Protocol of the Session on November 15, 2017

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer.

(Dennys Bornhöft)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe fordert seit Langem eine einheitliche Wohnungsnotfallberichterstattung auf gesetzlicher Grundlage. Weil sich hier aber kaum etwas bewegt, gibt es weder für den Bund noch für das Land wirklich verlässliche Zahlen. Doch aufgrund der bisherigen Erfahrung und nach allem, was Experten schätzen, ist die Lage wirklich dramatisch: Im Jahr 2014 waren circa 335.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung. Wie wir schon gehört haben, ist diese Zahl 2016 auf über 800.000 gestiegen. Die Zahl wird bis 2018 voraussichtlich auf über eine Million Wohnungslose steigen. Hier geht es längst nicht nur um Ballungsgebiete oder Großstädte. Auch bei uns in SchleswigHolstein nimmt die Zahl der Hilfesuchenden seit Jahren zu.

Für den SSW ist eines völlig unstrittig: Egal, wie stichhaltig diese Zahlen der Wohnungslosen wirklich sind, wir müssen dringend handeln; denn die allerwenigsten Betroffenen wählen ihr Schicksal selbst. Wir müssen endlich allen, die Hilfe brauchen, auch die entsprechenden Angebote machen, und zwar am tatsächlichen Bedarf orientiert, ausreichend finanziert und vor allem auch niedrigschwellig. Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass es mitten unter uns Menschen gibt, die dauerhaft in Notunterkünften oder ganz ohne Dach über dem Kopf leben. Wir sollten uns bewusst machen, dass wohnungslose Menschen in vielen Lebensbereichen umfassend ausgegrenzt werden. In Zeiten, in denen Wohnraum ohnehin knapp ist, haben sie kaum Chancen, eine Wohnung zu finden.

Hinzu kommt, dass ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt bleibt. Auch die Gesundheitsversorgung ist für sie oft nicht mehr bezahlbar. Wer erst einmal ganz ohne Unterkunft auf der Straße lebt, muss nicht nur verbale, sondern häufig auch körperliche Gewalt und weitere Diskriminierung fürchten. Auch wenn eine Wohnung natürlich ein ganz wesentlicher Punkt ist, ist sie für die meisten Betroffenen trotzdem nur ein Teil der Lösung. Machen wir uns doch nichts vor: Wenn wir diesen Menschen wirklich helfen wollen, brauchen wir nachhaltige Veränderungen in der Wohnungs- und Sozialpolitik. Hier läuft seit einigen Jahren etwas schief. Es fehlt an sozialem und bezahlbarem Wohnraum. Im Vergleich zu 2002 gibt eine Million Sozialwohnungen weniger. Noch dazu fehlen Millionen von Klein- und Kleinstwohnungen. Hier

können und müssen wir auch auf Landesebene mehr tun.

Gleichzeitig werden die Armutsrisiken leider nicht wirkungsvoll bekämpft. Atypische und prekäre Beschäftigung nehmen weiter zu. Viele Sozialleistungen sind schlicht und einfach zu gering, um vor Armut zu schützen. Vor diesem Hintergrund reicht es einfach nicht, an Symptomen herumzudoktern. Wenn es um eine verbesserte Situation der Wohnungslosen insgesamt geht, müssen wir aus Sicht des SSW also möglichst umfassend ansetzen.

Im Zentrum der Bemühungen sollte natürlich die Prävention stehen. Allen, die in Not sind und denen der Verlust der Wohnung droht, muss so geholfen werden, dass sie gar nicht erst obdachlos werden. Das klingt zwar selbstverständlich, funktioniert aber ganz offensichtlich in der Praxis nicht. Die Wohnungslosenhilfe weist unmissverständlich darauf hin, dass bis heute längst nicht alle gesetzlichen Regelungen zum Abwenden von Wohnungsverlust und zum Erhalt von Wohnraum ausgeschöpft werden. Schon hier passiert also zu wenig. Sollten Betroffene trotzdem ihre Wohnung verlieren, hat die Ersatzbeschaffung von Wohnraum oder die Vermittlung an weiterführende und vor allem bedarfsgerechte Angebote allerhöchste Priorität. Hier haben Kommunen, aber auch Land und Bund eine ganz konkrete Aufgabe.

Neben diesen wichtigen Detailfragen muss Wohnungslosigkeit aber vor allem durch wohnungs- und sozialpolitische Reformen eingedämmt werden. Zum einen müssen wir Armut und vor allem die Ursachen für Armut wirkungsvoller bekämpfen. Zum anderen muss Wohnen bezahlbar sein und bleiben. Ich glaube, hier haben wir alle eine unheimlich wichtige Aufgabe. - Jo tak.

(Beifall SSW, CDU, SPD und AfD)

Das Wort zu einem ersten Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Jörg Nobis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich will einige Sachen klarstellen, die mir vorgeworfen wurden. Ich habe mit keinem Wort zwischen guten und schlechten Obdachlosen unterschieden.

(Birte Pauls [SPD]: Nein! Nein!)

