der beiden Übel entscheiden wird.

Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich bei Ministerin Monika Heinold und bei Staatssekretär Philipp Nimmermann, an deren fachlicher Kompetenz meine Fraktion überhaupt keine Zweifel hat, für ihre Verhandlungsführung. Ich habe auch mit Freude gesehen, dass sogar Herr Richert, als sie gewürdigt wurden, applaudiert hat. Wunderbar, dann hat es dort tatsächlich auch Bewegung gegeben. Das ist ja auch schon sehr schön.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Was noch versäumt wurde, ist tatsächlich der Dank an die Aufsichtsratsmitglieder, die jetzt tätig sind, und ihren Vorsitzenden Thomas Mirow. Sie haben versucht, soweit es möglich war, Schaden von den Ländern fernzuhalten. Die Landesregierung selbst hat uns aus unserer Sicht bis gestern - so gut es denn geht und soweit es zulässig ist - zuverlässig über den Verlauf und das Ergebnis der Verhandlungen informiert, sodass dieses für uns nachvollziehbar ist.

Natürlich hätten wir uns weitere Informationen gewünscht, wie beispielsweise Einsichtnahme in den Businessplan der neuen Eigentümer; denn nicht al

lein das Land und seine Finanzen sind betroffen, sondern natürlich ebenso der Standort Kiel mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und natürlich die Stadt Kiel mit den ausbleibenden Steuereinnahmen. Wir waren, das ist auch der Grund für den verspäteten Beginn der Tagung, in diesem Vertrauen - die Äußerung des Ministerpräsidenten gestern zu den Arbeitsplätzen ist durchaus eine frohe Botschaft, das ist gar keine Frage - erschüttert. Diese Botschaften hätten wir uns verbindlich auch früher gewünscht. Sie können sich an die Diskussionen gestern erinnern, wo es immer die Vorwürfe gab, es sei ja Wahlkampfzeit. Auch das ist für die Stadt Kiel sicherlich ein schönes Geschenk, wenn der Weihnachtsmann ein paar Monate früher kommt und solche Botschaften verkündet. Wir hätten uns gewünscht, dass diese Verbindlichkeit, die Sie an anderer Stelle an den Tag gelegt haben, dann auch schon früher in diesem Saal oder bei den Ausschusssitzungen zum Ausdruck gekommen wäre.

(Beifall SPD - Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

Aber es geht natürlich auch um die Kundinnen und Kunden der Bank - sie sind angesprochen worden, zufriedene Kunden -, und natürlich bangen immer noch große und viele kleine Anleger weiter um ihr Geld. Damit weise ich auch darauf hin, dass die Frage des Übergangs der Haftungsgemeinschaft vom Sparkassen- in den Privatbankensektor noch nicht abschließend geklärt ist und dass sich der Sparkassen- und Giroverband seiner Verantwortung bewusst werden und hier nicht noch weiter für Verunsicherung sorgen sollte.

Verantwortung ist ein gutes Stichwort, denn die Frage der Verantwortung über die Entstehung der Situation, in der wir uns jetzt befinden, stellt sich natürlich in der Öffentlichkeit und muss beantwortet werden - das allerdings nicht so, wie es die FDPFraktion getan hat, die sich frei nach Helmut Kohl auf die Gnade der späten Geburt beziehungsweise der späten Regierungsbeteiligung beruft und die eigentlich schon immer alles und vor allem immer besser wusste und von den Folgen - ich zitiere schwarz-roten Größenwahns spricht. Daher möchte ich kurz auf die Geschichte der Bank und die Herleitung dieser Situation eingehen und auch auf gelbe Gefahren hinweisen, die bei einer Regierungsbeteiligung der FDP drohen.

Herr Abgeordneter Rother, gestatten Sie, bevor Sie damit beginnen, eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Vogt?

Herr Kollege Rother, ich möchte Ihnen noch die Gelegenheit geben, etwas zurückhaltend an das Thema heranzugehen, über das Thema werden wir gleich noch sprechen können. Ich will nur sagen: 2003 bei der Gründung der Bank haben wir bereits gesagt, wir hätten auch schon im Jahrzehnt davor, also ab 1993, die Bank in eine AG umgewandelt und dann veräußert. Wir hätten die HSH Nordbank nie gegründet. Zu den späteren Punkten kommen wir noch. Ich weiß nicht, ob es heute der Tag ist, an dem sich ausgerechnet Ihre Fraktion da aus dem Fenster lehnen sollte.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und Beifall Jörg Nobis [AfD])

- In der Tat, wenn Sie meinen Wortbeitrag verfolgt haben: Ich wollte gerade auf die Herleitung eingehen, aber natürlich auch auf die Beteiligung der FDP an einer Entscheidung, die dazu geführt hat, dass wir uns heute überhaupt über dieses Thema unterhalten. Das kommt also noch. Moment, Moment, etwas Gemach.

