Protocol of the Session on February 23, 2018

stellen, was an den Vorwürfen dran ist, aber auch darauf haben auch diejenigen, die in die Öffentlichkeit gebracht worden sind, ein Anrecht -, was an den Vorwürfen nicht dran ist.

Ich hoffe auf eine konstruktive Zusammenarbeit in der nächsten Zeit und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt FDP, Beifall Werner Kalinka [CDU] und Volker Schnurrbusch [AfD])

Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Claus Christian Clausen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Der Landtag wird heute den Ersten Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode beschließen. Der Ausschuss wird den Auftrag haben, die sogenannte Rockeraffäre in dem Rahmen zu untersuchen, den wir heute beschließen werden.

Die Rockeraffäre beschäftigt das Land nun schon seit Beginn der Ermittlungen um das Subway-Verfahren im Jahr 2010. Aber der Sachverhalt, über den wir heute hier und künftig im Untersuchungsausschuss sprechen werden, geht noch weiter zurück. Er beginnt im Grunde genommen mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum NPDVerbotsverfahren aus dem Jahr 2003 und dessen Auswirkungen auf die Vertrauenspersonenführung. Er zieht sich durch die Rockerkriege, die Ende der 2000er-Jahre auch in Schleswig-Holstein tobten und denen der Staat Herr werden musste und auch Herr geworden ist. Er findet einen seiner traurigen Höhepunkte in dem Überfall auf Angehörige der Red Devils durch Mitglieder der Rockergruppe Bandidos.

Es geht um die anschließenden Ermittlungen durch die Landespolizei und die Behandlung von entlastenden Informationen in Strafverfahren. Der Umgang von Kollegen untereinander und auch von Vorgesetzten und ihren Untergebenen wird Thema sein. Es wird um die Überwachung von Personen gehen und um das Verbotsverfahren gegen die Bandidos Neumünster.

Ein breites Spektrum also, das auch einbeziehen wird, ob die Bewertungen politischer Handlungsträger richtig waren. Wir werden uns die Ermittlungsmaßnahmen, den dienstinternen Umgang mit Informationen und Vertrauenspersonen genauso an

schauen müssen wie die Bewertungen der verschiedenen Beteiligten in Bezug auf die Mobbingvorwürfe. Damit meine ich auch den Bericht des Mobbingausschusses sowie die Schlussfolgerungen der Polizeibeauftragten und den Abschlussbericht des LKA Mecklenburg-Vorpommern.

Seit 2010 sind sowohl durch die Verwaltungs- als auch durch die ordentliche Gerichtsbarkeit zahlreiche Urteile gefällt worden. Dazu möchte ich bemerken: Unsere Aufgabe wird es nicht sein, als eine Art Superrevisionsinstanz für Betroffene Geschehenes rückgängig zu machen. Wir treten auch nicht an, im Nachhinein alles besser zu wissen. Kurz gesagt: Klugscheißen ist nicht der Untersuchungsauftrag. Aber wir werden aufklären, ob und was falsch gelaufen ist und ob beziehungsweise welche Konsequenzen daraus gezogen worden sind oder werden müssen.

Die Regierungsfraktionen werden sich konstruktiv und verantwortungsbewusst an der Aufklärung all dessen beteiligen, was hier zur Untersuchung von den Kollegen der SPD benannt worden ist. Deswegen ist es unser Ziel, mit unseren Ergänzungen unseren Beitrag dazu zu leisten. Wir wollen aufklären, und wir wollen zu einem Abschluss dieser Angelegenheit kommen.

Im Rahmen der Akteneinsicht sind mehrmals Vermerke und Notizen aufgefallen, die davon sprechen, dass die Betroffenen für sich gerade keinen Abschluss mit diesen Vorgängen gefunden haben. Für diejenigen, um die es hier geht, ist die Rockeraffäre eben nicht vorbei. Sie hält für sie seit fast einem Jahrzehnt an. Auch diese Personen sind aufgerufen, sich an der Aufklärung zu beteiligen, um dieses Kapitel am Ende für sich selbst abschließen zu können.

