Protocol of the Session on December 14, 2017

Ich wäre so froh, wenn wir das bis 18 Uhr fortsetzen könnten.

Vielleicht haben Sie eben registriert, wer bei Ihrem Beitrag besonders geklatscht hat. Darüber sollten Sie vielleicht auch nachdenken.

Davon abgesehen: Die Einigung mit der Union auf Bundesebene, die ich übrigens nicht besonders gut fand, war wie folgt: Wir hatten eine 3+2-Regelung für Flüchtlinge, die hier einen Ausbildungsplatz haben wollen und die dann - das hat die SPD gefordert - ein Aufenthaltsrecht von drei plus zwei Jahren bekommen. Die Union war nur dazu bereit, dieses zu machen, was ich für junge Menschen, die als Geflüchtete hierhergekommen sind, wirklich wichtig finde, wenn gleichzeitig der Familiennachzug ausgesetzt wird. Das war in der Tat die Position der Union. Ich habe sie nicht geteilt. Ich habe sie kritisiert. Es war die Vereinbarung auf Bundesebene. Im Hinblick auf die Aussage, die SPD habe das gefordert, sage ich: Das ist falsch. Gefordert hat

(Wolfgang Kubicki)

es in der Tat die FDP. Da gibt es Interviews von Herrn Lindner und von anderen, die solche Sachen fordern. Das ist nicht unsere Position. Sie behaupten hier immer wieder Dinge, die nicht stimmen.

(Lachen CDU)

Sie haben eine gute Gelegenheit, das hier zurückzunehmen.

- Erstens, Herr Kollege Stegner, ich äußere, im Gegensatz zu manch anderem, meine Meinung nicht, weil ich Applaus von irgendjemandem haben will, sondern weil es meine Meinung ist.

(Zuruf SPD: Das macht es auch nicht bes- ser!)

Zweitens. Ich schaue - anders als das Kaninchen auf die Schlange - nicht immer auf die andere Seite. Ich habe nur festgestellt, dass ein wesentlicher Teil von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von Freien Demokraten und auch ein erheblicher Teil der Christdemokraten meine Ausführungen mit Applaus bedacht hat.

Herr Dr. Stegner, auch Sie bekommen gelegentlich Applaus von der AfD. Ich habe gesehen, dass der Kollege Trittin im Deutschen Bundestag von der AfD Applaus bekommen hat, dass die Linken regelmäßig von der AfD Applaus bekommen haben. Wenn wir uns davon abhängig machen wollen, ob eine kleine Minderheit bestimmen kann, was wir hier sagen,

(Dennys Bornhöft [FDP]: Dann klatschen die ja nur noch!)

dann klatschen die jetzt nur noch. Das kann nicht richtig sein.

(Beifall FDP, CDU und demonstrativer Bei- fall AfD)

In der Sache selbst: Ich akzeptiere, dass Sie und dass wir alle - Frau Midyatli, das ist das, was mich hier bekümmert - wirklich eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik hatten, die wir weiter umsetzen wollen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Freien Demokraten - jedenfalls in diesem Hause - sind Garanten dafür, dass wir das, was wir machen, an humanitären Grundsätzen orientieren. Ich bin sicher - wir haben ja miteinander gesprochen -: Auch der Ministerpräsident ist genau dieser Auffassung. Das Problem, das Sie momentan anreißen, ist, dass Sie diesen Konsens, der hier bestanden hat, mit einer, wie ich finde, emotional sehr interessanten, aber inhaltlich weniger interessanten Debatte beginnen aufzukündigen. Das wäre das Schlimm

ste, was passieren kann; denn unser Gegner befindet sich nicht in unseren Reihen, der steht ganz woanders. Deshalb bitte ich, bevor ich dieses Haus verlasse, darum, dass wir die Tradition der letzten 20 Jahre aufrechterhalten und versuchen, uns nicht mit Behauptungen auseinanderdividieren zu lassen, die an der Realität scheitern.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Punkt.

Ach so, das war keine Zwischenfrage, sondern ein Dreiminutenbeitrag. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und für den Applaus aus den Reihen der Koalitionsfraktionen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für den Landtagsvizepräsidenten Andresen stellt sich die Frage, wie wohl der Bundestagsvizepräsident Kubicki mit Redebeiträgen umgeht, die länger sind, als sie vorgesehen waren.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir kommen jetzt zum nächsten Dreiminutenbeitrag. Ich erteile nun dem Kollegen Koch von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Podiumsdiskussionsveranstaltung, von der jetzt schon mehrfach die Rede war, war die Einführung in die Politikwissenschaften der Christian-Albrechts-Universität hier in diesem Plenarsaal in der vergangenen Woche. Ich gehörte dem Landtag bereits in der letzten Wahlperiode an, und ich hatte die Freude, als Vertreter der CDU-Fraktion auch an der Podiumsvertretung teilnehmen zu können. Ob ich von Ihnen als neutraler Schiedsrichter akzeptiert werde, weiß ich trotzdem nicht. Immerhin kann ich beide Veranstaltungen aus eigener Anschauung beurteilen.

Die Kollegin Touré hat in der Podiumsdiskussion das Gleiche dargestellt wie heute in der Debatte, dass es in der letzten Wahlperiode keinen durch

(Wolfgang Kubicki)

gängigen, generellen, pauschalen Winterabschiebestopp gegeben hat, sondern es zu einer Änderung der Erlasslage mit einer Einzelfallprüfung gekommen ist. Das ist insofern genau das Gleiche wie das, was zurzeit passiert.

