Protocol of the Session on January 25, 2018

Modellversuch zum „Begleiteten Fahren ab 16“

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/450 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst für die antragstellende FDP-Fraktion der Abgeordnete Kay Richert.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wurde vorgestern von einer sehr netten Journalistin gefragt: Sagen Sie mal, Herr Richert, was verspricht sich die FDP eigentlich von dieser Initiative, und wie sind Sie überhaupt darauf gekommen? Das sind zwei sehr berechtigte Fragen. Deshalb möchte ich sie gern beantworten.

Wie sind wir darauf gekommen? Man muss zuerst einmal wissen, dass auch das begleitete Fahren ab 17, das es in Deutschland schon gibt, auf die Freien Demokraten zurückgeht, nämlich auf Walter Hirche, der 2004 Verkehrsminister in Niedersachsen war. Der Ansatz war, dass insbesondere die Fahranfänger, die Führerscheinneulinge, in den ersten zwei Jahren übermäßig häufig in der Unfallstatistik aufgetaucht sind. Sie fielen auch überdurchschnittlich häufig durch verkehrswidriges Verhalten auf. Hierfür gab und gibt es verschiedene Gründe: Zum einen ist da die erhöhte Risikobereitschaft junger Menschen, manchmal gepaart mit fehlender Einsicht in die Notwendigkeit von Verkehrsregeln. Zum anderen ist für Fahranfänger das Nebeneinander von Fahrzeugbedienung und Beobachtung des Verkehrs besonders schwer. Das muss man erst einmal üben. Das könnte sich, so die Überlegung, ändern, wenn junge Menschen mehr Gelegenheit zur Übung unter erfahrener Anleitung erhielten.

Auch die Erweiterung dieses Ansatzes ist, wenn man das so salopp sagen darf, auf FDP-Mist gewachsen: Im Wahlprogramm 2013 war dies eine unserer Forderungen. Leider sind wir dann nicht in

den Bundestag eingezogen und konnten das nicht umsetzen.

(Zuruf: Das lag aber nicht daran!)

Umso schöner ist es, dass wir - und nicht nur wir jetzt, fünf Jahre später, auf diese Idee zurückkommen und sie vorantreiben.

Was versprechen wir uns davon? Nach zwölf Jahren Erfahrung mit dem begleiteten Fahren ab 17 genügt ein Blick, um festzustellen: Diese Idee war ein voller Erfolg. Das ist nicht bei allen politischen Vorhaben so, zumindest ist es nicht immer so klar ersichtlich. Durch die Möglichkeit, mit erfahrener Hilfe in den Verkehr hineinzuwachsen, gingen Delikthäufigkeit und Unfallhäufigkeit bei Fahranfängern drastisch zurück. Mit anderen Worten: Weniger Fehler aus Unsicherheit, weniger Fehler aus Unerfahrenheit, weniger Fehler aus Übermut, weniger Verletzte und weniger tote Menschen im Straßenverkehr. Was für ein schönes Fazit!

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Durch die Erweiterung dieses erfolgreichen Ansatzes, also indem wir dieses Üben zwei Jahre lang ermöglichen, wollen wir diese Erfolge verfestigen. Wir versprechen uns davon noch weniger Fehler, noch weniger Verletzte und noch weniger Tote.

Wie können wir das erreichen? Das Land Niedersachen hat eine Bundesratsinitiative gestartet, der wir uns gern anschließen möchten; denn die Frage, ab wann das Führen eines Kfz erlaubt ist, ist bundesgesetzlich zu regeln. Zusätzlich gibt es auch noch EU-Vorschriften, die den Bundesgesetzgeber binden.

Die Erfolgsaussichten sind sehr gut. Brandenburg hat sich der niedersächsischen Initiative bereits angeschlossen, und die EU-Kommission hat eine ähnliche Ausnahmegenehmigung wie die, die wir erwirken möchten, schon erteilt, und zwar für Frankreich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Zentrum der liberalen Politik und des freiheitlich-demokratischen Weltbildes, das wir hier vertreten, stehen die individuelle Freiheit und die Übernahme von Verantwortung durch jeden Einzelnen. Aber damit diese Verantwortung durch jeden Einzelnen wahrgenommen werden kann, müssen wir die Menschen in die Lage dazu versetzen.

(Beifall FDP - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Vielen Dank. Für Lob bin ich immer empfänglich. - Dieser Antrag zum begleiteten Fahren ab 16 ist ein Beitrag hierzu. Außerdem ist er ein Beitrag zu mehr Sicherheit und weniger Verletzten und Toten im Straßenverkehr. Es gibt also nicht nur keinen sachlichen Grund, unserem Antrag heute nicht zuzustimmen, sondern eigentlich ist die Zustimmung sogar fast so etwas wie eine moralische Verpflichtung. Deshalb möchte ich Sie dazu einladen, dem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Kai Vogel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erinnere mich noch genau an meine ersten Fahrten, die ich als Führerscheinneuling absolviert habe - ich weiß nicht, wie es Ihnen ging -: Absolut stolz, aber auch mit absolut fehlender Fahrpraxis wurde man eigentlich eher gefahren, als dass man den Eindruck hatte, man steuere das Fahrzeug wirklich eigenhändig.

