Protocol of the Session on December 14, 2017

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welches Parteibuch irgendwelche Bewohner an der möglichen Strecke dort haben, weiß ich nicht. Über die Grundstücksangelegenheiten vor Ort ist der Kollege Tietze wahrscheinlich besser informiert als ich selbst. Allerdings möchte ich schon sagen: Lieber Kollege Tietze, Sie sagen, man solle sich darauf fokussieren und gucken, wie die Leute zukünftig ein Krankenhaus in Flensburg erreichen können. Wir haben derzeit hervorragende Busverbindungen, übrigens nicht nur von Niebüll aus, son

(Dr. Andreas Tietze)

dern auch von Husum aus. Liebe Kollege, das Drollige ist: Die Dinger fahren eigenwirtschaftlich. Da müssen wir als Staat noch nicht einmal etwas zulegen, was bei einer Bahnlinie immer der Fall wäre. Das heißt, wir haben jetzt superschnelle und einfache Verkehre, die jetzt schon genutzt werden können. Diese wollen Sie kaputtmachen, nur um irgendwelche Schienenträume zu erfüllen. Das passt natürlich nicht.

Ein zweiter Punkt: wirtschaftliche Entwicklung. Es ist schön, dass wir den Norden jetzt auch gemeinsam entwickeln können. Das hat es bisher so nicht gegeben. Die Grünen haben sich in Bezug auf wirtschaftliche Entwicklung der Region, insbesondere was die Verkehrsverbindung angeht, nicht gerade immer hervorgetan. Bei dem nächsten Straßenprojekt sind wir voll auf einer Seite. Das wird sehr viel Spaß machen.

Wenn wir aber über wirtschaftliche Entwicklung reden, dann finde ich, man muss auch über die Gesamtregion reden. Wir haben jetzt eine Region an der Westküste, die sich wirtschaftlich, sowohl touristisch als auch was die Art der Betriebe angeht, hervorragend entwickelt. Es gibt dort innovative Betriebe, es gibt dort grüne Betriebe. Deren wirtschaftliche Grundlage kann gefährdet werden, wenn die Verbindungen der Marschbahn eben nicht mehr so gut sind wie in der Vergangenheit. Wir wollen doch endlich Leute, auch die vielen Touristen und diejenigen, die nach Sylt kommen, auf die Schiene bringen. Wenn wir aber eine Schienenverbindung komplett vernichten, weil wir meinen, irgendein Superprojekt haben zu wollen, dann geht das in die dafür vorgesehene Hose.

Sie werden es immer erleben, dass ich mich dafür einsetze, dass wir an der Westküste einen vernünftigen Tourismus haben und dass wir an der Westküste auch unsere Betriebe unterstützen. Es betrifft nicht nur Niebüll oder ein bisschen Langenhorn, sondern es sind alle Orte im Süden betroffen. Das fängt tatsächlich in Pinneberg und Elmshorn an. Das hat unsere Kollegin gerade eben schon dargestellt. Es betrifft aber auch Itzehoe und Heide. Dort will man angebunden bleiben und nicht auf Kosten eines Prestigeobjekts eines einzelnen Abgeordneten am Ende abgehängt werden.

Herr Kollege Harms, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Kollegen Dr. Tietze?

Aber immer doch.

Ob das das Prestigeobjekt eines einzelnen Abgeordneten ist, will ich jetzt einmal überhört haben.

Erstens. Herr Kollege Harms, würden Sie mir zustimmen, dass die Regel gilt: Wer muss, fährt Bus, wer kann, fährt Bahn? Das heißt, bei Bussen haben wir nur eine Nutzungsquote, die etwa bei 7 bis 8 % liegt. Ich darf Sie auch darauf hinweisen: Wenn Sie von Westerland in Richtung Flensburg fahren und in Niebüll ankommen, dann ist der Bus weg. Der fährt nämlich 10 Minuten früher ab, als der Zug aus Westerland in Niebüll ankommt. Das heißt, Sie warten 40 Minuten in Niebüll. Dann fahren Sie ungefähr eine Stunde schön über die Dörfer. Das ist nicht unbedingt attraktiv.

