Protocol of the Session on March 22, 2018

Trotzdem scheint es irgendwo zu haken, wie die aufmerksame Zeitungslektüre der Antragsteller ergeben hat. Eine junge Kielerin bleibt auf ihrem Verdienstausfall im Zuge der Jugendleitercard-Ausbildung sitzen, obwohl sie einen Ausgleich ihres Verdienstausfalls beantragt hatte. Sie nahm an einer Fortbildung der Sportjugend teil, um selbstständig Gruppen im Jugendzentrum leiten zu können. Das kann man nämlich nur mit der Jugendleitercard. Ihr Antrag sei aber gar nicht im Jugendamt angekommen. Trotz erfolgreicher Ausbildung gibt es darum keinen Anspruch auf die Erstattung des Verdienstausfalls.

Das Jugendamt als örtlicher Träger der Jugendhilfe bezieht sich auf die Landesverordnung. Der Zeitpunkt des Antrags muss vor der Maßnahme liegen. Andere Berechtigungen werden dann gar nicht mehr geprüft. Kein Antrag vor der Fortbildung, keine Rückerstattung. So einfach scheint der Fall zu sein. Die junge Frau sagt zwar, dass sie den Antrag vorher eingereicht habe, er aber wohl nicht weitergeleitet worden sei. Doch alle Argumente sind zwecklos. Laut Landesverordnung gibt es keinen Ausgleich des Verdienstausfalls, auch wenn die Zustimmung des Arbeitgebers vorliegt und die Prüfung erfolgreich abgelegt wurde. Das ist eine sehr bürokratische Regelung.

Bevor wir aber das Kind mit dem Bade ausschütten, sollten wir die Verfahren unter die Lupe nehmen. Ich bin immer etwas skeptisch, wenn Dezernenten meinen, die Politik via Zeitung auf Trab bringen zu müssen. Stimmt das Verfahren nicht? Sind die Wege zu lang? Oder sind die Kompetenzen zersplittert?

(Claus Schaffer)

Zu allererst ist mir im Merkblatt aufgefallen, dass durch Unterstreichung zweimal auf die vor Beginn der Fortbildung zu erfolgende Antragstellung aufmerksam gemacht wird. Sind dadurch auch die Probleme bekannt, die durch den nachträglichen Antrag entstehen, und wenn nicht, warum wird nichts dagegen unternommen? Etwa aus Kostengründen?

Zweitens frage ich mich, warum der Antrag zwar im Netz verfügbar ist, aber nicht einfach online gestellt werden kann, und zwar an einer zentralen Stelle. Warum müssen sich die angehenden Jugendleiterinnen und Jugendleiter erst einmal durch die Zuständigkeiten durcharbeiten? Das ginge doch bestimmt einfacher.

Ich bin davon überzeugt, dass die Verfahren in Zusammenarbeit mit der Juleica so einfach wie möglich sein sollten. Vielleicht sollten wir das Ganze noch einmal durchdenken, um das Ehrenamt zu entlasten. Ich fürchte nämlich, dass sich so ein Fall wie mit der jungen Frau herumsprechen wird und eine abschreckende Wirkung haben könnte. Gerade im Jugendbereich sind wir aber auf engagierte Menschen angewiesen. Darum sollten wir so viele Steine wie möglich aus dem Weg räumen.

Auch ich möchte mich bei allen bedanken, die ehrenamtlich tätig sind, auch im Jugendbereich. Das ist eine unheimlich wichtige Arbeit. Wir brauchen sie. Deshalb noch einmal: Wir haben die Verpflichtung, möglichst viele Steine aus dem Weg zu räumen. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Alexandra Ehlers! Rund 40 % der Menschen in Schleswig-Holstein sind freiwillig und ehrenamtlich engagiert. Schleswig-Holstein nimmt damit bundesweit eine Spitzenrolle oder auch Vorreiterrolle ein. Ein großer Teil dieser Menschen sind Jugendliche und junge Erwachsene, die sich beispielsweise in Jugendverbänden, in der offenen Kinder- und Jugendarbeit und in vielen anderen Bereichen engagieren und damit wertvolle Beiträge zur Zusammengehörigkeit unserer Gesell

