Protocol of the Session on December 14, 2017

(Zuruf Birte Pauls [SPD])

- Nein, das hat mit redlich nichts zu tun. Frau Kollegin, die SPD muss vielleicht einmal begreifen, dass sie in der Opposition angekommen ist, obwohl wir noch nicht wissen, dass Sie da angekommen sind. Das wissen Sie wahrscheinlich selbst nicht. Sie müssen Ihre Linie vielleicht noch finden. Ich komme darauf gleich zurück, weil das, was Sie hier vortragen und was Frau Midyatli vorgetragen hat, in einem diametralen Gegensatz zu dem steht, was die SPD auf Bundesebene gerade praktiziert.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Freie Demokraten haben wir in der Vergangenheit immer klar gemacht, dass neben dem unverhandelbaren Recht auf Asyl auch die konsequente Rückkehr derjenigen stehen muss, die keinen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland bean

(Aminata Touré)

spruchen können. Im Koalitionsvertrag hat sich dies im Bekenntnis zu einem konsequenten Rückführungsmanagement niedergeschlagen. Die Durchsetzung der Rückkehrpflicht ist mehr als reiner Selbstzweck. Sie ist nicht nur rechtsstaatlich geboten, sie ist auch ein Beitrag zur Sicherung unserer Fähigkeit, auch in Zukunft denjenigen zu helfen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.

Die Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik und seine gegebenenfalls erforderliche Durchsetzung sollen und können aber nur im Einklang mit unseren humanitären Grundüberzeugungen stehen. Unter den politisch Verantwortlichen innerhalb des demokratischen Spektrums sollte dies eigentlich eine Binsenweisheit sein.

Herr Kollege Dr. Stegner, ich werde den Verdacht nicht los, dass die SPD dabei ist, aus kurzfristigen taktischen Erwägungen heraus einen breiten Konsens in diesem Parlament, der über Jahre getragen hat, aufzukündigen, was ich sehr bedauern würde.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf Tobias von Pein [SPD])

Mit einigem Staunen habe ich zur Kenntnis genommen, dass diese genannten Voraussetzungen von der SPD als derzeit nicht gegeben angesehen werden und dass eine inhumane Abschiebepraxis wirken soll. Man geht sogar weiter und suggeriert eine Abschiebepraxis des Landes Schleswig-Holstein, die lebensgefährdend sei. Eine solche Praxis würden wir selbstverständlich weder unterstützen, noch wäre sie rechtsstaatlich überhaupt möglich; denn es ist von Verfassung wegen verboten, Menschen in den Tod zu schicken.

(Serpil Midyatli [SPD]: Das wird aber gerade gemacht! - Zuruf CDU: Mann, Mann! Das ist unglaublich! - Weitere Zurufe - Unruhe)

- Frau Midyatli, dass Sie dem Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein, den Ausländerbehörden und dass Sie den Gerichten, die das ja stoppen können, was sie ja gelegentlich auch tun, unterstellen, sie würden die Verfassung brechen und Menschen in den Tod schicken, finde ich unverantwortlich im Schleswig-Holsteinischen Landtag und darüber hinaus.

(Beifall FDP, CDU, AfD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht hilft zunächst ein Blick auf die Tatsachen, bevor man Vorschläge an der Realität vorbei unterbreitet: Kommt ein Antragsteller nach Deutschland, so prüft das BAMF nicht nur die Vor

aussetzungen von Asyl, Flüchtlingsschutz und subsidiärem Schutz, sondern es wird auch das Vorliegen von Abschiebeverboten geprüft. Ein solches Abschiebeverbot liegt bei konkreten Gefahren für Leib und Leben vor. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Erst wenn man dieses Abschiebeverbot verneinen würde, wäre der Antragsteller ausreisepflichtig und damit von der Frage eines Winterabschiebestopps betroffen. Über einen solchen ließe sich reden, wenn die vollziehbar festgestellte Ausreisepflicht eine pauschale Abschiebung nach sich ziehen würde. Aber besser und gerechter als pauschale Regelungen in die eine oder andere Richtung ist die Orientierung und Bewertung im Einzelfall.

Es war daher gut und richtig, was die SPD vor zwei Jahren mit ihrem Erlass zur Aufenthaltsbeendigung in den Wintermonaten durchsetzte: Kein pauschaler Winterabschiebestopp, sondern eine Einzelfallprüfung, ob eine Rückkehr in Sicherheit und Würde möglich ist. Dies ist der Weg, den wir weiter fortsetzen wollen. Ich kann den Innenminister nur auffordern, sich an diese Regelung auch konsequent zu halten. Abschiebungen werden nur bei einer Rückkehr in Sicherheit und Würde möglich sein.