Es fing eigentlich alles gut an im Jahr 2003: Nachdem in den 90er-Jahren alle Landesbanken ihre Geschäftstätigkeit ausbauten, um die klammen Kassen der Länder zu füllen, drängten Privatbanken auf Waffengleichheit im Wettbewerb. Die Vorteile durch die Haftung der Gewährträger waren auch der Kommission der Europäischen Union schon immer ein Dorn im Auge. 2001 wurde der Wegfall der Gewährträgerhaftung durchgesetzt und - aus heutiger Sicht leider - das mit einer Übergangsfrist von vier Jahren versehen. Also gab es vier Jahre Zeit, die Bank mit günstigem Kapital vollzupumpen.

Die HSH wurde 2003 mit einer Bilanzsumme von 180 Milliarden € gegründet. Die Bilanzsumme des Landes Schleswig-Holstein betrug damals 8 Milliarden €. Das macht schon deutlich, auf welches Risiko man sich eingelassen hatte.

Ziel war der Börsengang der Bank, Herr Vogt hat es gesagt, allerdings für die Jahre 2008, 2009, und ein schrittweiser Ausstieg der Länder. Der Erfolg der Bank und hohe Ausschüttungen von 2003 bis 2007 in Höhe von rund 1,3 Milliarden € machten eine Debatte über einen rascheren Börsengang - wie tatsächlich von der FDP vorgeschlagen - zunichte. Außerdem erwarb der international tätige Finanzinvestor Flowers, den wir sozusagen wieder auf dem

Zettel haben, den Anteil der WestLB - und das bestimmt nicht, um auf Verzinsung zu verzichten, sondern er wollte natürlich auch Gewinne und ein Geschäft dort machen. Renditeerwartungen von 15 bis 17 % wurden vom Vorstand genannt. Die Wirtschafts- und Sparkassenkapitäne des Nordens tummelten sich im Aufsichtsrat. Es waren eben nicht nur Politikerinnen und Politiker an Bord. An Sachverstand hat es dort eigentlich nicht gemangelt. Es gab auch immer positive Prüfvermerke der Wirtschaftsprüfer und ganz ausgezeichnete Ratings. Herz, was willst du also mehr?

Aber das Kapital ist eben nicht nur ein scheues Reh, Herr Vogt. Es verliert leider auch gelegentlich den Verstand, wenn es um Rendite geht. Nachdem aufgrund der Wirtschaftskrise das Schifffahrtsgeschäft dramatisch einbrach, windige Auslandsengagements einstürzten, neu konstruierte risikoreiche Anlageformen ausfielen und Zweckgesellschaften untergingen, zeigte sich, dass sich die HSH Nordbank ihren Branchenspitznamen einer „Silly Bank“ zu Recht erworben hatte. Halteprämien für Vorstandsmitglieder, Bestechungsaffären, gefälschte Beweise über Straftaten und Steuersparmodelle machten die Silly Bank außerdem zu einer Skandalbank. Hinzu kam ein unzureichendes Risikomanagement. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat das leider erst 2007 kritisiert. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse in beiden beteiligten Bundesländern haben sich damit befasst und die Vorgänge umfassend beschrieben. Allerdings - das haben wir heute in der Presse nachlesen können - können sich nicht alle so gut daran erinnern, was damals beraten worden ist.

Die vorläufige Rettung der Bank vor neun Jahren über eine Zufuhr von Eigenkapital und die Gewährung der Garantie war nach damaligen Erkenntnissen die günstigere Lösung. Bei der Gewährträgerhaftung in Höhe von 13 Milliarden € für SchleswigHolstein wäre eine Abwicklung zur Lotterie geworden. Der Bund hätte die Bank über den Rettungsschirm des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung nicht mit Eigenkapital gestützt und nur für eine Kernbank gehaftet. Hinzu kommt bei der Länderlösung, dass der Eigenkapitalzufluss über die Garantieprämie hätte finanziert werden können, was auch geschehen ist.