Sie wissen es auch: Die Parkplätze in Niebüll sind ein richtiges Ökonomiemodell. Da verdient man viel Geld. Die Parkplätze sind voll. Die Busse werden nicht genutzt. Wenn Sie das hier jetzt behaupten, dann müssen Sie dazu Stellung nehmen, denn die Studie besagt: Wenn die Bahn eröffnet wird, dann stehen 4.000 Pendler gegenüber jetzt 400 Nutzern des Busses. Ich sage Ihnen: Das ist eine Verzehnfachung des ÖPNV, weg vom Auto. Dazu müssen Sie doch sagen: Es macht gegebenenfalls Sinn, darüber nachzudenken.

- Lieber Kollege Tietze, erstens. Wenn ein Bus eigenwirtschaftlich fährt, dann ist das ein Zeichen dafür, dass er auch genutzt wird, denn sonst würde er nicht eigenwirtschaftlich in Betrieb sein. Das Busunternehmen würde sonst kein Geld verdienen. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist: Wenn wir neue Bahnstrecken eröffnen, wird es neue Weichen und Bahnübergänge geben; nach meinen Informationen insgesamt 22 Stück. Der Stückpreis liegt allein dafür irgendwo zwischen 5 und 10 Millionen €. Manchmal beträgt er sogar 12,5 Millionen €. Dann haben wir noch keine Schienen gelegt. Dann ist da noch gar nichts. Dann gibt es noch keine Infrastruktur, dann sind da keine Bahnhöfe und keine Haltestellen, gar nichts. Wir reden hier über ein Projekt, das mit Sicherheit in einem dreistelligen Millionenbereich liegt. Ihre Argumentation dafür ist: Weil der Bus 10 Minuten zu spät fährt. Ja, dann lassen Sie den Bus doch 10 Minuten früher abfahren!

(Lars Harms)

Dann haben die Leute ihren Anschluss und können auch Bus fahren. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen Dank. - Dann hat nun der Abgeordnete Kai Vogel von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Andreas Tietze, ich finde, wenn man hier die Strecke Niebüll-Flensburg erwähnt, dann muss man auch ehrlich in Bezug darauf sein, was den Grünen dort langfristig vorschwebt, und das ist keine elektrifizierte Nahverkehrsstrecke, die es den Menschen dort ermöglicht, vom Bus auf die Bahn umzusteigen oder gegebenenfalls vom Auto auf die Bahn umzusteigen. Wie schnell sich Menschen hier überzeugen lassen, sieht man im Moment an der täglichen Stausituation auf der A 7 nördlich von Hamburg. Wir alle gingen davon aus, dass dort ein massiver Umstieg vom Auto hin auf die AKN stattfinden würde. Dieser ist ganz marginal.

Wenn es noch nicht einmal eine Stausituation gibt, davon auszugehen, dass alle Menschen auf die Idee kämen, vom Auto auf die Bahn umzusteigen, ist ich gebe Ihnen recht - wünschenswert. Schauen wir aber einmal, was mit der Strecke und der Planung, und da sind die Grünen und insbesondere der Herr Kollege Tietze schon länger dran, einhergeht. Damit einher geht eine Verlegung oder ein weiterer Bahnhof im Bereich Flensburg. Ich habe noch nicht wahrgenommen, dass es positive Mehrheitsbekundungen dazu gibt.

Des Weiteren geht damit einher, dass große Teile der Züge des Fernverkehrs auf der Mitteltrasse von Elmshorn über Neumünster und Rendsburg bis nach Flensburg geführt werden sollen. Wenn dort mehr Verkehre unterwegs sind, dann führt das dazu, dass bestimmte andere Nahverkehrszüge nicht mehr fahren können. Deswegen soll am Ende die Trasse von Flensburg über Eckernförde nach Kiel stärker genutzt werden. Um dies möglich zu machen, muss die Trasse zweigleisig ausgebaut werden. Hui, das wird in Eckernförde zu einer ganzen Menge an Freude führen, wenn man sich dort auf einmal über eine generelle Zweigleisigkeit unterhält.

Ich muss sagen: Lieber Andreas Tietze, ich finde es unehrlich, zu sagen, wir setzen uns einfach nur für

eine zusätzliche Nahverkehrsstrecke ein. Ihr blendet nach meiner Meinung die Kosten vollständig aus, auch wenn du den Kosten-Nutzen-Faktor mit 1,4 darlegst.

