Protocol of the Session on February 23, 2018

- Gut, dann hat sich das erledigt.

Ich weise darauf hin, dass wir nachher über einen modifizierten Koalitionsantrag abstimmen werden, der sich wie folgt geändert hat. Den ersten Absatz muss ich wohl nicht vorlesen. Der komplette erste Absatz entfällt und wird durch den ersten Absatz des Alternativantrages der SPD-Fraktion ersetzt.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: In der geänderten Form, die Herr Kollege Dolgner vorgetragen hat!)

- Genau, in der geänderten Form: „Der Landtag fordert daher die Deutsche Bundesbahn und die Landesregierung auf …“

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

- Gut. Ich gehe davon aus, dass sich der ursprüngliche SPD-Antrag damit erledigt hat.

Dann kommen wir zunächst zu der Abstimmung des Änderungsantrags der Abgeordneten des SSW, Drucksache 19/536. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 19/536 einstimmig angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/514, mit der von mir erwähnten Änderung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Damit ist der Antrag so einstimmig angenommen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, AfD, SSW und vereinzelt SPD)

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, möchte ich sagen, dass der Tagesordnungspunkt 29, der ohne Aussprache vorgesehen war, von der Tagesordnung abgesetzt wird.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 31:

Einsetzung des Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der 19. Wahlperiode

Antrag der Abgeordneten Wolfgang Baasch, Dr. Kai Dolgner, Dr. Heiner Dunckel, Kirsten Eickhoff-Weber, Martin Habersaat, Bernd Heinemann, Birgit Herdejürgen, Thomas Hölck, Kerstin Metzner, Serpil Midyatli, Birte Pauls, Tobias von Pein, Regina Poersch, Beate Raudies, Sandra Redmann, Thomas Rother, Dr. Ralf Stegner, Özlem Ünsal, Kai Vogel, Kathrin Wagner-Bockey, Stefan Weber Drucksache 19/520 (neu) - 2. Fassung

Konkretisierung und Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes gemäß § 3 Absatz 2 des Untersuchungsausschussgesetzes

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/551 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitte letzten Jahres erreichten uns über die Medien,

(Beate Raudies)

unter anderem ausgelöst durch zwei Kleine Anfragen des ehemaligen Kollegen Breyer, sehr beunruhigende Vorwürfe gegen Teile der Landespolizei. Kollege Burkhard Peters kam deshalb bereits am 17. Juni zu dem Schluss, dass ein neuer Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zu rechtfertigen sei. Ich zitiere wörtlich:

„Die im Raum stehenden Fragen und Vorwürfe sind gravierend genug.“

Dem habe ich mich, nachdem uns umfangreiche Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden, in einem Interview des NDR am 10. Juli angeschlossen. Wenn ich jetzt also als Vater des PUA bezeichnet worden bin, dann wäre der Kollege Peters mindestens der Großvater des PUA.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP - Zuruf Christopher Vogt [FDP])

- Wir sind tatsächlich Väter; in der letzten Legislaturperiode bin ich Vater und er ist Großvater geworden; das ist vielleicht ein Zufall. - Der zwischenzeitlich geäußerte Vorwurf, die Ankündigung des PUA richte sich gegen den Sonderbeauftragten, ist schon deshalb absurd, weil die Benennung von Herrn Innenminister a.D. Klaus Buß erst zwei Wochen danach erfolgte und ich über keine mir bekannten hellseherischen Kräfte verfüge.

Was waren die Vorwürfe, mit denen wir konfrontiert werden? Da wären zunächst einmal die zwei zuständigen Ermittlungsbeamten im sogenannten Subway-Verfahren, X und Y genannt. Diese erhielten von einem VP-Führer die Information eines Hinweisgebers über die mögliche Unschuld eines in Untersuchungshaft sitzenden Mitglieds eines Rockerclubs. Sie forderten daraufhin die Verschriftlichung dieser Quellenaussage. Dies verweigerte der VP-Führer mit dem Hinweis auf das Schutzbedürfnis seiner Quelle. Eine dafür notwendige Zusicherung der Vertraulichkeit, womit die Quelle in der Hauptverhandlung hätte anonym bleiben dürfen, konnte der Hinweisgeber aber nicht bekommen, da er selbst Beschuldigter in dem Verfahren gewesen sein soll. Nach unserer Auffassung gehören Vermerke von Ermittlungsbeamten zur Ermittlungsakte, und das liegt nicht in der Dispositionsfreiheit des Vorgesetzten.