Sie, Herr Dr. Stegner, haben vehement widersprochen und haben mir vorgeworfen, die Unwahrheit zu sagen, haben behauptet, dass es die gesamte letzte Wahlperiode einen pauschalen Winterabschiebestopp gegeben habe. Das ist definitiv falsch, Herr Dr. Stegner. Das, was Sie hier heute machen, ist genau die Herumschwurbelei, die Sie sonst immer so gern anderen vorwerfen. Wer hier vor Hunderten von Zeugen mit Falschnachrichten agiert, sollte heute auch die Größe haben, diese Falschwahrheiten einzuräumen und sich bei der Kollegin Touré dafür zu entschuldigen. So können wir nicht miteinander diskutieren. Sie bestimmen nicht den Kern der Diskussion. Sie sollten zur Wahrheit zurückkehren. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank. - Bevor wir zu weiteren Beiträgen kommen, möchte ich gern einen Nachtrag machen. Auf der Besuchertribüne sitzt auch unser ehemaliger Kollege Joachim Behm. - Auch ihm natürlich ein herzliches Willkommen hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Nun hat der Herr Abgeordnete Burkhard Peters von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte heute, die stark von Schuld und Verrat geprägt war, nutzt den Menschen, um die es hier geht, überhaupt nichts.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Deswegen will ich als Rechtsanwaltspraktiker im Asylrecht versuchen, etwas zur Versachlichung der Debatte beizutragen. Wir haben Winterabschiebestopps. Wir haben Härtefallkommissionen. Wir haben Kirchenasyl. Im Grunde genommen wird das von keinem infrage gestellt. Warum haben wir das, wenn denn die rechtsstaatlichen Verwaltungsver

fahren so reibungslos und vernünftig funktionieren, wie behauptet wird?

(Vereinzelter Beifall SPD und SSW)

Ich kann Ihnen als Praktiker sagen: Es gibt kein Verwaltungsverfahren, das so fehleranfällig ist wie das Asylverfahren.

(Beifall SPD und SSW)

Das liegt an vielen Faktoren, aber in der letzten Zeit vor allem daran: Das Bundesamt ist mit Hunderttausenden von Fällen absolut überschüttet, muss mit viel zu wenig Personal zu vernünftigen Entscheidungen kommen. Das ist bei diesem Klientel, das kein Deutsch spricht - es gibt die DolmetscherProblematik und alles andere -, problematisch.

Dieses Verfahren ist vor allem deswegen so schrecklich fehlerhaft geworden, weil die Anhörung der Betroffenen bei einem anderen Beamten stattfindet als demjenigen, der hinterher entscheidet. Das ist zumindest inzwischen der Regelfall. Das führt dazu, dass die Entscheiderin oder der Entscheider nicht mehr aus der unmittelbaren Anhörung heraus zum Beispiel über die Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit des Vortrags entscheidet. Das ist ein Riesenproblem. Deshalb sind massenhaft Bescheide des Bundesamts falsch und werden, wenn sie überhaupt vor Gericht kommen, korrigiert und als rechtswidrig festgestellt.

Das folgende Problem kommt hinzu: Wir haben in dem Regime Dublin zum Beispiel - offensichtlich unbegründet - eine Woche Rechtsmittelfrist. Von einer solchen Rechtsmittelfrist wären schon Deutsche völlig überfordert. Das kann ich aus anwaltlicher Sicht sagen. Ausländer, Flüchtlinge, die kein Deutsch können und sich nicht auskennen, können das oft nicht wahrnehmen. Dann wird das Ding rechtskräftig, bestandskräftig, und es kann nichts mehr gemacht werden. Man muss innerhalb dieser Woche einen Antrag nach § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung stellen. Wer das nicht macht, ist verratzt. Dann wird er möglicherweise nach Ungarn abgeschoben. Was dort passiert, wissen wir alle.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, warum dieses System so fehlerhaft ist und woran man das erkennt. Im letzten Jahr wurde der rechtsradikale Bundeswehroffizier Franco A. vom Bundesamt, weil er sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hat, angehört, und er wurde anerkannt, obwohl er kein einziges Wort Arabisch sprach. Das ist doch ein schlagender Beweis dafür, dass dieses System krankt. Das ist genau der Grund, dass es solche Me

(Tobias Koch)

chanismen wie Winterabschiebestopp, Härtefallkommission, Kirchenasyl oder andere humanitäre Leitplanken geben muss,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)

wenn man die Regeln der Humanität aufrechterhalten will. - Das wollte ich Ihnen aus der Praxis berichten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Kollege Martin Habersaat aus der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Peters, vielen Dank für die sachlichen und uns wieder zusammenführenden Worte. In der Küstenkoalition war es in der Tat so, dass es in den Jahren 2013 und 2014 einen Winterabschiebestopp gab. Danach gab es ihn nicht mehr. Danach gab es die Praxis, Menschen im Winter nicht abzuschieben. Das ist ein Unterschied.

Unter anderem lag das an Differenzen mit der Regierung in Berlin und politischem Druck, der ausgeübt wurde. Unsere Lösung damals war eben die Einzelfallprüfung und die Praxis. Falls es in der Praxis hakte, gab es in den vergangenen Jahren immer Abgeordnete, die sich für Fälle aus ihren Wahlkreisen eingesetzt haben. Mir sind Kollegen aus vielen Fraktionen bekannt, die das getan haben.