(Dennys Bornhöft [FDP]: Autonomes Fah- ren?)

Wem von uns hätte ein begleitetes Fahren nicht deutlich mehr Sicherheit gegeben und geholfen, die physikalischen Kräfte des Autos, das man fährt, viel besser einzuschätzen? Mit 16 Jahren darf man mit einem Mal eine ganze Menge mehr als mit 15. 16-Jährige dürfen bei uns zum Beispiel Bier, Wein und Sekt kaufen, bis 24 Uhr wegbleiben, die Abgeordneten dieses Parlaments wählen und den Führerschein der Klasse A 1 erwerben. Damit können sie dann mit einem Kleinkraftrad mit bis zu 125 ccm und bis 11 kW unterwegs sein. Diese Kleinkrafträder können deutlich über 100 km/h schnell fahren. Schauen Sie sich im Internet einmal an, was für Kleinkrafträder es gibt. Man ist wirklich erstaunt, was 11 kW am Ende hergeben. 16-Jährige dürfen diese ohne Begleitung fahren. Warum sie dann nicht an der Seite eines erfahrenen Autofahrers ein Auto steuern dürfen, leuchtet mir nicht ein.

Mein Sohn macht gerade seinen Führerschein. Er ist 17. Bis er den Führerschein - hoffentlich im ersten Anlauf - bestanden hat, wird er vermutlich 17,5 Jahre alt sein. Er wird die Möglichkeit haben, ein halbes Jahr begleitet Auto zu fahren. Genau die

(Kay Richert)

ser kurze Zeitraum nach dem Führerscheinerwerb überzeugt mich. Deswegen halte ich ein Vorziehen des begleiteten Fahrens auf 16 für absolut sinnvoll. So kann das begleitete Fahren nämlich auf deutlich über ein Jahr ausgeweitet werden.

Niedersachsen und Brandenburg - das hat der Kollege eben schon gesagt - haben sich bereits mit eigenen Initiativen auf den Weg gemacht, den Modellversuch „Begleitetes Fahren ab 16“ zu starten. Ich muss allerdings etwas mehr Wasser in den Wein gießen als der Kollege Richert eben: Um das zu realisieren, muss die entsprechende EU-Richtlinie das ermöglichen. Nach meiner Erkenntnis und nach Rücksprache mit einzelnen Verkehrspolitikern gibt es auf EU-Ebene noch nicht einmal intensive Diskussionen darüber. - Vielleicht hast du dazu andere Erkenntnisse. Nach meinen Erkenntnissen aus Brüssel ist man dort eher verwundert darüber, dass über dieses Thema diskutiert wird, weil sie das nicht mitbekommen haben. - Sei‘s drum. An sich ist das Vorgehen sinnvoll.

Erfreulicherweise nimmt die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Personen zwar Jahr für Jahr ab; auffallend ist aber trotzdem immer noch die hohe Anzahl von jungen Männern und Frauen, die jährlich im Straßenverkehr verunglücken. Im Jahre 2016 waren es 65.000 junge Männer und Frauen, 435 im Alter von 18 bis 24 Jahren wurden getötet. Insgesamt werden jedes Jahr mehr als 3.000 Personen im Straßenverkehr getötet.

Mein Wunsch, den ich schon in der vergangenen Legislaturperiode geäußert hatte, ist deswegen auch, sich nun mit Verve auch auf den Weg in Richtung Vision Zero auf den Weg zu machen. Vision Zero ist das Ziel, Straßen und Verkehrsmittel so sicher zu gestalten, dass es keine Verkehrstoten oder Schwerverletzten mehr gibt. Das begleitete Fahren ist ein sehr sinnvoller Weg dorthin.

Seit 2005 gibt es auch bei uns in Schleswig-Holstein den Modellversuch zum begleiteten Fahren ab 17 Jahren. 2011 ist er dann bundesweit realisiert worden. Die Erfahrungen damit sind durchweg positiv. Personen, die am begleiteten Fahren teilnehmen, sind deutlich weniger in Unfälle verwickelt.

Ich komme noch einmal zurück zu meiner Familie. Meine Tochter hat zufälligerweise ihr Austauschjahr in South Dakota zugebracht. In South Dakota hat man die Möglichkeit, bereits ab 14,5 Jahren ein Auto zu steuern. Ich gebe ganz ehrlich zu: Wenn man mit ihr darüber sprach, wurde man doch ein wenig unruhig, wenn man hörte, dass sie mit ihrer 15-jährigen Gastschwester mit dem Auto unterwegs

war. Auf der anderen Seite aber hat South Dakota etwa die Größe Großbritanniens und knapp über 800.000 Einwohner. Das heißt, wenn man sich dort bewegt, ist die Wahrscheinlichkeit - Herr Kollege Hamerich, Sie haben absolut recht -, auf Konkurrenz auf den Straßen zu treffen, eine sehr überschaubare. Die Größe der Felder bietet dort die Chance, eigentlich auch so gut wie nie Kurven zu haben.