schaft leisten. Diese jungen Menschen investieren viel Zeit, Arbeit und nicht zuletzt viel Herzblut, um etwas Gutes für unsere Gesellschaft zu tun. Das ist nichts, wovon die Gesellschaft oder die staatlichen Behörden und Institutionen wie selbstverständlich ausgehen können. Dieses Engagement verdient neben dem Respekt und der Wertschätzung - ich glaube, darin waren wir uns alle einig - auch Unterstützung.

(Beifall Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Flemming Meyer [SSW])

Einen Beitrag dazu stellen die finanziellen Förderungen und Zuschüsse dar, mit denen das Land die Rahmenbedingungen schafft, die ein Engagement ermöglichen oder erleichtern, auch in finanzieller Hinsicht, beispielsweise durch die Erstattung von Verdienstausfall infolge der Teilnahme an Fortbildung für Jugendleiterinnen und Jugendleiter. Dabei versuchen wir selbstverständlich, lieber Flemming Meyer, die Rahmenbedingungen so unbürokratisch und bürgerfreundlich wie möglich zu gestalten. Dies gelingt nach Einschätzung - jedenfalls nach einer ersten Einschätzung meines Hauses und auch der Kommunen - im Grundsatz ganz gut. Das will ich trotz des wirklich außerordentlich bedauerlichen Falls, den die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag aufgegriffen hat, betonen. Jedenfalls haben wir bislang keine Rückmeldung, dass die Dinge grundsätzlich im Argen lägen.

Dass wir im Gegenteil auf dem richtigen Weg sind, zeigt die Entwicklung der von den Kommunen bewilligten Erstattungen von Verdienstausfall bei ehrenamtlich Tätigen in der Kinder- und Jugendarbeit. Ihre Zahl lag bei rund 550 - genau waren es 549 im Jahr 2005 und ist im vergangenen Jahr auf knapp 900 gestiegen.

Ich will dabei nicht den Eindruck erwecken, man müsse sich jetzt zufriedengeben, könne die Hände in den Schoß legen und dürfe die Regelungen zur Erstattung von Verdienstausfällen nicht mehr anfassen. Wovor ich warnen möchte - und ich bin ausgesprochen dankbar dafür, dass das hier viele Kolleginnen und Kollegen bereits getan haben -, ist, dass wir jetzt mit Schnellschüssen agieren, die am Ende im Zweifel genau das Gegenteil dessen bewirken, was wir eigentlich erreichen wollen. Um es konkret am Beispiel des vorliegenden Antrags beziehungsweise des darin vorgeschlagenen Verfahrens zu verdeutlichen: Dort heißt es, die Beantragung des Verdienstausfalls - ich nehme einmal an, gemeint ist die Beantragung der Erstattung - solle vereinfacht werden. Sie solle auch nach abgeschlossener Teilnahme an einer Fortbildung möglich sein.

(Flemming Meyer)

Der Haken daran ist, ein solches Verfahren bürdet den Antragstellern, also den jungen Menschen, ein ganz erhebliches, bislang jedenfalls nicht bestehendes Kostenrisiko auf; denn die Teilnehmer müssen sich dann darauf verlassen, dass ihr Antrag angenommen wird, und sich beim Arbeitgeber freistellen lassen. Wenn sich allerdings - und das ist der Haken an der Sache - im Nachhinein herausstellt, dass sie nicht antragsberechtigt sind, stehen sie mit Verdienstausfall und ohne Erstattung da.

Dazu muss man wissen, dass es anders, als in der Presse bezüglich dieses Einzelfalls berichtet wurde, bei dem ein Erstattungsanspruch bestanden hätte, durchaus öfter vorkommt, dass sich im Antragsverfahren das Fehlen der Voraussetzungen herausstellt. Wenn das so ist, scheint es mir jedenfalls cleverer zu sein, dass die Betroffenen das vorher klären können, als dass es hinterher ein böses Erwachen und damit auch Unzufriedenheit gibt; denn die Unzufriedenheit kommuniziert sich mit Sicherheit weiter. Das wiederum hat Auswirkungen auf das Engagement.