Lars Harms hat es eben schon gesagt: 12 Millionen € für Schienenquerungen, die in diesem Bereich geschaffen werden sollen. Wir sind allein für die Querungen schon bei 200 Millionen €. Dazu kommen die neuen Trassen, und hier und da wird es auch Planfeststellungsverfahren geben. Wir liegen bei einem satten dreistelligen Millionenbetrag. Zu der Frage, ob es in diesem Zusammenhang nicht sinnvollere Streckenmaßnahmen gibt als diese, muss ich ganz klar sagen: Wenn wir bei dem Tagesordnungspunkt sind, bei dem wir uns über die Marschbahn unterhalten, dann sehe ich diese schon sehr deutlich. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Für die Landesregierung hat jetzt der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Herr Dr. Bernd Buchholz, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe ganz interessiert zugehört, wie zwischen SSW und Grünen über Niebüll und Flensburg und jetzt auch gemeinsam mit Herrn Vogel über Dinge gesprochen wird, von denen ich sage: Meine Damen und Herren, lassen Sie uns alle gemeinsam darüber gern langfristig reden. Es ist gut, ohne Denkverbote alles Mögliche anzusprechen. Aber was den Schienenverkehr derzeit angeht, empfehle ich allen Beteiligten, zunächst einmal das anzupacken, was notwendig ist, um Stabilität auf der Schiene zu haben,

(Beifall FDP, CDU, SPD und SSW)

um dafür zu sorgen, dass die Menschen in diesem Land tatsächlich das Angebot, das sie erwarten dürfen, auch wirklich stabil und verlässlich bekommen. Das muss unser Ansatz heute sein, nicht so sehr Blütenträume dahin gehend, was auf der einen oder anderen Strecke vielleicht einmal sein wird.

(Beifall FDP und SSW)

Das ist meine herzliche Bitte, weil ich glaube, das ist das, was die Menschen hier von uns allen gemeinsam vor dem Hintergrund der Präsentation der Schienenverkehrssituation in Deutschland erwarten.

(Lars Harms)

Man muss doch ehrlich sagen: Der Schienenverkehr präsentiert sich in Deutschland zurzeit in einer Art und Weise, die nicht danach aussieht, als seien wir eine der führenden Industrienationen der Welt.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, AfD und SSW)

Ich meine die Peinlichkeit, die dies bei einer Neueinweihung auf einer nach meiner Sicht hoch sinnvollen Strecke zwischen Berlin und München eindrucksvoll belegt, wenn ein ICE zweieinhalb Stunden vollgefüllt mit Prominenten und Journalisten steht.

Wir im Land haben unsere eigenen Probleme unterschiedlichster Ursachen. Wir hatten diese furchtbaren Kupplungsschäden und das sicherlich einzigartige Phänomen eines Komplettausfalls von 90 Waggons im Herbst des Jahres 2016. Wir haben Unfälle auf Strecken, wir haben Wetterszenarien, die besonders heftig sind. Es gibt Baumaßnahmen, von denen man allerdings auch sagen muss, dass man daran Zweifel haben kann, ob sie so intelligent geplant und durchgezogen worden sind. Wir haben zum Teil unzureichendes Zugmaterial und das nicht nur auf der Marschbahn, sondern wir warten auch, was die Strecke Kiel-Hamburg angeht, erneut auf die Lieferung von Triebwagen, die eigentlich mit dem neuen Fahrplan längst hätten eingesetzt werden sollen. Wir warten inzwischen drei Jahre.

Es ist auch ein Problem, dass wir keine Industriekonkurrenz und Wettbewerbssituation mehr haben, sondern in dem Augenblick, in dem Siemens Alstom übernimmt, haben wir mit Bombardier und noch zwei anderen nur noch einige wenige Anbieter. Da gibt es nicht mehr viel Wettbewerb. Aus dieser Situation entsteht das, was Liberalen halt ein Gräuel ist, nämlich dass die sich zurücklehnen und sagen: „Freunde, dann dauert es halt noch ein bisschen länger.“

(Beifall FDP - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das empfinden alle an- deren auch so!)