Ich habe niemanden gegeneinander ausgespielt. Ich habe mit deutlichen Worten mein Unverständnis

darüber geäußert, dass vorhandene und durch die Stadt Hamburg angemietete Wohncontainer, die leer standen und für die durch den Staat die Miete bezahlt wird, aufgrund verwaltungsrechtlicher Vorschriften nicht für Obdachlose freigegeben wurden. Das habe ich gesagt, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [AfD])

Von den Grünen muss ich mir hier vorwerfen lassen, dass das Sofortkonzept, das wir als AfD fordern, aufgrund des nahen Winters zu spät komme. Liebe Grüne, der Winter kommt nicht überraschend. Sie sitzen seit dem Frühsommer in der Regierung, es wäre Ihnen also ein Leichtes gewesen, selbst entsprechende Maßnahmen zu ergreifen oder ein Konzept zu erstellen, ohne sich von der AfD auf dieses wichtige Thema stoßen lassen zu müssen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Frau Abgeordnete Doris von Sayn-Wittgenstein.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für die Richtigstellung. Wir fordern nichts anderes als die Gleichbehandlung der Menschen, die schon länger hier leben. Seit Jahren wird für die Obdachlosen im Land hier nichts getan. Es wurde in diesem Zusammenhang auf die Weihnachtsfeiern von Herrn Frank Zander verwiesen. Ich weise darauf hin, dass Herr Zander diese Weihnachtsessen seit 1995 macht. Trotzdem haben es die Menschen, die in der Form, wie wir es angesprochen haben, unterprivilegiert sind, nicht hier ins Parlament geschafft.

Gleichzeitig wird hier wehleidig über die Lobby, die diese Menschen in diesem Parlament hätten, und über Solidarität geschwafelt. Ich bin froh, dass wir als AfD einen Impulsantrag eingebracht haben. Sonst hätten diese Menschen bis heute hier keine Bühne gefunden. - Vielen Dank.

(Beifall AfD - Zuruf Beate Raudies [SPD])

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Claus Schaffer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Ich werde ins gleiche Horn stoßen und die Ausführungen etwas ergänzen müssen. Bis zum heutigen Tag haben wir keine belastbaren Zahlen zu Obdachlosen und Wohnungslosen in Schleswig-Holstein und sind auf die Schätzungen von Verbänden und Vereinen angewiesen, die zwischen 7.500 und 10.000 liegen. Es wäre eine Aufgabe der Regierung, spätestens der letzten Regierung, gewesen, hier einfach einmal für Klarheit zu sorgen

(Thomas Rother [SPD]: Wie denn?)

und diesen Menschen zu helfen.

Ich habe Verständnis dafür, wenn Sie wieder einmal eine Blockade der AfD betreiben und unsere Anträge ablehnen wollen. Tun Sie dies aber bitte nicht auf dem Rücken der Wohnungslosen in Schleswig-Holstein.

(Widerspruch)

Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss sich ganz genau überlegen, ob man auf Ihre Beiträge eingeht. Wenn Sie aber hier behaupten, dass gar nichts für Obdachlose getan werde, ist das schlichtweg falsch. Da haben Sie hier gerade eben die Unwahrheit gesagt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Das ist so nicht richtig, was die Kollegin gesagt hat. Es ist nicht richtig, und ich erwarte, dass dies hier klargestellt wird.

Wir haben versucht, mit Ihnen zu einem sehr wichtigen Thema, das kurz vor Weihnachten einen sehr großen emotionalen Bezug für die Menschen hat, eine sachliche Debatte zu führen. Ich sage Ihnen noch einmal ganz klar: Versuchen Sie nicht, Geflüchtete gegen andere Gruppen auszuspielen!

(Jörg Nobis [AfD]: Das habe ich nicht ge- tan!)

(Jörg Nobis)

- Genau das haben Sie getan! Wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Werner Kalinka.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf in Ergänzung zu dem, was die Kollegin Marret Bohn gesagt hat, noch drei Punkte erwähnen.

Der erste Punkt: Es ist kaum erträglich, in welcher Form Sie die Wirklichkeit ignorieren. Wir haben Ihnen dargelegt, was hier im Lande in den Jahren geschehen ist, der Sozialminister wird dem wahrscheinlich noch etwas hinzusetzen.

Ich selbst habe 2001 eine Kleine Anfrage gestellt. Ich könnte viele Dinge dazu sagen. Auf die Kleine Anfrage kommt es weniger an, es kommt eher darauf an, was an Hilfe gemacht wurde.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Sich hier hinzustellen und zu sagen, seit Jahren werde nichts für Obdachlose in diesem Land getan, ist schlichtweg falsch, und wir weisen es entschieden zurück.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Der zweite Punkt: Wenn man schon deplatzierte Bemerkungen macht, sollte man jedenfalls dazu stehen. Hier ist wörtlich gesagt worden: Bei Flüchtlingen wird das Grundgesetz gebrochen. - Dann kam der Rest hinterher. So ist es gewesen.

(Zurufe: So ist es!)

Wenn Sie schon so etwas sagen, dann stehen Sie jedenfalls zu Ihrem Wort, und versuchen Sie nicht, hinterher so zu tun, als hätten Sie es nicht gesagt.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Der dritte Punkt: Die Frage, wer hier geschwafelt hat, würde ich gerade in dieser Debatte nicht stellen wollen. Wir haben uns bemüht, sehr sachlich zu debattieren, Frau Kollegin Bohn hat es gesagt. Ich habe am Ende von einem breiten Einvernehmen gesprochen. Wenn Sie meinen, es bedürfe Ihrer Initiative, um sich zum Hort einer Interessenswaltung