Auch deshalb haben wir unseren Ergänzungsantrag gestellt. Wir möchten untersuchen, welche Auswirkungen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. März 2003 auf die Vertrauenspersonführung hatte. Wurden die dort geforderten Vorgaben eingehalten? Haben diese Einfluss auf das Verbotsverfahren der Rockergruppen in Schleswig-Holstein gehabt? Wie haben sich die Vorgaben auf die Ermittlungen im Bereich der Rockerkriminalität generell ausgewirkt?

In diesem Sinne möchten wir auch, dass sich der Untersuchungsausschuss mit den politischen Konsequenzen der Rockeraffäre auseinandersetzt. Unser Innenminister Grote hat aus meiner Sicht richtig gehandelt, als er den Sonderermittler Buß ernannt hat. Wir möchten wissen, welche Maßnahmen die

(Dr. Kai Dolgner)

ser ergriffen hat, um den Untersuchungsgegenstand aufzuklären.

Aus unserer Sicht wäre es deshalb richtig gewesen, den Abschlussbericht des Sonderermittlers abzuwarten. Ich denke, dieser hätte eine Vielzahl von Fragen aufklären können. Aber auch ohne dass dieser Abschlussbericht vorliegt, werden sein Untersuchungen mit in den Auftrag des Ausschusses aufgenommen werden.

Wir wollen aufklären, welche Auswirkungen die Rockeraffäre auf die Karrieren der Beteiligten hatten, die im Zusammenhang mit der Untersuchung der Soko Rocker standen. Hierzu gehört auch die Besetzung des Postens des Landespolizeidirektors ab dem 1. Januar 2014. Hier wird zu fragen sein, welche Kenntnis die damalige Hausspitze des Innenministeriums von den Vorgängen und welchen Einfluss diese Kenntnis auf das Bewerbungsverfahren um die Neubesetzung hatte.

Hierzu gehören auch unsere Fragen, welches Ergebnis denn der Mobbingausschuss in seinem Zwischenbericht von Anfang 2013 vorlegte, und wer davon Kenntnis hatte. Welche Konsequenzen wurden innerhalb der Landespolizei daraufhin gezogen? - Wir wissen, dass der Mobbingausschuss durch andere Maßnahmen ersetzt wurde. Ob das zu optimalen Strukturen im Umgang mit solchen Vorfällen geführt hat, kann jetzt noch nicht bewertet werden; aber auch das ist Ziel des kommenden Untersuchungsausschusses.

Ich bin der Überzeugung, dass vieles von dem, was wir untersuchen werden, durch die Landespolizei ordentlich und richtig erledigt wurde. Ich bezweifle Vorwürfe, die Landespolizei habe Journalisten abgehört. Sollte es dafür aber konkrete Hinweise geben, werden wir natürlich auch dieser Frage nachgehen. Der Untersuchungsgegenstand des Ausschusses lässt hierfür genügend Spielraum, um in den benannten Bereichen flexibel zu agieren.

Es hätte zwar aus meiner Sicht Sinn gemacht, neben den Ergebnissen der Untersuchung des Sonderermittlers auch die Ergebnisse der Staatsanwaltschaft Lübeck, die ja seit Sommer vergangenen Jahres ermittelt, abzuwarten; aber wir werden heute der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zustimmen. Wir wollen durch unseren Antrag wichtige Impulse geben und die Aufklärungsarbeit fördern und unterstützen. Wir machen das auch, um unserer Polizei den Rücken zu stärken. Wenn es strukturelle Defizite bei der Polizei gegeben hat, dann möchten wir wissen, ob und wie diese behoben wurden. Wir sind fest davon überzeugt, dass

die Landespolizei gute Arbeit leistet, und wollen die Polizei durch unsere Sachverhaltsaufklärung vor unberechtigten Vorwürfen schützen.

(Beifall CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD)

Es wird deshalb zu klären sein, ob die politische Ebene die Arbeit der Polizei ausreichend unterstützt und richtig geführt hat. Dabei soll es nicht um ein fröhliches Scheibenschießen auf Ex-Innenminister gehen, sondern um eine Aufklärung der Sachverhalte. Wir müssen für die Zukunft die richtigen Konsequenzen aus möglichen Fehlern ziehen. Dort, wo Probleme aufgedeckt werden, möchten wir diese beheben.

