Protocol of the Session on April 25, 2018

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Dennys Bornhöft [FDP])

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen in Schleswig-Holstein nicht erst seit Bestehen des Koalitionsvertrags, sondern schon lange, dass wir uns mit der Neuregelung der Kita-Finanzierung beschäftigen müssen. Dies ist ein wichtiges Projekt der Jamaika-Koalition. Es ist wichtig, dass wir uns endlich damit beschäftigen. Warum das so ist, brauche ich keinem zu erklären. Es ist ein aufwendiges und umfangreiches Projekt. Vor allen Dingen ist es anstrengend für die Landesebene und auch für die kommunale Ebene. Sie haben es eben gesagt, Frau Midyatli: Die Erzieherinnen und Erzieher warten darauf, die Träger warten darauf, alle Beteiligten warten darauf. Ich denke, es ist toll, dass wir jetzt so weit sind und diesen Aufschlag machen.

Mit dem Inkrafttreten des ersten Kindertagesstättengesetzes Anfang der 90er-Jahre, also noch im vergangenen Jahrhundert, wurde die Finanzierung der Kitas stetig immer komplizierter, umfangreicher und letztlich auch unüberschaubarer. Das bestehende System der Kindertagesförderung ist geprägt durch seine Vielzahl an Geldgebern, Finanzierungssträngen, Förderprogrammen und unterschiedlichen Finanzierungszuständigkeiten für die Einrichtungen und die Tagespflege.

Mit drei Problemen haben wir es derzeit hauptsächlich zu tun: erstens mit einer undurchschaubaren und komplizierten Finanzierung, zweitens mit einem extrem hohen Verwaltungsaufwand, der alle belastet, und drittens mit höchst unterschiedlichen Elternbeiträgen, die dazu noch im Bundesvergleich die höchsten sind.

(Serpil Midyatli)

Trotzdem ist das gesamte Kita-System, verursacht durch gestiegene Betriebskosten, unterfinanziert und lässt keine klare Definition der Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung von Land, Kreis und Gemeinde erkennen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, es ist ein offenes Geheimnis, dass Ihre 100 € Kita-Geld, wie damals im „sh:z“ getitelt wurde, ein 100-€-Mythos ist, der verpufft. Der „sh:z“ hatte recht. Das Grundproblem der undurchsichtigen Finanzierung ist geblieben, und die Belastung der Gemeinden ist geblieben. So blieb nichts anderes übrig, als dies durch Gebührenerhöhung zu kompensieren.

Nun wird die Jamaika-Regierung dieses Problem anpacken. Wir machen es besonnen, ohne Schnellschüsse und mit viel Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit ist das Stichwort. Wir wollen gemeinsam mit allen Beteiligten festlegen, wie wir die künftige Kita-Finanzierung bürokratieärmer, transparenter und einfacher gestalten. Beteiligt sind alle Kommunen, die Wohlfahrtsverbände - herzlich willkommen, schön dass Sie da sind, Herr Potten und Herr Selck -, die Träger. Natürlich haben auch die Eltern das Recht, aktiv mitzugestalten.

Hierzu gibt es die „Arbeitsgruppe Koordinierung“, bestehend aus Minister, Staatssekretär, den kommunalen Landesverbänden und der LAG der freien Wohlfahrtsverbände und natürlich der Landeselternvertretung der Kitas. Diese Gruppe trifft sich alle zwei Monate. Ergebnisse werden dort gebündelt, und der Gesamtprozess wird gesteuert.

Auch gibt es die Projektgruppe „Öffentliche Verwaltung“, bestehend aus Vertretern des Ministeriums und der kommunalen Landesverbände. Hier trifft man sich im dreiwöchentlichen Rhythmus. In dieser Arbeitsgemeinschaft werden bestehende Gesetze und Erlasse auf den Prüfstand gestellt, gegebenenfalls Übergangslösungen erarbeitet und der Reformbedarf festgelegt und formuliert. Eine weitere Gruppe aus allen Prozessbeteiligten kümmert sich im dreiwöchigen Takt um die Definition der gemeinsamen Qualitätsstandards und die Ausgestaltung der zusätzlichen Qualitätsmaßnahmen.

Hinzu kommen nach Bedarf diverse Unterarbeitsgruppen - das kennt man -, die Expertinnen und Experten je nach Erfordernis einbinden können. Alle Gruppen haben bereits ihre Arbeit motiviert aufgenommen - schon seit Langem -, und sie stehen in einem engen und regelmäßigen Austausch vor allen Dingen auch mit der Landeselternvertretung.

