Protocol of the Session on October 13, 2017

Dabei geht es nicht nur darum, bestimmte Vogelarten der Öffentlichkeit vorzustellen. Vielmehr wird damit das Ziel verfolgt, auf den Artenrückgang hinzuweisen. Ähnlich verhält es sich mit dem Baum des Jahres, der seit 1989 benannt wird. Auch dabei geht es darum, auf seltene Baumarten oder Probleme einer Baumart hinzuweisen. Solche Zeigerarten - ob nun Tiere oder Pflanzen - sind häufig Indikatoren, um auf die Situation bestimmter Lebensräume hinzuweisen. Es gibt spezialisierte Arten, die nur in ganz bestimmten Lebensräumen existieren können. Das Artensterben und der Rückgang von Arten sind immer wieder damit verbunden, dass Lebensräume und Lebensgrundlagen vernichtet werden oder gefährdet sind.

Es ist immer ein schleichender Prozess, der kaum wahrgenommen wird. Keiner von uns kann diese Entwicklung leugnen. Jeder kennt noch die Situation von früher: Nach einer längeren Autofahrt im Sommer war man spätestens beim Tanken gezwungen, die Windschutzscheibe von toten Insekten zu reinigen. Das ist seit einigen Jahren nicht mehr so.

(Zurufe CDU)

Seit einigen Jahren gibt es einen Rückgang der Fluginsekten. In Teilen Deutschlands ist sogar ein Rückgang von bis zu 80 % zu verzeichnen.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Auch wenn dies den Autofahrer vielleicht freuen mag, sind die Folgen für die Natur nicht abschätzbar. Wenn die Fluginsekten fehlen, gerät die gesamte Nahrungskette in Gefahr: Blumen und Bäume werden nicht mehr bestäubt, und manchen Vögeln oder Fledermäusen fehlt die Nahrungsgrundlage, was damit auch wieder zu einem Artenrückgang führt.

Der SSW begrüßt den vorliegenden Antrag der Koalition. Wir sehen ihn als eine Fortsetzung der Politik der Küstenkoalition.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mit der Änderung des Landeswaldgesetzes haben wir bereits das Ziel verfolgt, den Erfordernissen der Biodiversität gerecht zu werden. So war es für uns wichtig, dass bei Neuanpflanzungen und Wiederaufforstungen ein hinreichender Anteil standortheimischer Baumarten benutzt wird, um den heimischen Tieren notwendige Lebensgrundlagen zu bieten. Auch die Maßnahme, bis 2020 insgesamt 10 % des Staats- und Körperschaftswaldes als Naturwald auszuweisen, ist ein Beitrag, um die nationalen Biodiversitätsziele zu erfüllen. Dadurch können sich dort unterschiedliche Waldlebensräume entwickeln, die wir zum Teil in der Form und Ausprägung nicht mehr finden.

Ebenso zogen sich Aspekte der biologischen Vielfalt wie ein roter Faden durch die Änderung des Landesnaturschutzgesetzes. Biodiversität und Sicherung der biologischen Vielfalt standen bei uns im Fokus, als wir das Gesetz geändert haben. Hier ist beispielsweise der Biotopverbund hervorzuheben, denn mit der Vernetzung sichern wir Lebensräume und Arten.

(Beifall SSW und Sandra Redmann [SPD])

Gerade weil wir seinerzeit für unsere Gesetzesänderung von Teilen der damaligen Opposition gewaltig auf den Deckel bekommen haben, bestätigt der vorliegende Antrag, dass wir mit unserer vorausschauenden Umweltpolitik absolut richtig lagen.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Daher freut es uns natürlich, dass CDU und FDP nun zu der Erkenntnis gelangt sind, dass für den Erhalt der biologischen Vielfalt wesentlich mehr getan werden muss. Es muss stärker ins Bewusstsein gerückt werden, dass jeder Eingriff in die Natur Auswirkungen hat. Daher ist eine solche Landesstrategie ein wirklich wichtiger erster Schritt.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wir werden die Koalition daran messen, wie sie eine solche Strategie umsetzen wird und welche konkreten Maßnahmen daraus erfolgen werden. Der SSW wird sich auf jeden Fall konstruktiv an diesem Prozess beteiligen, denn es ist wichtig, dass aus der Strategie heraus entsprechende Taten folgen. Das muss so sein, sie darf kein zahnloser Tiger bleiben.