Wir sehen es als Aufgaben von Parlament und Ausschuss an, der Regierung zu helfen, Strukturen zu optimieren und unsere Landespolizei auf erfolgreichem Kurs zu halten. In diesem Sinne freuen wir uns auf eine konstruktive und fraktionsübergreifende Zusammenarbeit im kommenden Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Einen Nebenaspekt der Akteneinsicht möchte ich noch erwähnen: Wir haben in der Landesverfassung eine Regelung, dass das Nähere über die Akteneinsicht ein Gesetz regeln soll. Dieses Gesetz gibt es immer noch nicht. Wir sollten das bei Gelegenheit angehen, um das genauer zu regeln, damit Irritationen über die Vorgehensweise in diesem Bereich ausgeräumt werden können.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir werden also dem Einsetzungsantrag der Kollegen zustimmen und bitten um Zustimmung für unseren Jamaika-Ergänzungsantrag in der Form der Drucksache 19/551 (neu). - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Bevor wir mit der Rednerliste fortfahren, begrüßen Sie bitte mit mir neue Gäste auf der Besuchertribüne, und zwar Schülerinnen und Schüler der Nordseeschule St. Peter-Ording. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Burghard Peters.

(Claus Christian Claussen)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Opa hat man ja eine gewisse Verantwortung, dem Publikum zu erklären, was die Kinder so machen.

(Heiterkeit)

Deswegen erlauben Sie mir, dass ich zunächst versuche, die drei Begriffe auseinanderzudröseln, die den Einsetzungsantrag so stark dominieren: Vertrauensperson, Informant, Hinweisgeber. Sie beherrschen viele der Einzelfragen, direkt oder indirekt. Was sind das für Gestalten, deren Wirken so viele Fragen in unserem beschaulichen SchleswigHolstein aufwerfen, dass jetzt das ganz „große Besteck“ - ein Polizeibegriff -, der parlamentarische Untersuchungsausschuss, aus der Schublade geholt wird?

Meine Damen und Herren, ein Informant im Sinne des Einsetzungsantrags ist eine Person, die in einem Einzelfall die Polizei vertraulich mit Informationen über Straftaten oder mit anderen wichtigen Informationen versorgt. Die Vertraulichkeitszusicherung ist der entscheidende Unterschied zum Zeugen.

Eine Vertrauensperson ist dagegen eine Person, die der Polizei über einen längeren Zeitraum regelmäßig und vor allem gegen Bezahlung oder für andere Vorteile Insiderinformationen zukommen lässt. Vertrauenspersonen bewegen sich in den abgeschotteten Kreisen krimineller Banden oder Milieus, denen sie selber aktiv angehören oder deren Vertrauen sie zumindest genießen. Auch Vertrauenspersonen erhalten eine schriftliche Zusage der Polizei, unter bestimmten Bedingungen ebenfalls Vertraulichkeit zu genießen. Sie bleiben also in einem nachfolgenden Strafverfahren anonym.

Hinweisgeber sind im Gegensatz dazu Personen, die zwar aus ihrer Stellung in einem kriminellen Milieu heraus ebenfalls Insiderkenntnisse an die Polizei weitergeben; ihnen darf aber keine Vertraulichkeit zugesichert werden, weil sie zum Beispiel selber wegen strafbarer Beteiligung an den untersuchten Taten verdächtigt werden.

Gemeinsam ist Informanten und Vertrauenspersonen, dass sie im Laufe eines Strafverfahrens im Verborgenen bleiben dürfen. Das dient bei Informanten zum Schutz von Nachstellungen seitens krimineller Bandenmitglieder.

Dieser Schutz gilt aber noch viel mehr bei Vertrauenspersonen, weil diese aus Sicht ihres Milieus, ihrer Bande oder der kriminellen Organisation Verrat an der Sache begehen. Im Fall ihrer Enttarnung

droht ihnen seitens der Ausgespähten Gefahr für Leib und Leben.

