Protocol of the Session on January 25, 2018

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt FDP)

Ich appelliere an alle, auch an die Abgeordneten der AfD, dies nicht infrage zu stellen. Wir brauchen den gesellschaftlichen Konsens. Am Ende trägt der Staat die Verantwortung für die Flüchtlingsaufnahme und für die Durchführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Ich sage Ihnen: Diese Landesregierung nimmt ihre Verantwortung ernst und wird danach handeln. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Tobias von Pein.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die AfD bekennt sich in ihrem Grundsatzprogramm zur „deutschen Leitkultur“, zu deren drei Quellen die „religiöse Überlieferung des Christentums“ gehören soll. Nun denn. Und ein paar Seiten weiter wird der Islam in Gegensatz gebracht zu „einem toleranten Nebeneinander der Religionen, das die christlichen Kirchen in der Moderne praktizieren“. Ich will hier gar keine historischen Ab

handlungen halten, aber doch sagen: Das ist an den Haaren herbeigezogen.

Zum heute vorliegenden Antrag: Bisher ist die Liebe der AfD zu den Kirchen weitgehend unerwidert geblieben. Das wundert mich jetzt nicht. Eine ganze Reihe von Kirchenvertretern hat das Buhlen der neuen Rechten um ihre Gunst mit Verweis auf vieles, was von prominenten Mitgliedern Ihrer Partei gesagt und gefordert wird, eher als Belästigung zurückgewiesen. Zu Recht. Vielleicht liegt das auch daran, dass die AfD das Kirchenasyl infrage stellt und als Feind des Kirchenasyls auftritt.

Als säkularer Sozialdemokrat, so würde ich mich bezeichnen, habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass man Vorrechte und Privilegien von Religionsgemeinschaften infrage stellt, natürlich ohne die Religionsgemeinschaft infrage zu stellen. Aber darum geht es Ihnen ja gar nicht.

(Birte Pauls [SPD]: Genau!)

Man kann den Kirchen nicht Honig um den Bart schmieren und ihnen gleichzeitig verbieten wollen, ihren Auftrag so auszulegen, wie sie es für richtig halten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist nicht meine Aufgabe und auch nicht die des Landtags, in die historische oder gar theologische Herleitung des Kirchenasyls vertieft einzusteigen. Es reicht zu wissen, dass es zutiefst humanistisch ist. Wir Sozialdemokraten akzeptieren es nicht, dass Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken, als würden sich zahllose ausländische Bürger, deren Asylanträge abgewiesen wurden, der Ausreise oder Abschiebung dadurch entziehen, dass sie sich unbefristet in den Räumlichkeiten der Kirche einnisten. Das ist einfach großer Quatsch. Es geht immer um Menschen in Not. Wer das nicht erkennt, ist herzlos. Sie sind herzlos.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

So eine Ansicht wäre schon deswegen nicht zielführend, weil das Kirchenasyl heute, anders als in der Antike oder im Mittelalter, kein Sonderrecht ist. Auch die Räumlichkeiten religiöser Gemeinschaften sind nicht rechtlich exterritorial, sodass die deutschen Behörden keinerlei Möglichkeiten der Einwirkung oder des Zugriffs hätten. Vor allem aber kann nicht die Rede davon sein, dass die christlichen Kirchen eine aktive Propaganda zur Gewährung von Kirchenasyl betreiben. Schon 2015 hat die Deutsche Bischofskonferenz in einer Hand

(Barbara Ostmeier)

reichung dazu aufgerufen, mit der Gewährung von Kirchenasyl sehr zurückhaltend umzugehen. Wenn man sich die Zahlen ansieht, stellt man fest, dass angesichts der Gesamtzahl der Asylsuchenden die Fälle von Kirchenasyl statistisch kaum wahrnehmbar sind.

(Claus Schaffer [AfD]: Ein verletzter Polizei- beamter reicht vollkommen!)

Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft - Sie sehen, ich habe Schwierigkeiten mit diesen Begriffen, weil das nicht mein Fachbereich ist - „Asyl in der Kirche“ hat zum 15. Januar 2017 374 Fälle von Kirchenasyl mit 543 Personen, davon 116 Kinder, angegeben. Die meisten davon, nämlich 325, sind sogenannte Dublin-Fälle; das haben wir eben schon gehört. Das sind wohlgemerkt die bundesweiten Zahlen. Wenn Schleswig-Holstein nicht gerade ein Ausreißer nach oben ist, reden wir hier vielleicht über gerade einmal 20 Personen.

Ich gehe davon aus, dass die Gespräche, die derzeit zwischen den zuständigen Behörden des Landes und des Bundes mit den Kirchen geführt werden, auch in Zukunft völlig ausreichen, um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kirchenasyls entgegenzuwirken. Das Kirchenasyl ist und bleibt die letzte humanitäre Option für Menschen in Not. Hier stehen wir fest an der Seite der aufrechten Helferinnen und Helfer, die die Menschlichkeit und darauf kommt es an - an die oberste Stelle stellen.