Meine Damen und Herren, jeder von uns kann Beschuldigter in einem Strafverfahren werden. Wir und unsere Strafverteidiger müssen sich dann darauf verlassen können, dass sich in den Ermittlungsakten der Polizei beziehungsweise der Staatsanwaltschaft, der objektivsten Behörde der Welt, alle

entlastenden Hinweise wiederfinden. Wie sollte denn sonst eine effektive Strafverteidigung gewährleistet sein?

(Beifall SPD und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [AfD])

Der Hinweis wurde schließlich verschriftlicht und durch den zuständigen Staatsanwalt zu den Ermittlungsakten genommen - das aber doch nur, weil X gehandelt und den Hinweis selbst verschriftlicht hat, und nicht etwa, weil es ursprünglich von seinem Vorgesetzten beabsichtigt gewesen wäre. Das ist ein sehr wichtiger Punkt.

Infolgedessen fertigte dann der VP-Führer seinerseits einen Vermerk. Beide Vermerke lagen der SPD-Fraktion schon vor der Akteneinsicht vor. Sie können in mindestens einem Punkt nicht gleichzeitig wahr sein. Außerdem sollen Hinweise bezüglich der Tatbeteiligung eines weiteren Beschuldigten gar nicht verschriftlicht worden sein.

X und später auch Y bekamen die Konsequenzen für ihr Eintreten für Aktenwahrheit und -klarheit zu spüren. X wurde aus der Soko Rocker abgezogen und zunächst in einen für ihn unattraktiven Bereich versetzt. Auch wenn es nicht formal als Disziplinarmaßnahme zu werten ist, ist es trotzdem nicht abwegig, dies als Bestrafung für ein scheinbares Fehlverhalten einzuordnen. Y fühlte sich - auch wegen dieses Vorgangs, aber nicht nur wegen dieses Vorgangs - gemobbt. Die Arbeit der Mobbingkommission verlief - sagen wir einmal - schleppend.

Das Mobbingverfahren wurde nach einem gemäß den gestrigen „Kieler Nachrichten“ für den zuständigen Polizeiführer wenig schmeichelhaften Zwischenbericht auf Betreiben des Abteilungsleiters Polizei im Innenministerium eingestellt, weil das Verfahren absprachewidrig gewesen sei - so der Abteilungsleiter in der damaligen Ausschusssitzung. Auch hieraus resultieren diverse weitere Vorwürfe. Des Weiteren haben die Staatsanwaltschaft Kiel und zwei Ermittlungsbeamte des LKA Mecklenburg-Vorpommern im Auftrag des LKA Kiel mögliche straf- und dienstrechtliche Probleme in diesem Zusammenhang überprüft.

Ich erlaube mir die Bemerkung, dass das SubwayVerfahren von der Staatsanwaltschaft Kiel selbst geleitet und vom LKA Kiel durchgeführt wurde. Insofern wäre nicht nur eine personelle, sondern auch eine organisatorische Unabhängigkeit der jeweiligen Prüfinstanzen wünschenswert gewesen.

In dem vertraulichen Bericht der aus dem LKA Mecklenburg-Vorpommern abgestellten Ermitt

(Dr. Kai Dolgner)

lungsbeamten, den der NDR am 31. Mai 2017 wie folgt zitiert, wird ein weiteres Problem angesprochen:

„Dass man 2010 ein hochrangiges Mitglied der Rockergruppe ‚Bandidos‘ als Informanten gewonnen habe, sei ‚äußerst problematisch‘ gewesen, so die Schweriner Ermittler. ‚Ein Bekanntwerden der Zusammenarbeit hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit nachteilige Folgen für das Verbotsverfahren der Bandidos gehabt.‘“

Der NDR zitiert diesen Bericht am 10. Juli sogar:

„Der Hinweisgeber stand im Zentrum der vereinsrechtlichen Maßnahmen.“

Neben den aufgeworfenen vereinsverbotsrechtlichen Fragestellungen führte die von den Ermittlern bemängelte Zusammenarbeit zu weiteren Fragen der Medien bezüglich der Kontakte der Führung der Bandidos zur Polizei, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Durchsuchung des sehr großen Wohnund Clubhauses, die von Zeitpunkt, Zeitraum und Durchführung - sagen wir einmal - ungewöhnlich verlief und deren Bild- und Videoaufnahmen wegen technischer Mängel der Aufzeichnung gleich gelöscht worden sein sollen.