Meine Damen und Herren, aus Sicht der Ermittlungsbehörden kommt ein zusätzliches Interesse hinzu: Man will ja möglichst die Quelle erhalten, damit der kontinuierliche Fluss ihrer Insiderinformationen nicht versiegt. Darum haben V-Leute in der Polizei nur Kontakt zu ganz geschulten Spezialisten, die diese Vertrauensperson führen und abschöpfen, ihre Informationen unter genauester Abwägung der Schutzinteressen filtern und in das Verfahren einspeisen. Oder eben auch nicht. Und da sind wir schon bei einem der gravierendsten Punkte des kommenden Untersuchungsausschusses:

Hinweisgeber aus dem Milieu genießen nicht diese besondere Fürsorge des Staates. Deswegen kommt es auf die ganz klare Abgrenzung zwischen Hinweisgeber und Vertrauensperson entscheidend an. Ob diese Grenzziehung im Landeskriminalamt jederzeit und von allen genau beachtet wurde, ist eine weitere drängende Frage für den kommenden PUA. Denn nur bei Informanten und Vertrauenspersonen greift der besondere strafprozessuale Schutz, der darin besteht, dass sie nicht persönlich als Zeugen in öffentlicher Verhandlung aussagen müssen, sondern dass an ihrer Stelle die erwähnten polizeilichen Führungspersonen über die Informationen als „Zeugen vom Hörensagen“ berichten.

Und damit fangen die Probleme an. Die indirekte und gefilterte Einführung von oft entscheidenden Aussagen steht dem gewichtigen Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme entgegen. Er bedeutet, dass grundsätzlich das naheliegendste Beweismittel für alles heranzuziehen ist, was in den Prozess eingeführt wird. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz ist eine der wichtigsten Errungenschaften des rechtstaatskonformen Strafverfahrens. Schon aus diesem Grund ist das Verborgenbleiben der VPersonen im Strafverfahrensrecht eine grundsätzlich nur schwer zu ertragende Ausnahmeerscheinung.

Rockerbanden, Drogengangs, Mafiosi und Terroristen sind aber unbestreitbar eine große Gefahr für die Gesellschaft. Ohne V-Leute kommt der Staat diesem Phänomen nicht bei. Das ist so weit gesellschaftlicher Konsens. Aber für diese Ausnahmen müssen strenge Verfahrensvorgaben eingehalten werden. Ob das im Subway-Verfahren der Fall war, wird genauer zu überprüfen sein.

Die wirklich massiven Probleme der V-Leute liegen aber noch viel tiefer. V-Leute sind selber tief in die kriminellen Bandenstrukturen verstrickt. Sie

sollen sogar möglichst nah an der Führungsstruktur dran sein, um auch wirklich relevante Erkenntnisse liefern zu können. Im Idealfall gehören sie selbst der Führung an. Damit - das liegt auf der Hand sind sie aber Teil des Problems, welches bekämpft werden soll.

Daher haben Vertrauensleute oft eine ganz eigene Agenda bei ihrem Doppelspiel. Die Grenzen zwischen Führen durch die Polizei und dem Versuch der Vertrauensperson, durch Manipulation der Polizei ganz eigene Interessen zu verfolgen, sind fließend. Dadurch, dass sie ihre Dienste in aller Regel nur für teures Geld erbringen, finanziert der Staat zusätzlich auch ein Stück weit die kriminelle Struktur, die er bekämpfen will.

Noch problematischer ist es, wenn V-Leute durch den Staat dadurch belohnt werden, dass ihnen als Gegenleistung für ihre Dienste erhebliches Entgegenkommen bei anstehenden Strafverfahren versprochen wird. Der GAU tritt ein, wenn der Staat in den Ruf kommt, er nutze die besondere Stellung des V-Manns als Agent Provocateur, wenn die Vertrauensperson also mit Wissen und Billigung die Straftat erst provoziert, die dann verfolgt wird, um andere organisierte Täter zu treffen.

Meine Damen und Herren, von Vertrauenspersonen geht also grundsätzlich eine schwerwiegende Infektionsgefahr für den Rechtsstaat aus. Ihr Kontaktgift hat sich in den letzten Jahren in skandalösen Fällen erschreckend realisiert. Ich nenne nur das erste NPD-Verbotsverfahren, den Nationalsozialistischen Untergrund, den Terroranschlag durch Anis Amri in Berlin. Überall spielten V-Leute eine fatale Rolle. Sie sind ein Übel. Und damit stellt sich die entscheidende Frage: Sind sie ein notwendiges Übel? Heiligt der Zweck der notwendigen Bekämpfung der organisierten Kriminalität den Einsatz dieses Mittels?