Die schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten vollziehen in den letzten Wochen erstaunliche 180-Grad-Wenden. Bei manchen Themenfeldern mag man darin einen echten begrüßenswerten politischen Fortschritt erkennen, etwa bei den Straßenausbaubeiträgen. Bei dem Antrag zum Winterabschiebestopp zeigt sich allerdings, dass diese Wendung nicht an der Sache, sondern am Effekt orientiert ist. Anders lässt sich doch nicht erklären, dass man eine Regelung, die man selbst eingeführt hat und als ein Mehr an Einzelfallgerechtigkeit gepriesen hat, nun als inhumane Praktik klassifiziert. Glaubwürdige Oppositionspolitik sieht wirklich anders aus.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Midyatli, ich bin wirklich fasziniert, dass Sie erklären, Dublin III soll nun nicht mehr gelten. Deutschland, die Sozialdemokratie in SchleswigHolstein kündigt einseitig eine europäische Regelung auf, zu der alle europäischen Staaten gebracht werden sollen.

(Zuruf Peter Lehnert [CDU])

- Ich komme gleich dazu. Die Europäische Kommission verklagt gerade drei Länder, die nicht bereit sind, ihr Flüchtlingskontingent aufzunehmen, um durchzusetzen, dass wir eine gemeinsame Regelung haben, die tragfähige Grundlage für eine ge

(Wolfgang Kubicki)

meinsame europäische Politik ist. Und ausgerechnet die SPD in Schleswig-Holstein erklärt, für uns soll das auch nicht gelten?

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Herr Schulz erklärt, bis 2025 wolle er die Vereinigten Staaten von Europa durchsetzen. Auf welcher Grundlage denn? Wir fordern alle eine gemeinsame europäische Asylpolitik. Auf welcher Grundlage denn? Noch einmal: Wer demokratische Staaten innerhalb der Europäischen Union so klassifiziert wie Sie, der verabschiedet sich von einem gemeinsamen Europa. Das sage ich in aller Deutlichkeit. Das ist nicht das, was dieses Haus wollen kann.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin begeistert, immer wieder festzustellen, wie idealtypisch die Sozialdemokraten bundesweit zusammenarbeiten. Ich empfehle einen Blick nach Niedersachsen, Frau Midyatli. Ich empfehle einen Blick in andere Bundesländer, bei denen die Sozialdemokraten mitregieren, wie dort die Abschiebepraxis funktioniert.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

Bisher konnten wir stolz sein auf das, was wir in Schleswig-Holstein geleistet haben.

Herr Kollege, auch an diesem ehrwürdigen Tag -

Ich bin sofort fertig, Herr Vizepräsident. - Einen letzten Satz dazu: Ich kann Ihnen versichern, nicht nur weil ich große Hoffnung in BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in diesem Jamaika-Bündnis setze, dass die Freien Demokraten in Schleswig-Holstein dafür Sorge tragen werden, dass die Flüchtlingsspolitik, die ein Markenzeichen für unser Land war, beibehalten wird, auch wenn die SPD sich davon verabschiedet. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Dies war noch nicht Ihr letzter Redebeitrag am heutigen Tag, wie uns angekündigt wurde. - Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Herr Claussen, vielen Dank für den Hinweis, dass unser Antrag deswegen abzulehnen wäre und vermutlich auch wird, weil wir im Grunde die Einhaltung bestehenden Rechts einfordern.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nee!)

Ich würde vermuten, dass Ihr Antrag, werte Kollegen der CDU, in dieselbe Schublade gehört; denn es geht tatsächlich um nichts anderes.

Das Innenministerium hat am 6. Oktober 2017 per Erlass genau festgelegt, unter welchen Bedingungen ausreisepflichtige Ausländer in ihre Herkunftsländer abzuschieben sind und unter welchen nicht. Alle in diesem Erlass genannten Abschiebehindernisse sind von den Ausländerbehörden stets individuell und unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Auf diese Weise wird unser Rechtsstaat den rechtlichen und humanitären Aspekten eines jeden Einzelfalls gerecht. Ein pauschales Winterabschiebeverbot wird es nicht.