Der zitierte Kieler Fall zeigt - das will ich an der Stelle auch sagen -: Kein Verfahren ist frei von Fehlern, übrigens auch, weil überall dort, wo Menschen arbeiten, Fehler gemacht werden können. Dennoch will ich sagen: Ein Verfahren, das im gegenseitigen Einvernehmen und nach umfassenden Abstimmungsprozessen mit den umsetzenden Kommunen entwickelt wurde, aufgrund eines Einzelfalls kurzfristig über den Haufen zu werfen, davor würde ich warnen.

Was ich allerdings richtig finde, ist, dass das Land unabhängig davon den Sachverhalt sehr wohl zum Anlass nimmt zu überprüfen, ob die entsprechende Landesverordnung für die Zukunft überarbeitet werden soll. Selbstverständlich werden dann die Erfahrungen, die wir mit diesem Fall gemacht haben, in den ohnehin anstehenden Evaluierungsprozess einbezogen. Ich sage Ihnen auch zu, wir werden hierzu alle Beteiligten an den Tisch holen, um für ehrenamtlich tätige Jugendliche die bestmöglichen Verfahren zu etablieren, auszugestalten und entsprechend clever weiterzuentwickeln. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/582 dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf:

Für mehr Vielfalt und Toleranz - CSD-Empfang im Landeshaus veranstalten

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/594

Für mehr Vielfalt und Akzeptanz - CSD-Organisationen im Landeshaus empfangen

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/620 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Christopher Street Day findet seit mehr als 48 Jahren statt, in den Monaten von Mai bis August auch hier in Schleswig-Holstein. Auch wenn der Protestmarsch eher an ein Fest erinnert, ist uns allen bewusst, dass die Umzüge und Empfänge immer auch einen sehr ernsten Charakter haben und diesen auch nie verloren haben. Denn der Ursprung dieses Tages geht auf die Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street zurück. Immer wieder fanden dort gewalttätige Razzien der Polizei in Kneipen und Bars der Transsexuellenund Homosexuellenszene statt. Besonders betroffen von Willkür und Misshandlungen waren Persons of Color und Menschen mit lateinamerikanischem Hintergrund.

Am 28. Juni 1969 kam es dann so weit, dass die Menschen diese Erniedrigungen und Misshandlungen nicht mehr hinnehmen wollten, und es gab einen Aufstand, tagelangen Polizeieinsatz und Straßenschlachten in New York. Ein Jahr darauf wurde der CSD geboren. Es sollte ein Straßenumzug werden, der an die Ereignisse erinnert, die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Gesellschaft widerspiegelt und ein deutliches Zeichen für Akzeptanz und gegen Homophobie setzt. Tausende Homose

(Minister Dr. Heiner Garg)

xuelle beteiligten sich an der Parade. Auch wenn die Stimmung sehr ausgelassen war, konnten die New Yorker eine sehr trotzige und selbstbewusste Demonstration erleben, die sich jedes Jahr am Ende des Monats Juni wiederholen sollte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum erwähne ich das? Weil ich damit ganz deutlich sagen möchte: Wir wollen ein sichtbares Zeichen hier aus dem Landtag senden. Ich möchte Bezug auf Ihren Antrag nehmen. Ich bedaure, dass wir hier nicht zusammengekommen sind. Für uns ist es besonders wichtig, dass dieser Empfang, der hier im Landeshaus stattfinden soll, diesen Charakter widerspiegelt und dass auch die Regenbogenfahne vor dem Landeshaus wehen kann.

(Beifall SPD)

Denn es hatte ja einen Grund, dass sich die Menschen nicht in irgendeiner Turnhalle verkrochen haben und unter sich geblieben, sondern am hellichten Tag auf die Straße gegangen sind, deutlich sichtbar für die gesamte Gesellschaft, um zu zeigen, dass sie ein Teil der Gesellschaft sind. Genau das soll mit unserem Antrag widergespiegelt werden.