Allerdings - und das ist wiederum eine Fehleinschätzung - ging man damals immer noch von einer Erholung der Bank und davon aus, als Eigentümer später von möglichen Gewinnen wieder profitieren zu können. Jedoch hat sich kaum eine Prognose

das ist auch eine traurige Tatsache - des Bankvorstands als tragfähig erwiesen.

Mit der Reduzierung der Garantiesumme auf 7 Milliarden € im Jahr 2011, um Garantiegebührenzahlungen zu senken, näherte sich die Eigenkapitalquote einem kritischen Grenzwert. Die daher erforderliche Wiedererhöhung der Garantiesumme führte zu dem Verfahren, mit dessen Ergebnis wir uns heute beschäftigen: die Weiterführung der Bank mit neuen Eigentümern und neuem Namen und den bekannten Lasten für das Land. Das geht aus dem Bericht auch deutlich hervor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es hier im Landtag schon zu früheren Zeiten diskutiert: Als 2011 am Kabinettstisch die Entscheidung der Bank zur Reduzierung der Garantiesumme - wieder einmal eine Fehlentscheidung - bekannt gegeben wurde, saßen dort eben auch FDP-Vertreter. Herr Vogt, es hilft ja nichts.

(Christopher Vogt [FDP]: Wo saßen die?)

- FDP-Vertreter? - Am Kabinettstisch! Ja natürlich.

Der damalige Fraktionsvorsitzende der FDP betonte in einer Landtagsdebatte, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht - da hat er vollkommen recht - so etwas auch einfach tun könne, ohne dass der Eigentümer darauf Einfluss nehmen kann. Das stimmt. Da hatte er natürlich tatsächlich recht. Er hätte es aber natürlich schon ansprechen können, auch im Kabinett, wo Herr Lerbinger es schon berichtet hatte.

(Heiterkeit Annabell Krämer [FDP])

- Letztlich, Frau Krämer, war das auch der entscheidende Grund, einen neuen Vorstandsvorsitzenden und einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden zu bestellen. Unter guter Zusammenarbeit stellt man sich tatsächlich etwas anderes vor.

An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, passt auch aus meiner Sicht besser als in jede Landesverfassung für uns alle eine Demutsformel.

Wir stimmen also dem Verkauf der Aktien, dem Antrag der Landesregierung zu. Wir sind von den Käufern dieser Aktien alles andere als begeistert.

(Zuruf Werner Kalinka [CDU])

Deren Geschäftsgebaren und Geschäftsfelder haben mit einer Unternehmensethik, wie wir sie uns wünschen, nichts zu tun. Dennoch muss man es leider so sagen: Sie sind geeigneter als alle anderen Interessenten. Sie wären im Fall einer Abwicklung über das Vorkaufsrecht von Herrn Flowers und als

Marktteilnehmer sowieso am Verkaufstresen gewesen und hätten ein noch günstigeres Geschäft gemacht.

So schließt sich heute für uns nicht das letzte, aber eines der bedeutendsten Kapitel in der Geschichte der Bank und wohl das teuerste Kapitel in der Geschichte des Landes. Nun sind andere Akteure - wie die Hamburgische Bürgerschaft, die EU-Kommission oder der Sparkassen- und Giroverband - am Zug. Auch diese werden gewiss die Weichen für den Verkauf der Bank stellen.

Ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und in den Fraktionen für die umfangreiche Zuarbeit zur Vorbereitung dieser Entscheidung. Ich bedanke mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, die diese Beschlussempfehlung einstimmig getroffen haben. Bei allen unterschiedlichen Auffassungen in Bezug auf manchen Sachverhalt, die die Öffentlichkeit zu Recht fordert, haben sie damit ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein bewiesen.

Allerdings ist es nicht zu einer gemeinsamen begleitenden Resolution, einer gemeinsamen politischen Einschätzung des Verkaufs gekommen. Dazu sind zwei Gründe für meine Fraktion maßgeblich gewesen.

Zum einen gibt es eine Auffassung zur unternehmerischen Tätigkeit des Landes, die nicht die unsere ist. Wir bekennen uns zu Landesunternehmen wie dem UKSH, der GMSH oder der AKN, die einen wichtigen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge gewährleisten und Referenzunternehmen sind; Sie setzen Standards, sie wirken in der Öffentlichkeit vorbildlich und stärken unsere Möglichkeiten, wirtschaftspolitisch-regulatorisch Einfluss zu nehmen. Das wollen wir uns nicht nehmen lassen.

(Beifall SPD)