Protocol of the Session on December 14, 2017

Wir als SSW stehen aber dazu, Menschen nicht abschieben zu wollen, sofern diesen Menschen gesundheitsgefährdende Zustände in ihren Heimatländern drohen. Dabei gilt es von meiner Seite noch einmal zu betonen: Die Debatte geschieht vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland. Es geht dabei nicht darum, an dem Status oder am Asylverfahren der Betroffenen irgendetwas ändern zu wollen, was wir als Landespolitik ohnehin schon nicht machen können, sondern es geht darum, dass abgelehnte Asylbewerber nicht im tiefsten Winter, sondern erst ab Anfang April in ihre Heimatländer gebracht werden. Eine solche Entscheidung können und dürfen wir als Vertreter der Länder treffen. Von daher sollten wir das nach unserer Auffassung auch tun, meine Damen und Herren.

(Beifall SSW und SPD)

Denn wer einmal eine Roma-Siedlung im Kosovo, in Mazedonien oder Serbien besucht hat - ich habe das, meine Damen und Herren -, der weiß, wie wichtig eine solche Entscheidung ist. Dies sollte auch die Landesregierung wissen. Schließlich pflegt das Land Schleswig-Holstein schon seit Jahren eine enge Zusammenarbeit unter anderem mit Nichtregierungsorganisationen in den westlichen Balkanländern. An dieser guten Zusammenarbeit sollten wir auch in Zukunft festhalten, meine Damen und Herren.

Wir als SSW sehen daher einen Winterabschiebestopp, egal wie er jetzt formuliert ist - dabei denke ich besonders an den westlichen Balkan -, als natürliche Verlängerung der wertvollen Zusammenarbeit mit diesen Organisationen. Dessen sollte sich auch die Landesregierung bewusst sein.

Wir sollten auch schauen, ob wir mit einem pauschalen Winterabschiebestopp das Verwaltungshandeln vereinfachen können. Klar, wir haben jetzt diesen Kompromiss, aber vielleicht mag das ja auch ein Argument sein, zumindest vielleicht nicht in diesem Jahr, aber im nächsten Jahr wieder zu einem pauschalen Stopp zurückzukommen, meine Da.

Selbst wenn Menschen kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht besitzen, haben sie unsere Mitmenschlichkeit und einen humanen Umgang verdient.

(Beifall SSW, SPD und Kay Richert [FDP])

Denn es sind Menschen. Ich möchte daran erinnern, dass wir in diesem Hohen Haus schon über den Gottesbezug in der Landesverfassung debattiert haben. Wie wäre es denn, wenn mancher sich in der Debatte über den Winterabschiebestopp auch an

(Claus Schaffer)

christlichen Werten orientieren würde? Ich habe gerade beim Vorredner etwas völlig anderes gehört, meine Damen und Herren.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Humanität und christliche Werte dürfen nicht über Bord geworfen werden. Und das sage ich ganz deutlich an die AfD. Für Roma aus dem Kosovo oder arme Menschen aus Mazedonien oder Serbien kann man im wahrsten Sinne des Wortes das Kreuz auch ein wenig gerade machen. Auch das hat etwas mit christlichen Werten zu tun.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Schleswig-Holstein ist nämlich ein weltoffenes Land. Das hat nicht zuletzt auch der vorbildliche Einsatz für Geflüchtete von Tausenden von Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern gezeigt, welcher bis heute fortbesteht. Ich finde immer noch: Das ist eine klasse Leistung. Und es ist für uns als Politiker Verpflichtung, auch diese Menschen entsprechend zu unterstützen, meine Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Beifall Wolfgang Kubicki [FDP] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Noch einmal: Der Rechtsstaat bleibt bestehen. Alles das, was in den Verfahren entschieden worden ist, bleibt bestehen. Das wird nicht in irgendeiner Art und Weise untergraben. Nicht dass sich das irgendwo möglicherweise halten möge. Aber, meine Damen und Herren, Humanität und christliche Werte, wie zum Beispiel Nächstenliebe, fallen nicht unter den Tisch, wenn wir die Abschiebung - zumindest in Einzelfällen - bis in den April hinausschieben.

Noch einmal: Am 24. Dezember haben wir wieder so ein Fest. Es wäre schön, wenn wir auch das Jahr über nach den Werten dieses Festes handeln würden.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Wir kommen nun zu den Dreiminutenbeiträgen. Zunächst hat sich aus der SPD-Fraktion die Kollegin Serpil Midyatli zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Touré, Sie wollen gern, dass wir hier Tacheles reden. Dann reden wir einmal Tacheles.