Mich würde übrigens - wenn Sie genau aufgepasst haben - auch interessieren, wieso der NDR drei Monate vor dem Parlament offensichtlich Einsicht in einen als vertraulich eingestuften Bericht - vermutlich sogar ungeschwärzt - hatte. Dieser hat nach unserer Kenntnis den Geschäftsbereich des Innenministeriums nie verlassen, und es hatte zu diesem Zeitpunkt nur ein kleiner Kreis Zugriff. Das ist auch insofern bemerkenswert, da dem NDR auch Informationen über die Einschätzung des Verhaltens von X und Y gegeben wurden, die man den beiden betroffenen Polizeibeamten selbst jahrelang vorenthalten hat.

Auf die weiteren Fragestellungen kann ich aufgrund der Kürze der Zeit nicht sachgerecht eingehen; ich bitte Sie, mir das nachzusehen. Für die kommende Ausschussarbeit werden der Aufklärungswille und die Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten, insbesondere des Innenministeriums, aber auch des Justizministeriums, entscheidend für die Geschwindigkeit unserer Arbeit sein. Eine faire und abschließende Beantwortung der Fragen zu den medial erhobenen Vorwürfen ist zu diesem Zeitpunkt unmöglich - auch wenn Medien die ganze Zeit nachfragen, wer schuld sei, wessen Kopf man fordern müsse. Das geht auch jetzt wieder durch die

Runden. Wenn wir das alles genau wissen würden, bräuchte man ja keinen PUA.

Nach wie vor stehe ich zu dem, was ich schon häufiger wiederholt habe: Anhand einer Aktendarstellung, bei der Sie nicht davon ausgehen können, dass die umfänglich und vollständig ist, sollten wir keine Urteile fällen.

Die SPD-Fraktion erhofft sich in erster Linie Aufklärung darüber, ob innerhalb der Landespolizei, vor allem seitens der jeweiligen Vorgesetzen und aller Führungsebenen, korrekt mit kritischen Polizeibeamten umgegangen wurde und auch mit anderen kritischen Polizeibeamten umgegangen wird und inwieweit Konsequenzen aus den diversen Vorgängen gezogen werden müssen, aber auch inwieweit sie schon gezogen worden sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist übrigens die Bezeichnung „Rockeraffäre“ irreführend. Auch mir ist noch kein besserer Begriff eingefallen. Es geht hier um Beamte unserer Landespolizei und die Fragestellung, was ihnen passiert, wenn sie zum Beispiel die Grundsätze von Aktenwahrheit und -klarheit vehement einfordern, und ob das Umgehen mit unseren Polizeibeamten richtig gewesen ist.

Wir haben alle gemeinsam die Chance, aber auch die Pflicht, diesen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem zu nutzen, wofür parlamentarische Untersuchungsausschüsse eigentlich da sind: nicht zum parlamentarischen Stellungskrieg, sondern zur Wahrnehmung unseres Verfassungsauftrags, der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive im öffentlichen Interesse - nicht mehr und nicht weniger. Wir sind keine Staatsanwaltschaft, das ist auch nicht unsere Aufgabe.

Auch eine Staatsanwaltschaft würde solche Mobbingvorwürfe gar nicht untersuchen, zumindest wenn keine Straftaten begangen worden sind. Trotzdem müssen uns die Berichte, die wir haben, Sorgenfalten auf die Stirn treiben, weil es durchaus drastische Darstellungen vom Klima in Teilen der Landespolizei gibt, die es aufzuklären gilt.

Die signalisierte gegenseitige Zustimmung zu den Anträgen der SPD auf der einen und von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP auf der anderen Seite scheint mir da ein guter Anfang zu sein, für den ich mich schon jetzt ganz herzlich bedanken möchte, auch für den konstruktiven Dialog, den wir in den letzten Tagen dazu geführt haben. Wir werden dem jetzt geänderten Änderungsantrag zustimmen, sodass wir uns gemeinsam auf den Weg machen können, die Fragen in der gebotenen Sorgfalt zu klären. Denn am Ende müssen wir natürlich fest

(Dr. Kai Dolgner)

stellen, was an den Vorwürfen dran ist, aber auch darauf haben auch diejenigen, die in die Öffentlichkeit gebracht worden sind, ein Anrecht -, was an den Vorwürfen nicht dran ist.