Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden jetzt gucke ich noch einmal ganz gezielt Richtung Frau Fritzen -, ich meine nämlich, neben der Überweisung in den Bildungsausschuss auch in den Finanz- sowie in den Innen- und Rechtsausschuss. Ist das korrekt?
- Ja. Federführend wahrscheinlich in den Bildungsausschuss. Dann stimmen wir jetzt darüber ab. Wer den Gesetzentwurf, Drucksache 19/403, federführend in den Bildungsausschuss und mitberatend in den Finanzausschuss und in den Innen- und Rechtsausschuss überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig. - Vielen Dank.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Claus Schaffer.
Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 15. Dezember 2017 meldete die „Schleswig-Holsteinische Landeszeitung“ Folgendes:
„Überraschende Wende im Fall Großbarkau: Die tschetschenische Großfamilie, die sich … gewaltsam der Abschiebung widersetzte, befindet sich im Kirchenasyl. … Die Überführung der seit Mitte November ausreisepflichtigen … Familie … nach Polen im Rahmen des Dublin-Verfahrens ist damit gescheitert. … Das Asylverfahren geht jetzt in deutsche Zuständigkeit über.“
hen darf und was es für das Verständnis unseres Rechtsstaats bedeutet, wenn das Kirchenasyl eine … abschließende Entscheidung aushebelt.“
In der Tat, meine Damen und Herren, die Diskussion zu diesem Thema muss mit neuer Entschlossenheit geführt werden. Wir beobachten hier seit Monaten eine Eskalation, die einmal mehr die Autorität unseres Rechtsstaats untergräbt. Wenn Mitarbeiter der Ausländerbehörde bei rechtskräftig entschiedenen Abschiebungen verbal beleidigt und Polizisten sogar Opfer von körperlicher Gewalt werden, ist endgültig eine rote Linie überschritten.
Es ist nicht ausreichend, wenn kirchliche Vertreter jetzt das Kirchenasyl pauschal rechtfertigen, während diese Debatten zunehmend auf dem Rücken von Verwaltung und Polizei ausgetragen werden. Auf der einen Seite stehen dabei die Aktivisten des Kirchenasyls, und auf der anderen Seite befindet sich der Staat, der für seine Abschiebepraxis kritisiert wird. Aber mit pauschalen Bewertungen kommen wir nicht weiter, und mit der Selbstgerechtigkeit einzelner Kirchenasylaktivisten schon gar nicht.
Was wir stattdessen benötigen, ist eine ehrliche und umfassende Bestandsaufnahme, also ein Ist-Zustand der Praxis des Kirchenasyls in SchleswigHolstein.
Im Februar 2015 wurde zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Kirchen eine Vereinbarung mit dem Ziel getroffen, die Gewährung von Kirchenasyl in Zukunft auf einzelne Härtefälle zu beschränken. Bei der Verlegung von Asylsuchenden in andere EU-Staaten war ein Kirchenasyl dagegen grundsätzlich nicht vorgesehen. Nach dem aktuellen Fazit der Innenministerkonferenz ist diese Vereinbarung auf kirchlicher Ebene nicht angemessen umgesetzt worden.
Stattdessen verzeichnet die aktuelle Statistik auch in Schleswig-Holstein einen kontinuierlichen Anstieg der Kirchenasylfälle. In einem wesentlichen Umfang handelt es sich dabei um Personen, die nach der Dublin-Verordnung an andere EU-Länder zu überstellen sind, sich aber mittels Kirchenasyl der Abschiebung entziehen. Noch 2015 haben die Kirchen zugesichert, den Rechtsstaat nicht infrage zu stellen. Probleme sollten stattdessen durch direkte Kommunikation mit dem BAMF so gelöst werden, dass ein Kirchenasyl bereits im Vorfeld ver
Das Kirchenasyl wird zunehmend von denjenigen missbraucht, die darin eine Möglichkeit sehen, ihre Systemkritik am geltenden Asylrecht zum Ausdruck zu bringen. Damit wird genau jenes Sonderrecht in Anspruch genommen, das es offiziell angeblich gar nicht gibt. Noch im Januar 2017 bezeichnete der Landesbischof der Evangelischen Nordkirche die Warnungen, dass Kirchenasyl den Rechtsstaat infrage stelle, als Unsinn. Nur wenige Monate später werden abgelehnte Asylbewerber, die sich ihrer Abschiebung sogar mit Gewalt widersetzt haben, im Ergebnis dafür mit der Aufnahme ins Kirchenasyl belohnt. Hier ist ein wenig Selbstkritik auch vonseiten der Evangelischen Nordkirche mehr als angebracht.