Ihr Antrag ist ein Armutszeugnis. Er ist kalt, er ist inhuman und zeigt, in was für einer Gesellschaft Sie leben wollen. Das ist nicht unsere. Deshalb lehnen wir ihn ab.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Frau Abgeordnete Aminata Touré.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es gibt in der Flüchtlingspolitik weitaus wichtigere Themen als das Kirchenasyl. Wir haben dies bereits kritisiert, als der Herr Innenminister diesen Punkt auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz gesetzt hat. Es gibt eine Einigung zwischen den Kirchen und dem

BAMF. Daran sollen sich alle Seiten halten, so auch der Beschluss der IMK. Fertig!

Es wird oft kritisiert, dass ständig über Menschen auf der Flucht diskutiert wird, sei es in Talkshows, in der Politik oder in Medien. Das Problem ist aber, dass zu oft über die falschen Themen diskutiert wird, dass zu oft darüber gesprochen wird, was alles nicht geht, dass aber zu wenig darüber gesprochen wird, was wir machen können, wie wir die Menschen dazu befähigen können, selbstständig zu leben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über 60 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Das Thema wird sich nicht über exzessive Abschottungs- und Abschiebepolitik lösen lassen; das ist so.

Ich bin mir absolut im Klaren darüber, dass es Menschen gibt, die weder politisches Asyl noch die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen bekommen. Ich bin mir auch im Klaren darüber, dass es deshalb auch negative Bescheide vom BAMF gibt. Ich bin mir auch im Klaren darüber, dass einige das Land auch wieder verlassen werden.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch ein Spektrum, das sich zwischen dem Geschilderten befindet, weil das Recht - so klug die Menschen sein mögen, die sich alles das ausdenken - nicht auf alle Fragen eine Antwort geben kann. Es gibt auch im Rechtsstaat atypische Fallkonstellationen, bei denen dann Mechanismen wie die Härtefallregelung oder das Kirchenasyl greifen.

Mein Kollege Burkhard Peters hat in der Dezember-Tagung deutlich skizziert, dass es kaum ein anderes Verwaltungsverfahren gibt, das so fehleranfällig ist wie das Asylverfahren, und dass es deshalb solcher Leitplanken bedarf

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

als Ultima Ratio, um in begründbaren außergewöhnlichen Einzelkonstellationen noch einmal an die Behörden zu appellieren, Aufschub zu verschaffen, und die Behörden zu einer erneuten Überprüfung der Entscheidung zu bewegen.

Es stellt übrigens kein eigenes Rechtsinstitut dar. Über den Anspruch auf Asyl- und Aufenthaltsrechte entscheiden in Deutschland unverändert Behörden und Gerichte. Auch darüber sind sich die Kirchen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Tobias von Pein)

Mit dem Instrument des Kirchenasyls wird sehr behutsam umgegangen. Es ist unfair, diejenigen in den Verruf zu bringen, die sich für humanitäre Anliegen starkmachen, nämlich die Kirchen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Und, Herr Schaffer, ich finde es im Übrigen ziemlich schäbig, christliche Ethik immer dann vor sich herzutragen, wenn es in die eigene Argumentationslogik passt, aber dann von sich wegzuweisen, wenn es um einen Moslem geht, um einen Nichtchristen oder um einen Flüchtling.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Und, Abgeordnete der AfD-Fraktion, ich weiß wohl, dass es Ihre Strategie ist, mit Ausgrenzung Politik zu machen, aber daran müssen und daran sollten wir anderen uns nicht beteiligen. Wir haben in der Migrationspolitik extrem viel zu tun. Einige Menschen werden das Land wieder verlassen müssen, andere wiederum werden hierbleiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man vergisst nicht, welche Debatten über einen geführt werden, selten aber mit einem. Das war vor 25 Jahren, als meine Eltern nach Deutschland kamen und wir damals noch als Asylanten beschimpft wurden, nicht anders.

Mein Ziel, eigentlich unser gemeinsames Ziel sollte sein, irgendwann nicht mehr von Flüchtlingen zu sprechen, nicht mehr von Flüchtlingskindern zu sprechen, sondern von Schülerinnen und Schülern, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, von Arbeitsuchenden, von Rentnerinnen und Rentnern zu sprechen, was auch immer sie sein werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Es sollte auch nicht mehr nötig werden, sie als das zu brandmarken, was sie einst waren auf der Flucht vor denen, vor denen wir alle hier in diesem Raum auch fliehen würden, lebten wir nicht in einer funktionierenden Demokratie.

Und, Abgeordnete der AfD-Fraktion, ich weiß, das schmeckt Ihnen wahrscheinlich gar nicht; aber einige dieser Menschen werden vielleicht eines Tages genau hier stehen und als Abgeordnete von diesem Pult aus für Demokratie und für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft kämpfen.

Wir werden Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Das Wort für die Fraktion der FDP hat der Herr Abgeordnete Jan Marcus Rossa.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der AfD, der relativ nüchtern rüberkommt, ist in hohem Maße perfide und soll die Stoßrichtung, die hier verfolgt wird, verschleiern. Ihr wahres Gesicht, werte Abgeordnete von der AfD, zeigen Sie zum Beispiel in den sozialen Medien. Ich zitiere einfach einmal aus einem Tweet der AfD Schleswig-Holstein. Da heißt es:

„Gerichte fallen Behörden regelmäßig in den Rücken: die Hälfte aller Fälle von #Flüchtlingen, die gegen die berechtigte Ablehnung“

- die berechtigte Ablehnung!