Protocol of the Session on December 14, 2017

Unter anderem lag das an Differenzen mit der Regierung in Berlin und politischem Druck, der ausgeübt wurde. Unsere Lösung damals war eben die Einzelfallprüfung und die Praxis. Falls es in der Praxis hakte, gab es in den vergangenen Jahren immer Abgeordnete, die sich für Fälle aus ihren Wahlkreisen eingesetzt haben. Mir sind Kollegen aus vielen Fraktionen bekannt, die das getan haben.

(Beifall Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Es gab immer Fälle von Kirchenasyl, das, wie Herr Peters gerade ausgeführt hat, eine Chance bietet, noch einmal genauer hinzugucken. Dieses Kirchenasyl wurde übrigens bis vor wenigen Wochen auch nicht infrage gestellt. Es hat mich überrascht, dass dieser Angriff auf das Kirchenasyl aus SchleswigHolstein kam.

(Beifall SPD)

Es gab und gibt die Härtefallkommission in Schleswig-Holstein, die in ihrer Wirkungsweise in der Bundesrepublik vorbildlich ist.

Der Anlass für unseren heutigen Antrag war, dass wir eine Änderung in der Praxis wahrzunehmen glauben. Sie ist nach unserer Wahrnehmung anders, als das in den letzten Jahren der Küstenkoalition der Fall war. Da spielt noch gar nicht die Diskussi

on um den Familiennachzug rein. Ich verstehe bis heute nicht - ich werde es vermutlich auch nicht verstehen -, warum Mitglieder einer christlichen Partei finden, dass es der Integration von Menschen dienen oder in irgendeiner Form sinnvoll sein kann, wenn man Familien trennt und Familienvätern verbietet, Mutter und Kind nachzuholen. Das ist aber eine andere Baustelle.

Heute geht es uns um die Frage: Wie können wir die Praxis in Schleswig-Holstein wieder so gestalten, dass wir damit leben können und wollen und uns anständig verhalten? Unser Antrag dazu liegt auf dem Tisch. Ein Großteil der Redebeiträge hat sich auch darum gedreht. Wir müssen an dieser Stelle vielleicht Herrn Professor Knelangen dazu beglückwünschen, welche Relevanz seine Veranstaltung entwickeln kann. Wichtig ist aber doch, dass wir die Praxis in Schleswig-Holstein wieder anständig hinbekommen. Wenn es so ist, dass Abgeordnete der SPD-Fraktion nicht mehr die Möglichkeiten haben, die sie in der letzten Legislaturperiode hatten - vielleicht liegt es nur daran -, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU, FDP und Grünen, liegt es jetzt bei Ihnen, diese Praxis einzufordern. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner aus der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich wegen eines Aspekts gemeldet, der es verdient, klargestellt zu werden. Sicherlich ist man zu vielen Punkten unterschiedlicher Auffassung. Es ist aber ein Unterschied, lieber Kollege Kubicki, ob man in einer Koalition nach langem Kampf einen Kompromiss eingehen muss oder ob man selber die Forderung aufstellt. Die SPD hat zum Thema Familiennachzug auf ziemlichen Druck der CDU - das kann jeder nachlesen - einem Kompromiss -

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Dem Asylkompromiss haben übrigens auch grüngeführte Landesregierungen zugestimmt. Aber ich versuchte gerade, das klarzustellen, und es ging in diesem Fall gar nicht um die grüne Partei.

(Burkhard Peters)

Anfang 2016 haben wir einen Kompromiss zum Thema „subsidiäre Flüchtlinge“ geschlossen, der gegen unseren erbitterten Widerstand geschlossen worden ist. Das ist alles nachzulesen. Ich habe damals zum Thema Familiennachzug eine eigene Berechnung angestellt. Im Gegensatz zu Frau Aigner, die damals von 7 Millionen Menschen ausgegangen ist, bin ich, und das kann man immer noch auf meiner Homepage nachlesen, von erheblich niedrigeren Zahlen von 150.000 bis 300.000 ausgegangen. Da hat man schon den Sinn der Debatte nicht verstehen können. Daran können Sie übrigens auch erkennen, wie unsere Position zum Familiennachzug damals war.