Was ich aus diesen Gesprächen immer wieder mitnehme, das ist ausgesprochen positiv und bestärkt

mich ganz persönlich darin, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.

Es werden jetzt Zahlen, Daten und Fakten zusammengetragen, und bis zum zweiten Halbjahr 2018 wird eine neue Finanzierungsstruktur erarbeitet. Unser Ziel ist eine verbesserte Betreuungsqualität in der Kita und in der Tagespflege bei gleichzeitiger finanzieller Entlastung der Eltern und der Kommunen. Hierbei müssen wir auch die stetig steigenden Bedarfe fortschreiben, denn der Anteil der Eltern, die eine Ganztagsbetreuung wünschen und benötigen, steigt stetig. Waren es 2015 noch circa 40 % der Eltern, die einen Ganztagsplatz wünschten, so waren es 2016 schon an die 50 %, die eine Ganztagsbetreuung möchten.

Um die Neuordnung des Finanzierungssystems nachhaltig zu gestalten, müssen wir eine grundlegende Analyse des aktuellen Ist-Zustands machen, und wir dürfen auch nicht aus dem Blick verlieren, wie sich die Betreuungsbedarfe entwickeln werden.

Diesen Bericht und die Analyse, anhand derer nun der Reformprozess weiter aufgebaut wird, haben wir in hervorragender Qualität vor uns liegen. Dafür möchte ich mich ganz herzlich beim Sozialministerium bedanken. Herr Garg, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wirklich hervorragend gearbeitet. Das Werk müsste man sich fast laminieren, weil man häufiger hineinschauen sollte. Es ist wirklich lesenswert, ich kann nur jedem empfehlen, das einmal zu lesen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, wir stellen fest: Es gibt mehr als ein Dutzend verschiedene Förderprogramme in Schleswig-Holstein, angefangen mit dem allgemeinen Betriebskostenzuschuss vom Land, den Betriebskostenzuschüssen des Bundes, den Konnexitätsausgleichsmitteln vom Land, dazu noch diverse Sonderprogramme wie zum Beispiel Familienzentren, Qualitätsmanagement, Sprachprogramme und so weiter. Dafür werden in Summe aktuell 287 Millionen € zur Verfügung gestellt. Mehr oder weniger oft beteiligen sich die Kreise an den Betriebskosten, allerdings mit abnehmender Tendenz.

Die Hauptlast bei der Finanzierung des Betreuungssystems tragen jedoch die Kommunen und natürlich die Eltern mit ihren Beiträgen und den Fehlbedarfszuweisungen.

Stichwort Elternbeiträge: Hier zeigt sich ein weiteres gravierendes Problem in der aktuellen Finanzierung. Es gibt eine riesige Bandbreite bei der Höhe

(Katja Rathje-Hoffmann)

der Beiträge. Ich verdeutliche es gern noch einmal. Es gibt Ganztagsplätze für 139 € monatlich im Land, und es gibt Ganztagsplätze für 640 € je Monat im Hamburger Rand. Manche zahlen sogar noch mehr.

(Martin Habersaat [SPD]: 750 €!)

- Vielen Dank, Herr Habersaat. Das soll kein Sport sein, sondern Ansporn, dass wir uns da engagieren.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganztagskrippenplätze im Hamburger Rand sind ganz besonders teuer. Herr Habersaat und ich wissen, wovon wir reden. Hinzu kommen noch die Kosten für die Verpflegung, auch die darf man nicht vergessen. Die Eltern verstehen nicht, dass es so eine Bandbreite gibt, und da müssen wir uns engagieren.

Wir, die Jamaika-Koalition, wollen die Eltern spürbar und nachhaltig entlasten und die Elternbeiträge deckeln. Dazu brauchen wir vor allem vergleichbare Kostenparameter, die dazu führen, dass die finanzielle Belastbarkeit der Eltern nicht zu hoch wird. Ziel des Reformprozesses ist eine vereinheitlichte und dynamisierte Kita-Finanzierung mit verbindlichen Qualitätsstandards und einer verlässlichen und gedeckelten monatlichen Elternbeteiligung.