Diese Kurven gibt es bei uns allerdings zuhauf. Deswegen wäre der Schritt zu einem begleiteten Fahren ab 16 für uns ein richtiger Schritt zu mehr Sicherheit auf unseren Straßen, mehr Sicherheit für Fahranfänger.

Für Führerscheinneulinge trifft die Aussage „Früher war alles besser“ definitiv nicht zu. Nein, heute ist es besser, wenn wir an Verkehrssicherheit denken. Wir wollen diese Sicherheit mit unserem Antrag und einem begleiteten Fahren ab 16 steigern. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete HansJörn Arp.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier ist es üblich, dass wir hin und wieder auch mal ehemalige Kollegen begrüßen. Deshalb möchte ich gern auch meinen ehemaligen Mitarbeiter begrüßen. Lieber Herr Müller, seien Sie herzlich willkommen! Schön, dass Sie auch mal dabei sind. - Er hätte mir die Rede geschrieben, wenn er nicht bei den Handwerkern angefangen hätte. Deshalb habe ich jetzt keine vorbereitete Rede mitgebracht.

(Heiterkeit)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, alles das, was der Verkehrssicherheit dient, nutzen wir, auch im Interesse aller Verkehrsteilnehmer. Deshalb ist klar, dass wir diesen Antrag gemeinsam stellen und sagen, wir wollen das begleitete Fahren schon ab 16 zulassen; wir wollen, dass dies möglich ist. Der Kollege Vogel hat bereits darauf hingewiesen. Dieses Mal hat er sogar recht. Meistens ist er, wenn wir über Verkehrsthemen reden, nicht so gut informiert. Aber in diesem Fall hat er wirklich recht.

(Kai Vogel)

(Heiterkeit)

Es ist in der Tat so: Es gibt zurzeit einen Antrag aus Niedersachsen, und dieser Initiative aus Niedersachsen schließen wir uns an. Sie muss allerdings erst noch in Brüssel genehmigt werden. Inwieweit das Aussicht auf Erfolg hat, wissen wir nicht. Aber wir beide sind ja stark genug und werden uns dafür einsetzen. Im Zweifel werden wir beide noch nach Brüssel fahren, um uns dort hierfür zu engagieren.

(Beifall CDU - Heiterkeit)

Richtig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass heute schon vieles mit 16 möglich ist. Das will ich jetzt nicht im Einzelnen zitieren; das war auch nicht ganz ernst gemeint. Aber wenn wir schon Wählen ab 16 zulassen wollen, dann sollte man dies auch bitte mit Begleitung wie beim Fahren machen. Aber damit haben wir uns ja nicht durchsetzen können. Also muss ich es jetzt so akzeptieren, wie es ist.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, wir wissen, wie die Situation auf den Straßen ist: Die meisten Unfälle passieren auf den Landesstraßen. Deshalb ist es richtig, dass die Landesstraßen besser und sicherer werden müssen. Die geringste Todesunfallrate haben wir auf den Autobahnen. Deshalb ist es wichtig, dass wir die A 20 so schnell wie möglich kriegen.

(Beifall CDU und FDP - Heiterkeit)

Aber jetzt im Ernst, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist richtig: Wir haben Erfahrungen beim begleiteten Fahren mit 17 gesammelt; da hat es sich ausgezahlt, da hat es sich bewährt. Begleitetes Fahren ab 16 heißt natürlich: allein fahren immer erst ab 18. Aber eine längere Vorbereitungszeit ist dafür erforderlich. Das wollen wir mitmachen, dafür wollen wir uns einsetzen. Wir wollen hier im Haus parteiübergreifend ein Signal an alle geben.

Verkehrssicherheit geht vor. Daran muss ich mich auch bei meinem Fahrstil ab und zu erinnern; das weiß ich selber. Man trägt ja eine Menge Verantwortung nicht nur für sich allein, sondern auch für die anderen Verkehrsteilnehmer. Deshalb wollen wir alles, was der Verkehrssicherheit dient, auch nutzen und ein Signal von uns aus geben: Jawohl, wir sind bereit. Wir setzen uns dafür ein. Das ist gerade bei jungen Menschen besonders wichtig, weil es bei ihnen die meisten Unfalltoten gibt - leider. Deswegen gilt es, dies mit noch mehr präventiven Maßnahmen zu bekämpfen. - In diesem Sinne herzlichen Dank, auch für die Aufmerksamkeit bei Ihnen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Vielen Dank, Herr Kollege, auch dafür, dass Sie es auch bei diesem Tagesordnungspunkt geschafft haben, die A 20 in die Debatte einzubringen und damit eine gute Tradition fortsetzen, dass keine Landtagstagung ohne eine Diskussion über die A 20 stattfinden darf.