Die unbefriedigende Entwicklung in der Praxis des Kirchenasyls haben die Innenminister der Länder, also auch Minister mit SPD-Parteibuch, im Dezember 2017 bereits übereinstimmend festgestellt. Das Bundesinnenministerium soll sich nun in einem Gespräch mit den Kirchen dafür einsetzen, dass die bisher nicht angemessen umgesetzte Vereinbarung in Zukunft wieder beachtet wird.
Aber, Herr Minister Grote, was soll dieses Gespräch in der Praxis denn bewirken? Wir wissen doch alle, dass sich die aktuellen Fälle des Kirchenasyls auf der Ebene der örtlichen Kirchengemeinden längst verselbstständigt haben, und dies mit Zustimmung oder Billigung der kirchlichen Leitungsgremien. Noch einmal zitiere ich mit Ihrer Erlaubnis den Landesbischof, der bereits vor einem Jahr erklärte:
Allein mit Gesprächen auf Bundesebene werden wir also nicht weiterkommen. Wir brauchen eine Bestandsaufnahme, die über die Erörterung grundsätzlicher Probleme des Kirchenasyls hinausreicht. Die Einzelfälle müssen jetzt auf den Tisch kommen. Hier stehen auch die Leitungsebenen der Landeskirchen in der Pflicht. Diese sind aufgefordert, stärker als bisher ihre Einflussmöglichkeiten gegenüber den örtlichen Gemeinden geltend zu machen, um der missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kirchenasyls entgegenzuwirken. Wer nach DublinVerordnung an andere EU-Länder zu überstellen ist, hat keinen Anspruch darauf, als besonderer Härtefall eingestuft zu werden. Das muss auch einmal
akzeptiert werden. Es steht den Kirchen schlicht nicht zu, sich darüber hinwegzusetzen. Alles andere hieße, die Kirche über den Rechtsstaat zu stellen. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wenn ich bei meinem Redebeitrag gleich ein bisschen schwimme, liegt das daran, dass ich meine Rede etwas umstellen muss. Ich hatte mir wahrlich vorgenommen, dieses Thema auf sehr sachlicher Ebene zu diskutieren. Aber Herr Schaffer, ich muss jetzt doch einmal mit Ihrem Antrag anfangen. Nicht nur der Wortlaut Ihres Antrags, der vordergründig einen Prüfauftrag enthält, sondern vor allem Ihr heutiger Redebeitrag belegen, dass Sie mit Unterstellungen und mit nicht bewiesenen Missbrauchsvorwürfen arbeiten und Pauschalisierungen an einem Einzelfall aufhängen. Das ist an Polemik, muss ich sagen, wirklich nicht zu übertreffen.
Das finde ich wirklich schade, weil es dem Thema nicht gerecht wird und wir uns alle mit dem Thema befassen wollen. Aber ich sage es ganz deutlich: Mit voller Überzeugung lehnen wir Ihren Antrag heute ab.
Ich will in das Thema einsteigen, ohne große Ausführungen zur Historie zu machen. Es ist richtig, nicht zum ersten Mal steht die Gewährung von Kirchenasyl im Fokus der öffentlichen, der gesellschaftlichen Debatten.