Wir stehen zu dem Dreiklang der Vereinfachung des Systems, der Entlastung von Eltern und Kommunen und der qualitativen Verbesserung. Für uns gilt: Qualität vor Beitragsfreiheit, denn die Qualität der frühkindlichen Bildung darf bei den ganzen lauten Forderungen nach sofortiger Beitragsfreiheit nicht hinten runterfallen.

Gemeinsam mit den beteiligten Akteuren werden wir den aktuellen Status quo ermitteln und die Grundstruktur der Finanzierung regeln. Dabei sind wichtige Fragen zu klären, zum Beispiel ob es auch wie in unserem Nachbarbundesland Hamburg KitaGutscheine geben soll. Wie schaut es mit dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern bei der Einrichtung aus? Ist die aktuell praktizierte Bedarfsplanung überhaupt noch zeitgemäß? Wie entwickeln wir das Kita-Portal? Ganz wichtig, denn wir müssen das weiterentwickeln. Es geht kein Weg daran vorbei, dass es für die Gemeinden und Träger verpflichtend sein muss, ihre jeweiligen Plätze dort anzuzeigen.

Wie entwickeln wir die Tagespflege weiter? Sie ist ein wichtiger Bestandteil für die Eltern, die besondere Betreuungszeiten brauchen. Bislang werden

die Eltern, die ihre Kinder in dieser Form betreuen lassen, vergleichsweise höher belastet als die übrigen Kita-Eltern. Wie hoch müssen künftig die Investitionskostenzuschüsse sein? Und eine weitere, eine der wichtigsten Fragen müssen wir miteinander klären: Wie und wodurch kommen die Elternbeiträge auf ein angemessenes und gedeckeltes Niveau, ohne das Recht der kommunalen Selbstverwaltung zu umgehen? Wie kann das Finanzierungssystem so gestaltet werden, dass die Umsetzung der langfristig geplanten Beitragsfreiheit ohne erneute und gravierende Veränderungen im System und in der Finanzierungsstruktur möglich ist?

Hier müssen wir sorgfältig Systeme bewerten und vergleichen. Dabei müssen wir auch auf die Personalausstattung achten und uns auf verbindliche Verfügungszeiten, Vertretungszeiten und Vor- und Nachbereitungszeiten verständigen.

Zum finanziellen Hintergrund ist festzustellen: Noch nie wurde so viel Geld in das gesamte Betreuungssystem hineingesteckt wie jetzt. Insgesamt werden wir im Zeitraum von 2018 bis 2022 zusätzlich 481 Millionen € in den Kita-Bereich geben. Das ist fast eine halbe Milliarde Euro. 136 Millionen € für die Elternentlastung, 135 Millionen € für einen zusätzlichen Betriebskostenzuschuss und 210 Millionen € für mehr Qualität in unseren Kitas. Das hat Herr Dr. Garg eben zwar schon gesagt, aber ich finde, das kann man nicht oft genug wiederholen.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Als Zwischenfazit lässt sich bereits jetzt festhalten, dass der Ausbau der Angebote der Kindertagesbetreuung noch nicht abgeschlossen ist. Das gilt für alle Altersgruppen in diesem Bereich. Die Eltern brauchen weiterhin stetig steigende Verbesserungen in der Kindertagesbetreuung, qualitativ und quantitativ. Gründe hierfür sind steigenden Geburtenzahlen, Migrationsbewegungen, und es sind vor allem auch die Wünsche beider Elternteile nach einer flexiblen Betreuung, um Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren zu können.

Das alles und noch viel mehr sind die Aufgaben, die wir lösen werden. Wir setzen uns für mehr transparente und gerechtere Verfahren zur Neustrukturierung der Kita-Finanzierung, für mehr Qualität in der Betreuung und die Deckelung der Elternbeiträge ein. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

(Katja Rathje-Hoffmann)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, Frau Abgeordnete Eka von Kalben, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Minister Garg! Die Neuordnung der Kita-Gesetzgebung, die wir uns vorgenommen haben, ist schon eine Mammutaufgabe an sich. Da werden sich Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht so wahnsinnig gefreut haben, als wir vor ein paar Monaten beschlossen haben, Sie auch noch um einen umfangreichen schriftlichen Bericht zu bitten. Aber die Mühe hat sich definitiv gelohnt. Ich kann sagen: Der vorliegende Bericht übertrifft meine Erwartungen deutlich. Er macht deutlich, wie komplex die Lage der Kinderbetreuung ist. Die Problemanalyse ist ausführlich, und es werden verschiedene Lösungsvorschläge gemacht. Das hatte ich so nicht erwartet, und dafür möchte ich mich als Erstes einmal sehr herzlich bedanken. Ich bitte darum, das an die Kolleginnen und Kollegen weiterzugeben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Ich danke auch der Regierung für den guten Prozess, den sie für die große Kita-Reform im Jahr 2020 eingeläutet hat, der alle Beteiligten schon jetzt zusammenbringt. Vor allem begrüße ich es, dass auch Praktikerinnen und Praktiker miteinbezogen werden. Denn es ist enorm wichtig, dass auch diejenigen zu Wort kommen, die jeden Tag mit den Kindern arbeiten.