(Zurufe CDU: Oh!)

Seit dem Ende der Sommerferien trudeln bei mir tagtäglich diverse Hilferufe ein.

(Beifall SPD)

Ich habe es hier nicht dramatisiert. Wir müssen faktisch feststellen, dass die Einzelfallprüfungen im Moment nicht funktionieren. Sich hier hinzustellen und so zu tun, als würden wir einen Popanz aufbauen - es geht um Menschen, die gerade gestern, vorgestern, nächste Woche abgeschoben werden sollen.

(Beifall SPD - Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Tun Sie nicht so, als würden wir hier nur mal so einen Wohlfühlantrag stellen, damit sich die SPDSeele wohlfühlt. Das ist wirklich eine Unverschämtheit.

Herr Kollege Kubicki, Sie haben gerade gesagt, wir - Deutschland - würden gern Dublin gegen den Willen der EU aussetzen. Deutschland besteht gegen die anderen europäischen Länder auf Dublin. Deutschland ist dasjenige Land, das jedes Mal Dublin einfordert, weil es seiner Aufgabe nicht gerecht wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist doch völ- liger Quatsch!)

- Aber selbstverständlich!

(Wortmeldung Aminata Touré [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Kollegin?

Fragen Sie doch einmal Italien, Spanien oder Griechenland! Die haben uns angefleht, Dublin neu zu verhandeln, weil sie unter dieser Last am allermeisten leiden.

(Beifall SPD)

Frau Kollegin?

(Lars Harms)

Dann möchte ich noch etwas feststellen.

Frau Kollegin Midyatli! Hallo!

Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu. Sie wird ja gleich noch einmal einen Dreiminutenbeitrag halten.

Lars Harms hat es gerade, wie ich finde, sehr höflich ausgedrückt: Ja, es ist immer eine politische Entscheidung gewesen. Ich sage das hier einmal ganz offen und ehrlich: Es ist auch immer eine Entscheidung gegen den Rat des Innenministeriums gewesen - egal unter welcher Führung. Diesen Winter-Abschiebestopp haben wir immer politisch durchgesetzt. Darauf war ich immer sehr stolz.

(Beifall SPD)

Wir haben hier als allererstes Bundesland in Deutschland den Abschiebestopp für Afghanistan gemeinsam gegen vehementen Protest von Ihnen und von Daniel Günther durchgesetzt, gegen die politische Mehrheit und auch gegen die SPD in der Großen Koalition in Berlin. Ich habe dafür viel einstecken müssen. Wir haben hier Haltung gezeigt.

(Beifall SPD, SSW und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist das!)

Wir haben immer dann als Regierung reagiert, wenn es nicht anders ging, um die Ermessensspielräume für die Geflüchteten und nicht gegen sie zu nutzen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Wenn es mit unserer tollen Regelung alles so super läuft, möchte ich hier einmal in die Kameras einen Aufruf starten: 0431 988-0, das ist die Nummer des Innenministeriums. Es wird hier behauptet, es laufe alles wunderbar. Liebe Freunde, liebe Geflüchtete, die Telefone sind freigeschaltet, melden Sie sich beim Innenministerium, und melden Sie jeden Einzelfall! - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD - Zurufe CDU, FDP und AfD)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun für die CDUFraktion der Kollege Werner Kalinka.

(Serpil Midyatli [SPD]: Ich habe das immer kritisiert! - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP] - Martin Habersaat [SPD]: Sie finden es doch auch nicht gut, dass die FDP so nach rechts driftet, Herr Kubicki! - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Aber das Original sind wir! - Unruhe)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer solche Reden wie die Kollegin Midyatli schwingt, führt nicht zusammen, sondern spaltet.

(Beifall CDU und FDP - Zuruf SPD: Damit kennen Sie sich ja aus!)

Es ist diffamierend, die Vorgänge in Kirchbarkau als „Pleiten, Pech und Pannen“ zu bezeichnen. Im Sommer ist dort ein Fehler passiert, die Behörde hat das gesagt. Kundige wissen, dass ich mich persönlich engagiert habe. Auch aus diesem Grunde haben wir gesagt, wir tun alles, damit die Familie zurück kann. Was mehr können wir tun, als nach einem Fehler zu sagen, wir gehen dafür in die Haftung und helfen? Dies als „Pleiten, Pech und Pannen“ zu bezeichnen, ist unverschämt.