Wir erwarten wirklich, dass hieraus positive, konstruktive Schritte ergriffen werden. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen zu den Dreiminutenbeiträgen. Gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Marlies Fritzen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wo fange ich an? - Flemming Meyer: Vielen Dank für den Hinweis auf standortheimische und standortgerechte Bäume, die wir im Waldgesetz verankert haben. Ich nehme das noch einmal auf, weil wir da einen Kompromiss gemacht haben. Aus einer reinen naturschutzfachlichen Sicht hätte der Anteil standortheimischer Bäume sehr viel höher sein müssen - eigentlich 100 %. Das wissen wir alle, die wir damals darüber gesprochen haben.

Warum haben wir nicht sofort eine Landesstrategie gemacht? Herr Kollege Rickers: Ich habe gedacht, dass ich das schon erklärt habe. Ich möchte es noch einmal sagen. Wir hatten in der letzten Koalition und Wahlperiode eine Menge anderer Aufgaben vor uns. Ich will es einmal vorsichtig sagen: Einige Dinge mussten im Sinne des Erhalts der Biodiversität verändert oder verbessert werden.

(Lars Harms [SSW]: Das haben wir auch gut gemacht! - Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

- Ich versuche ja, das freundlich zu sagen.

Ich möchte noch einmal etwas zu den Zielen und Maßnahmen sagen. Eine solche Strategie allein hilft nicht. Es geht natürlich um eine Ist-Beschreibung. Es geht nicht nur darum, einzelne Arten zu schützen. Wer von uns wird hier sagen können, welche Art schützenswert ist und welche nicht? - Das ist ein Gefüge, das zusammengreift und das wir in seiner Dynamik entwickeln und erhalten sollten. Mir geht es nicht darum, hier einzelne Arten hochzuziehen, sondern es geht darum, einen Schutz diverser also vielfältiger, sehr unterschiedlicher - Lebensräume zu erreichen.

Dazu gehören Wildnisflächen, auch Sukzessionsflächen. Es ist nämlich eine Frage, welches Ziel ich habe. Das kann ich möglicherweise für bestimmte Ökosysteme auf Sukzessionsflächen eher erreichen als auf dem Acker. Deswegen kann man das nicht

gegeneinanderstellen. Es geht natürlich auch um Wildnis- und Sukzessionsflächen. Es geht um Flächen, die gemanagt werden.

Es geht um Kulturflächen, die dafür gesorgt haben das Beispiel Knicks ist sozusagen symbolisch für Schleswig-Holstein -, dass wir eine solch vielfältige Landschaft und so vielfältige Lebensräume haben. Beides muss miteinander verbunden und ineinander verschränkt werden. Man kann es nicht gegeneinander ausspielen. Dann brauchen wir gar nicht weiterzureden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch bei der Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, geht es natürlich darum, dass diverse Maßnahmen ergriffen werden müssen. Es gibt Maßnahmen, die eng im Artenschutz verhaftet sind, und da muss viel gemanagt werden. Es gibt andere Situationen, in denen man sozusagen der Natur viel mehr freien Lauf lassen kann, damit sie sich selbst regelt. Beides brauchen wir. Auch da macht es keinen Sinn, es gegeneinander auszuspielen.

Wir brauchen eine Landwirtschaft. Das habe ich gesagt, das hat Frau Redmann gesagt, das hat Herr Rickers gesagt - mit unterschiedlichen Betonungen. Aber ich möchte versuchen, es zusammenzuführen: Die Kulturlandschaft wäre ohne die Landwirtschaft nicht entstanden, und sie wird auch ohne die Landwirtschaft nicht erhalten werden.