Es ist ein Unterschied, ob ich sage: Ich bin für den Familiennachzug, muss mich aber dem Koalitionspartner in einem Kompromiss beugen, der den dann noch untertunnelt, indem er anfängt, für Syrer in der Praxis nur den subsidiären Schutz auszusprechen, wobei wir in der Diskussion eigentlich davon ausgegangen waren, dies würde nur wenige Fälle, circa 4.000, betreffen.

(Zurufe)

- Herr Kollege Kubicki, ja, auch an Ihrem letzten Tag dürfen Sie sich das anhören. Es ist ein Unterschied, ob Herr Lindner in der Diskussion im Rahmen der Koalitionsverhandlungen in die Richtung der Grünen in den Koalitionsverhandlungen Folgendes sagt: Eine Ausweitung des Familiennachzugs würde die Akzeptanz einer neuen Regierung sofort zunichtemachen; wir müssen Zuwanderung begrenzen und dürfen bestimmte Richtwerte nicht überschreiten.

Herr Kollege Kubicki, ich gehe davon aus, dass das Zitat richtig ist. Ich gehe auch davon aus, dass man das auch gemeint hat. Das heißt also, die FDP hat diese Position als Forderung eingebracht und sich nicht - wie die Grünen - eventuell einen Kompromiss abhandeln lassen. Sie werden sagen, das sei völliger Quatsch, aber das ist ein wirkliches Zitat von Herrn Lindner.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Bei den Gesprä- chen war ich doch dabei, mein Gott!)

- Sie sagen jetzt: Das war nicht die Position der FDP in den Koalitionsverhandlungen, eine Ausweitung des Familiennachzugs abzulehnen. Das war nicht die Position, das heißt also, die Meldungen in der Zeitung und das wörtliche Interview mit Herrn Lindner sind verkehrt. Wenn das Ihre Aussage ist, dann können wir dies gern überprüfen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, Sie können mir gern eine Zwischenfrage stellen. - Das machen Sie offensichtlich nicht. Deshalb glaube ich: Man sollte bei den Inhalten wieder dazu zurückkehren zu differenzieren, was man als Position in Verhandlungen einbringt und was eine eigene Position ist. Von der CDU/ CSU kann man das nachlesen. Ich war ja schon beunruhigt, als Herr Claussen sagte, es gebe in den Positionen keine Unterschiede zwischen den Koalitionspartnern. Burkhard, du hast mich da, ehrlich gesagt, beruhigt. Ich war ja schon nervös geworden, was das angeht.

Dass man dann natürlich einen gemeinsamen Koalitionsvertrag vertreten muss, ist das eine. Ich gehe aber einmal davon aus, dass es in diesem Hause immer noch so ist, dass die Grünen für den Winterabschiebestopp sind, aber nicht dafür stimmen können, weil sie schlicht und ergreifend in einer Koalition sind. Und ich gehe davon aus, dass CDU und FDP in diesem Haus weiter gegen einen Winterabschiebestopp sind, sonst können Sie gern erklären, was Sie inhaltlich vom Winterabschiebestopp halten.

(Zurufe)

- Ja, die SPD ist jetzt, zu diesem Zeitpunkt und unter den Umständen für den Winterabschiebestopp. Liebe Frau von Kalben, sonst hätten wir den Antrag nicht gestellt.

(Beifall SPD)

Wir kommen nun zur Landesregierung. Ich erteile dem Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Herrn Hans-Joachim Grote, das Wort.

(Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Grote ist ein höflicher Mensch und wartet darauf, dass er die volle Aufmerksamkeit hat. Dabei möchte ich ihn gern unterstützen. Das Wort hat nun der Innenminister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal an die SPD gerichtet: Vielen Dank für das nette Bild, das Sie gerade gepostet haben. Aber ich bin da nicht am Schlafen, das wissen Sie auch. Das hätten Sie vielleicht nicht darunterschreiben sollen, aber gut, sei es so.

(Dr. Kai Dolgner)

Heute geht es um humanitäre Gesichtspunkte.

(Unruhe - Zurufe)

- Auf Ihrer Seite, auf der Seite der SPD, steht: Grote schläft.