- In den Medien steht es auch in der Kritik, ja. Wenn Sie mich ausreden lassen, gestehe ich Ihnen gerne zu, dass es aufgrund der Medienberichterstattung über Einzelfälle nicht verwunderlich ist, dass es Befürchtungen gibt, das Kirchenasyl würde rechtsstaatliche Verfahren aushebeln, und die Kirchen würden das Kirchenasyl zunehmend zur Kritik am europäischen Dublin-System nutzen. Das liegt
nahe. Aber es ist unsere Aufgabe, dem nachzugehen. Wir müssen dies ernst nehmen, aber wir dürfen die Ängste nicht instrumentalisieren. Das tun Sie mit Ihrem Antrag aber.
Selbstverständlich können und dürfen wir die Entwicklung nicht ignorieren. Diese Landesregierung ignoriert sie auch nicht. 2015 gab es eine einvernehmliche Vereinbarung zwischen dem Bund und den Kirchen. Daher ist es naheliegend, dass unsere Innenminister, angestoßen durch den Innenminister von Schleswig-Holstein, auf der Innenministerkonferenz darüber gesprochen haben. Ich kann nicht verstehen - das richte ich an alle -, dass die Tatsache, dass wir die Medienberichterstattung ernst und zum Anlass nehmen, um darüber zu sprechen, als Affront aufgefasst wird. Wenn das so ist, dann mache ich mir ernsthaft Sorgen. Ich finde es richtig, dass, wenn in den Medien über partnerschaftliche Vereinbarungen berichtet wird, darüber auf der Ebene, auf der diese Vereinbarungen geschlossen wurden, gesprochen wird. Man muss schauen: Wo sind vielleicht Schwachstellen? Was sind die Ursachen? Das finde ich gut und richtig. Da gehört das hin.
Sie reden von Dublin II, dabei haben wir inzwischen längst Dublin III, und im Augenblick gibt es so gut wie keine Dublin-II-Fälle. Insofern ist Ihre Argumentation fachlich ignorant. Außerdem werden die Dublin-Fälle auf Landesebene gar nicht diskutiert. Über die Dublin-Fälle wird zwischen Bund und kirchlichen Gemeinden gesprochen. Insofern ist Ihr Antrag auch inhaltlich nicht zielführend.
Ich wünsche mir und bin mir sicher, dass in diesen Gesprächen darüber nachgedacht wird, wie wir es hinbekommen können, dass die gesellschaftliche Akzeptanz und der gesellschaftliche Konsens auf allen Ebenen erhalten bleiben. Ich erwarte auch, dass man darüber nachdenkt, wo es Schwachstellen geben könnte. Ich könnte mir vorstellen, dass es Verbesserungsbedarf bei der Abstimmung zwischen Bund und Ländern gibt. Die Kommunikationsstrukturen könnten etwas transparenter gestaltet werden. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Landesregierung stärker in diese Verfahren eingebunden wird. Das könnten Schwachstellen sein. Ich bin mir aber sicher, dass auf dieser Ebene genau darüber miteinander gesprochen wird. Ich halte das für richtig.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei allen ehrenamtlich tätigen Menschen in unserem Land bedanken, die auch innerhalb der Kirchengemeinden einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass wir die Integration der Menschen, die zu uns geflüchtet sind, bewerkstelligen können. Wir werden den gesellschaftlichen Konsens weiterhin erhalten müssen. Das brauchen wir. Wir brauchen keine Spaltung.
Ich sage es hier ganz deutlich: Rechtsstaatliche Verfahren dürfen unter Berufung auf das Kirchenasyl nicht umgangen werden. Das ist aber auch gar nicht strittig,
auch wenn es Einzelfälle gibt. Das ist nicht strittig. Das sollten alle Beteiligten immer wieder kommunizieren: Humanität und Rechtsstaat stehen nicht in einem Konkurrenzverhältnis. Unsere Verfassung beruht auf Humanität. Das ist wichtig, und dabei sollten wir bleiben.