Ich habe seit Januar ungefähr 20 - ich glaube, es waren bisher 19, also noch nicht ganz 20 - Kitas besucht, es kommen so unterschiedliche Stimmungslagen rüber, und irgendwann bekommt man das Gefühl, jetzt weiß man um bestimmte Problematiken, die die Menschen, die vor Ort arbeiten, haben. Aber es kommt jedes Mal ein neuer Punkt hinzu. Deswegen danke ich und hoffe, dass es in den vielen Unterarbeitsgruppen gelingt, dass wirklich ganz konkret Erzieherinnen und Erzieher mitarbeiten und nicht die auch sonst sehr kompetenten Verbandsvertreter alleine.

Liebe SPD, dass Ihnen das alles nicht konkret genug ist, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn Sie sich ansehen, an welcher Stelle wir im Reformprozess stehen, dann ist doch klar, dass aktuell verschiedene Probleme nur angerissen werden können. Sonst würde man denjenigen, die man beteiligen

will, im Grunde genommen alles wegnehmen. Insofern habe ich nicht die Erwartung gehabt, dass mir jetzt ein Papier vorgelegt wird, das schon alles löst, sondern ich glaube, es muss gerade an diesem Punkt des Reformprozesses eine Problemanalyse stattfinden. Den Rahmen haben wir mit dem Koalitionsvertrag festgezurrt, und zwar finanziell. Die Details werden nun von den Beteiligten ausgearbeitet.

Ich glaube, es gibt große Einigkeit hier im Haus, dass wir wirklich eine gute Kinderbetreuung in Schleswig-Holstein brauchen. Das hoch gesteckte Ziel der Jamaika-Koalition zu erreichen, das familienfreundlichste Bundesland zu werden, ist tatsächlich - das gebe ich zu - eine riesige Herausforderung. Daran müssen Land und Kommunen gemeinsam arbeiten.

Meine Damen und Herren, wenn wir vom familienfreundlichsten Land reden, reden wir oft von Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Ähnlichem. Das ist ganz wichtig.

Ich glaube aber auch, dass wir uns immer wieder überlegen müssen, dass es echt auch eine gemeinsame gesellschaftliche Herausforderung ist. Serpil, ich habe meine Kinder auch großgezogen. Ich glaube, es hängt noch von viel mehr ab, ob ein Land familienfreundlich ist oder nicht. Das ist tatsächlich eine gemeinsame gesellschaftliche Herausforderung. Ich nenne nur flexible Arbeitszeiten oder ähnliche Dinge, die man auch einmal andenken könnte.

Meine Damen und Herren, der Bedarf an Betreuungsplätzen steigt, und das aus verschiedensten Gründen. Es wurden hier schon verschiedene Punkte genannt. Eines können wir auch erkennen: Wenn es vor Ort ein gutes Ganztagsangebot gibt, das bezahlbar sein muss, dann steigt auch der Bedarf, weil sich Menschen auch vorstellen können, a) Kinder zu bekommen und b) wieder berufstätig zu werden. Deshalb kann man aus den Zahlen gut sehen, dass wir, obwohl wir so gut ausgebaut haben, trotzdem immer noch einem Bedarf hinterherlaufen.

Wie wir im Bericht sehen können, ist schon viel geschehen, seit der Rechtsanspruch auch für den U-3-Bereich, also für die kleinen Krippenkinder, eingeführt wurde. Die Vorgängerregierung hat im Rahmen der Beschränkung als Konsolidierungsland schon viel erreicht. Unsere neue Koalition, die gar nicht mehr so neu ist, setzt mit unserem Koalitionsvertrag und der vereinbarten Neuordnung der KitaGesetzgebung hier einen deutlichen Schwerpunkt, inhaltlich wie monetär. Auch die Vereinbarungen