Es dauerte einige Jahre, bis sich der CSD-Marsch auch in Europa und in Deutschland in Bewegung setzte. Erst 1979 fanden auch in Bremen, Köln und Berlin erste Demonstrationen und Kundgebungen statt, immer mit Forderungen verbunden, wie zum Beispiel der Abschaffung des § 175.

Im vergangenen Jahr stand der Erfolg für die Ehe für alle im Vordergrund, lange erkämpft und von der CSD-Gemeinde und auch von vielen Vereinen und Verbänden gefordert. Das war ein erfolgreicher Tag für die Menschen, die sich seit Jahrzehnten dafür eingesetzt hatten. Aber Forderungen gibt es immer noch; denn es ist noch nicht alles erreicht, was wir in unserer offenen und vor allem auch gleichberechtigten Gesellschaft haben möchten. Die Reform des Transsexuellengesetzes - ich bin damals im Antidiskriminierungsbericht schon darauf eingegangen - fehlt zum Beispiel immer noch.

Diskriminierungen, die im Alltag, in der Schule, im Beruf oder im öffentlichen Leben stattfinden, müssen weiter bekämpft werden. Wir wollen mit dem CSD-Empfang im Landeshaus ein deutliches Zeichen für eine vielfältige Gesellschaft setzen.

(Beifall SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit können wir sehr deutlich machen, dass Homophobie und Ausgrenzung im Landeshaus und in Schleswig-Holstein keinen Platz haben. Mehrere Städte in Schleswig

Holstein, aber zum Beispiel auch der Hamburger Senat laden regelmäßig zu einem Empfang ein. Als äußeres und sichtbares Zeichen wird dabei auch die Regenbogenfahne gehisst. Das ist auch der Wunsch meiner Fraktion.

(Beifall SPD)

Daher finde ich es schade, dass die regierungstragenden Fraktionen unseren Antrag nicht mittragen können. Die Wortspielchen zum CSD-Empfang dass wir die Menschen im Landeshaus empfangen habe ich nicht ganz verstanden. Ich habe jetzt vernommen, dass es wohl auch finanzielle Gründe hat, dass das Landeshaus keine Empfänge mehr ausrichtet. Sie wissen, ich habe sehr gute Beziehungen in die Gastronomie. Wenn es daran liegen sollte, würde ich sehr gern das Catering zu diesem Empfang ins Landeshaus liefern lassen.

(Heiterkeit und Beifall SPD und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ganz ehrlich: Wir dürfen uns wirklich nicht kleinmachen. Entweder wir machen es richtig, oder wir machen es gar nicht. Wenn man Gäste ins Landeshaus einlädt, dann müssen sie auch vernünftig bewirtet werden. Ich stehe hierfür sehr gerne zur Verfügung. Vielleicht hat der eine oder andere sogar Lust, sich mit mir in die Küche zu stellen. Für diesen Anlass würde ich sogar selbst noch einmal kochen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Jette Waldinger-Thiering [SSW] - Zuruf Lars Harms [SSW])

Es hat selbstverständlich Symbolcharakter. Das wissen wir auch. Wir haben gestern mit sehr großer Mehrheit einem Antrag zugestimmt, der einen großen Symbolcharakter hat. Dieser betraf die Einbürgerungskampagne. Wir wissen, dass mit dem CSD-Empfang und auch mit dem Hissen der Regenbogenfahne hier vor dem Landeshaus eher ein symbolisches Zeichen gesetzt werden soll. Aber ich finde es, wie gesagt, nicht nur im Inneren, im Kleinen, untereinander wichtig. Jeder, der am Landeshaus vorbeifährt und sich das anschaut, Touristen, die zu uns kommen, die Bevölkerung, alle sollen sehen, dass wir für eine bunte, offene und vielfältige Gesellschaft stehen. Das gehört, wie ich finde, alles zusammen.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie sich doch noch überwinden würden, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.