Die Frage - das ist keine romantisierende, verklärende Frage -, die sich stellt, ist: Kommt man mit der immer intensiveren Landwirtschaft, die, das ist von niemandem zu leugnen, der Hauptverursacher dieses Verlustes der Vielfalt ist, an das Ziel? - Ich glaube, man kommt nicht an das Ziel, und man muss sich darum kümmern, Landwirtschaft so zu unterstützen, dass sie zu diverseren Lebensräumen und zu diverseren Maßnahmen in der Lage ist und trotzdem auskömmlich nicht nur Nahrungsmittel herstellt, sondern auch Landwirtinnen und Landwirte davon leben können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein letzter Punkt - Entschuldigung, ich sehe die Uhr -, der auch eine Rolle spielt, ist natürlich die uns alle gemeinsam angehende Frage, wie wir mit dem Flächenverbrauch umgehen. Der Flächenverbrauch heißt in diesem Zusammenhang der Flächenverbrauch für immer weitere Siedlungen und Straßenstrukturen, die wir selbstverständlich haben wollen, die aber dazu führen, dass Lebensräume, die unterschiedlichen Arten und unterschiedlichen

(Flemming Meyer)

Ansprüchen gerecht werden, immer mehr verloren gehen.

Diesen Dreiklang muss man in Verschränkung sehen - deswegen rede ich von ressortübergreifend -, und man darf nicht einzelne Arten herauspicken und dann anfangen, zu schauen, welches Tier das eigene Lieblingstier ist. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ste- phan Holowaty [FDP], Kay Richert [FDP] und Lars Harms [SSW])

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat die Abgeordnete Anette Röttger von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich dieses Thema höre, frage ich mich schon: Wer kümmert sich denn in unserem Land täglich um die Landschaft? - Es sind immer noch vorwiegend die Landwirte, die diese Arbeit übernehmen. Es tut mir ein bisschen weh, Frau Kollegin Redmann, wenn Sie sagen, Ursache des Artensterbens sei die Landwirtschaft.

(Zurufe - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Hat Frau Fritzen auch gerade gesagt!)

Es kann nicht sein, dass wir so an dieses Thema herangehen. Ich erwarte hier schon einen Schulterschluss in unserem Land Schleswig-Holstein. Wenn ich mich auf den landwirtschaftlichen Betrieben umschaue, dann stelle ich fest, dass es die Orte sind, die von großem altem Baumbestand umgeben sind. Das erleben Sie in keiner Neubausiedlung.

(Zurufe Beate Raudies [SPD] und Birte Pauls [SPD])

Wenn Sie genauer hinschauen, stellen Sie fest, dass überall dort, wo aktive landwirtschaftliche Betriebe noch vorhanden sind, wo Tiere auf den Höfen leben, auch die Artenvielfalt erwiesenermaßen größer ist

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

als dort, wo die Betriebe gestorben sind. So möchte ich diesen Satz umdrehen: Passen Sie auf, dass Landwirtschaft nicht zur aussterbenden Art in unserem Land wird - bei dem Aktionismus für dieses Thema!

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?

Bitte.

Eine Frage, liebe Frau Kollegin. Da die Kollegin Fritzen aus Ihrer Koalition wie Frau Redmann bezüglich der Rolle der Landwirtschaft genau das Gleiche gesagt hat: Können Sie mir sagen, wie Sie dann eigentlich zu dem gemeinsamen Papier gekommen sind? Das widerspricht nämlich Ihrer Analyse total!

(Jörg Nobis [AfD]: Das sind die Risse in der Koalition!)

Ich versuche, hier ein Bild darzustellen, das ich von der Landwirtschaft habe, und das gestatten Sie mir, an dieser Stelle deutlich zu machen.