(Zurufe)

- Sei es so. - Meine Damen und Herren, ich fand die Diskussion, humanitäre Gesichtspunkte heute zu einem zentralen Thema zu machen, durchaus richtig. Diese Debatte ist sicherlich eine wichtige, und ich glaube, niemand hier im Haus -

(Unruhe - Zuruf Klaus Schlie [CDU])

Entschuldigung, wir führen hier eine Landtagsdebatte. Das Wort hat der Innenminister. Auch mein Kollege aus dem Landtagspräsidium wird jetzt zur Kenntnis nehmen, dass wir hier vorn Ruhe brauchen, damit der Innenminister seine Rede hält. Was parallel zu dieser Debatte auf Social-Media-Kanälen passiert, mag spannend sein, ist aber nicht Thema dieser Beratungen. Hier hat jetzt der Innenminister das Wort. Alle diejenigen, die sich mit den anderen Fragen beschäftigen, können das an anderer Stelle klären oder uns darauf hinweisen, aber jetzt bitte ich um Ruhe für unseren Innenminister.

Herr Präsident, vielen Dank. - Meine Damen und Herren, humanitäre Gesichtspunkte waren ein zentrales Thema dieser Debatte. Ich konstatiere jetzt einmal umgekehrt: Ich unterstelle niemandem hier im Haus, dass er inhumane Entscheidungen treffen will. Ich glaube, das Ringen um einen richtigen Weg ist das hohe parlamentarische Recht und die hohe parlamentarische Pflicht. Es ist für mich ein Grundverständnis unseres gesellschaftlichen Miteinanders, dass wir in diesem Haus humane Entscheidungen treffen.

Lassen Sie mich nun zu den vorliegenden Anträgen zurückkommen. Ich muss ganz ehrlich sagen, auch ich war etwas überrascht und verwundert über den Antrag, den die SPD-Fraktion gestellt hat, und ich will die Details dieses Antrags und dieses Erlasses nicht vortragen. Das ist in der Diskussion hier wiederholt geschehen. Aber genau das, was seinerzeit die SPD-geführte Landesregierung 2015 - und ich betone, nach dem eindeutigen Wortlaut auch für die Folgejahre - entschieden hat, setzen wir fort. Das, genau das, nicht mehr und nicht weniger.

Sehr verehrte Frau Midyatli, ich habe Verständnis für Ihre Ausführungen, die Sie eben vorgetragen haben. Es ist auch Ihre Pflicht zu fragen: Ist das, was vor drei Jahren galt, auch heute noch richtig? Müssen wir das hinterfragen? Wer nie hinterfragt, was er gemacht hat, geht einen völlig falschen Weg. Insofern finde ich das durchaus richtig. Aber glauben Sie mir, die Fachleute unseres Hauses, die Fachleute in den Ausländerbehörden und die Fachleute in den verschiedenen Ministerien haben wiederholt gesagt, und unsere Informationen und unser Sachstand sind: Es gibt diese neue Situation, diese weitergehende Situation, wie Sie sie beschrieben haben, nicht.

Um eines auch klarzustellen, meine Damen und Herren: Wir schieben keine Flüchtlinge nach Afghanistan ab. Das ist eine Entscheidung dieser Landesregierung, und die ist auch öffentlich bekannt gemacht geworden,

(Beifall SPD und vereinzelt CDU)

außer gegebenenfalls Straftäterinnen und Straftäter beziehungsweise Gefährder. Es ist also die Politik dieser Landesregierung, dass wir ein konsequentes Rückkehrmanagement mit unseren humanitären Grundüberzeugungen in Einklang bringen. Das bedeutet für uns, dass jeder Einzelfall in Bezug auf seine individuelle Besonderheit betrachtet werden muss und vor allen Dingen auch betrachtet wird.

Sie formulieren in Ihrem Antrag weiter, ich zitiere:

„Aus diesem Grunde wird die Landesregierung gebeten, während der kommenden Wintermonate keine Flüchtlinge in solche Gebiete abzuschieben, um ihr Leben nicht zu gefährden.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir das Leben von Menschen, die wir zurückführen, nicht gefährden, gilt für uns zu jeder Zeit, und zwar nicht nur in den Wintermonaten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Winterabschiebungen decken eine Zeit von vier Monaten ab. Was machen wir in den anderen acht Monaten? Auch diese Frage müssen wir hier betrachten. Es löst nicht das Problem der Abschiebung und der Rückführung von Menschen zu sagen: Wir haben mit dem Winterabschiebestopp das Problem für das ganze weitere Miteinander gelöst. Hierüber gibt es in der Koalition und auch darüber, dass wir jeden Einzelfall betrachten wollen, einen ganz großen Konsens. Ich muss sagen, diese große

(Minister Hans-Joachim Grote)