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

Abschiebung von Menschen, die sich ohne Aufenthaltsrecht in Schleswig-Holstein befinden, sind hier die Ultima Ratio, wenn es um die Durchsetzung des Aufenthaltsgesetzes geht; etwas anderes wird hier nicht entschieden. Das haben wir bereits gehört. Sie werden dann durchgeführt, wenn alle anderen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nicht greifen; insbesondere dann, wenn sich die abzuschiebenden Personen dem guten und bewährten Konzept des Rückkehrmanagements entziehen und sich weigern, das Land freiwillig zu verlassen.

Abschiebungen werden aber auch zum Schutz unserer Gesellschaft durchgeführt, und zwar dann, wenn Menschen, die wir zu deren Schutz bei uns aufgenommen haben, ihr Gastrecht verwirkt haben, so wie im Fall von islamistischen Gefährdern und Kriminellen.

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

Abschiebungen sind in all diesen Fällen nicht nur rechtmäßig, sie sind notwendig, und sie sind staatliche Pflicht. Die Bürger Schleswig-Holsteins erwarten von unserem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat auch und gerade, dass er Recht und Gesetz angemessen und konsequent durchsetzt. In dieser Erwartung werden wir von der AfD-Fraktion durch Innenstaatssekretär Torsten Geerdts bestätigt. Ebenso wie er haben auch wir großes Vertrauen in

(Wolfgang Kubicki)

die Rechtsstaatlichkeit des Handelns der Ausländerbehörden in Schleswig-Holstein. Hier etwas anderes anzunehmen, ist unredlich. Das haben wir gerade gehört.

(Zuruf SPD: Alles klar!)

- Doch. Es wurde genau mitgeteilt, dass hier die Ausländerbehörden nicht in der Lage sind, Einzelfallprüfungen durchzuführen, und das ist unredlich. Nehmen Sie das bitte einfach zur Kenntnis!

(Beifall AfD)

Unsere Gesetze sehen doch bereits vor, dass Abschiebungen aus humanitären Gründen ausgesetzt und nicht vollzogen werden können. Das Aufenthaltsgesetz bietet hierfür ausreichenden Spielraum. Wenn also bereits nach geltendem Recht humanitäre Aspekte in die Entscheidungsfindung über den Vollzug von Abschiebungen einfließen, gibt es für einen pauschalen Winterabschiebstopp absolut keinen Grund mehr. Eine pauschale Aussetzung der Abschiebung für die Wintermonate, wie die SPD sie fordert, entbehrt nicht nur jeder rechtlichen Grundlage, es gibt auch tatsächlich kein Bedürfnis für eine solche. Nur bei der SPD gibt es offenbar ein Bedürfnis, sich mit einem solchen Antrag als besonders menschenfreundlich und moralisch überlegen zu inszenieren. Gerade in der Vorweihnachtszeit, so das Kalkül der SPD, lassen sich in der Bevölkerung hohe Sympathiewerte generieren. Das ist Populismus in Reinkultur. Wir lehnen Ihren Antrag ab. - Vielen Dank.

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Winterabschiebestopp handelt es sich ganz klar um eine politische Entscheidung. Die Länder können jedes für sich einen solchen Abschiebestopp beschließen, und zwar auch in verschiedenen Ausprägungen. Ein solcher Abschiebestopp kann sich dabei zum Beispiel auch auf bestimmte Staaten beziehen. Ein solcher Beschluss wurde, wie Sie sicher wissen, in der Vergangenheit in Schleswig-Holstein umgesetzt. Dieser Beschluss mündete dann in die Bestimmungen dazu, die wir jetzt haben und die in der Tat einen Kompromiss darstellten, nicht nur in der alten Koalition, sondern ich vermute, auch in unserer neuen Koalition.

Wir als SSW stehen aber dazu, Menschen nicht abschieben zu wollen, sofern diesen Menschen gesundheitsgefährdende Zustände in ihren Heimatländern drohen. Dabei gilt es von meiner Seite noch einmal zu betonen: Die Debatte geschieht vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland. Es geht dabei nicht darum, an dem Status oder am Asylverfahren der Betroffenen irgendetwas ändern zu wollen, was wir als Landespolitik ohnehin schon nicht machen können, sondern es geht darum, dass abgelehnte Asylbewerber nicht im tiefsten Winter, sondern erst ab Anfang April in ihre Heimatländer gebracht werden. Eine solche Entscheidung können und dürfen wir als Vertreter der Länder treffen. Von daher sollten wir das nach unserer Auffassung auch tun, meine Damen und Herren.