- Ja, das finden alle anderen auch doof; das freut mich. Wir finden das alle doof. An dieser Stelle sollten wir auch Gemeinsamkeit zeigen. Es muss uns allen darum gehen, die Dinge wirklich voranzubringen. Das größte aller Probleme ist nun mal, dass wir ein Schieneninfrastrukturproblem in Schleswig-Holstein haben. Es ist völlig wurscht, Andreas Tietze, ob es nun daran gelegen hat, dass der ehemalige DB-Chef unbedingt die Deutsche Bahn an die Börse bringen sollte oder nicht. Richtig ist aber eines: Die Infrastruktur in diesem Land ist

nicht nur auf der Straße, sondern insbesondere auf der Schiene viel zu lange liegen gelassen worden, und wir erben zurzeit die Probleme, die dadurch ausgelöst worden sind.

(Beifall FDP)

All diese Probleme haben uns in letzter Zeit viel beschäftigt, und sie beschäftigen uns in Wahrheit viel zu viel.

Weil hier von Herrn Arp und dankenswerterweise auch von Frau Raudies immer wieder gesagt wird, das geschieht alles nach dem Motto „Damit habe ich jetzt nichts zu tun, das ist nicht mein Problem“, lassen Sie mich eines sagen: Es ist sehr wohl meine Auffassung, dass wir hier alle gemeinsam - auch ich als Minister - Verantwortung dafür übernehmen, dass das besser wird. An dieser Verantwortung will ich mich sehr wohl auch messen lassen. Dabei geht es um das, was möglich ist, nicht um Blütenträume. Herr Vogel hatte ja vorhin gesagt, in diesen Anträgen stehe sehr viel drin, was Blütenträume seien. Darauf werde ich noch im Einzelnen zu sprechen kommen. Aber ich finde schon, dass zu dieser Verantwortung auch gehört, die Themen klar zu benennen, aber auch die Verantwortlichkeiten deutlich zu machen, um dann auf der Basis der von uns als Land geschlossenen Verträge diese Verantwortlichkeit zu dokumentieren und durchzusetzen.

Machen wir uns auf der Marschbahn doch nichts vor. Hier gibt es eine klare Verantwortlichkeit für die gegenwärtige missliche Situation, und die liegt beim Verkehrsunternehmen, das dort die Verkehre betreibt, und das ist die DB Regio. Das muss man einmal ganz deutlich sagen. Hier ist ein Instandhaltungs- und Reparaturkonzept am Werk, das nicht akzeptabel ist, das nicht ausreichend ist, das dazu führt, dass viel zu lange Stehzeiten für die Überarbeitung von Wagenparks stattfinden.

Es gibt auch ein ungenügendes Personalkonzept der DB Regio. Das führt dazu, dass ganze Züge ausfallen, nur weil sich morgens einer der Lokführer krankmeldet.

Bei DB Service und Station gibt es das Problem einer schon lange angedachten und längst beschlossenen Verlängerung der Bahnsteige auf der Strecke, um diese mit 12 Waggons bedienen zu können. Das hätte man längst umgesetzt haben sollen. Selbst mir gegenüber versucht man - gerade aktuell - noch, zu vertrösten und zu sagen: „Im Sommer nächsten Jahres wird das wieder schwierig werden; es wird wohl 2019 werden.“ Den Akten meines Vorgängers ist zu entnehmen, dass die Beteiligten das eigentlich in jedem Jahr immer auf das nächste Jahr verschoben

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

haben. Hier haben wir ein Déjà-vu; die A 20 lässt grüßen. Das dürfen wir den Betreibern dort nicht durchgehen lassen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb müssen wir gemeinsam sagen - das ist auch mein Appell an die Deutsche Bahn und speziell an DB Regio -: Die Deutsche Bahn hat zurzeit Vertrauen, das sie verspielt hat, zurückzugewinnen. Das muss in unser aller Interesse liegen; denn wir investieren viel Geld auf solchen Strecken. Es ist Aufgabe der Deutschen Bahn, sich dieser Verantwortung zu stellen, sie anzunehmen und zu zeigen, dass sie bereit ist, diese Verantwortung zu tragen und die Verkehre zu verbessern. Dieses Signal muss von hier ausgehen.

(Beifall)

Wir brauchen auch zusätzliche Investitionen in die Sanierung von Gleisen und Bahnbrücken, und wir brauchen erhebliche zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur. Da hilft auch nicht nur eine Zweigleisigkeit auf der Marschbahn.

Eines der zentralen Themen ist in Schleswig-Holstein die Dreigleisigkeit und das Auflösen des Problems in Elmshorn. Das ist etwas, was im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans steht. Auch da gilt, dass es in die Umsetzung gehen muss.